Roger Whittaker

Mein Vater hat meine Karriere nie akzeptiert.

Roger Whittaker über seine Musikerlaufbahn, die Abschiedstournee, seine Beziehung zu Deutschland und das Publikum in Ost und West

Roger Whittaker

© Manfred Baumann

Herr Whittaker, im März sind Sie 75 Jahre alt geworden, nun folgt Ihre große Abschiedstournee. Wie fühlen Sie sich?
Ein bisschen traurig. Ich weiß, dass ich nie mehr Konzerte in Chemnitz, Frankfurt oder Berlin geben werde. Die letzten 30 Jahre waren wunderbar und meine Beziehung zu den deutschen Fans ist großartig. Diese liebenswürdigen Menschen werde ich sehr vermissen.

Wird es ein Abschied für immer? „The Last Farewell“, um einen Ihrer größten Hits zu zitieren?
Ich werde weiter Alben produzieren und im Fernsehen auftreten. Trotzdem sage ich „Goodbye“, denn es wird keine Tournee mehr geben.

Und dementsprechend auch keine Live-Auftritte mehr?
Um große Live-Auftritte zu machen, muss man Erfolg mit seinen CDs haben. Wenn dieser Erfolg bleibt, könnte ich mir einzelne Auftritte zu besonderen Gelegenheiten oder auch mal eine Gala vorstellen.

Gibt es auf der Tournee neue Lieder zu hören?
Auf der Tournee wird es etwa sechs neue Lieder geben. Aber ich werde natürlich auch meine größten Erfolge singen, wie es sich für einen Abschied gehört. Alles, was die Leute am meisten lieben: „Albany”, “Eloisa”, “New World in the Morning”, “The Last Farewell”. Ich werde auch einen Filmausschnitt von 1969 zeigen, wo ich „New World in the Morning“ zum ersten Mal gesungen habe, da hat man dann gleich den Vergleich zum jungen Roger Whittaker. (lacht)

Hat sich Ihre Stimme verändert?
Meine Stimme ist tiefer, geworden, sonst ist sie gleich geblieben.

In „New World in the Morning“ singen Sie von einem alten Mann, dessen Jugendtraum sich nicht erfüllt hat. Wie sieht es mit Ihren Träumen aus?
Meine Träume haben sich fast alle erfüllt. Ich wollte immer Platten aufnehmen und großartige Lieder schreiben.

Also sind Sie wunschlos glücklich?
Seit vielen Jahren arbeite mit meinem Freund Howard Elson an einem Musical. Es spielt in einem kleinen Dorf an der Küste Kenias, dem Land, in dem ich aufgewachsen bin. Heute ist es eine Ruine, aber vor 500 Jahren war es ein großer Handelsmittelpunkt für Gold oder Elfenbein. Die wurden in den Nahen Osten oder nach Indien geliefert. Das Stück schildert die Geschichte einer Familie, die dort lebt, bis alles von Eindringlingen zerstört wird. Es ist ein afrikanisches Märchen.

In welcher Sprache soll es aufgeführt werden?
Auf Englisch, ich kann ja nur in Englisch schreiben.

Es enthält sicher Ihre bekanntesten Hits, so wie die Musicals „Ich war noch niemals in New York“ von Udo Jürgens oder „Hinterm Horizont“ von Udo Lindenberg?
Nein, meines ist neu. Einige Lieder darin gibt es natürlich schon, wie z.B. „Shimoni“.  Shimoni ist ein Fischerdorf an der ostafrikanischen Küste, nahe der Grenze zu Tansania, wo viele Sklaven gefangen halten wurden, bevor sie auf dem Markt nach Sansibar, Indien und Arabien verschifft wurden. Musikalisch heißt es für mich „back to the roots“, zurück zu den Wurzeln.

Sie sind in Kenia geboren, haben in Wales studiert. Wie entstand die enge Beziehung zu Deutschland?
In Deutschland bin ich zunächst durch meine englischen Lieder bekannt geworden. „The Last Farewell“ wurde weltweit 11.000.000 Mal verkauft und sogar von Elvis Presley übernommen. Ich hatte drei Alben in den deutschen Charts und dachte, so könnte es weiter gehen. Aber die Menschen in Ostdeutschland sprachen damals kein Englisch. Zunächst wollte ich nicht auf Deutsch singen, ich spreche bis heute die Sprache nicht.

