Richard, Fred – was assoziiert ihr mit Berlin?
Richard: Ich würde sagen Checkpoint Charlie, KitKat-Club und die Weltmeisterschaft – damals sind wir am Brandenburger Tor aufgetreten. Die drei Sachen. Wobei den KitKat-Club an erster Stelle (lacht)
Und was für Gefühle verbindet ihr mit der Stadt?
Fred: Wir hatten gute Zeiten hier. Aber auch komische. Wir wurden zum Beispiel mal in einem Club von ein paar Russen mit einer Waffe bedroht. Das war im „Felix“, eine Frau, mit der sich meine Freundin unterhielt, hatte offenbar diese Mafia-Leute ziemlich verärgert. Sie saß dann bei uns, wir sind irgendwann aufgestanden, wollten auf die Tanzfläche – und plötzlich merke ich, wie direkt hinter mir ein kräftiger Typ steht – ich konnte die Pistole in meinem Rücken spüren. Ich habe mich umgedreht, der war weit über zwei Meter groß, hatte eine Jacke an, und zeigte mir darunter seine Knarre im Pistolenhalfter…
Richard: Das war beängstigend.
Fred: Wir sind dann sehr schnell raus aus dem Club, allerdings blieb ein Freund zurück und den haben sie zusammengeschlagen, ziemlich böse.
Aber wir haben auch andere, gute Erinnerungen an Berlin.
Richard: Berlin ist bei uns in Großbritannien auch schon lange dafür bekannt, in sexueller Hinsicht alternativ zu sein. Christopher Isherwood hat ja für eine Weile hier gelebt, er hat das Buch geschrieben, auf dem „Cabaret“ basiert, schon von daher hat Berlin im englischen Verständnis ein sexuell alternatives, ein bisschen düsteres, burleskes Image.
Und was Künstler und Kreativität angeht, ist es ja wahrscheinlich auch die wichtigste Stadt in Deutschland, es sind so viele Leute hier.
Womit möchtet ihr selbst assoziiert werden?
Richard: Als Musiker?
Ja, als Right Said Fred.
Fred: Ich mag an uns, dass wir manchmal sehr gut und manchmal richtig schlecht sind. Also die Tatsache, dass wir es drauf ankommen lassen. Wir machen einen Song und veröffentlichen ihn, auch wenn er nicht so geworden ist, wie wir wollten, sondern nur so gut, wie wir es gerade hinbekommen haben. Manchmal bekommen wir es richtig gut hin, siehe „I’m too sexy“, „You’re my mate“, „Stand up“, „Sexy Bum“ – und es gibt andere Songs, aber da will ich jetzt die Titel lieber nicht nennen…
Richard: …weil manche Leute auch das Zeug von uns mögen, das wir hassen.
Aber ihr steht dazu, manchmal richtig gut und manchmal richtig schlecht zu sein.
Fred: Ja, ich denke dass sollten Künstler auch sein. Zumindest meine Lieblingskünstler sind so. Ich mag Lou Reed, Kraftwerk, Depeche Mode – wenn die großartig sind, dann sind sie wirklich großartig, aber wenn sie was schlecht machen, dann…
Richard: David Bowie ist auch so, oder die Stones.
Fred: Ja, die Stones haben mal ein Album gemacht „Their Satanic Majesties Request“ – das war sozusagen deren Beitrag zur „Flower Power“-Zeit – entsetzlich! Aber sie haben es veröffentlicht, sie haben es riskiert. Oder Bowie, mit dem Album „Tin Machine“ …
Also, Künstler die ich mag, die mich anziehen, bei denen kommt es auch vor, dass sie mal total daneben liegen. Solche gibt es auch heute noch. Aber du wirst nur wenige davon im Mainstream-Fernsehen finden, weil dort die Parameter heute sehr eng sind. Es wird nur eine bestimmte Sorte R’n’B gespielt, nur eine Sorte Pop, du kannst nicht zu hart oder zu weich sein, es ist alles unglaublich formatiert.
Richard: Und wir selbst sind halt nicht sehr beständig. Wir hatten große Hits, sind dann verschwunden, zurückgekommen. Das ist so, weil wir nicht kontrolliert werden, wir haben kein Songwriter-Team, kein Produzententeam, kein Management, das uns sagt: Macht noch mehr Kohle.
