Röyksopp

Es geht nicht um die zwei Typen dahinter.

Svein Berge und Torbjørn Brundtland alias Röyksopp über ihre Alben „Junior“ und „Senior“, missverstandene Arroganz, Utopien und die Kontrolle über das Wetter

Röyksopp

© Stian Andersen

Sven, Torbjørn, als 2001 euer Album „Melody A.M.“ rauskam, habt ihr eure Musik als “Cinematic Funk” bezeichnet. Wie würdet ihr euren Stil heute beschreiben?
Berge: Das Element des Funks ist mittlerweile deutlich im Hintergrund. Unser Stil ist heute viel eklektischer. Wir haben unsere Musik entwickelt und – um es sehr cheesy auszudrücken – unsere eigene Stimme gefunden. Wir haben die Musik so lange gefiltert, bis wir unser eigenes Ding gefunden haben.

Also passt kein Label zu eurer Musik – es ist einfach Röyksopp.
Berge: Wir sträuben uns zum Beispiel gegen die Frage, welche Bands mit uns vergleichbar sind. Und zwar nicht weil wir so überzeugt von uns sind oder arrogant – wir wissen es einfach nicht.

Am Anfang kam oft der Vergleich mit Air und deren Album „Moon Safari“ auf.
Berge: Das stimmt, aber auch Air hat sich in eine vollkommen andere Richtung entwickelt.
Brundtland: Ich denke die Übereinstimmung mit Air lag darin, dass vielen Leuten, die „Moon Safari“ mochten, auch „Melody A.M.“ gefiel.
Berge: Ja, jeweils zwei Typen mit einem Fuß in elektronischer Musik und dem anderen in der Welt analoger Instrumente und alter Synthesizer.

Anneli Drecker war schon auf „Melody A.M.” zu hören und begleitet euch regelmäßig auf Tour. Ist sie das heimliche dritte Mitglied von Röyksopp?
Brundtland: Wir kennen Anneli einfach am längsten. Aber auch wenn wir uns sehr gut verstehen macht sie ihr eigenes Ding und ist kein Teil von uns.
Berge: Sie ist ein Ehrenmitglied.

Ihr arbeitet generell häufig mit Gast-Musikern, speziell Sängern zusammen. Wie sucht ihr die passenden Stimmen aus?
Berge: Die Auswahl ist uns sehr wichtig und bei diesem Album gehörte zum Konzept, dass viele Frauenstimmen dabei waren. Wir sind sehr glücklich mit unserer Auswahl, da wir einige der – wie wir finden – besten Stimmen für uns gewinnen konnten.
Brundtland: Es ist in der Tat so einfach wie es klingt: Großartige Stimmen und Persönlichkeiten sind das Kriterium. Wir sind gesegnet, mit ihnen arbeiten zu dürfen.

Wie funktioniert diese Zusammenarbeit? Heuert ihr sie quasi als Dienstleister an, die ihren Part umsetzen oder sind sie an der Songentwicklung beteiligt?
Berge: Wir sind nicht an einer musikalischen Vergewaltigung interessiert und lassen sie kreativ teilhaben. Wir wollen ja mit diesen Künstlern arbeiten, gerade weil sie über künstlerische Integrität und Herz verfügen.

Ist das der Grund, warum ihr so lange am neuen Album „Junior“ gearbeitet habt?
Berge: Nicht wirklich. Das hängt dann doch an uns. Wir brauchen lange um den passenden Sound zu finden und ihn zu produzieren.
Brundtland: Für uns ist die Produktion ebenso wichtig, wie der klassische Prozess des Schreibens und der Komposition. Wir verstehen das als integrierten Teil von Röyksopp, weil wir ohne jegliche Techniker arbeiten und alles selbst machen.
Berge: Außerdem haben wir auch an zwei Alben parallel gearbeitet.

Neben dem fröhlichen „Junior“ habt ihr auch gleich das traurigere Gegenstück „Senior“ produziert, das Ende des Jahres veröffentlicht wird…
Berge: Ich würde nicht sagen, dass es trauriger ist. Aber definitiv weniger vocal-basiert.

Wollt ihr noch Details zu „Senior“ verraten?
Berge: Nun ja, „Junior“ ist sehr vielschichtig, umschreibt Stimmungen, wie Fröhlichkeit, Trauer, Paranoia oder Betrunkensein. All das gilt auch für „Senior“, es ist dabei aber weniger wild und hektisch. Ohne den Antrieb durch den Gesang geht es uns eher darum, eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren.

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Ich hoffe, die Leute schauen hinter unseren Narzissmus und erkennen dabei unsere Ironie.

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Warum denn aber zwei Alben anstatt eines Doppelalbums?
Berge: Wir haben darüber nachgedacht, aber die Idee eines Doppelalbums erschien uns zu pompös. Im Nachhinein vermeiden wir so auch ein musikalisches Überladen, da jeder einzelne der Songs auf den beiden Alben nach Aufmerksamkeit giert. Wir verzichten ja komplett auf Füll- und Ruhestücke und wenn wir nun 20 Tracks auf einmal veröffentlichen würden, dann würden die sich bekämpfen und gegenseitig totschlagen. Deshalb haben wir sie getrennt. Wir finden, das „Junior“ besser zu Frühling und Winter passt, während „Senior“ eher an Herbst und Winter erinnert.

