Ralf Rangnick

Privater Kontakt zu den Spielern ist für mich als Trainer absolut undenkbar.

Fußballtrainer Ralf Rangnick (Hannover 96) über ein gutes Trainerumfeld, Wunschspieler, den Transfermarkt, die Spieler Jiri Kaufmann, Jan Simak und Jiri Stajner und was Lucky Luke mit der Bundesliga zu tun hat

Ralf Rangnick

© Hannover 96

Herr Rangnick, was macht einen guten Arbeitsplatz eines Bundesliga-Trainers aus? (Bernd aus Berenbostel)
Rangnick: Für mich macht einen guten Arbeitsplatz aus, dass ich eine Mannschaft habe, die bereit ist, die Ideen des Trainers mit umzusetzen. Auch ein gutes Umfeld ist nötig, also Präsident, Sportdirektor, die einem gute Arbeit ermöglichen, auch in Zeiten, in denen es sportlich vielleicht mal nicht so gut läuft. Diese Rückendeckung ist wichtig, die Chemie zwischen Trainer, Sportdirektor und Präsident muss stimmen. Dazu muss man sich auch sicher ein bisschen kennen, was in Hannover auch der Fall ist. Ich brauche auch einen guten Trainerstab drum herum. Denn heute kann ein Trainer alleine nichts mehr ausrichten. Dieser Mitarbeiterstab sollte natürlich möglichst ein harmonisches Bild abgeben, denn die Spieler sind sehr sensibel, wenn es in diesem Bereich irgendwelche atmosphärische Störungen gibt. Schließlich muss die Mannschaft und jeder im Club muss wissen, wer sportlich gesehen das Sagen hat, und da kann es nur einen geben. Für mich ganz entscheidend sind auch gute Trainingsbedingungen, eine gewisse Atmosphäre die das Trainingsgelände haben muss, da gibt es in Hannover noch ein bisschen Nachholbedarf. Darüber hinaus die Atmosphäre im Stadion, das ist mit einer der Gründe, wieso ich mich entschieden habe, nach Hannover zu gehen. Denn ich wusste, wenn wir einigermaßen attraktiven Fußball spielen werden, dass dann viele Zuschauer kommen werden. Ich könnte nie irgendwo arbeiten – selbst wenn man gut und erfolgreich spielen würde – wo es immer nur eine kleine begrenzte Zuschauerzahl gibt.

Hatten Sie irgendwann in der letzten Saison mit dem Gedanken gespielt, als Trainer bei Hannover 96 aufzuhören? Gab es Zweifel, oder hatten Sie immer volles Vertrauen in die Mannschaft? (Jenny Ruehmann aus Hannover)
Rangnick: Ich hatte in der letzten Saison eigentlich nie Zweifel daran, dass wir den Aufstieg schaffen. Nach den vier Wochen Trainingslager vor der Saison hatte ich das Gefühl, dass wir mit der Mannschaft ganz vorne mitspielen können. Dass uns das dann so souverän gelingen würde, hatte ich allerdings nicht erwartet.

Wie ist denn das Gefühl, wenn man eine Mannschaft nach 13 Jahren wieder in die erste Liga bringt?
Rangnick: Das war für uns ja schon ein bisschen komisch, weil wir schon mit dem Sieg gegen Waldhof Mannheim, das war das 6.-letzte Spiel, wussten, dass wir aufsteigen. Insofern haben wir nicht dieses Dramaturgie gehabt, wie bei einem Aufstieg am letzten oder vorletzten Spieltag. Es war natürlich schön auf der einen Seite, dass wir es so früh geschafft haben, andererseits hat dieses emotionale Ausnahmeerlebnis des einen entscheidenden Spiels gefehlt. Allerdings hatten wir dann im nächsten Spiel gegen Schweinfurt 05 44.000 Zuschauer, das haben manche Vereine in 10 Spielen zusammen nicht. Und es gab Aufstiegfeiern, einen Empfang im Rathaus und einen Autokorso – das waren schon sehr emotionale Stunden. Aber jetzt haben wir keine Zeit mehr, uns damit zu beschäftigen, das sind schöne Erinnerungen. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft wieder solche Dinge erleben können.