Ich meine, klar würden wir gerne noch mehr Hits haben. Andererseits folgen wir auch gerne unserer eigenen Nase. Wir sind nicht besonders gut darin, zu sagen: „Don’t talk just kiss“ klang so, also muss die nächste Single genauso klingen.
Ich fragte ja vorhin nach der Assoziation. Ich zum Beispiel würde Right Said Fred immer mit „Party-Musik“ assoziieren.
Richard: Ist doch schon mal besser als Begräbnismusik. (lacht) Wenn du jetzt sagen würdest, wir sind bekannt dafür, richtig bedrückende Trauermusik zu spielen – dann wäre ich damit nicht besonders glücklich.
Wenn man einen Begriff dafür sucht, ja, dann verbindet man mit „Party“ natürlich die guten Dinge. Auf eine Party zu gehen ist etwas Angenehmes, also ist die Musik dort wahrscheinlich auch keine schlechte Sache.
Fred: „Party Musik“ könnte nur ein bisschen irreführen, weil die Leute dann vielleicht denken: Alles, was wir machen ist Friede-Freude-Eierkuchen. Jeder, der mal ein Album von uns gekauft hat weiß, dass es bei uns auch eine andere Seite gibt. Das ist so wie bei Mick Jagger, wenn er im Fernsehen interviewt wird, spielen sie dazu immer „Satisfaction“ – dabei ist das ist 40 Jahre her.
Was die Leute mit euch glaube ich auch noch in Verbindung bringen ist Sexyness.
Fred: Also, das verstehen wir jetzt überhaupt nicht. (lacht)
Richard: Zu mir hat schon mal ein Journalist gesagt: „Ihr macht sexy Musik“. Aber eigentlich sehe ich das nicht so. Wir machen freche, amüsante Songs. „I’m too sexy“ , „Deeply Dippy“, „Sexy Bum“ – das sind freche Songs und wir tragen sie auf eine Art und Weise vor, die vielleicht ein wenig sexy ist. Aber das ist nicht wie „Cream“ von Prince. „Cream“ war ein Song, zu dem hattest du Sex. Aber du legst nicht „I’m too sexy“ auf, wenn du mit deiner Freundin…
Warum nicht? Zu schnell?
Richard: (lacht) Das hängt davon ab, was für Sex du magst… Also, ich glaube, „Deeply Dippy“ zum Beispiel würdest du nicht auflegen, wenn du Sex hast. Unsere Songs sind eher ironisch. Auch „Stand up for the champions“, „You’re my mate” – das sind gute Songs, aber sie sind nicht sexy.
Ich finde, wir beide sind sehr sexy, aber nicht unsere Musik. (lacht)
Fred: Vor kurzem haben wir in Schwerin gespielt, vor 8000 Leuten und die Mädchen in der ersten Reihe haben gekreischt. Ich dachte schon, da muss eine junge Boyband hinter mir stehen. Manche Leute sehen uns halt so, das ist auch schön, keine Frage. Aber ich würde jetzt nicht sagen: Ich muss mein ganzes Leben immer weiter so sexy sein. Ich verstehe das auch nicht – es ist mir auch fast peinlich darüber zu reden.
Richard: Wir tun das alles auch mit einem Augenzwinkern. Anders wäre es, wenn wir uns auf der Bühne ständig selbst betatschen und das total ernst meinen würden – das ist aber nicht unser Ding.
Fred: Diese ganzen R’n’B-Videos, da muss ich immer lachen. Pussycat Dolls und all diese Mädchen, die denken, sie wären so heiß: Ich finde, die sehen total lächerlich aus. So narzisstisch, so „ich“, so „guck-mich-an!“
Aber da muss ich sagen: euer Video zu „Sexy Bum“ und die Bikinifrauen darin, das sieht auch alles sehr überzogen aus. Sollte das eine Parodie sein?
Richard: Ja, so ungefähr.
