Herr Pape, auf Ihrer CD „Gods, Kings & Demons“ singen Sie auf fünf verschiedenen Sprachen, welche sprechen Sie davon?
Pape: Meine Muttersprache.
Wie viel muss man sich mit Sprache beschäftigen, wenn man Oper singt?
Pape: Man sollte schon ein gewisses Verständnis für die verschiedenen Sprachen haben, auch ein gewisses Talent. Ich hatte nicht die Chance, in Italien oder Frankreich zu studieren. Insofern brauche ich schon eine gewisse Vorbereitung und Coachings.
Und danach weiß man bei jeder Phrase, welcher deutsche Satz dahinter steckt?
Pape: Mehr oder weniger sollte man das.
Gibt es eine Sprache, die Opernsänger bevorzugt untereinander sprechen?
Pape: Englisch. Viele sprechen auch Italienisch untereinander, weil sie einfach viel italienisch singen oder in Italien studiert haben. Doch meistens wird Englisch gesprochen.
Und im übertragenen Sinne, gibt es eine Sprache, auf die sich alle Opernsänger verstehen?
Pape: Die musikalische natürlich. Wenn man aus zwei verschiedenen Ländern kommt, in New York zusammen Wagner macht, dann ist da zuerst die Musik.
Ich meinte mehr die Frage, ob es bestimmte Charaktereigenschaften gibt…
Pape: Wir kommunizieren nicht über Charaktereigenschaften.
…Charaktereigenschaften, die für Opernsänger typisch sind?
Pape: Wir sind normale Menschen, mit normalen Neigungen, wir sind normal verrückt. Wir treffen uns vielleicht einmal im Jahr, man fragt, wie es dem Hund geht, wie es der Frau oder dem Mann und den Kindern geht. Wir kommunizieren ganz normal, wie alle anderen Menschen auch.
Keine Charakterzüge, die dieser Beruf besonders herausbildet?
Pape: Würde ich nicht sagen. Wir sind halt Musiker, wir sind auch Schauspieler, wir stehen abends auf der Bühne und versuchen, Menschen glücklich zu machen, ihnen eine Geschichte zu erzählen – aber wir sind nicht anders als andere Menschen.
Ich denke mir nur, wenn man schon mit 27 vor dem Publikum der Salzburger Festspiele den „Sarastro“ singt, was macht das mit der eigenen Person?
Pape: Es macht mit mir überhaupt nichts, es verändert mich nicht. Sicher, Erfolg kann einem zu Kopf steigen, aber es ist immer alles relativ. Wir sind am Abend auf der Bühne, versuchen, 500-4000 Leute glücklich zu machen und denen etwas mit nach Hause zu geben. Und wenn man Erfolg hat, Beifall oder gute Kritiken bekommt, dann weiß man, dass man etwas richtig gemacht hat, dass man auf dem richtigen Weg ist. Bei manchen kippt es vielleicht in eine bestimmte Richtung, bei den anderen hilft es aber in der Persönlichkeitsentwicklung.
Inwiefern?
Pape: Wenn man mit 25, 26 solche Partien an solchen – gehobenen – Orten singt, wenn man auf der Bühne der Salzburger Festspiele steht, hat man natürlich eine größere Verantwortung als meinetwegen am Landestheater Sachsen. Und in die wächst man hinein.
Schaut man sich Ihre Kritiken an, findet man fast nur Lobeshymnen. Gab es eigentlich auch schlechte Kritiken?
Pape: Ja, sicher, man kann es ja nie allen recht machen, schon gar nicht den Kritikern. Und Wenn man es dem einen oder anderen Kritiker nicht recht machen kann, dann ist das seine subjektive Meinung. Man liest sich das durch, ärgert sich vielleicht eine Minute oder fragt sich, was das jetzt soll, ob der da was falsch verstanden hat – aber ich falle nicht um, wenn ich mal nicht gelobt werde.
Was gibt es für Kritikpunkte?
Pape: Ach, den einen stört mein Spiel, den anderen mein Alter, den dritten meine Art des Singens – da gebe ich nichts drauf.
