Revolverheld

Du musst dein Publikum live überzeugen können!

Gitarrist Kristoffer Hünecke von Revolverheld über die musikalische Teilnahme an der EM 2008, erste Bandproben, den Weg zum Erfolg und ob man mit Rockmusik reich werden kann

Revolverheld

© David Zilk/SonyBMG

Kris, euer Song „Helden 2008“ war der offizielle Song der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Fußball-EM 2008. Wie groß war eure Enttäuschung, dass die Mannschaft den EM-Sieg verpasst hat?
Hünecke: Wir haben den Verlauf des Turniers die ganze Zeit sehr emotional beobachtet und auch auf vielen Public Viewings gespielt. Ich finde, man konnte schon sehr froh sein, dass es die Jungs überhaupt ins Finale geschafft haben. Das Ganze hätte auch schon in der Vorrunde vorbei sein können. Wir waren eher sehr denkbar und dachten: „Wenn wir jetzt auch noch den Titel holen, das wär schon geil!“ Im Finale waren die Spanier aber deutlich überlegen und letztendlich war die Enttäuschung dann trotz der Niederlage auch nicht so groß.

Nach dem Turnier habt ihr euren Song vor tausenden Menschen und der gesamten Mannschaft am Brandenburger Tor gespielt. Was war das für ein Gefühl?
Hünecke: Das war einfach unglaublich! Da hat man erst mal die ganzen Ausmaße begriffen, was Fußball in Deutschland überhaupt bedeutet. Da standen 300.000 Menschen und haben einfach nur gefeiert. Wir waren vor dem Auftritt natürlich total aufgeregt, und als dann auch noch die Mannschaft auf die Bühne kam und wir ein Teil des Ganzen waren, war das schon fast beängstigend. Vorher kannten wir so was nur aus dem Fernsehen. Ich glaube, von diesem Erlebnis werden wir auch noch unseren Kindern und Enkelkindern erzählen (lacht).

Inwiefern hattet ihr während oder nach dem Turnier eigentlich die Möglichkeit einzelne Spieler näher kennen zu lernen?
Hünecke: Na, so richtig Kontakt zur Mannschaft hatten wir nicht. Die Mannschaft war schon sehr abgeschottet während des Turniers, aber das ist auch richtig so. Wir haben uns mit Clemens Fritz unterhalten können. Der war sehr nett und über den haben wir dann auch so ein bisschen erfahren, wie die Stimmung in der Mannschaft war.

Wie kommt man als Rockband eigentlich dazu, den offiziellen EM-Song der deutschen Nationalmannschaft zu singen? Wer ist da auf wen zugegangen?
Hünecke: Das war einfach eine sehr glückliche Fügung. Wir haben mit „Heimspiel“ ja schon zur WM 2006 einen Song gemacht, den wir auch heute immer noch live spielen. Das müssen die Leute beim DFB wohl mitbekommen haben, sind an uns herangetreten und haben gefragt, ob wir nicht Lust hätten einen Song zur EM beizusteuern. Unser Song kam dann wohl auch sehr gut an und wir waren dabei. So eine Chance bekommst du ja nicht alle Tage! Das war schon geil!

Fußball-Songs haben inzwischen Tradition in Deutschland, bei der WM 2006 waren es die Sportfreunde Stiller und Xavier Naidoo – dieses Jahr Revolverheld. Es scheint, als würden Fußball und Musik eng zusammengehören – warum ist das so?
Hünecke: Ich glaube, beides findet auf einer sehr emotionalen Ebene statt. Viele Leute definieren sich während so einer Veranstaltung über den Sport, gehen da emotional völlig mit, und diese Emotionen werden durch Musik eben noch verstärkt. Das kannst du ja auch bei den Fangesängen im Stadion beobachten. Wenn tausende Menschen einen Song zusammen singen und alle zusammen eine Mannschaft anfeuern, entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Darum geht es ja letztendlich auch bei so einem Ereignis.