Ihr werdet oft als narzisstisch und arrogant beschrieben. Woher rührt dieses Image?
Berge: Also, wir spielen sicher nicht in einer Liga mit den Gallagher-Brüdern (Anm. von Oasis). Ich hoffe, die Leute schauen auch hinter unseren Narzissmus und erkennen dabei unsere Ironie. Worauf es uns wirklich ankommt ist die Musik, mit der wir sehr viel Zeit verbringen. Da geht es gar nicht um die zwei Typen dahinter.

Gut, das klingt jetzt wenig selbstverliebt. Aber wie entsteht dann so ein Bild von euch?
Berge: Wir sind eben sehr selbstbewusst, was unsere Musik angeht und glauben daran, dass sie sehr speziell ist. Das stärkt ganz offensichtlich das Selbstvertrauen. Aber die Leute sollten das Ding mit der Arroganz und dem Narzissmus nicht zu ernst nehmen. Wir sind da ein wenig wie die Transformer-Roboter und verwandeln uns auf der Bühne.

Du sprichst die Transformer an, auf eurem Album finden sich ja viele Zukunftsvisionen…
Brundtland: Ja, die Visionen… manchmal haben wir welche, manchmal nicht, manchmal drücken wir sie durch unsere Musik aus, und manchmal spielen wir einfach und haben Spaß dabei. Ich denke, dass die Leute, die mit unserer Musik vertraut sind, sich in jedem Fall den richtigen Reim auf sie machen können.

In „Silver Cruiser“ beschäftigt ihr euch mit technischem Fortschritt – welche Erfindung sehnt ihr herbei?
Brundtland: Die Fähigkeit zu fliegen und die Kontrolle über das Wetter.
Berge: Gut, fliegen können wir ja schon…
Brundtland: Aber nicht jeder einzelne. Ich meine fliegen wie Auto fahren. Als wir Kinder waren, hieß es immer, im Jahr 2000 sei das möglich. Aber alles was wir bis heute haben ist ein Walkman, auf den mehr Musik raufpasst.

Und warum wollt ihr das Wetter beherrschen?
Brundtland: Das wäre der ultimative Sieg über die Natur! Aber natürlich würde das viele Konflikte provozieren.
Berge: Ja, das müsste sehr lokal funktionieren, unter unserer Kontrolle. Jeden, den wir nicht mögen, könnten wir mit einer kleinen Wolke bestrafen – wie Mr. Burns der bei den Simpsons die Sonne kontrollieren will.

Welche Vision habt ihr denn in Bezug auf Gesellschaft und menschliches Zusammenleben?
Brundtland: Ich fände es zum Beispiel interessant, wenn die typisch menschlichen Probleme wegfallen würden. Das wäre so eine Utopie…
Berge: Man müsste den Menschen Eigenschaften wie Stolz oder Neid einfach wegnehmen – vielleicht indem man sie unter Lithium setzt und so emotional auf Nulllinie bringt. Es wäre doch spannend zu sehen, was dann passiert. Aber solche Utopie-Konstrukte sind sehr schwierig vorzustellen, vielleicht muss man sich dafür Michael Jacksons Video zu „We Are The World“ angucken.
Brundtland: Wir mögen aber Utopien, weil sie uns die guten Dinge vor Augen halten, die wir haben.

Auf eurer Website präsentiert ihr eine Top-5-Hitliste eurer Lieblingstiere und kürt die Ameise zum Sieger. Also ein Tier, das als fleißiger Arbeiter unter einem Anführer dient, eine Art Kommunismus mit König. Könnte das eine Lösung sein?
Brundtland: Ja, aber unter Einbezug all der menschlichen Aspekte, wie es Orwell in „The Animal Farm“ aufgeschrieben hat, wo einige Tiere gleicher als die anderen sind. Individuen die Privilegien einfordern, für das, was sie tun.
Berge: Wir haben die Ameise ja mit einem Schmunzeln zum Top-Tier gewählt – als Mitbewerber und Konkurrenten um die Weltherrschaft. Wahrscheinlich haben wir sogar eher Angst vor ihnen. Schon in den 60er Jahren waren Riesenameisen ein beliebter Bestandteil von Horrorfilmen.
Brundtland: Sie wären auch als Krieger gefürchtet, weil sie kein Selbst, kein Bewusstsein haben. Sie hätten keine Angst vor dem Tod.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?
Berge (ohne eine Sekunde zu zögern): Galactus der Planetenfresser.

Warum?
Berge: Nun, er hat einen coolen Hut und man kann seine Augen nicht wirklich sehen.

Und du Torbjørn?
Brundtland: Da gibt viele Möglichkeiten. Kapitän Haddock, der wütende Seemann mit dem schwarzen Bart bei Tim und Struppi oder Frank von Jim Woodring. Er ist ein wenig unbekannter, aber er hat ähnliche Probleme wie ich.
Berge: Wir sind große Comicfans und könnten tagelang darüber diskutieren. 

Seit ihrem Erfolgsalbum „Melody A.M.“ von 2001 sind Röyksopp der wichtigste Exportschlager Norwegens auf dem Feld der elektronischen Musik. Das Duo besteht aus Svein Berge und Torbjørn Brundtland, die sich bereits als Kinder in ihrer Heimatstadt mehr

Ein Kommentar zu “Es geht nicht um die zwei Typen dahinter.”

  1. hallo |

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