Fred: Wir haben dafür ganz normale Frauen engagiert, keine Models oder Tänzerinnen. Und dann haben wir uns einen Tag lang vor den Fernseher gesetzt, haben nur MTV, MTV Dance, R’n’B-Kanäle – das alles haben wir uns angeguckt und uns gefragt: Was hassen wir an diesen Videos am meisten? Ich hasse die Perspektiven, ich hasse die Art, wie sich die Leute darin aufführen, dieses Überselbstbewusste und Selbstgefällige – und dann haben wir ein Video gemacht, das das totale Gegenteil dazu ist. Also, dass der „Sexy Bum“-Clip jetzt so aussieht ist völlig beabsichtigt. Wir haben Leute genommen, die nicht so gut tanzen können, die vor der Kamera rumspringen, alles in Neonfarben – richtig billig.
Richard: Es ist unglaublich albern, es hat sehr lustige Momente. Wir gehen ja immer ins Fitnessstudio und dort laufen überall die ganzen Musikvideos. Doch wie oft kommt es vor, dass ein Video einen mal zum Lachen bringt? Jeder versucht so cool zu sein. Aber dieses ganze Coolsein kannst du dir von mir aus in den Arsch schieben – interessiert mich nicht.
Fred: Mich langweilt es auch.
Seid ihr auch gelangweilt von Sex-Darstellungen in der Öffentlichkeit, in der Werbung zum Beispiel?
Richard: Also, diese Parfüm-Werbung wo es immer nur heißt „ich will sie, ich will sie, ich will sie…“ mit diesen schrecklichen französischen Stimmen aus dem Off, dieses übermäßig sexuelle…
Fred: ….„weil du es wert bist“ – disch! Eva Longoria, verschwinde aus meinem Wohnzimmer! Wirklich, es gibt ein paar Frauen, die sehe ich so oft auf dem Bildschirm, dass ich denke, die leben in meinem Haus.
Allgemein gefragt: Sollten wir überhaupt Produkte mit der Hilfe von Sex verkaufen?
Richard: Ja. Man wird da auch nie von loskommen.
Fred: Es kommt drauf an, wie du es machst. Und so lange es nicht pornographisch ist, nicht Tiere oder Kinder dazu benutzt werden…
Richard: Ist das nicht wie mit Witzen? Alles, was bei einem Witz eine Rolle spielt, ist, ob er lustig ist. Und alles was bei einer Anzeige, die Sex benutzt, wichtig ist, ist dass sie gut gemacht ist. Interessant, neu, frisch, lustig…
Mich langweilt und nervt es ehrlich gesagt.
Fred: Weil es überall ist. Das ist das Gleiche wie im Radio, wenn ein Song nach dem anderen total gleich klingt. Es wäre toll, wenn jemand mal eine Parfüm-Werbung macht, wo die Frau am Ende umfällt, sich den Kopf stößt, oder sie zoomen raus und du siehst auf einmal die ganzen Kameras, die ganze Beleuchtung, das Make-Up – um dieses Märchen mal zu entzaubern. Aber stattdessen sollen wir immer wieder glauben, dass niemand alt wird. Das ist schon verrückt.
Ich denke auch, dass die ganze Sex-Sache übertrieben ist, besonders in den R’n’B-Videos. Das nächste ist dann ein Hologramm mit dem Geschlechtsteil der Frau, das aus dem Bildschirm rauskommt. Das ist die Richtung, wo wir uns hinbewegen. Es gibt ja zum Beispiel HipHop-Videos in Versionen für Erwachsene. Wenn du spät abends guckst siehst du dann Snoop Dogg, wie er seine Hand auf dem Busen irgendeiner Frau hat. Wenn die das machen wollen – ok. Aber ich persönlich finde es langweilig.
Auch ein Stückweit gefährlich? Jugendgefährdend?
Fred: Es gibt in den HipHop-Videos eine frauenfeindliche Einstellung. Es gibt eine Verherrlichung von Geld, von Exzess, und das ist glaube ich gefährlich. Die Frauen sind in HipHop-Videos immer in unterwürfigen Rollen, immer…
Richard: Das ist nicht besonders gesund. Aber es kommt auch da wieder drauf an, wie du es machst. Tarantino macht auch Gangster-Filme, aber in so einem frischen, atemberaubenden Stil, mit unüblichen Dialogen – damit hat er das Genre neu erfunden.