Songs wie „Helden 2008“ sind nur zeitlich begrenzt aktuell. Inwiefern ist das auch ein Nachteil für euch als Band?
Hünecke: Das war uns ja vorher klar, dass, wenn die Mannschaft nicht Europameister werden sollte, der Song irgendwann nicht mehr aktuell sein wird. In diesem Fall hat aber auf jeden Fall die Ehre überwogen, überhaupt so ein Event musikalisch begleiten zu dürfen; das hat uns schon sehr glücklich und stolz gemacht.

Im Sommer 2003 habt ihr eure Band, damals noch unter dem Namen „Manga“, gegründet. Wie liefen die ersten Bandproben?
Hünecke: Die erste Bandprobe war legendär. Wir hatten schon einige Songs wie zum Beispiel „Mit dir chill’n“ entwickelt, bevor unser Sänger Johannes dazu kam, der den Song „Freunde bleiben“ mitbrachte. Da war es dann wirklich so, dass wir unsere Instrumente angeschlossen und einfach losgespielt haben. Das hat einfach harmoniert und wir waren unendlich froh, dass wir fünf Jungs uns gefunden hatten und dass es im Proberaum auch gleich musikalisch gefunkt hat.

Gibt es eigentlich diese Momente, in denen man einen neuen Song probt, und sich denkt: „Das wird definitiv ein Hit!“?
Hünecke: Das passiert leider viel zu oft, weil man irgendwie immer von allen neuen Songs denkt: "Das ist der Hammer! Der Song wird ein Welthit mit zehnfach Platin in den USA!" (lacht) Man kann das immer sehr schwer einschätzen, weil man als Band natürlich immer sehr nah am Song dran ist. Das müssen dann schon andere Leute beurteilen.

Im September 2005 habt ihr mit dem Song „Die Welt steht still“ den Durchbruch im Musikbusiness geschafft. Wie haben eure damaligen Uni-Kommilitonen reagiert, als es dann mit dem Erfolg losging?
Hünecke: Vier von uns haben einige Semester Kulturwissenschaft studiert und da haben unsere Freunde ja schon gemerkt, dass wir musikverrückt sind und eben auch oft nicht zu den Vorlesungen gegangen sind, weil wir auf der Bühne standen. Das Verhältnis zu den Leuten ist aber nach wie vor sehr herzlich. Viele haben mittlerweile ihr Studium abgeschlossen und kommen auch zu den Konzerten und wir unterhalten uns. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Lebenswege der Leute so entwickeln.

Zitiert

Man denkt irgendwie immer von allen neuen Songs: 'Das ist der Hammer! Der Song wird ein Welthit mit zehnfach Platin in den USA!'

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Und eure Lebenswege? Die Musikbranche ist ein hart umkämpfter Markt, eine Garantie für lebenslangen Erfolg gibt es nicht. Habt Ihr einen Plan B?
Hünecke: Nee, eigentlich nicht! Wir sind schon sehr überzeugt davon, dass wir uns etablieren werden, weil wir eben auch sehr hart dafür arbeiten. Das würde uns auch nur behindern, wenn wir die ganze Zeit über die Zeit danach nachdenken würden. Wir hätten bestimmt alle etwas, worauf wir zurückgreifen könnten, wenn der Worst Case wirklich eintreten sollte. Ich habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kaufmann für audiovisuelle Medien und einen Tennistrainer-Schein. Ganz ohne Musik würden wir aber wohl nie mehr arbeiten wollen.

Auf eurer Homepage www.revolverheld.info führt ihr ein aktuelles Tagebuch, erzählt von euren Konzerten, dem Leben Backstage und entspannten Aftershow-Partys. Wie würdest du das Leben als „Revolverheld“ beschreiben?
Hünecke: Das Tagebuch schreibt unser Sänger Johannes und das ist schon sehr lustig zu lesen. Es ist einfach schön mit den Jungs auf Tour zu gehen. Das ist das, was wir am meisten genießen am Musikerleben. Natürlich gibt es auch stressige Momente, wenn sich Promotermine häufen und der Zeitplan sehr eng ist; im Endeffekt können wir aber mit dem, was wir am meisten lieben, unser Geld verdienen, sind viel unterwegs, treffen die unterschiedlichsten Menschen, sind jeden Tag in einer anderen Stadt und gehen nach dem Konzert entspannt was trinken. Ich kann mir kein schöneres Leben vorstellen.