Dabei gibt es eine Tradition von ausländischen Künstlern, die mit großem Erfolg auf Deutsch singen, z.B. Howard Carpendale, Mireille Mathieu, Milva, Nana Mouskouri…
Ja, das Argument hat mich überzeugt. Am Anfang fiel es mir schwer, heute ist es viel einfacher. 1979 haben wir dann zunächst die großen englischen Hits wie „Albany“ oder „Eloisa“ auf Deutsch eingespielt. Mein erstes Album wurde 3,5 Millionen Mal verkauft. Es macht viel Spaß, auf Deutsch zu singen, so lange keiner von mir erwartet, dass ich es auch fließend spreche. (lacht)

Sie sind seit fast 50 Jahren im Showbusiness aktiv. Welche Veränderungen gab es im Genre „Schlager“?
Die Musik, und mit ihr die ganze Industrie, hat sich sehr verändert. Meine Lieder fallen zwar immer noch unter den Begriff „Schlager“, aber der Einfluss der modernen Musik oder auch der Country Musik ist größer geworden. Und es geht weiter: Mein nächstes Album soll „unplugged“ sein. Zurück zur Gitarre, einfache Arrangements, klarer Sound, eine andere Akustik.

Hinzu kommen die Fortschritte im technischen Bereich, ein perfekter Klang wird künstlich erzeugt. Erleichtert das die Arbeit im Studio und auf der Bühne?
Es gibt jetzt gibt es eine neue Aufnahmetechnik, wo alles nur noch auf dem Computer ist und man selbst zum Computer singt oder auch nur mimt. Es gibt Künstler, die singen ganze Konzerte nur playback. Das finde ich schrecklich, die Menschen wollen einen doch „live“ hören. Auch wenn man ab und zu einen Textfehler macht, das ist doch menschlich.

Zitiert

Nur, wenn man seine Lieder selbst schreibt, hat man einen einzigartigen Stil, und den braucht man für eine lange Karriere.

Roger Whittaker

Sie sind viele Male in Deutschland aufgetreten, können Sie etwas über Unterschiede zwischen den Fans aus Ost- und Westdeutschland sagen?
Ich war erstaunt, wie unterschiedlich die beiden Teile Deutschlands waren. Die Ostdeutschen waren reservierter. Sie applaudierten natürlich, brachten Blumen zum Klavier, aber sie waren insgesamt zurückhaltender. Sie kannten ja nur die Platten, sie hatten nie die Chance, mich live zu sehen, im Gegensatz zu den Westdeutschen die an große Live-Shows gewöhnt waren. Aber das hat sich sehr geändert. Ich bewundere heute, wie sehr sich die Menschen ähneln und wie viel Arbeit alle in das Land investiert haben. Ich glaube, in einer Generation wird man gar nicht mehr wissen, wie das Leben in der DDR war.

Sie sagten oft, Ihr Lieblingslied sei “I don’t Believe in If Anymore“. Warum?
Es ist so ganz anders als meine anderen Lieder, der Inhalt ist ernster, und es hat keine bestimmte musikalische Form. Es war in elf Ländern die Nummer eins. Ich habe es in England, Neuseeland, Kanada, den USA und Frankreich gesungen.

Welchen Unterschied sehen Sie zwischen den von Ihnen selbst komponierten Liedern und den für Sie geschriebenen deutschen Schlagern?
Meine Lieder sind volkstümlicher, da ich meistens mit der Gitarre komponiere. Ab und zu auch mal am Klavier. Ich schreibe allerdings keine Volkslieder, auch wenn das manche von mir behaupten. Ich habe einige aufgenommen, z.B. „Greensleaves“, und kenne viele alte englische, deutsche, französische und skandinavische Volkslieder gut.

Sind Sie vor 1976 schon mit Schlagern in Berührung gekommen?
Ein Schlager ist eine speziell deutsche Art, Musik zu machen. In England und anderen Ländern gibt es nichts, was man damit vergleichen könnte. Die musikalischen Betonungen sind anders als bei normaler westlicher Musik. Die Deutschen und ich lieben Schlager. Richtige „Folk Songs“ sind im Gegensatz wirklich alt und traditionell, sie werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Haben Sie es schon mal mit klassischer Musik versucht?
Mein deutscher Gesangslehrer, Walter Hein, lebt in Frankfurt. Er liebt die Lieder von Schubert und Schumann. Manchmal versucht er, mich dazu zu bringen, diese Musik zu singen. Das ist natürlich gut für die Stimme. (lacht)

Die Plattenfirmen stecken in der Krise, die Verkaufszahlen sinken. Schlager dagegen liegen wieder im Trend…
Schlager wird immer erfolgreich sein, weil die ältere Generation diese Art Musik liebt. Es wird immer Howard Carpendales und Helene Fischers geben. Die Jüngeren hören natürlich lieber internationale Künstler. Früher konnten man 8 Millionen Platten pro Jahr in Deutschland verkaufen. Das gibt es heute nicht mehr. Heute geht alles über‘s Internet, über itunes und downloads. Einer kauft das Album und kopiert es für seine Freunde.

