Robert Höller

Die meisten Politiker haben viel zu wenig Umgang mit den Jugendlichen auf der Straße.

Jungschauspieler Robert Höller über den kontroversen Film „Wut“, seine Rolle Felix Laub, Integrationsprobleme in Deutschland und dass Fernsehen nicht nur unterhalten soll

Robert Höller

© Max Conrad / Agentur Hobrig

Robert, im ARD- Film „Wut“ warst du in der Rolle des Felix Laub zu sehen, ein Junge aus gutbürgerlichen liberalen Verhältnissen, der von Can, einem türkischen Immigrantensohn aus Neid und Hass abgezockt und niedergemacht wird. In wie weit bildet der Film deiner Meinung nach eine Realität ab, die Kindern und Jugendlichen an deutschen Schulen heute begegnet?
Höller: Ich würde auf jeden Fall sagen, dass der Film realistisch ist! Man kann ja diverse Leute fragen, die „abgezockt“ worden sind und davon erzählen können. Selbst der Autor des Drehbuches, Max Eipp, hat dieses Buch aufgrund von persönlichen Erfahrungen geschrieben, die er mit seinem Sohn gemacht hat. Natürlich sind einige Szenen im Film auch zugespitzt dargestellt. Das lässt sich in einem Film ja aber auch kaum vermeiden, wenn man Spannung aufbauen will.

Der Film „Wut“ spielt in Berlin, also in deiner Stadt. Wie nah ist dieser Stoff an deinem persönlichen Alltag in der Stadt?
Höller: Ich hatte auch schon Situationen, in denen ich Prügeleien und Abziehdelikte mitbekommen habe, aber das war nie so krass wie im Film. Insofern ist der Stoff, wie er im Film dargestellt wird, nicht so nah an meinem Alltag dran. Da wo ich wohne, in Lindenberg etwas außerhalb von Berlin, leben wenig Menschen mit Migrationshintergrund und auch bei meinen Freunden habe ich das nie so krass erlebt.

Wie hast du dich damals in diesen besagten kritischen Momenten verhalten? Wie hast du es geschafft, dass die Situation nicht eskaliert ist?
Höller: Das war unter anderem in einem Freibad in Berlin-Pankow, wo es häufiger zu Schlägereien und Diebstählen gekommen ist. Ich bin dann immer sofort zum Bademeister gerannt und habe Hilfe geholt. Ich bin nicht der Typ, der sich in die Schlägerei einmischt und den Helden spielen will. Im Umgang mit Gewalt bin ich eigentlich ziemlich feige. Aber wenn ich natürlich sehe, dass ich weit und breit der einzige bin, der die Prügelei mitbekommt, würde ich natürlich auch einschreiten, aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man diese Probleme auch eher im Gespräch und mit Hilfe der Polizei lösen sollte.

Felix Laub verhält sich da anders. Er schweigt. Von seinem Konflikt mit Can erfahren die Eltern nur zufällig, als Felix barfuss nach Hause kommt. Warum ist es für viele Jugendliche, die zum Opfer werden, so schwierig darüber zu sprechen?
Höller: Felix ist da ein besonderer Fall, weil Can ja auch so eine Art Bezugsperson, so etwas wie ein Freund für ihn ist. Zumindest glaubt er das. Felix erzählt es den Eltern nicht, weil er Angst hat, dass Can dann verpfiffen werden könnte, weil er ja auch mit Drogen dealt. Viele Jugendliche haben einfach Angst, dass wenn ihre Eltern die Polizei einschalten würden, sie nur noch mehr Stress als vorher bekommen würden.

Cans Vater sagt: „Die Jugendlichen müssen ihre Probleme alleine lösen“. Macht das Einmischen der Erwachsenen alles nur schlimmer?
Höller: Das kann ich so pauschal gar nicht sagen. Das hängt immer von der Situation ab. Manchmal ist es natürlich gut, wenn sich die Eltern einmischen, aber oftmals geht es wie Film eben auch zu weit. Wenn Simon Laub den Vater von Can aufsucht und mit ihm über die Situation sprechen will, ist das meiner Meinung nach sinnvoll, aber dass er, ohne es Felix zu sagen, die Polizei anruft macht vieles schlimmer. Felix wird dann zusammengeschlagen und bewusstlos vor seiner Haustür abgeliefert.