Wie realistisch sehen Sie den Klassenerhalt von Hannover 96 in der kommenden Saison? (André aus Rinteln)
Rangnick: Ich glaube, dass es in der ersten Liga sieben, acht Mannschaften gibt, die sind nicht viel besser als wir, wenn sie überhaupt besser sind. Von diesen acht Mannschaften werden drei absteigen und wir müssen sehen, dass wir drei hinter uns lassen. Das halte ich schon für möglich. Wir dürfen uns sicherlich nur wenige Fehler erlauben, sowie der Trainerstab als auch die Spieler selbst. Und wenn wir an den Dingen weiterarbeiten, an denen wir letzte Saison erfolgreich gearbeitet haben, dann denke ich, können wir es schaffen. Wenn wir diese Saison drin bleiben, dann würde ich sagen, sind wir ein zweites Mal aufgestiegen.

Auf welchem Tabellenplatz wird Hannover 96 am Ende der kommenden Saison stehen, was denken Sie?
Rangnick: Ich bin mit Platz 15 zufrieden.

Welchen Tabellenplatz trauen Sie denn Ihrem Team zu? (André aus Rinteln)
Rangnick: Ich traue dem Team auch Platz 11 oder 10 zu, dann würde man alle sieben oder acht Teams, die sich auf unserem Niveau bewegen, hinter uns lassen. Aber solche Prognosen dienen jetzt höchstens dem Selbstvertrauen. Wichtig ist, dass wir drei Mannschaften hinter uns lassen, und jede Mannschaft mehr ist dann ein Bonus.

Sind Sie der Meinung, dass man mit der vorhandnen Mannschaft auch in der 1.Bundesliga weiterhin so offensiven Fußball spielen muss wie in der Aufstiegssaison, um erfolgreich sein zu können? (Christian aus Sachsenhagen)
Rangnick: So offensiv können wir schon aufgrund der Qualität der anderen Mannschaften nicht mehr spielen. Aber das müssen wir auch nicht, wir müssen nicht 93 Tore wie in der letzten Saison schießen. Ich denke, wenn wir 53 oder 55 schießen und dabei vielleicht noch 40-45 kassieren, dann bleiben wir auf jeden Fall in der ersten Liga.

Reicht die spielerische Substanz der Mannschaft aus, um gegen das obere Drittel der Bundesliga mitzuhalten? (Tasso aus Berlin, Rudi Seipel aus Salt Lake City, Utah, USA)
Rangnick: Das sicher nicht, es muss aber auch nicht so sein. Das soll jetzt nicht heißen, dass wir nicht auch mal gegen Mannschaften wie Leverkusen, Schalke, Dortmund, Bayern oder Hertha punkten können. Das sind Zusatzpunkte, die wir dann holen. Wichtiger sind sicher die Spiele gegen die vorher erwähnten sieben, acht Mannschaften, die mit uns um den Klassenerhalt spielen.

Herr Rangnick, aus meiner Sicht war der unsicherste Mannschaftsteil in der Vergangenheit fast immer die Abwehr. Denken Sie, dass dieses Problem mit den Neuverpflichtungen in der kommenden Saison erledigt ist? (Torsten aus Hannover)
Rangnick: Ich kann die Meinung nicht teilen, dass das der unsicherste Mannschaftsteil war. Wir haben ja letzte Saison nicht nur die meisten Tore geschossen, sondern auch die wenigsten Tore kassiert. Für mich ist es auch nicht entscheidend, ob wir die Qualität der einzelnen Spieler in der Abwehr verbessert haben. Ich bin dagegen überzeugt, dass wir jeden Mannschaftsteil in der Breite verbessert haben, so auch die Abwehr. Durch Kai Oswald und Markus Schuler haben wir sicher noch zusätzliche Qualität gewonnen, das heißt wir können jetzt schon eher mal einen Ausfall in diesem Teil verkraften. Aber noch mal: für mich ist nicht entscheidend, wie gut die Abwehr per se ist, sondern wie gut wir als Mannschaft verteidigen. Und je weiter wir den Gegner vom Tor weg halten können, desto besser.