Als ihr aufgewachsen seid, wie präsent war Sex in den Medien?
Richard: Wir sind sehr langsam erwachsen geworden.
Fred: Früher hatte alles mehr ein Geheimnis. Popmusik, Filme, Stars, Sex – alles war ein bisschen entfernter, nicht 24 Stunden am Tag im Vordergrund.
Richard: In Großbritannien hat die Generation 16 und jünger heute schon mehr Pornos gesehen als jede andere Generation zuvor. Ich habe mein erstes unanständiges Bild gesehen – und das war nur ein Bild – als ich 17einhalb war. Das war ein Blowjob. So, jetzt war ich 17, aber noch so jung in meinem Kopf, ich habe das Bild genommen, erst richtig rum gehalten, dann falsch rum – ich hab überhaupt nicht kapiert, was ich da gesehen habe – ich hatte ja noch nie was von Blowjobs gehört.
Wie Fred sagte: Damals war alles viel weiter weg, Sex war weit weg, auch das Showbusiness. Es gab nicht diese Unmittelbarkeit wie heute. Du hast die Filmsstars nie gesehen außer im Kino oder bei der Oscar-Verleihung. Heute dagegen siehst du Popstars im Fernsehen wenn du bei der Post gerade eine Briefmarke kaufst. Es ist absolut überall.
Ich mag an uns, dass wir manchmal sehr gut und manchmal richtig schlecht sind.
Fred: Überall da, wo mit Sex Geld gemacht werden kann, dort wird Sex auch benutzt. Wenn man mit Sex auf einmal kein Geld mehr machen könnte, die Leute würden es von ein auf den anderen Moment sein lassen und mit etwas anderem weitermachen. Dann vielleicht mit Gewalt …
Hat diese Sexualisierung in den Medien nicht schon heute viel zerstört?
Fred: Ja, hat sie, das Geheimnis ist weg.
Richard: Ich habe letztes Jahr eine Sendung über den Effekt der amerikanischen Pornoindustrie in Afrika gesehen. Da ging es um ein kleines Dorf in Ghana. Die haben dort in einer Hütte ein kleines Kino, wo sie einmal in der Woche Pornos zeigen, für die Männer. Seit dem sie das tun, sind die Fälle von Vergewaltigungen in der Gegend deutlich gestiegen.
Es ist ja auch so, dass viele Paare Pornos heute nicht als hilfreich sondern als beängstigend empfinden. Männer denken, ihre Penisse sind zu klein, weil alle Typen in den Pornos riesige Schwänze haben. Sie denken, sie können nicht lang genug, weil Pornos eine Stunde dauern … Es ist wie vieles andere auch: Es kommt auf den Grad an. Wie viel konsumierst du, wie zugänglich ist es? Bei Kindern denke ich zum Beispiel, dass sie überhaupt keinen Zugang haben sollten zu Pornos, Gewaltfilmen oder gewaltvollen Bilder jeder Art.
Bis zu welchem Alter?
Richard: Sie sollten mindestens 16 sein.
Fred: Ich bin Ende der 90er für ein paar Jahre auf einem ziemlichen Drogentrip gewesen, habe viel Kokain und so genommen. Damals war ich auch häufig in Stripbars, hatte Sex mit Stripperinnen usw. – Was diese Art von Porno mit deinem Leben macht: es nimmt dir die Fähigkeit, auf einem normalen Level zu kommunizieren. Denn als ich zurück bin, in normale Clubs und Bars, da hatte ich keine Ahnung mehr, was ich zu einer Frau sagen soll, ich wäre fast wieder hingegangen und hätte ihr einen Fuffi zugesteckt – weil ich das die letzten drei Jahre in Stripclubs gemacht habe.
Das Problem mit Porno und Sex in so einer Umgebung oder in Filmen ist, dass es die Sache entmenschlicht, es macht sie unpersönlich. Du kommst zu einem Punkt, wo du nicht mal mehr den Namen der Person kennen musst – damals fand ich das toll, weil ich so sehr im Rausch war. Aber als ich damit aufgehört habe, wieder in der Realität angekommen war, da habe ich plötzlich gedacht: Wie schrecklich! Danach musste ich wieder lernen, wie ich Leute richtig anspreche.
