Robert Ackermann

Die NPD versucht von der Euro-Krise zu profitieren.

Politikwissenschaftler Robert Ackermann über Begegnungen mit NPD-Politikern, rechtes Wählerpotential, Islamfeindlichkeit und ein mögliches NPD-Verbot

Robert Ackermann

© Patrick Wamsganz

Robert, du hast für dein Buch "Warum die NPD keinen Erfolg haben kann", die führenden NPD-Kader interviewt. Wie sind dir deine Gesprächspartner gegenübergetreten?
Ackermann: Es gab schon einige sehr aussagekräftige Erlebnisse. Holger Apfel (NPD-Vorsitzender) habe ich zum Beispiel in seinem Büro in Dresden getroffen. Als ich es betrat, hat er hinter seinem Schreibtisch auf einem hohen Schreibtischstuhl gethront. Ich hingegen wurde über drei Meter von ihm entfernt auf einem ganz niedrigen Couchsessel platziert. Eine absurde Situation, die gezeigt hat, wie er sich selbst sieht: Nämlich als jemand, zu dem man heraufschauen muss. Udo Voigt (NPD-Vorsitzender bis 2011), den ich in einem Berliner Biergarten getroffen habe, war eher so der kumpelhafte Typ. Wenn man nicht drauf geachtet hätte, was für eine radikale und menschenverachtende Ideologie er vertritt, hätte man ihn durchaus für nicht unsympathisch halten können. So wie ihn stelle ich mir jemanden vor, der eine Kegelbahn betreibt oder im Freibad Pommes verkauft.

Wie hast du die Gesprächsatmosphäre insgesamt empfunden?
Ackermann: Am Anfang war ich durchaus angespannt. Schließlich wusste ich nicht so genau, wie die NPD-Leute mir entgegentreten würden. Ich war zunächst auch vorsichtig und habe die Fragen etwa zu ihrem Antisemitismus oder dem historischen Nationalsozialismus erst gegen Ende gestellt. Insgesamt sind die Gespräche aber gut verlaufen und waren erstaunlich aufschlussreich. Manche Situationen waren dennoch unangenehm. Zum Beispiel Udo Pastörs, der stellvertretende Bundesvorsitzende, ist eher provokativ aufgetreten. Da fiel es mir schwerer, in einer neutralen Rolle zu bleiben.

Deine These lautet, dass die NPD als Partei keinen Erfolg haben kann. Was sind aus deiner Sicht die entscheidenden Gründe dafür?
Ackermann: Natürlich hat es viel mit der historischen NS-Erfahrung in Deutschland zu tun und der politischen Kultur, die daraus entstanden ist. Zum großen Teil aber auch mit der Partei selbst. In sehr vielen westeuropäischen Ländern gibt es ja Rechtsaußenparteien, die in den Parlamenten sitzen. In der Schweiz ist es die SVP, in Österreich die FPÖ. In den Niederlanden ist es die PVV von Geert Wilders. In Frankreich wiederum ist der Front National mit Marine Le Pen an der Spitze sehr einflussreich. Auch in Schweden, Norwegen, Finnland und in einigen anderen Ländern gibt es entsprechende Parteien. Das zeigt, dass es überall in West-Europa ein Wählerpotential am äußeren rechten Rand gibt.

In Deutschland gelingt es der NPD offensichtlich nicht, dieses Wählerpotential für sich zu nutzen.
Ackermann: Ja, das stimmt, aber Ausländer- und vor allem Islamfeindlichkeit sind hier nicht geringer ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern mit erfolgreichen Rechtsaußenparteien. Das zeigen Umfragen und auch die Sarrazin-Debatte hat offenbart, dass gerade, was islamfeindlichen Populismus angeht, ein großes Potential besteht.
Das Problem der NPD ist, dass sie im Vergleich zu den Parteien im Ausland eine Partei alten Typs ist. Für viele der Mitglieder ist der historische Nationalsozialismus noch immer sinnstiftend, deswegen ist die NPD nach wie vor auch sehr stark antisemitisch eingestellt. Diese Judenfeindlichkeit führt wiederum dazu, dass sie anders als die anderen westeuropäischen Rechtsaußenparteien nicht konsequent einen islamfeindlichen Kurs fahren. Die NPD handelt – vereinfacht gesagt – nach dem Motto: Die Feinde eines Feindes bekämpft man nicht. Denn ein Teil der arabischen Welt ist ja sehr israelkritisch.