Haben Sie schon eine Anfangsformation für das erste Spiel in Hamburg im Kopf? (Thomas Klemm aus Wilhelmshaven)
Rangnick: Ich denke, wir haben jetzt nach dem Trainingslager 15, 16 Feldspieler die sich rauskristallisiert haben, von denen jeder durchaus berechtigte Hoffnungen hat. Nun wird sich durch die letzten Trainingseinheiten noch zeigen, wie wir spielen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wohl sieben Plätze schon klar, die anderen fünf, da kann es durchaus noch Veränderungen geben.

Wie schätzen Sie im Moment die Neuzugänge ein?
(Marc aus Hannover, Thomas Klemm aus Wilhelmshaven)

Rangnick: Zuerst muss ich sagen, dass sie zwischenmenschlich 100-prozentig zu uns passen, das hat sich auch im Trainingslager gezeigt. Jiri Stajner kann nur noch nicht richtig Deutsch und kann sich daher noch nicht richtig mit den anderen Spielern unterhalten außer mit Jiri Kaufmann, aber das wird sich in den nächsten Wochen legen. Die anderen Spieler sind komplett integriert. Klar ist aber auch, dass das Gerippe der Mannschaft die Aufstiegsmannschaft sein wird. Da gibt es auch keinen Grund, warum das anders sein sollte. Denn die Mannschaft hat so souverän letztes Jahr den Aufstieg geschafft, da werden nicht alle fünf Neuzugänge unter den ersten elf spielen. Ich denke eher, dass zwei oder drei der Neuzugänge unter den ersten elf sein werden, der Rest wird die Aufstiegsmannschaft sein.

Welche Defizite sind in der Mannschaft noch vorhanden? (Daniel.K aus Sarstedt)
Rangnick: Ich sehe momentan keine großen Defizite, die Mannschaft hat im Trainingslager hervorragend gearbeitet und sie hat sehr gute Testergebnisse erzielt. Wir haben gegen Neapel gewonnen, gegen Lazio Rom und Real Mallorca auch gewonnen und dabei nur ein Gegentor kassiert. Von daher kann ich nicht sagen, dass ich in einem bestimmten Bereich ein Defizit sehe. Aber Fußball ist ein Geschäft von Woche zu Woche, und das, was ich jetzt sage, kann in zwei Wochen schon wieder überholt sein. Deswegen müssen wir konsequent Tag für Tag an dem arbeiten, was wir uns unter Fußball vorstellen.

Erfordert der Weggang von Stürmer Jan Simak zu Bayer Leverkusen in Zukunft eine Systemumstellung? (Klaus aus Barsinghausen)
Rangnick: Nein, die Grundordnung bleibt die gleiche, wobei sich unser Spielstil durchaus ein bisschen ändern kann, da es einen gleichen Spieler wie Jan Simak auf dem Markt für uns nicht gibt. Selbst wenn es einen vergleichbaren Spieler auf dem Markt gegeben hätte, dann wäre das auch Bayer Leverkusen nicht entgangen. Insofern können wir Jan Simak nicht eins-zu-eins ersetzen, wir werden den Verlust mit den neuen Spielern und denen der Aufstiegsmannschaft kompensieren.