Kritisieren sich Sänger bei einer Opernproduktion auch untereinander?
Pape: Das kommt drauf an, was für ein Verhältnis man untereinander hat. Von befreundeten Kollegen hört man sich auch eine Kritik an, man gibt sich Tipps und Hinweise, das ist eigentlich normal. Bei Kollegen, mit denen man weniger oft und weniger privat zu tun hat, lässt man das eigentlich sein. Dafür sind andere da.
Im Herbst 2008 erscheint die CD „Gods, Kings & Demons“, auf der Sie erstmals alleine zu sehen sind, als Solo-Künstler. Ist das für Sie noch etwas besonderes?
Pape: Die CD ist etwas besonderes, weil es meine erste wirkliche Solo-CD ist. Natürlich ist das etwas besonderes und ich freue mich, dass das zustande gekommen ist. Und ich hoffe, dass es gut ankommt.
Sie haben 2003 den Liederzyklus „Mein Herz brennt“ von Torsten Rasch (nach Texten von Rammstein) gesungen. Haben Sie seit dem noch mal zeitgenössische Musik aufgeführt?
Pape: Nein.
Keine Angebote?
Pape: Ich bin da sehr vorsichtig. Die Rammstein-Sache war eine Ausnahme, weil ich die Beteiligten persönlich kenne, mit Torsten Rasch war ich im Chor, von daher gab es sowieso schon eine Verbindung untereinander.
Wenn etwas in der Art, wiederkommt, dann muss man sich das anschauen und überlegen, ob es das wert ist, sich da wirklich reinzuknien. Es kommen natürlich auch Angebote von Komponisten, die denken, sie müssten einen Liederzyklus oder irgendetwas Besonderes für mich schreiben – aber da bin ich eher skeptisch.
Ihr Opern-Kollege Rolando Villazón sagte uns in einem Interview, zeitgenössische Musik gleiche heute immer mehr einer intellektuellen Übung. Sehen Sie das auch so?
Pape: Da ist schon was dran, klar. Es gibt zeitgenössische Musik, die wirklich einen hohen Anspruch hat, die interessant und fantastisch zu musizieren ist. Aber es gibt viel, viel mehr zeitgenössische Musik, die einfach nicht nachvollziehbar ist, die nicht singbar ist, die nicht im Gehirn bleibt. Wo die Melodien nicht haften bleiben, wenn es denn welche gibt. Und da bin ich dann wirklich kein Verfechter von zeitgenössischer Musik.
Was meinen Sie, warum schreiben Komponisten so?
Pape: Weil sie denken, sie müssten das Rad noch mal neu erfinden. Das ist ähnlich wie in der zeitgenössischen Kunst. Da tut es nur nicht so weh.
Inwiefern muss man als Opernsänger eine Rolle immer wieder neu erfinden?
Pape: Neu erfinden wäre das falsche Wort. Ich würde sagen, eine Veränderung passiert ganz automatisch, weil die Stimme sich ja im Laufe einer Karriere auch weiterentwickelt, das Timbre verändert sich. Den Sarastro zum Beispiel habe ich mit 27 anders gesungen als ich ihn jetzt singe. Oder den Rocco mit 30 anders als heute – das ist natürlich ein Prozess. Nicht nur stimmlich, sondern auch vom Charakter her. Man verändert sich, man hat eine andere Sichtweise, man bringt Erfahrungen aus früheren Produktionen mit ein – das ist immer ein Prozess.
Jede Oper verträgt eine moderne Inszenierung. Als sie geschrieben wurde, wurde sie ja auch ‚modern’ inszeniert, in ihrer Zeit.
Nun versuchen fast alle Regisseure, Opern immer wieder neu zu erfinden. Haben Sie als Sänger eigentlich Einfluss auf eine Inszenierung? Haben Sie einen Spielraum?
Pape: Das sollte so sein, ja. Bis jetzt ist es mir eigentlich auch immer gelungen, mit Einfluss zu nehmen. Ohne dass ich jetzt das Grundkonzept des Regisseurs verändern will, das ist auch nicht meine Aufgabe.