Richard: Ein britischer Komiker hat mal im Scherz vorausgesagt, dass es in 20 Jahren einen großen Geburtenrückgang in Großbritannien geben wird. Niemand versteht, warum, bis man herausfindet: die Pärchen gucken alle Pornos. Sie haben immer noch ganz normal Sex – aber am Ende kommt der Typ immer über ihren Brüsten. Weil das alles ist, was sie in den Filmen sehen.
Aber wie gesagt: es ist – wie bei Alkohol oder Drogen – eine Frage der Dosis. Und es muss kontrolliert werden. Die Leute werden nicht von selbst weniger Drogen nehmen, dieser Krieg ist schon lange verloren. Alles was du tun kannst ist, es zu kontrollieren, und versuchen, die Leute anzuregen, sich Gedanken über ihren eigenen Konsum zu machen. Aber zwingen kannst du sie nicht.
Ich habe mir heute noch mal den Text von „I’m too sexy“ durchgelesen, ohne die Musik dazu – wenn man es sich dann noch auf Deutsch übersetzt ist das schon ziemlich Dada.
Richard: Ja, mir persönlich gefällt die minimalistische Natur des Songs. Und es ist ziemlich schwer, so einen einfachen Popsong hinzubekommen. Ich meine, Jazz spielen kann jeder. Aber abgesehen von „Take the A-train“ – was ein großartiger Popsong ist – fällt mir kein Jazz-Musiker ein, der sich eine dreiminütige Hit-Single ausdenkt.
Ist es heute schwieriger einen Hit zu landen?
Fred: Das hängt davon ab, wie man Hit definiert. Die Zeiten, wo du in den Top10 sein musstest, um erfolgreich zu sein, sind jedenfalls vorbei. Was du heute brauchst, ist Öffentlichkeit. Es bringt nichts mehr, auf Platz fünf zu stehen, ohne im Radio, im Fernsehen und in den Zeitungen präsent zu sein – weil die Plattenverkäufe so schlecht sind. Heute sind deswegen Verlage, Shows, Sponsoren, Merchandising und Synchronisation sehr wichtig. Wenn „Sexy Bum“ es nicht in die Top 40 schafft, kümmert mich das nicht, solange wir in den Medien waren, das Album promoted haben und die Leute wissen, dass es da ist. Dann kommen sie zu den Shows, kaufen das Album, die DVD…. Darauf kommt es an, sie kaufen nicht die Single und ignorieren alles andere. Wenn das so wäre müssten wir wahrscheinlich anfangen nebenbei Taxi zu fahren.
Richard: Früher wusste jeder, wer gerade auf Platz eins ist. Mütter, Väter, alle. Und heute? Wen interessiert das? 13-Jährige vielleicht, aber das ist auch schon alles. Das Geschäft funktioniert heute anders.
Fred: Wir haben vor kurzem einen neuen Vertrag bei EMI unterschrieben, wir hatten vorher mit Universal und vielen anderen Labels geredet – aber niemand hat kapiert, wie sich die Industrie verändert hat. Die sprachen immer noch darüber: Wie viele Singles habt ihr verkauft? ….Wir saßen nur da und dachten: Leute, ihr seid so verloren, ihr habt keine Ahnung, was da draußen passiert. Ihr sitzt hier mit euren goldenen Schallplatten und denkt, es ist 1975 – aber das ist vorbei. Und 1995 ist auch vorbei. Nur die von EMI haben das verstanden. Die anderen fand ich beschämend, die taten mir leid.
Richard: Die sahen irgendwie auch alle sehr unglücklich aus.
Wie viel bringen euch heute noch die Hits von früher?
Fred: Wir verdienen mit „I’m too sexy“ heute mehr Geld als vor 17 Jahren. Das ist einfach verrückt. Wir kriegen mindestens eine Anfrage pro Woche von Leuten aus den USA, die den Song in einem Film, im Fernsehen oder einem Videospiel verwenden wollen. Bei EMI ist er in den Top10 der meistlizenzierten Songs. Und da ist dann auch Geld im Spiel – das sind nicht die Charts. Der Song war drei Mal bei den „Simpsons“, zwei mal bei „Family Guy“, in über 50 Filmen, 100 Werbespots…
Wie würdet ihr Pop definieren?