Wäre die NPD im Umkehrschluss also erfolgreicher, wenn sie islamfeindlicher wäre?
Ackermann: Nein, das wäre nicht genug. Da kommt eine Vielzahl von Faktoren zusammen. Die NPD ist ja auch eine Partei, die sehr stark stigmatisiert ist, unter anderem, weil sie sich nicht vom historischen Nationalsozialismus und vom biologisch gedachten Rassismus lossagt. Alle Parteien, die in Europa erfolgreich sind, achten akribisch darauf, nicht mit Opas Faschismus in Verbindung gebracht zu werden. Bei denen geht es in der Außendarstellung eher um einen kulturellen Rassismus, der sich in Bezug auf den Islam eben am stärksten zeigt.

Man könnte dir nun den Vorwurf machen, du hättest eine Anleitung für die NPD geschrieben, um zukünftig erfolgreicher zu sein.
Ich habe mich selbst während der Arbeit an der Studie gefragt, ob man das so machen kann. Aber die NPD-Kader wissen, was sie anders machen als die sehr viel erfolgreicheren Rechtsaußen-Parteien in Westeuropa. Sie machen das ganz bewusst, weil sie von ihrer Weltanschauung überzeugt und auch nicht bereit sind, grundsätzliche Überzeugungen für Wahlerfolge gänzlich abzuschaffen. Sie sind wirklich von ihrem NS-Irrsinn überzeugt. Deswegen funktioniert auch der Kurs von Holger Apfel nicht. Er will die FPÖ in Österreich in ihrer Außendarstellung imitieren – aber das betrifft nur die Form, nicht die Inhalte.

Angesichts der Euro-Krise gibt es in der Öffentlichkeit derzeit eine Atmosphäre, in der immer wieder auch nationalistische Tendenzen sichtbar werden…
Ackermann: Die NPD versucht von der Euro-Krise zu profitieren, macht Propaganda gegen die deutsche Politik zur Euro-Rettung. Aber die Partei ist nicht kampagnenfähig und hat keine charismatische Führungsfigur. Auch das unterscheidet sie von den rechten Parteien im europäischen Ausland. Der Front National hat zum Beispiel Marine Le Pen, die PVV Geert Wilders – die NPD hat Holger Apfel, der es aber nicht einmal schafft, das rechtsextreme Wählerpotential zu mobilisieren. Das hat aktuell auch die Neugründung der Partei "Die Rechte" gezeigt. Die NPD ist insgesamt einfach sehr schlecht aufgestellt. Die Mitglieder schwinden in den letzten Jahren. Von über 7000 auf jetzt 5900, trotz einer Fusion mit der DVU, von der man erwartet hätte, dass sie zumindest ein paar neue Mitglieder bringt. Auch finanziell steht die Partei sehr schlecht da. Die Bundestagsverwaltung fordert immer noch 2,5 Millionen Euro zurück wegen falscher Rechenschaftsberichte.

Geht denn von der NPD eine konkrete Gefahr für die Gesellschaft aus?
Ackermann: Sie ist auf der Straße eine gefährliche Partei, denn sie hat viele gewaltbereite Mitglieder. Wohin die Ideologie führen kann, deren politisches Sprachrohr die NPD ist, hat ja auch der Terror der Zwickauer Zelle gezeigt.
Aber in den Parlamenten wird sie auch in Zukunft keine Chance haben, größere Erfolge zu feiern. Hier ist sie politisch bedeutungslos. Allerdings gibt es einige Regionen in Ostdeutschland, wo man dem Einfluss des rechtsextremen Gedankenguts massiv entgegentreten muss.

Zitiert

Die NPD ist insgesamt sehr schlecht aufgestellt.

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Du plädierst in deinem Buch für ein Parteiverbot mit der Begründung, der Staat dürfe seine eigenen Feinde nicht auch noch finanzieren. Aber macht ein neues Verbotsverfahren wirklich Sinn? Das erste ist 2003 aus Verfahrensgründen gescheitert. Zudem beschreibst du ja, dass die NPD im Grunde politisch bedeutungslos ist.
Ackermann: Für mich ist das eine Grundsatzfrage. Zwischen 40 und 50 Prozent der Parteigelder kommen über die Parteienfinanzierung vom Staat. Das sind bis zu 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Dadurch ermöglicht der Staat der NPD, ihre Hasstiraden zu verbreiten. Das muss man sich mal vor Augen führen.

Man könnte aber auch argumentieren: Selbst eine Partei wie die NPD muss eine Gesellschaft aushalten und sie muss sich ihr stellen, anstatt sie verbieten zu lassen.
Ackermann: Ja, aber es geht hier um eine systemfeindliche Partei, die die politische Ordnung – so nennt es der Verfassungsschutz – in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Form abschaffen will. Hier ist die Frage, ob man das zulassen will und ob man als Staat solche Bestrebungen, die voller Menschenhass sind, auch noch alimentiert.