Stößt diese Einflussnahme bei den Regisseuren denn immer auf Gegenliebe?
Pape: Es gibt Regisseure, die das einfach nicht zulassen. Mit denen arbeite ich dann einmal und danach nie wieder. Das kann ich mir inzwischen schon raussuchen. Ich kann zwar nicht bestimmen und einem Opernhaus vorschreiben, mit welchem Regisseur ich arbeiten will. Aber wenn ich mit einem schon mal schlechte Erfahrung gemacht habe, die Chemie nicht gestimmt hat, dann muss ich mir das nicht noch mal antun. Da sage ich dann lieber Nein.
Sind alle Solisten so aktiv bei der Mitgestaltung?
Pape: Da gibt es Unterschiede. Es gibt Kollegen, die das einfach mit sich geschehen lassen und sich dann hinterher, nach den Proben aufregen und schimpfen. Viele Kollegen versuchen aber auch aktiv in den Prozess mit einzusteigen oder einzugreifen. Letztendlich stehst du ja am Abend auf der Bühne, nicht der Regisseur. Du musst das ja spielen. Insofern muss das auch mit deiner körperlichen Verfassung, mit deiner Vorstellung konform gehen. Man kann nichts spielen, was man nicht spielen will – wenn es denn was zu spielen gibt. Schließlich gibt es Regisseure, bei denen ist man nur Hampelmännchen.
Bei einigen Inszenierungen, in denen Sie zuletzt gesungen haben, wurde in puncto Bühnenbild und Kostümen dick aufgetragen. Manchmal zu dick?
Pape: Bei manchen Inszenierungen finde ich es einfach stimmig, da passt das. Aber es gibt genauso Inszenierungen, wo man zu viel Kostüm, zu viel Farbe, zu viel plakative Bühnenbilder hat – doch da kann ich als Sänger nicht in jeden Prozess eingreifen.
Auf der anderen Seite bringt das natürlich auch Diskussionsstoff, dem einen gefällt es, dem anderen gefällt es überhaupt nicht. Das ist Kunst, das ist ein Prozess, der immer wieder Reibungen erzeugt – wenn alles auf der gleichen ästhetischen Schiene stattfinden würde, würde es sehr schnell langweilig werden.
Will das Opernpublikum provoziert werden?
Pape: Nein, ich glaube, das Opernpublikum will nicht provoziert werden. Wenn es zum Nachdenken angeregt wird, wenn es nach einer Vorstellung kontroverse Diskussionen gibt, dann ist das ok. Ich bin aber kein Freund von Arbeiten, die das Publikum provozieren. Ich möchte keine „Don Giovanni“- oder „Zauberflöten“-Inszenierung mitmachen müssen, die nur auf Provokation aus ist, so etwas lehne ich grundsätzlich ab. Oper ist ja auch noch relativ elitär, die Karten kosten sehr viel Geld und ich möchte nicht, dass die Leute dafür veralbert werden. Das muss nicht sein, das kann man woanders kriegen. Dafür brauche ich nur den Fernseher anschalten, das reicht – und kostet weniger Geld.
Als man Christoph Schlingensief 2004 nach Bayreuth geholt hat – war das so ein Fall?
Pape: Über seine Bayreuther Inszenierung kann ich mir kein Urteil erlauben, weil ich sie nicht gesehen habe.
Allgemein finde ich, dass er an manchen Stellen ein Stück über das Ziel hinausschießt. Dafür ist mir eine Oper einfach zu schade, dass das Muskalische, das Visuelle so verunstaltet wird. Das ist seine Art von Kunst, das ist seine Sichtweise, das muss man auch respektieren. Aber ich finde, er sollte sich nicht hinstellen und sagen, er hasse Oper und dann nach Bayreuth gehen und eine Wagner-Oper inszenieren. Das finde ich dann nicht intelligent. Und nur zu provozieren, das macht auf Dauer auch keinen Spaß.