Wie würdest du dich als Vater verhalten, wenn dein Sohn in so eine Situation kommen würde?
Höller: Ich hätte natürlich Angst um meinen Sohn. Das ist ja auch eine ganz menschliche Reaktion. Ich würde Kontakt zur Polizei suchen und mich beraten lassen, aber nicht alles total hektisch überstürzen. Ich würde erstmal versuchen das Gespräch zu suchen und nicht gleich mit Gegengewalt zurückschlagen.

Die Medien haben die Figur Can im Vorfeld oft als eine Art unberechenbares „Monster“ dargestellt. Das ist ja falsch, weil man Can ja auch weinen sieht, als er vom Vater aus der Wohnung geschmissen wird. Ist Can in gewisser Weise auch ein Opfer?
Höller: Auf jeden Fall! Da gibt es für mich gar keine Diskussion drüber. Can ist für mich nicht nur ein Opfer, wenn er aus der Wohnung geschmissen wird, sondern auch ein Opfer der Gesellschaft, in der er lebt. Es ist ja einfach mal so, dass diese besagten Menschen mit Migrationshintergrund zwar offiziell von der Gesellschaft anerkannt werden, aber inoffiziell sind es dann halt doch nur„die Türken“. Ich habe das Gefühl, dass diese Menschen immer mehr von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, und immer seltener und schwieriger einen guten Job finden. Oft bekommen sie dann halt nur die Berufe, die kein Deutscher haben will, gehen putzen oder machen einen Dönerladen auf. Viele von denen sind ja auch in Deutschland aufgewachsen, werden von vielen aber gar nicht als Teil dieses Landes gesehen. Der Regisseur des Films Züli Aladag ist ja auch ein Türke, der hier aufgewachsen ist, und der heute als Regisseur arbeitet. Wenn man ihn aber auf der Straße sieht, ist er trotzdem nur ein „Türke“ wie alle anderen. Das rechtfertigt natürlich nicht die Gewalt von Can, aber er darf nicht nur als Täter gesehen werden!

Zitiert

Ich bin nicht der Typ, der sich in die Schlägerei einmischt und den Helden spielen will.

Robert Höller

Warum fällt es uns in Deutschland so schwer mit Menschen wie Can zusammen zu leben?
Höller: Das sind zwei Kulturen, die sich scheinbar nicht so leicht miteinander vereinbaren lassen. Diese Probleme gibt es ja auch schon länger. Man sieht das hier in Berlin an dem Streit über den Bau der Moschee im Bezirk Pankow-Heinersdorf. Viele Menschen haben da einfach totale Angst, dass in ihrem Land mit der Moschee etwas entstehen könnte, was nicht ihrer Kultur und ihrem Glauben entspricht. Sie fühlen sich somit in ihrer deutschen Tradition bedroht, haben Angst, dass die Türken ihre Welt verändern wollen. Diese Angst macht es den Türken, die ja zum größten Teil Muslime sind, dann natürlich auch besonders schwierig sich hier einzuleben.

Im Anschluss an „Wut“ gab es eine Diskussionsrunde mit Betroffenen und Experten. Der Hauptdarsteller Oktay Özdemir („Can“) sagte dort wütend, dass die Politiker überhaupt keine Ahnung davon hätten, wie es auf der Straße abgeht und lieber mit ihrem dummen Gerede aufhören sollten. Hat er Recht?
Höller: Ja, da muss ich Oktay wirklich Recht geben! Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Politiker viel zu wenig Umgang mit den Jugendlichen auf der Straße haben. Ich denke, man müsste da noch viel mehr das Gespräch suchen. Politiker müssten mit Sozialarbeitern auf einer Ebene arbeiten, sich austauschen und das Problem gemeinsam angehen. Diese Sozialarbeiter haben direkten Kontakt zu den Jungs auf der Straße. Die Politiker kennen sich mit dieser Thematik bestimmt auch gut aus, aber sie kennen es nur aus der Theorie. Viele haben das, worüber sie reden und Gesetze beschließen, nie mit eigenen Augen gesehen. Das ist schade!