Fürchten Sie denn Jan Simak, wenn Ihre Mannschaft auf Bayer Leverkusen trifft? (Rolf aus Hannover)
Rangnick: Wir fürchten grundsätzlich bei keiner Mannschaft irgendeinen Spieler, denn wenn wir da anfangen würden, uns Gedanken drüber zu machen, welche guten Spieler in Dortmund, München oder Schalke spielen, dann bräuchten wir erst gar nicht anfangen zu spielen. Es gibt viele Mannschaften, die über exzellente Einzelspieler verfügen und Leverkusen hat mit Jan Simak einen weiteren hinzubekommen. Ich denke, wenn Jan Simak jetzt gegen uns spielt: unsere Spieler, die ihn jetzt schon zwei Jahre kennen, die kennen ihn ziemlich genau und wissen wo seine Stärken und wo seine Schwächen liegen. Von daher mache ich mir diesbezüglich keine Gedanken.

Zitiert

Jeder im Club muss wissen, wer sportlich gesehen das Sagen hat, und da kann es nur einen geben.

Ralf Rangnick

Sind Sie denn eigentlich enttäuscht über das gesamte Verhallten von Jan Simak in der Vergangenheit? (Marcus aus Lehrte/Hannover)
Rangnick: Ich denke, in den Monaten von Dezember bis Juni sind so viele Dinge passiert, die rational nicht erklärbar sind, aber das ist für beide Seiten jetzt Geschichte. Er hat gewechselt und verdient jetzt viel Geld, das war ein Punkt, worum es ihm ging. Und er kann jetzt international spielen. Wir haben dafür neue gute Spieler verpflichten können. Wir haben insofern eine Situation, mit der beide Seiten leben können. Es war sicherlich unnötig, dass man über sieben Monate dieses Theater inszeniert hat, aber das lag nicht an uns, da haben andere Leute am Rad gedreht. Es gab aber am Ende auch keine Alternative, das muss man ganz klar sehen. Wenn wir diesen Transfer zu Leverkusen blockiert hätten, dann hätte ich mich in die komplette Abhängigkeit von Jan Simak und seinem Beraterstab begeben, wir hätten keinen weiteren Spieler neuverpflichten können und wir hätten einen Spieler gehabt, der sich beklagt hätte, dass wir ihm eine große Chance verbaut haben – dieses Risiko wäre unverantwortlich gewesen.

Viele Erst- und Zweitliga-Clubs bilden regelmäßig sehr gute Spieler aus, die sich profilieren, viel Beachtung finden und in dem Moment, wo sie am stärksten sind, von den großen Vereinen abgeworben und abgekauft werden. Haben Sie Angst, dass auch Ihnen in Zukunft bei Hannover 96 die Spieler so abhanden kommen?
Rangnick: Das ist doch normal. Das geht ja jedem anderen Verein in der Bundesliga genauso, es sei denn, man gehört zu den ersten fünf. Selbst Leverkusen kann seine Topspieler nicht halten, wenn Bayern München Interesse bekundet. Entscheidend ist nur, dass man mit dem Geld, was man für den jeweiligen Spieler bekommt, für adäquaten Ersatz sorgen kann. Und ich denke, das haben wir ganz gut geschafft, mit unseren Neuen. Nebenbei gesagt: wir haben von der Summe, die wir durch den Verkauf von Simak bekommen haben, erst drei Viertel ausgegeben. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, sollten wir im Laufe der Saison merken, dass es irgendwo noch ein bisschen hakt, darauf zu reagieren.
Und diese Angst, dass die guten Spieler weggekauft werden – ja, die hat man höchstens dann nicht mehr, wenn man Trainer einer der 20 Top-Clubs Europas ist.

Aber das schließt ja eigentlich die Möglichkeit aus, dass ein Spieler auch mal stolz bei seiner Mannschaft bleibt, weil er sich vielleicht mit dem Team verbunden fühlt, in der Region geboren ist oder ähnliches. Er geht also immer dahin, wo es die höchste Gage gibt.
Rangnick: Das ist sicherlich ein Motiv, es gibt aber durchaus auch andere Motive, die ich nachvollziehen kann. Zum Beispiel, wenn ein Sportler sieht, dass er woanders die Möglichkeit hat, sich auf höherem Niveau weiterzuentwickeln.