Inwiefern ist es trotzdem befruchtend für den Opernbetrieb, wenn für die Regie Leute aus anderen Genres dazugeholt werden? Filmregisseure zum Beispiel…
Pape: Die Filmregisseure, ja, das ist so ein Thema für sich. Oder die Schauspiel-Regisseure… Die haben dann ihre Arbeiten am Schauspiel getan, wollen dann noch Oper machen – und denken, dass sie das gut können. Bei einigen gelingt das, bei vielen gelingt es aber nicht, weil sie einfach keine Ahnung haben. Weil sie keine Ahnung von Musik haben, keine Noten lesen können… Und aus einem Reclam-Heft dreieinhalb Stunden Oper zu inszenieren, in einer Sprache, die sie überhaupt nicht verstehen – das finde ich einfach eine Frechheit. Da sollte man als verantwortlicher Intendant oder Generalmusikdirektor schon im Vorfeld ein bisschen aufpassen, und nicht nur wahllos irgendwelche berühmten Film- oder Theaterregisseure holen, nur damit die Leute in die Oper gehen. Das finde ich ein bisschen affig. Weil es gibt wirklich noch gute Opernregisseure, die ihr Handwerk verstehen. Die aber auch Opernregisseure sind, die nicht von außen kommen, und sagen: „Jetzt mache ich mal Oper, das ist ja eh einfach, da stehen die ja eh alle nur rum…“ und die sich denken, sie könnten die Opernregie neu erfinden. Das finde ich dann ein bisschen dreist.
Wie haben Sie diesbezüglich die Arbeit mit Bernd Eichinger erlebt, als Sie 2005 in Berlin in seiner „Parsifal“-Inszenierung gesungen haben?
Pape: Bernd Eichinger ist ein guter Filmproduzent. Und er ist keinen Widerspruch gewohnt. Man widerspricht einem Herrn Eichinger nicht. Er kann aber nicht inszenieren. Und wenn er mit erfahrenen Sängern zusammenarbeitet, die schon die ein oder andere Produktion vorher gemacht haben, die ihm vielleicht einen Tipp geben wollen, ihm sagen wollen, dass bestimmte Dinge nicht möglich sind, weil die Oper einfach andere Gesetze hat als ein Film – wenn er dann stur ist und nicht zuhören will, dann finde ich das ein bisschen…(räuspert sich)… Es ist sein gutes Recht, das durchzusetzen, was er sich vorstellt. Aber ich bin immer der Meinung, Regisseure sollten auch ein offenes Ohr haben für die Protagonisten, die vor ihnen da probieren und agieren.
Ich möchte jetzt aber auch niemandem zu nahe treten. Die Arbeit mit Bernd Eichinger war interessant, das Ergebnis war zum Teil interessant, wurde auch kontrovers diskutiert und die Oper ist jetzt nicht kaputtgemacht worden, wie vielleicht in anderen Fällen. Aber ich glaube, Menschen sollten das machen, was sie am besten können.
Sie haben in Kenneth Branaghs „Zauberflöten“-Film mitgewirkt. Hat Ihnen seine Adaption gefallen?
Pape: Der Film ist ein vollkommen anderes Medium. Ken Branagh hat natürlich viel Beistand gehabt von wirklich wichtigen Leuten, die sich in der Oper auskennen. Es war seine erste Opernarbeit und die wird auch sehr kontrovers diskutiert. Nicht jeder, der Ken Branagh liebt, liebt diesen Film. Im Gegenteil.
Ich finde den Anspruch gut, mit so einem Film einfach ein größeres Publikum anzusprechen, ein junges Publikum – deswegen ist er auch in Englisch gemacht worden und nicht etwa auf Deutsch. Inzwischen haben den Film auch eine Million Leute gesehen haben, oder 800.000 – das ist schon nicht schlecht.
Und inhaltlich?
Pape: Ich denke, dieses Märchen wird schon transportiert. Ob die Entscheidung richtig war, es von der Zeit her in eine Art erster Weltkrieg zu versetzen, darüber möchte ich mir kein Urteil erlauben. Aber viele Szenen, zum Beispiel mit Papageno und den drei Damen, sind schon recht märchenhaft gelungen. Und natürlich sind die Möglichkeiten eines Films um ein Vielfaches größer, als die einer Opernbühne.