Kopieren ist illegal und der Schlager-Fan an sich gilt doch als ehrlicher Mensch…
Ich glaube, dass Schlager-Fans nicht so viel herunterladen. Sie kaufen noch die CDs, wollen das Booklet mit den Fotos haben um es dann noch signieren zu lassen. Ich gebe jede Woche hunderte Autogramme, die Fans schicken mir die CD Cover, ich unterschreibe und schicke sie zurück.

Welche deutschen Schlagerstars mögen Sie?
Viele, z.B. Udo Jürgens oder Helene Fischer. Ich habe im Fernsehen mit einigen gesungen. Mit James Last wollte ich mal das englische Volkslied „Shenandoah“ aufnehmen, aber die Plattenfirma hat das abgelehnt. Ein großer Fehler, das wäre sicher ein Hit geworden

Heute kommen Stars mitunter aus Casting-Shows, wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Mir machen Talentshows Sorgen. Die jungen Sänger werden über Nacht zum Star und glauben, es wird  immer so weitergehen. Ihnen fehlt das Training. Man muss in Clubs und Kneipen gesungen haben, man muss jede Nacht vor nur zehn Leuten aufgetreten sein. Nur so kommt man dem Publikum näher, begreift, was es glücklich macht und lernt, mit ihm zu kommunizieren. Wenn dann die Karriere der jungen Sänger nicht mehr läuft, ist ihr ganzes Leben zerstört.

Die meisten verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind…
Nur, wenn man seine Lieder selbst schreibt, hat man einen einzigartigen Stil, und den braucht man für eine lange Karriere. Das Publikum will dich mit deiner eigenen Musik hören. Als Künstler hat man zu selbst geschriebenen Liedern einen anderen Bezug. Und wenn man gleichzeitig der Komponist ist, die Musik aus dem eigenen Herzen gekommen ist, ist das etwas Besonderes. Das hält eine Karriere am Leben.

Sie haben zwei adoptierte und drei leibliche Kinder, zehn Enkelkinder und mehrere Bulldoggen. Sie machen Ihr Privatleben öffentlich, warum?
Meine Fans haben mich in ihr Herz und in ihr Leben geschlossen, für manche bin ich ein Lebensinhalt. Warum soll ich dann nicht freundlich sein? Ich gebe gerne Einblick in mein Privatleben, zeige Fotos meiner Familie, von meinem jüngsten Enkelkind, von allem, was mich beschäftigt. Man sollte die Leute wissen lassen, was man macht.

Unterscheidet sich der Roger Whittaker auf der Bühne von dem am Esstisch in Irland?
Zu Hause bin ich sehr normal. Ich lache viel mit meinen Kindern, sie machen Witze über mich. Ich mache mir Sorgen, bringe ihnen was bei, ganz normales Familienleben eben.

„Mein Land ist Kenia“ heißt eines Ihrer Lieder. Welche Kindheitserinnerungen haben Sie?
Ich war schon als kleiner Junge sehr an Musik interessiert. Hätte ich so ein Kind, ich würde es fördern, ihm ein Instrument und Komposition beibringen. Mir hat niemand geholfen. Ich musste alles alleine machen. Ich habe mir die Musik selbst beigebracht und Gesangstunden genommen. Mein Vater wollte, dass ich Arzt werde. Aber man muss sein eigenes Leben leben. Er hat meine Karriere nie akzeptiert.

Obwohl Sie so großen Erfolg hatten und Ihr Vater selbst Violine spielte?
Im Gegenteil, er hat es immer gehasst. Selbst in Konzerten wirkte er immer sehr gleichgültig. Meine Mutter war etwas aufgeschlossener, sie hat den Erfolg genossen. Im Gegensatz zu meinem Vater fand sie es toll, wenn ich ein Album in den Charts hatte.

Haben Sie um Ihrem Vater zu gefallen, zunächst Biochemie, Zoologie und Meeresbiologie studiert?
Ich habe an der University of Wales in Biochemie damals den zweitbesten Abschluss gemacht, ein starkes Interesse daran war natürlich auch da.  Aber ich habe meinem Vater gesagt, dass es ein tiefes Bedürfnis ist, die Leute zu unterhalten und ich es ein Jahr versuchen werde. Daraus sind nun fast 50 Jahre geworden.

Wahres Glück ist…
… selten und im Leben so schwer zu finden. Wenn dich etwas glücklich macht und du dabei keinen anderen Menschen verletzt, dann tu es!

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