Was erwarten Sie denn von Jiri Kaufman in der anstehenden Saison? (Christian Jekat aus Ronnenberg)
Rangnick: Jiri Kaufmann hat in der ersten Hälfte der Zweitliga-Saison ein starkes Spiel gemacht mit viele Toren. Dann hat er sich verletzt und für ihn kam Conor Casey in die Mannschaft, der eigentlich genauso erfolgreich gespielt hat. Daher gab es keinen Grund den Conor Casey wieder rauszunehmen. Jetzt kommen mit Blaise Nkufo und Jiri Stajner noch mal zwei Spieler hinzu, die auch vorne spielen können, dazu noch Mohamadou Idrissou. Und jetzt muss sich Jiri Kaufmann noch mehr als letztes Jahr darum bemühen, dass er in die Mannschaft hineinkommt. Das Zeug dazu hat er, er muss nur aus meiner Sicht noch robuster werden, sowohl körperlich als auch mental.

Wird Jiri Kaufman immer in der Startelf Spielen? (Manuela aus Hannover)
Rangnick: Das weiß ich nicht. Es ist theoretisch möglich, aber dazu muss in Sachen Robustheit, Athletik und Körperbetontheit noch zulegen. Da geht es in der 1.Bundesliga schon mal ein bisschen anders zu. Ich will nicht sagen, die Abwehrspieler spielen manchmal mit unerlaubten Mitteln, aber es ist oft schon hart an der Grenze des Erlaubten. Da muss Jiri insgesamt sicher noch robuster werden.

Was war der Grund, dass Sie sich für den Kauf von Stajner entschieden haben? (Thomas Menck aus Hannover, Andreas Schulze aus Hannover)
Rangnick: Zu dem Thema lassen Sie mich einfach nur eins sagen: wir haben für Stajner genau die Hälfte dessen investiert, was wir für Simak bekommen haben. Wir haben im Prinzip, wenn man es finanziell betrachtet, einen halben Jan Simak verpflichtet. Selbst wenn er jetzt nur ein bisschen mehr als halb so gut ist wie Jan Simak, dann haben wir alles richtig gemacht. Jan Simak, als er nach Hannover kam, hatte am Anfang massive Probleme mit der Integration, sowohl mit der Sprache als auch sportlich. Stajner müssen wir auch diese Zeit geben – jedem Politiker gibt man 100 Tage, so viel nehme ich auch für einen Fußballspieler in Anspruch. Diese Zeit muss man ihm geben, damit er sich hier wohlfühlt. Ich bin überzeugt, dass wir spätestens nach dieser Zeit an Jiri Stajner noch viel Freude haben werden.
Als Jan Simak weg war, da war uns ja klar, dass wir ihn auf irgendeine Weise ersetzen müssen – das haben wir nun mit Jiri Stajner getan.

Wie schätzen Sie im Moment Björn Lindemanns Leistungsvermögen ein? (Kai Arpke aus Wiedensahl)
Rangnick: Björn Lindemann ist eine Talent, das lernen muss, als Fußballprofi zu leben.

Wie waren denn die Erfahrungen der letzten Wochen mit ihm?
Rangnick: Genau so, dass er das immer noch lernen muss, dass er noch Nachholbedarf hat in diesem Bereich. Aber dazu sind wir ja da, Trainer und Mitspieler, um ihm das beizubringen. Aber eins ist auch klar, wenn ich in vier, fünf Monaten immer noch nicht den Eindruck habe, dass er es kapiert hat, dann ist er genauso schnell wieder bei den Amateuren, wie wir ihn jetzt hochgeholt haben.