Gerade nach den Ermittlungspannen im Zuge der NSU-Mordserie wird einem neuen Verbotsverfahren allerdings kaum Chancen eingeräumt.
Ackermann: Es mag nach der Vernichtung brisanter Akten des Verfassungsschutzes tatsächlich schwieriger geworden sein, die NPD zu verbieten. Ich glaube jedoch, wenn der politische Wille aller großen Parteien wirklich gegeben wäre, sollte es – zumindest mittelfristig – auch möglich sein, ein NPD-Verbot voranzutreiben. Im März haben die Innenminister ja schon beschlossen, alle V-Leute in den Führungsebenen der NPD abzuschalten.

Viel Aufmerksamkeit gab es kürzlich, als bekannt wurde, dass der führende Neonazi Christian Worch eine neue Partei mit dem Namen "Die Rechte" gegründet hat. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten?
Ackermann: "Die Rechte" ist eine Partei, die aus meiner Sicht von den Medien hoch geschrieben wurde. Über ihre Größe ist ja nicht viel bekannt. Ich glaube, dass sie ein sehr kleiner, versprengter Haufen ist, dem zu viel Beachtung zuteil wurde. Das Einzige, was an der Partei innovativ ist, ist ihr Name. "Die Rechte", als Gegenpol zur "Linken" – und der war auch schon einmal für die NPD im Gespräch. Allein der Name wird aber keine Zugkraft haben. Er wird nicht die viele kleinen Parteien am äußeren rechten Rand zusammenführen. Erst recht wird er nicht die bürgerlichen Fans von Thilo Sarrazin ansprechen, weil die Partei von jemandem gegründet wurde, der für seinen extremen Kurs bekannt ist. Es ist ja nicht so, dass ein zu Guttenberg eine solche Partei gegründet hätte, sondern ein extremistischer Ex-Sträfling aus der Kameradschaftsszene, der polarisiert. Er ist alles andere als eine Integrationsfigur.

Die Ruderin Nadja Drygalla hat während der olympischen Sommerspiele wegen ihrer Beziehung zu einem früheren NPD-Mitglied das olympische Dorf vorzeitig verlassen. Der Fall zeigte, dass eine Menge Hysterie herrscht, sobald das Schlagwort NPD auftaucht. Woran liegt das?
Ackermann: Die Öffentlichkeit reagiert heute sehr sensibel auf alles, was im Umfeld von Rechtsextremismus passiert. Unsere politische Kultur hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg so entwickelt. Und ich denke, das ist generell auch gut so.
Allerdings macht es keinen Sinn, wenn die Medien einerseits wellenartig Panik verbreiten und dann wieder überhaupt nicht berichten. Im Fall Drygalla denke ich, dass es richtig war, kritische Fragen zu stellen. Jemand, der eine Beziehung zu einem überzeugten Rechtsextremisten führt, ist ja mit jemandem zusammen, dessen Weltanschauung alle Lebensbereiche durchdringt.

Dennoch: Ist es nicht Privatsache, mit wem man zusammen ist?
Ackermann: Einerseits ja, andererseits steht man als Sportlerin bei den olympischen Spielen auch in der Öffentlichkeit und ist unter Umständen sogar Vorbild.

Das heißt, man muss jeden darauf überprüfen, was er in seiner Freizeit macht?
Ackermann: Natürlich darf es in dem Sinne keine geheimdienstähnliche Ausleuchtung geben. Aber hier geht es um jemanden, dessen Partner sich bewusst als Kandidat einer Partei in der Öffentlichkeit präsentiert hat. Also muss man auch damit rechnen, dass die Gesellschaft darauf reagiert.

Du hast dich auch mit der Kommunikation der NPD beschäftigt. Welche Rolle spielen dabei die sozialen Netzwerke im Internet, Facebook & Co?
Ackermann: Es gibt eine Studie, wonach Rechtsextreme immer mehr in sozialen Netzwerken aktiv sind. Natürlich versucht auch die NPD "moderne" Wahlkämpfe zu machen, gerade weil die Partei junge Wähler erreichen will. Aber hier gibt es natürlich auch viel Gegenwind, zum Beispiel Gruppen, die sich gegen die NPD richten. Und wenn man sich überlegt, dass Facebook ein amerikanisches Unternehmen ist, merkt man, wie inkonsequent die eigentlich antiamerikanischen Nazis hier wieder einmal sind.

Letzte Frage: Welche Rolle wird die NPD bei der Bundestagswahl 2013 spielen?
Ackermann: Ich glaube, eine sehr geringe. 2005 hat sie 1,6 Prozent erreicht, 2009 waren es mit 1,5 Prozent etwas weniger. Tendenziell wird sie 2013 eher noch schlechter abschneiden, auch weil es ihr schwer fällt, mit aktuellen Themen zu punkten.

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