Dem Regisseur Züli Aladag wurde im Vorfeld vorgeworfen, er würde durch die Darstellung des „bösen“ Türken Can Vorurteile und somit indirekt Ausländerfeindlichkeit erzeugen. Ist der Film ausländerfeindlich?
Höller: Nein, überhaupt gar nicht! Der Film gibt zwar keine Antworten darauf, warum Can nun zur Gewalt greift, aber wenn man sich näher mit diesem Thema beschäftigt findet man schon selber viele Aspekte. Wir sehen, dass Can von seinem Vater verstoßen wird, weil er Scheiße gebaut hat. Insofern ist es in gewisser Weise auch nachvollziehbar, warum sich dieser Hass in ihm bildet. Es kam ja in dieser Diskussion auch oft das Argument auf, dass der Regisseur selber Türke ist, was den Vorwurf sicherlich auch abschwächt. Ich glaube, es war zu keiner Zeit die Absicht von Züli diesen Film ausländerfeindlich zu gestalten.

Wird die Integration ausländischer Mitbürger durch einen solchen Film wie „Wut“ eher erschwert oder bedarf es eines solchen Abbildes der Realität, um diese Problematik ins Blickfeld zu rücken?
Höller: Dieser Film hat eine große Welle in der Pressewelt ausgelöst und irgendwie ist das Thema auf diese Weise auch wieder ins Gespräch gekommen. Ich bin mir sicher, dass man solche Filme wie „Wut“ braucht, damit dieses Thema wieder wahrgenommen wird. Was aus den Augen ist, ist oft auch aus dem Sinn. Wenn man sich dann diesen Film anschaut wird man wieder mit der Problematik konfrontiert und muss sich damit zwangsläufig auseinandersetzen. Grade dieser Film hinterlässt uns ja mit vielen Fragen, die jeder dann für sich selbst beantworten muss. Es ist aber grade dann auch wichtig, dass die besagten Menschen mit Migrationshintergrund auch selber zu Wort kommen dürfen und nicht ständig nur über sie geredet wird. Das ist absolut unabdingbar. Das passiert leider viel zu selten…

Angeblich aus Jugendschutzgründen ist der Film in der ARD von 20:15Uhr auf den 22.00Uhr-Sendeplatz am Freitag verschoben worden? WDR- Intendant Fritz Pleitgen hat sich darüber empört und öffentlich gesagt: „Ich habe uns mehr Courage zugetraut“. Was denkst du darüber?
Höller: Erstmal finde ich es schön, dass diese Debatte überhaupt aufgekommen ist, und dass diese Entscheidung nicht einfach so hingenommen wurde. Das Ding ist ja: Man macht einen provokanten Film, der dann im Nachtprogramm versteckt wird – weil man Angst hat. Angst vor der folgenden Diskussion. Stattdessen wird lieber Musikantenstadl gesendet, was keinen emotional aufwühlt. Das finde ich sehr schade und kann es absolut nicht verstehen! Es gibt immer mehr Telenovelas, Soaps und diesen ganzen Müll, wo keiner mehr wirklich nachdenken muss. Fernsehen soll nicht nur unterhalten, sondern auch aufklären. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ja auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Ich finde es mehr als peinlich, wenn ein Film, der ja so eine große Diskussion ausgelöst hat, aus reiner Angst verschoben wird.

Mit „Wut“ hast du dein viel beachtetes Fernseh-Debüt abgeliefert. Was können wir in der nächsten Zeit von dir erwarten?
Höller: Im Oktober läuft erstmal auf SAT.1 die Serie „Allein unter Bauern“, in der ich mitspiele, und im nächsten Sommer wird dann der Film „Eine Familie in anderen Umständen“ mit Wolfgang Stumph gezeigt. Ansonsten wird man von mir die nächsten Jahre vermutlich nicht so viel sehen, weil ich erstmal mein Abitur machen will – wenn ick dit schaffe (lacht). Und dann werde ich auf die Schauspielschule gehen – wenn ick dit och schaffe. Wenn ich die dann komplett absolviert habe geht’s hoffentlich so richtig los! Dann hoffe ich, dass ihr mich ganz oft sehen könnt.

Ein Kommentar zu “Die meisten Politiker haben viel zu wenig Umgang mit den Jugendlichen auf der Straße.”

  1. Lukas |

    Interessanter junger Mann…

    Das Interview zeigt, dass Robert Höller wirklich ein interessanter Mensch zu sein scheint. Freue mich auf seine nächsten Filme……

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