Markus Dworrak, Clemens Fritz und Marco Engelhardt waren für die neue Saison Ihre Wunschspieler. Was hat Sie aber dazu bewogen, diese Leute fallen zu lassen? (Jürgen Franke aus Leer)
Rangnick: Wir haben sie nicht fallengelassen. Wir hatten sogar mit den Spielern Einigungen, aber mit den jeweiligen Vereinen keine Einigungen erzielen können, weil die völlig unrealistische Ablöseforderungen gestellt haben. Aus dem Grund haben wir die Spieler leider nicht verpflichten können. Ich hätte gerne alle drei Spieler nach Hannover geholt, die hätten uns auch sehr gut zu Gesichte gestanden, aber die Forderungen der Clubs waren so hoch, dass wir sie, auch infolge der Kirch-Pleite, nicht bezahlen konnten.

Wenn man sich die Liste der Neu-Einkäufe anguckt, dann findet man kaum Spieler darunter, die schon Bundesligaerfahrung haben. Was trauen Sie diesem "unerfahrenen" Team zu? Und setzen Sie nur noch auf junge Spieler? (Dennis aus Hainholz/Hannover, Locke aus Mitrovica/Kosovo)
Rangnick: Dem Team traue ich genauso viel zu, wie man ihm letzte Saison zugetraut hat. Fans und sogenannte Experten haben dem Team damals den 10.Platz in der zweiten Liga zugetraut. Am Ende waren wir aber erster und haben alle Rekorde gebrochen. Wir haben die meisten Tore geschossen, am wenigsten kassiert und die meisten Punkte erzielt, die jemals eine Mannschaft in der zweiten Liga geholt hat. In der kommenden Saison ist das die gleiche Mannschaft, minus Simak plus Neuzugänge – ich traue dem Team also zu, dass es auch in dieser Saison alle Experten-Meinungen widerlegt.
Was die Erfahrung der Spieler anbelangt: Wir haben Spieler geholt, die die gleiche Entwicklungsstufe haben, wie unser Club. Ich halte überhaupt nichts davon, irgendwelche Spieler zu holen, die nur deshalb nach Hannover kommen, weil es dort so etwas wie ein Gnadenbrot gibt und man das dann aber nach außen hin so verkauft, als hätten wir die Spieler geholt, weil sie viel Erfahrung haben. Ich glaube ganz stark, dass gerade unsere Mannschaft keine Spieler verträgt, die kommen und uns allen dann erzählen wollen, dass wir ja eigentlich völligen Blödsinn machen im Training weill sie es in den letzten 15 Jahren in ihren Clubs ganz anders kennen gelernt haben.
Ich glaube vielmehr, dass wir Spieler brauchen, deren allgemeiner Entwicklungsstand mit dem Entwicklungsstand von Hannover 96, konform geht. Wir sind auf dem Weg nach oben, wir wollen nach oben und wir wollen Spieler, die ebenfalls nach oben wollen. Wir wollen also keine Spieler, die auf ihrer Karrierekurve schon wieder auf dem Weg nach unten sind. Außerdem haben wir gar nicht so junge Spieler geholt: Blaise Nkufo ist 27, Jiri Stajner ist mittlerweile auch schon 26 – das sind Spieler im besten Fußballeralter. Und der Jiri Stajner, der hat jetzt schon zwei Jahre in der Tschechischen Bundesliga gespielt und letztes Jahr über zehn Europapokaleinsätze gehabt – so unerfahren ist der nicht.

Wird man in Zukunft jungen Leuten aus dem eigenen Vereins-Nachwuchs eine Chance geben oder eher auf dem Transfermarkt tätig werden? (Markus aus Hameln, Marc aus Hannover)
Rangnick: Wir sind ja auf dem Transfermarkt tätig geworden. Dass man in den nächsten zwei, drei Jahren auch Spieler aus den eigenen Reihen bei den Profis integriert, dass wäre natürlich erstrebenswert, davon sind wir im Moment aber noch ein gehöriges Maß entfernt. Langfristig ist es unsere Aufgabe, zusammen mit den Jugend- und Amateurtrainern dafür zu sorgen diesen Abstand zu verringern. Allerdings dadurch, dass die Amateure dieses Jahr immer noch nicht aufgestiegen sind, ist der Abstand immer noch viel zu groß.