Sie erwähnten vorhin, dass opernfremde Regisseure das Medium Oper oft nicht gut genug kennen. Welche falschen Vorstellungen seitens der Regisseure haben Sie da schon erlebt?
Pape: Bei der Oper gibt es einfach Gesetzmäßigkeiten: Ich kann nicht die ganze Zeit nach hinten oder in die Seite singen, das ist akustisch einfach nicht möglich, weil man das dann im Zuschauerraum nicht mehr versteht. Oper hat andere Gesetze als Schauspiel, andere Gesetze als Film. Ich kann nur in ganz bestimmten Lagen singen: ich kann im Liegen singen, im Kauern, im Rollen oder im Kullern – aber ich kann nicht innerhalb von einer Viertelminute hinter der Bühne von links nach rechts rennen, von der anderen Seite wieder auftreten und dann eine große Arie singen. Das geht einfach von der Luft her nicht. Und da muss man aufpassen, dass so etwas nicht passiert. Wenn man einen offenen Regisseur hat, der so etwas versteht, dann ist es natürlich ok. Wenn man aber jemanden hat, der das partout so machen will, dann gibt es Probleme.
Gibt es eine Oper, die keine moderne Inszenierung verträgt?
Pape: Wüsste ich nicht. Jede Oper verträgt eine moderne Inszenierung. Als sie geschrieben wurde, wurde sie ja auch ‚modern’ inszeniert, in ihrer Zeit.
Es kommt immer drauf an, wie die Inszenierung gemacht ist. Wenn ich den Zuschauer mit dem Zaunpfahl von hinten durch die Brust erschlagen will, dann verträgt die Oper das nicht. Aber wenn es Hand und Fuß hat und man versteht, was der Regisseur will, kann man eine Oper auch modern inszenieren, warum nicht? Ich bin auch grundsätzlich nicht dagegen. Ich mag gute traditionelle Inszenierungen, die dürfen aber auch nicht langweilig und verstaubt sein – und genauso offen bin ich für moderne zeitgenössische Inszenierungen. Wenn sie gut sind.
Gab es Regieanweisungen, die Sie für sich als Sänger als Zumutung empfanden?
Pape: Nein, Zumutung würde ich es nicht nennen. Eher Herausforderung. Klar, es gibt schon grenzwertige Sachen. Bei einer Inszenierung, die schon eine Weile her ist, und wo ich jetzt auch keine Namen nennen will… Die habe ich von der Ästhetik her zu 100 Prozent unterstützt, aber vom Machen her war das sehr schwierig umzusetzen. Einmal musste ich eine ganz bestimmte Körperhaltung einnehmen, eine halbe Stunde lang, ohne dass ich mich anders bewegen durfte – das geht natürlich in die Kraft und in die Spannung. Man braucht viel Kraft und viel Spannung um zu singen. Und wenn ich halbe Stunde mit meinem Arm eine Stange halten muss, dann geht meine ganze Kraft und die ganze Konzentration da rein, damit die Stange nicht nach unten fällt. Da kann es passieren, dass mir dann die Energie für die Stimme fehlt, für den Apparat, um das überhaupt zu transportieren. Aber das war sicher ein Grenzfall, von der Ästhetik her fand ich den auch sehr interessant.
Es gibt ein Video, dass Sie bei CD-Aufnahmen zeigt, wo Sie nach einem Versprecher abbrechen und regelrecht fluchen – passiert das oft bei der Probenarbeit?
Pape: Ich bin keiner, der so etwas großartig anstauen lässt. Ich lasse das gleich raus – und dann ist es vorbei. Solche Zungenbrecher im Tschechischen, wo ein Konsonant am anderen klebt, sind natürlich schwierig. Ich versuche wirklich, das so gut wie möglich zu gestalten und wenn ich dann beim fünften Mal aber immer noch kleben bleibe, dann denke ich: Oh Gott, jetzt müssen die anderen wieder warten, weil ich das falsch gemacht habe…
Würden Sie sich als Perfektionist bezeichnen?