Richard: Das wirklich Großartige am Pop ist: Es ist ein Wegwerf-Produkt, aber gleichzeitig unverzichtbar.
Fred: Scheiße und brillant zugleich.
Richard: In Großbritannien haben sie vor ein paar Jahren mal eine Umfrage gemacht und die Leute nach Songs gefragt, die sie mit den wichtigsten Dingen in ihrem Leben assoziieren – Tod in der Familie, Heirat, Scheidung, Ferien – und jeder nannte einen Popsong. Niemand erwähnte Mahler, Beethoven oder Schönberg, sondern es war alles Pop. Diese Leute bewerten Popsongs sehr hoch, weil sie mit ihnen einen bestimmten Moment in ihrem Leben verbinden. Auf der anderen Seite ist Pop als Kultur ziemlich entbehrlich.
Ein Song wie „I’m too sexy" ist auch ein Wegwerf-Produkt, aber auf der anderen Seite ist er für gewisse Leute sehr wichtig. Es ist ein bisschen von beidem und das macht es so interessant.
Welche Hits waren für euch wichtig?
Fred: „Wicked Game“ von Chris Isaak, “On the Road again” von Canned Heat…
Richard: “Young Americans” von David Bowie, T.Rex mit “I love to boogie” (fängt an zu singen) – das ist genial.
Fred: Ich mag die Einfachheit von Kraftwerk und Trio mit „Da da da“ das ist ein großartiger Popsong.
„Da da da“ zeigt ja besonders, dass die Worte nicht unbedingt einen Sinn ergeben müssen.
Richard: Nein, müssen sie nicht.
Fred: Sie müssen zur Melodie passen. Wenn du „ka ka ka“ singst statt „da da da“ oder „ska ska ska“ – das würde nicht funktionieren. Es muss einfach locker klingen.
Richard: Ich erinnere mich, dass wir einmal „I’m too sexy“ für Nordkorea neu aufnehmen sollten. Weil sie dort den Song mit „sexy“ nicht spielen würden haben wir das dann umgedichtet in „I’m too fancy“ (sinngemäße Übersetzung: „Ich bin zu extravagant“) – Aber schon in dem Moment wo du das aussprichst, merkst du, dass es nicht funktioniert. „I’m too fancy for my shirt“ – völliger Quatsch!
Was ist denn aus der Version geworden?
Richard: Wir haben das sein lassen. Wir haben kalkuliert, dass wir auch ohne den nordkoreanischen Markt leben könnten.
Fred: Und ich denke, es hat sich gezeigt, dass wir damit richtig lagen (lacht).
Seid ihr heute entspannt was eure finanzielle Situation anbelangt?
Richard: Ja, da ist alles gut.
Ihr könntet aufhören, wenn ihr wollt.
Fred: Wir könnten aufhören, ja. Ich könnte mir dann vielleicht nicht mehr mein Haus in London und den Lifestyle dort leisten, zumindest nicht für immer, ich müsste aus der Stadt ziehen … Aber ja, wir könnten in Rente gehen. Ich will es aber nicht, mir macht die Sache hier Spaß. Es macht mir Spaß, Leute mit Songs zu ärgern.
In welchem Alter werdet ihr einen Song wie „I’m too sexy“ nicht mehr singen?
Richard: Ich glaube, es wäre verdammt lustig…
Fred: Je älter wir werden, desto verrückter wird es doch.
Richard: ….wenn man sich vorstellt, wie „I’m too sexy“ von zwei 80-Jährigen…
Fred: Tom Jones hat “Kiss” und “Sex Bomb” mit 64 oder 65 gesungen.
Richard: Ich denke, das ist der Punkt, über den wir vorhin gesprochen haben: „I’m too sexy“ können wir auch mit 80 noch machen, weil es eben kein sexueller Song ist. Es ist ein lustiger Song, ironisch. Für den muss ich gar nicht sexy sein, ich könnte genau so gut im Rollstuhl sitzen. Und bei „Sexy Bum“ geht es darum, was der Typ halt mag. Da kannst du auch einen 85-Jährigen haben, der sagt: Ich mag dicke Ärsche, kleine Ärsche, schwarze, weiße… Das ist völlig alterslos.
