Reamonn

Nur wenn du auf dein Werk stolz sein kannst, prallt Kritik an dir ab.

Rea Garvey von Reamonn über Höhen und Tiefen der Band, Musikbegeisterung in Irland und die Mentalität seiner deutschen Bandkollegen

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© P.R.Brown/BAU-DA DESIGN LAB

Rea, deine Band Reamonn existiert seit zehn Jahren, genauer gesagt seit du in einer deutschen Lokalzeitung eine Such-Anzeige "Sänger sucht Band für Platte und Tour" aufgegeben hast. Was für Erwartungen hattest du damals an das Projekt? Dass die Band ein so großes Ding werden würde, war ja nicht unbedingt zu erwarten…
Garvey: Nein, überhaupt nicht. Als Musiker setzt man sich greifbare Ziele wie tolle Musik zu schreiben oder einen Plattenvertrag zu bekommen. Dass wir soviel erreichen würden, konnte ich mir nicht vorstellen. Es war bei mir nicht so wie bei Oasis, die von Anfang an sagten, dass sie super erfolgreich sein werden. Als wir damals mit „Supergirl“ auf Platz 74 in den Charts waren, war das schon ein absoluter Höhepunkt für mich. Ich als Ire war hier in Deutschland und plötzlich in den Charts. So was war für uns lange unvorstellbar und es weckte unseren Ehrgeiz, darum zu kämpfen, immer oben und erfolgreich zu bleiben. Wir haben da richtig Bock drauf und sind immer noch bereit dafür alles zu geben. Diese Bereitschaft ist die Voraussetzung für alles. Ich habe mein Land, meine Familie, meinen Freundeskreis verlassen, um diesem Traum zu folgen. Das war ein Riesenverlust, für einen umso höheren Gewinn. Ich glaube für die Erfüllung seiner Träume muss man Verluste erleiden.

Wieso glaubtest du, dass du eher in Deutschland als in Irland erfolgreich sein kannst?
Garvey: Ich war mir überhaupt nicht sicher. Aber ich dachte mir, wenn es klappen soll, dann eher in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern, als in einem mit dreieinhalb, von denen die Hälfte auch noch selbst Musiker sind.

In Irland vereint das Musizieren im Pub jung und alt in der Kneipe an der Ecke, wo ein Musiker seine Gitarre in den fest installierten Verstärker stöpselt, loslegt und alle in der Kneipe mitmachen. In Deutschland gibt es keinen solchen Ort.  Fehlt dir dieses Element in der deutschen Musikszene?
Garvey: Total. Aber man muss immer abwägen, was einem fehlt und was man machen will. Natürlich wäre ich gerne öfter zu Hause in Irland, die Popkultur dort ist die beste der Welt, keine Frage. Darin kann man sich verlieben. Dennoch glaube ich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wer von zu Hause weggeht muss sich selbst finden und für sich selbst kämpfen. Nur so entdeckt man, was man will. Wäre ich mit 17 zu Universal Music gegangen, hätte das keinen Sinn gemacht. Es ist meine Art, abzutauchen in das, was ich nicht verstehe und es so zu lernen, auch aus den eigenen Fehlern zu lernen.
Genau so haben wir auch die aktuelle Platte gemacht. Die ist genau so geworden, wie wir klingen wollen, aber dafür mussten wir einige der schwierigsten Momente als Band überhaupt durchmachen.

Was sind das für Schwierigkeiten, wie durchlebt eine Band Tiefen?
Garvey: Musik machen bedeutet mit fünf Menschen zusammen zu arbeiten, zu denen irgendwann auch noch der Produzent kommt. Da kommt man sich zwangsläufig in die Quere, weil die Geschmäcker verschieden sind oder ein Stück vielleicht auch mal nicht so gut ist, wie der andere denkt, dass es ist. Es ist unheimlich schwierig ein Level zu erreichen, um darüber sprechen zu können, schließlich willst du niemand beleidigen. Aber dir ist die Musik zu wichtig und als Band musst du diesen gesunden Streit überleben. Es ist wichtig, sich um die Musik zu streiten und um sie zu kämpfen. Es darf aber keine Ego-Spiele geben. Manchmal erreichst du dabei einen Punkt, an dem du sagst: Genial, nach dem Streit war das die richtige Entscheidung.