Pape: Perfektionist im positiven Sinne. Ich versuche nicht akribisch eine Vorstellung wie die andere zu singen. Aber ich versuche schon, es so perfekt wie möglich zu machen. Wobei ‚perfekt’… das Wort hat immer so einen negativen Touch. Ich finde, wir sind auch nur Menschen, wir haben auch Tagesformen.
Ich möchte eine Rolle so anlegen und gestalten, dass sie nicht nur stimmlich und vom Text her, sondern auch vom Spielen, vom Gestalterischen her die Leute anspricht, so, dass sie es auch verstehen. Ob das jetzt immer perfekt ist, weiß ich nicht. Ich versuche einfach, die Sache so gut zu machen, wie ich kann. Wenn man das Perfektionismus nennt, OK.
Wie oft passiert es denn, dass Sie nach einer Aufführung von der Bühne treten und sich sagen: „Das war heute perfekt“?
Pape: Das passiert nie. (lacht) Das gibt es nicht. Mir ist das noch nicht passiert. Ich bin da sehr kritisch mit mir selbst.
Nach dem ganzen Applaus denken Sie wirklich noch „dies und das hätte ich anders machen können“?
Pape: So etwas gibt es, ja klar. Nicht immer, aber das gibt es. Natürlich.
Ihre CD „Gods, Kings & Demons“ hat eine Art Vorbild, die Platte „Gods and Demons“ des kanadischen Opernsängers George London. Den ereilte mit 47 Jahren eine Stimmbandlähmung. Was ist das?
Pape: Das weiß ich nicht. Ich habe es zum Glück bisher nicht erlebt, (klopft auf den Tisch)…
Hat man als Opernsänger eine gewisse Sorge um das eigene Instrument?
Pape: Manche mehr, manche weniger. Viele sorgen sich zu sehr und können nicht locker damit umgehen. Ich versuche ein normales Leben zu leben, wie jeder andere Nicht-Sänger auch, ich sorge mich nicht zu sehr darum. Es läuft und läuft – und wenn es mal nicht läuft, dann kann man sich ja Gedanken machen.
Passen die Frauen mehr auf?
Pape: Frauen passen grundsätzlich mehr auf im Leben. Es kommt aber auch auf die Stimmlage an. Eine Sopranistin oder ein Tenor passen automatisch mehr auf ihr Instrument auf. Das müssen sie auch. Weil für eine Altistin oder einen Bass ist das Ganze natürlicher, es ist mehr oder weniger die normale Sprechstimme, während ein Tenor höher singt. Der muss deswegen auch ein bisschen mehr darauf aufpassen.
Ihre Sänger-Karriere begann kurz bevor die Mauer fiel, mit Engagements an der Berliner Staatsoper. Wie hätte Ihre Karriere ausgesehen, wenn die Mauer nicht gefallen wäre?
Pape: Das wäre genauso gelaufen. Ich wäre dann irgendwann „Reisekader“ geworden, wie man das damals nannte. Ich hätte einen Pass bekommen, wäre privilegiert gewesen, ich hätte meine Gastspiele machen können wie ich sie heute auch mache. Die DDR hat so was ja damals als Aushängeschild benutzt, die Künstler, Sportler und Ensembles.
Der Dresdner Kreuzchor, in dem Sie Mitglied waren, ist zu DDR-Zeiten auch gereist. Wobei viele „Kruzianer“ im Ausland aus dem Reisekader verschwunden sind…
Pape: Ja, der ein oder andere ist dann halt von einem Spaziergang nicht wieder zurückgekommen. Das fand ich auch in Ordnung.
Hatten Sie auch solche Pläne?
Pape: Ja, ich hatte solche Pläne, aber die sind dann vereitelt worden. Ich bin mit 16 aus dem Chor entfernt worden, speziell aus der Schule. Da hatte ich dann nicht mehr die Chance, eine Auslandsreise in den Westen mitzumachen. Man konnte ja erst mit 18 abhauen, hätte ich das mit 16 gemacht, wäre ich zurückgeschickt worden.