Was denken Sie über uns Fans, Herr Rangnick? (Gerrit aus Springe)
Rangnick: Hannover 96 hat die besten Fans, die ich bisher als Trainer kennen gelernt habe. Es gibt eine extrem hohe Identifikation zwischen dem Verein und den Fans, aber auch insgesamt den ganzen Einwohnern der Stadt. Ich habe von Anfang an das Gefühl gehabt, dass hier eigentlich eine gesamte Stadt, eine ganze Region mit dem Verein mitfiebert. Das ist ein phantastisches Gefühl, aber auch eine große Verpflichtung die wir haben, diese Fans in Zukunft nicht zu enttäuschen. Ich denke, solange wir Fußball zeigen, der eine Mischung ist aus Spaß, Disziplin, Ernsthaftigkeit, aber auch Spielfreude – solange werden die Fans uns auch ein Spiel verzeihen, dass vielleicht nicht so erfolgreich abläuft oder auch mal eine Reihe von Spielen, wo wir nicht gewinnen. Für uns ist natürlich wichtig, dass die Fans auch in dieser Saison unser 12. Mann sind, der es vor allem bei den Heimspielen immer wieder schafft, dafür zu sorgen, dass die Gegner nicht gerne in Hannover spielen. Wobei ich mir wünsche, dass unsere Fans unsere Mannschaft anfeuern, so originell und kreativ wie möglich unterstützen, aber den Gegner dabei möglichst nicht verunglimpfen.

Mit dem Aufstieg in die 1.Bundesliga sind die Eintrittpreise ins Stadion gestiegen, zwischen 20% und angeblich 100%. Wird den Fans hier nicht zu viel Geld abverlangt? (Michael aus Despetal, Olly Boeijen aus Hannover)
Rangnick: Dafür bin ich der falsche Ansprechpartner, ich bestimme ja nicht über diese Preispolitik, die Frage müsste an unseren Präsidenten Martin Kind gerichtet werden. Ich kann nur sagen, dass man die jetzigen Preise nicht im Vergleich zu den Preisen der letzten Saison sehen sollte, sondern eher zu den Preisen in den anderen Erstliga-Stadien sehen. Und da hat mir unser Marketing-Chef versichert, dass wir mit unseren Preisen immer noch im unteren Drittel angesiedelt sind. Soweit ich weiß, war ein Argument für die Preiserhöhung, dass wir ab 2003 für zwei Jahre nur die halbe Zuschauerkapazität haben aufgrund des Stadionumbaus. Daher muss man sehen, dass man sich im Voraus ein bisschen Speck ansammelt für diese bestimmt harten zwei Jahre.

Was muss Ihrer Meinung nach im Umfeld von Hannover 96 getan werden, damit auf Dauer 1.Liga Fußball drin ist? (Mario Fäseke aus Hannover, Ahlem)
Rangnick: Die Geschäftsaktivitäten müssen sicherlich wachsen. Wir haben mit Marco Schindelhauer und Ricardo Moar sowohl für den Marketing-Bereich, als auch für den sportlichen Bereich zwei gute neue Leute hinzubekommen und die werden jetzt Stück für Stück dafür sorgen, dass der gesamte Backoffice-Bereich mitwachsen kann. Alles andere, was mich im sportlichen Bereich interessiert, ist die Qualität der Mannschaft und Qualität der Trainingsbedingungen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, in die ein Verein investieren kann: das eine ist die Qualität der Mannschaft, die steht über allem. Das zweite sind Investitionen in strukturelle Dinge wie Trainingsgelände, eigenes Vereinsheim usw. Da hat man in den letzten 100 Jahren bei Hannover außer Schulden überhaupt nichts angesammelt. Es gibt kein vereinseigenes Clubheim, keine vereinseigene Trainingsanlagen, es gibt eigentlich so gut wie gar nichts, was dem Verein gehört. Wir müssen Schritt für Schritt da hinkommen, dass man irgendwann sagen kann, der Verein hat dieses und jenes an Vereinseigentum in den letzten Jahren sich selbst angeschafft. Ich denke, man muss also langfristig in den Verein investieren, aber dann auch mal ein paar Euro in einen Spieler wie Stajner investieren.