Richard: Wenn es etwas gibt, was einen ans Aufhören denken lässt, dann ist es die Frage, ob wir noch das ganze Herumreisen mitmachen wollen, die Hotels, von zuhause weg sein, Fred hat eine Freundin und eine Tochter…
Für mich ist es ein bisschen einfacher, weil ich Single bin. Ich habe kein Zuhause, das ich vermisse. Aber wenn ich zuhause einen Partner hätte würde das meine Perspektive verändern, ich würde nicht mehr so eifrig auf Tour sein. Es ist halt eine Investition. Ich glaube, es gibt sehr viele Bands, die ihr Leben damit verdienen könnten, auf Tour zu sein – aber sie wollen nicht die ganze Zeit weg von ihrer Familie sein.
Fred: Bryan Adams ist die ganze Zeit auf Tour, er könnte es sich leisten aufzuhören. Aber er mag es live mit der Band zu spielen.
Ihr habt vor kurzem in England eine Waschmittel-Werbung gemacht. Warum macht man so was, wenn man finanziell ausgesorgt hat?
Richard: Das war einfach zum Spaß. Die Bezahlung war gar nicht so besonders…
Fred: Interessant war, dass Procter & Gamble am Anfang zu uns meinte, sie hätten uns ausgesucht, nachdem eine Umfrage ergeben hatte, dass wir die Kandidaten mit dem höchsten Wiedererkennungswert waren. Die haben 300 Leute gefragt, verschiedene Altersgruppen, Geschlechter, haben ihnen Bilder von Filmstars, Musikern, Rockstars etc. gegeben – und wir haben 80 Prozent abgedeckt. 80 Prozent haben uns erkannt – das war eigentlich schon genug Bezahlung.
Richard: Und es hat Spaß gemacht. Es gab auch Gerede über den Spot… (Zuschauer beschwerten sich über die Werbung für die Firma Daz, weil sie für Kinder und Jugendliche ungeeignet sei, Anm. d. Red.)
Fred: Und ich muss sagen: Wenn ich irgendwann mal, so mit 80 in meinem Rollstuhl sitze, mir in die Hosen mache, durch einen Schlauch atme – dann kann ich zurückzuschauen und sehen: Wir haben dies gemacht, jenes gemacht, das versaut, dies hinbekommen… Ich will dann nicht denken müssen: Hätte ich nur, hätte ich nur… Ich habe Sachen gemacht, die sich richtig angefühlt haben. Und wenn wir auf dem Weg mal was versaut haben – so what?
Richard: Jeder baut mal Scheiße.
Zum Schluss noch etwas Politisches: Wann glaubt ihr, wird ein Homosexueller erstmals an der Spitze einer Regierung stehen können?
Richard: Es wird in Simbabwe eher passieren als in Großbritannien – da bin ich mir sicher.
Fred: In Deutschland kann ich mir das schon vorstellen, in Italien, Kanada…
Richard: Brasilien, Holland, wobei die auch einen sehr rechten Flügel haben…
Fred: Glaubst du, die ehemaligen Ostdeutschen wären einverstanden mit einem schwulen Kanzler?
Warum fragt ihr mich jetzt nach den Ostdeutschen?
Fred: Weil die doch ein wenig konservativer sind, oder?
Richard: Ich glaube, das ist hier mehr der Süden.
Fred: Ach, ja stimmt, die Schwaben….
Richard: Also, wir hatten mal in den 70er Jahren einen Premier, Edward Heath, der nicht verheiratet war. Er ist immer zum Segeln gefahren, mit männlichen Freunden. Niemand wusste, was da passierte, es gab darüber nie Gerede, aber eigentlich hat jeder gemunkelt oder sich zumindest seinen Teil gedacht. Ich glaube Heath war auch der einzige Single und unverheiratete Premier, den wir je hatten.
Zu deiner Frage: Ich denke, es wird irgendwann passieren, aber in Deutschland eher als bei uns.