Der Moment, in dem alle mit dem Song zufrieden sind, lässt einen alle zurückliegenden Streitereien vergessen?
Garvey: Absolut! Du musst die Musik hören können, ohne auch nur an einer Stelle ein ungutes Gefühl im Magen zu haben. Unser Ziel war eine Platte, auf der es nur potentielle Singles gibt. Um das zu erreichen, waren wir bis zum letzten Tag im Studio und haben an den Songs gefeilt. So musst du arbeiten, um an deine Platte glauben zu können – und du musst an deine Platte glauben, wenn du mit ihr in die Welt hinausziehst. Nur wenn du auf dein Werk stolz sein kannst, prallt Kritik an dir ab.

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Ich glaube für die Erfüllung seiner Träume muss man Verluste erleiden.

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Du hast mal gesagt „Viele Bands stehen in ihrer Karriere an einem Punkt, an dem sie die Füße hochlegen und nicht weiterkommen. Wir kennen diese Versuchung, geben uns ihr aber nie hin.” Gehört es für dich also dazu bis zuletzt weiterzuarbeiten?
Garvey: Das muss man. Aber das geht nicht ewig so weiter. Irgendwann ist eine Band an dem Punkt, dass sie eine Pause braucht. Bei uns wird es diesen Punkt sicher auch bald geben. Drückst du eine Zitrone aus, kommt irgendwann nichts mehr heraus. Lässt du sie aber los und atmen, kannst du wieder pressen und es kommt auch wieder etwas.

Ein musizierender Ire, der sich in Süddeutschland eine Band sucht, um anschließend Europa zu erobern… An welchen Stellen sind die unterschiedlichen Mentalitäten aufeinander getroffen?
Garvey: Rückblickend fällt mir eine Geschichte ein: Ich hab ein Wohnmobil für die Band gekauft um unsere Instrumente zu transportieren. Wir konnten uns keinen LKW leisten, aber ein gebrauchtes Wohnmobil war drin. Dazu mussten wir die Innenausstattung ändern. Die Jungs sind sofort zum Baumarkt gefahren, haben dort Holz gekauft und das Teil umgebaut. In Irland hätte es zwei Jahre gedauert, bis drinnen alles kaputt gewesen wäre. In Deutschland dauerte es genau 24 Stunden. Hier war ich mit einem ‚Alles ist machbar’ konfrontiert, während du in Irland auf ein besorgtes ‚Nichts wird funktionieren’ triffst. Weil so wenige der sehr vielen Musiker erfolgreich sind. Hier ist alles sehr professionell.

Also blickt der Ire einem erfolgreichen Musikerdasein wie einem Lotto-Gewinn entgegen…
Garvey: Absolut. Aber der Unterschied ist, dass du in Deutschland auf einen Vierer oder Fünfer hinarbeitest, vergleichbar mit einem nationalen Erfolg, der dir reicht. In dem kleinen Land Irland ist das ein bisschen schwieriger. Wenn du dort erfolgreich bist, heißt das noch nicht, dass du davon leben kannst. Aber die, die es dort eben schaffen sind meistens auch so gut, dass sie den internationalen Durchbruch schaffen. Ein so kleines Land, das Bands wie U2, The Corrs, Boyzone oder van Morrison hervorbringt. Um da erfolgreich zu sein, hast du einen Kampf hinter dir, in dem du alles geopfert hast.

Fazit: Wer Irland rockt, öffnet sich damit die Tür zu England und damit in die ganze Welt?
Garvey: Ja. In England beobachten sie die irische Musikszene sehr genau. Im Gegensatz dazu gibt es in Deutschland viele Bands, die zehn oder 15 Jahre keinen großen Erfolg haben, denen das aber auch egal ist. In Irland willst du nach oben. Du willst die Arenen spielen. Dort stehen meine Helden – dort will ich auch stehen.

Aber wenn du erfolgreich sein wolltest, wieso bist du dann am Anfang in die süddeutsche Provinz und nicht in eine der Großstädte gezogen?
Garvey: Naja, erst mal bin ich als Merchandiser mit anderen Bands auf Tour gegangen. Als die Zeit zu Ende war zog ich zu einer Freundin nach Illmensee, weil die eben dort gewohnt hat. Eine eigene Wohnung konnte ich mir nicht leisten. Daraus wurden dann einige Monate, in denen ich auch die Jungs kennen lernte und später bin ich nach Freiburg in eine WG gezogen… Mit den Jungs verbindet mich aus dieser Zeit, dass ein ‚Nein’ für uns nicht existiert. Will uns jemand erzählen, dass etwas nicht geht, sagen wir: „Doch, das geht.“ –  und ziehen unseren Willen durch, weil es uns zu wichtig ist.

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