Inwiefern gibt es für euch auch einen normalen Alltag, abseits der Bühnen und Fernsehauftritte?
Hünecke: Eigentlich gab es diese Momente, in denen wir mal reflektieren konnten, bisher gar nicht. Wir haben unsere Alben selbst produziert, waren viel auf Tour und haben parallel unsere Homepage betreut. Nach der jetzigen Tour machen wir das erste Mal wirklich Pause, fahren in den Urlaub und versuchen zur Ruhe kommen. Insofern kann ich deine Frage zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht richtig beantworten. Bisher war eigentlich immer was los! (lacht)

Wie viel Freizeit bleibt euch heute als Berufsmusiker?
Hünecke: Während der Tour hat man schon eine Menge Freizeit, so zwischen den Interviews und dem Soundcheck, aber das Ding ist halt, dass du immer aus deinem gewohnten Umfeld rausgerissen bist und eigentlich nie einen geregelten Tagesablauf hast, aber genau das brauchst du eigentlich, um zur Ruhe zu kommen. Umso mehr freue ich mich, wenn ich dann mal wieder meine Familie und meine Freunde sehe.

Welche Schattenseiten hat das Leben in der Öffentlichkeit?
Hünecke: So viele Schattenseiten gibt es für uns eigentlich nicht. Wir können normal durch die Stadt schlendern, und wenn wir dann mal angesprochen werden, freuen wir uns, weil das auch so eine Form der Bestätigung ist. Ich glaube mal den Jungs von Tokio Hotel geht es da schon anders (lacht). Ich bin auf jeden Fall froh, dass wir mittlerweile alle so mitte zwanzig sind, denn vieles von dem, was wir so erleben, hätte ich mit 16 oder 17 noch gar nicht verkraftet.

Kann man mit deutscher Rockmusik heute eigentlich noch reich werden?
Hünecke: Na ja, reich im herkömmlichen Sinne nicht (lacht). Reich ist ja auch immer eine Definitionsfrage. Es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn du morgens aufwachst und weißt, dass du heute wieder ein geiles Konzert spielen wirst, dir für dein Geld was zu essen kaufen kannst und nicht jeden Tag auf dein Konto gucken musst, ob du im Minus bist. Das ist mehr als wir uns je erträumt haben. Um reich zu werden sollte man dann aber doch lieber Lotto spielen (lacht).

Das Musikbusiness hat sich durch das Internet, Stichwort Filesharing, sehr verändert. Die Plattenfirmen klagen über sinkende Verkaufszahlen. Wie beurteilst du diese Entwicklung?
Hünecke: Die Plattenfirmen haben sich lange Zeit viel zu wenig um digitale Vertriebswege gekümmert. Heute laden sich viele halt ihre Songs im Internet runter, aber ich behaupte mal, dass sich gute Musik letztendlich immer durchsetzen wird. Man kann diese Entwicklung auch gar nicht mehr aufhalten. Die Firmen und Musiker müssen lernen damit umzugehen und sich darauf einzustellen. Andererseits gewinnt das Live-Spielen ja auch wieder zunehmend an Gewicht. Als Band musst du live dein Publikum überzeugen können, daran wirst du gemessen. Der Live-Markt boomt und das zählt letztendlich.

Derzeit befindet ihr euch auf großer „Helden 2008“- Tournee. Was erwartet die Fans?
Hünecke: Da es die dritte Tour zum Album „Chaostheorie“ ist, haben wir uns ziemlich viel ausgedacht. Wir haben einen Gastmusiker dabei, spielen ganz viele Songs, die lange nicht zu hören waren und präsentieren schon jetzt brandneue Tracks von unserem dritten Album, das noch gar nicht erschienen ist. Wir werden einfach richtig Gas geben…

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