Aber es ist anders gekommen und darüber bin ich froh. Ich kann heute die Arbeit tun, die ich machen möchte, ich versuche diese Arbeit so gut wie möglich zu machen und so viel wie möglich Menschen damit zu berühren. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich in den Westen gegangen wäre, keine musikalische Ausbildung gehabt hätte, wie ich sie in Dresden hatte – wer weiß, vielleicht wäre ich jetzt ein internationaler Architekt. (lacht)
Wie wichtig war das Thema Disziplin beim Dresdner Kreuzchor?
Pape: Streng war es immer. Wir hatten ja nicht nur die Aufgabe des Chorsängers, sondern wir mussten uns auch noch zu sozialistischen Persönlichkeiten entwickeln, was mir einfach ziemlich schwer fiel. Was mir auch überhaupt nicht gelang, weshalb ich dann auch gehen musste, weil ich den sozialistischen Maßstäben nicht mehr entsprochen habe. Ich war unbequem, ich habe Fragen gestellt, zumal nach diesen ganzen Reisen. Wenn man erzählt bekommt, dass Rot rot ist und man dann aber sieht, das Rot auch noch viele, viele Schattierungen hat und es auch noch gelb, blau, grün und schwarz gibt, dann stellt man schon Fragen. Meine waren sehr unbequem und deswegen hat man sich halt entschlossen, mich aus dem Chor zu entfernen.
Und musikalisch, gab es in der DDR zum Beispiel ein anderes Klangideal im Bereich Oper?
Pape: Nein. Wir haben halt viel Oper auf Deutsch gemacht. Fast jede Oper wurde auf Deutsch gesungen, auch die italienische, französische, russische. Das war aber auch der einzige Unterschied. Es gab kein ostdeutsches Klangideal.
Einen Opernbesuch konnten sich in der DDR wesentlich mehr Leute leisten, als es heute der Fall ist…
Pape: Ja gut, das war subventioniert, von vorne bis hinten. Wir hatten 56 Opernhäuser in Ostdeutschland, vom Mehr-Sparten-Theater bis zur Semperoper, wir hatten die zwei Opern in Berlin… Die Karte hat nichts gekostet, weil alles subventioniert war. Deswegen ist die Ökonomie ja auch so weit nach unten gegangen, deswegen ist das ja auch alles zusammengebrochen. Basierend auf großen Lügen. Und das ging auch an der Kultur nicht vorbei.
Letzte Frage: Was machen Sie, wenn Sie nach einem Opernabend von der Bühne kommen? Können Sie dann sofort abschalten?
Pape: Wenn ich in Berlin singe, fahre ich nach Hause, wenn ich im Ausland unterwegs bin, geht man noch Essen mit Kollegen oder Freunden. Man kann natürlich nicht nach Hause fahren und sich sofort schlafen gehen. Physisch ist man vielleicht etwas erschöpft, mental ist man aber auf alle Fälle noch so aufgekratzt, dass man zwei bis drei Stunden braucht, um wieder runterzukommen.
Betr.:Interview nach dem Wiener Opernball 2019
Gefragt nach den Unterschieden des Opernbälle Dresden,Wien antwortete Rene Pape sehr arrogant zur Kleiderordnung.(Vielleicht hatte er gerade in den Klatschspalten Aussagen Lagerfelds gelesen.)
Seine Aussage stimmte nicht:Der erste Opernball fand am 21.2.1925 in Dresden statt,
der sogenannte Wiener Opernball am 26.1.1935.
Die Wurzeln seiner Ausbildung sind in Dresden zu finden….mit dem damals üblichen Stipendium – wie alle in Dresden Studierenden. (Unsere Kinder, auch wieder in DD studierend, wurden nicht so großzügig versorgt,bestanden mit DDR-Abitur mit Bestnoten.)
Die meisten Menschen halten ihre Heimat in Ehren,verteidigen diese,wie Helene Fischer, mit der er sich sogar in Deutsch dazu austauschen könnte.