Haben Sie zu einigen Spielern oder Kollegen auch privaten Kontakt? (Dirk aus Hannover)
Rangnick: Privater Kontakt zu den Spielern, das ist für mich als Trainer absolut undenkbar, das verbietet sich einfach. Ich habe ein gutes enges Verhältnis zu den Spielern, aber du kannst keine privaten Kontakte zu Spielern pflegen, wenn du im Leistungssport Trainer bist.
Mit Trainerkollegen gehen wir regelmäßig essen, manchmal auch mit den Frauen, aber auch dieser Bereich ist vom geschäftlichen zu trennen. Ich verstehe mich mit allen meinen Trainerkollegen sehr gut und uns verbindet auch so etwas wie eine Trainerfreundschaft. Aber das führt nicht dazu, dass man sich immer kritiklos gegenübersteht. Es gehört sich ja auch unter Freunden, dass man sich in einer Sache immer wieder auch kritisch betrachtet. So verhalte ich mich meinen Mitarbeitern gegenüber und genauso erwarte ich dieses Verhalten von meinen Mitarbeitern.

Würden Sie gerne Bundestrainer werden? (Niels Neugebauer aus Breckerfeld)
Rangnick: Ich möchte das nicht werden, egal ob in Deutschland oder anderswo, momentan wäre das für mich überhaupt kein Reiz. Denn was mich an meinem jetzigen Beruf am meisten reizt ist die tägliche Arbeit mit den Spielern und der Mannschaft. Zu sehen, wie sich da etwas entwickelt, das kann ich nur, wenn ich mit der Mannschaft im täglichen Geschäft zusammenarbeite. Als Nationaltrainer sehe ich die Spieler monatelang gar nicht und habe sie dann nur fünf oder sechs Tage um mich herum. Vielleicht reizt mich der Job, wenn ich 55 bin oder 60, aber bis dahin ist es ja noch eine Weile hin.

Welchen Titel möchten Sie in Ihrer Trainerkarriere unbedingt gewinnen? (Paulito aus Hannover)
Rangnick: Keine Ahnung, ob es mir irgendwann mal vergönnt ist, eine Mannschaft zu trainieren, die den Titel gewinnen kann. Aber natürlich, jeder Trainer träumt davon, einmal mit Top-Spielern zu arbeiten. So etwas kommt oder kommt nicht, das muss man sich auch Stück für Stück erarbeiten. Momentan bin ich in Hannover und ich bin mit der Mannschaft sehr zufrieden.

Schlussfrage: Das Leben ist eine Comic, welche Comic-Figur sind Sie?
Rangnick: (lacht) Es gibt viele Comic-Figuren, die mich interessieren. Asterix ist sicherlich eine Figur, die mir immer imponiert hat, dieser Kleine, der mittels Zaubertrank immer wieder die ganz Großen geärgert hat. Ich finde auch, Lucky Luke ist jemand, der ein bisschen tollpatschig wirkt, aber trotzdem mit seiner Lockerheit und Cleverness eigentlich immer die Oberhand behält. Es gibt bei beiden etwas, wo ich sage, da kann ich ein bisschen etwas von dem entdecken, was unsere Arbeit bei Hannover 96 angeht. Auch, dass man nicht immer alles so ernst und verbissen sehen soll. Locker zu bleiben wie Lucky Luke, ich denke, das hat auch in der Bundesliga seine Vorteile.

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