Was sind die Dinge, die ihr heute in eurer Heimat bedauert?
Richard: Wie viel Zeit haben wir noch? 2 Stunden? (lacht)
Fred: Wir sind sehr enttäuscht von unserer Heimat. Nicht persönlich… aber wenn man sich die Entwicklung der letzten zehn Jahre anschaut, die Gewalt hat zugenommen, das Land ist antisozial und ärmer geworden, es ist isolierter geworden im Verhältnis zur restlichen Welt, gieriger, es gibt eine Subkultur einer so großen Dummheit, das geht auf keine Kuhhaut.
Früher war ich extrem stolz, britisch zu sein. Heute bin ich nicht nicht stolz, aber ich bin sehr unglücklich darüber, dass wir auf der Weltbühne so schlecht repräsentiert werden. Auf fast allen Ebenen, kulturell, politisch, musikalisch, im Sport – eine verdammte Katastrophe.
Richard: Wir hatten jetzt 10-12 Jahre Labour-Regierung und das war ein absolutes Desaster. Blair hatte zwei gute Jahre, dann fing er mit dem Mist an, lügte, und auf einmal fanden wir uns mitten im Irak wieder, bis zu den Brustwarzen in einem Patronenhaufen – und das alles basierte auf einem Lügenpapier von Anfang an.
Da hat mir Joschka Fischer viel besser gefallen, wie er bei einer Debatte Rumsfeld gegenüber saß und sagte: „Sorry, ich glaube Ihnen nicht, Mr. Rumsfeld“ – Wir hatten dafür Tony Blair, der glaubte alles, was man ihm sagte. Und er belog die britische Bevölkerung, das Parlament und den Rest der Welt. Also, für mich hat die Irakfrage meine Heimatgefühle sehr verändert, fundamental.
Nichts desto trotz: Was ist besonders britisch an euch?
Fred: Wenn uns etwas sehr aufregt, dann versuchen wir es erstmal mit einer Tasse Tee. Taucht ein großes Problem auf, ist das erste, was wir sagen: Komm, wir machen mal einen Tee. Da sind wir glaube ich sehr englisch.
Und wir sind es in unserer Musik: vor vielen Jahren gab es in Großbritannien diesen Vaudeville-Stil, eine Art von Unterhaltung, die immer im Theater stattfand und ein ganz bestimmtes Aussehen, einen bestimmten Klang hatte. Und ich glaube, unser Songwriting – „Youre my mate“ und „Deeply dippy“ – ist teilweise schon sehr wie Vaudeville. Solche Songs hat man in den Varietes in den letzten 100 Jahre gehört.
Richard: Ich denke oft darüber nach, was mir fehlen würde, wenn ich im Ausland leben würde – das, was ich mehr als alles andere vermissen würde, wäre der Sinn für Humor. Der britische Sinn für Humor ist sehr besonders und es gibt einige Comedians bei uns, die das richtig bedienen, eine neue Sorte von Comedy, die aber die gleiche dunkle, ein wenig zynische, Anti-Establishment-, Alles-ist-Mist-Haltung hat, was ich sehr mag.
Fred: Ich weiß noch eine sehr britische Eigenschaft von uns: Wir denken: 99 Prozent von allem ist Schrott. 99 Prozent der Musik, Mode, Autos…
Richard: …Leute (lacht) …
Fred: …Politiker, 99 Prozent von ihnen kannst du vergessen. Wobei ja selbst ein Prozent noch ganz gut, ist. Wenn du ein Prozent aller Musik nimmst, die je gemacht wurde, ist das immer noch sehr viel.
Sou do Brasil e acompanho a carreira do RSF, desde q eu era uma garotinha (e eles já estouravam o grande sucesso nos anos 90). Tenho alguma dificuldade em ler Alemão, mas me esforcei e graças ao google tradutor, pode entender bem
Simplesmente amei, é difícil achar boas entrevistas dessa dupla de lindos! Mesmo sendo numa língua diferente, agradeço do fundo do meu coração essa oportunidade de conhecê-los melhor
Vou imprimir tudo e guardar num lugarzinho bem especial
Um gde beijo no coração de vcs <3