Herr Emmerich, wie haben Sie den Weltuntergang 2012 erlebt?
Roland Emmerich: Wir haben uns entschieden, eine „End of the World Party“ zu machen, in meinem Haus in Los Angeles. Es gab Warnlichter und einige hatten ein Rot-Kreuz-Outfit an. Wir waren vorbereitet.
Nun steht die Welt wieder am Rande des Untergangs, in Ihrem Film „White House Down“. Darin wird der amerikanische Präsident von den eigenen Sicherheitsleuten gekidnappt. Man könnte das als Metapher lesen, auf die Fesseln, die Barack Obama von den Rechten in den USA angelegt wurden. Er kann nicht agieren, der Feind steht im eigenen Land…
Emmerich: … in seinem eigenen Haus. Ja, das ist schon das, was ich über die ganze Sache in Washington denke. Ich erinnere mich an einen guten Artikel, der nach Obamas ersten 100 Tagen als US-Präsident in der Vanity Fair erschien. Da wurde gesagt, dass er es von allen Präsidenten, die jemals im Weißen Haus waren, am schwierigsten haben wird. Weil alles Geld, was verdient wird, mit was weiß ich allem, gegen ihn steht. It’s all about money. Also, ich will nicht in seinen Schuhen stecken.
Sie meinen Geld der Rüstungsindustrie?
Emmerich: Ja, aber nicht nur Rüstungsgeld, da geht es auch um Energie, Öl – alles. Das ist ja das Interessante in Amerika, dass der Wahlkampf jetzt immer schwieriger wird, weil jede Firma in den Wahlkampf stecken kann so viel sie will. Das gibt es in Deutschland nicht, aus Gründen, die offensichtlich sind. Obama hat es ja nur geschafft, weil er das ganze Volk dafür gewinnen konnte, fünf, zehn, 20 oder 50 Dollar zu spenden, und dem damit entgegen zu wirken. Wenn es um so etwas geht, ist er ein Genie.
Und als Politiker?
Emmerich: Er ist für mich ein großer Präsident, weil er endlich mal gesagt hat: „Ja, ich finde die Homo-Ehe gut“. Von Bush würde man das nicht hören.
Was die erwähnte Metapher angeht: Können Sie mit einem Action-Film wie „White House Down“ tatsächlich solch eine Botschaft transportieren?
Emmerich: Ich glaube schon. Was immer es ist, glaube ich, dass ein Film erstmal unterhaltsam und spannend sein muss. Wenn man das erreicht, dann kann man den Leuten auch irgendwas verkaufen, was man vielleicht selber denkt. Daran habe ich immer schon gedacht, ich mache das in jedem Film. Es macht ja auch Spaß, so eine Message einzubauen.
Es ist schon sehr lange her, dass in den USA die Gefahr vor dem militärisch-industriellen Komplex heraufbeschworen wurde. Warum taucht der Begriff erst jetzt wieder auf?
Emmerich: Das sind die Medien. Ich glaube nicht, dass in Amerika noch freier Journalismus besteht. Es gibt noch ein paar Leute wie Jon Stewart oder Bill Maher, die die Wahrheit sagen, aber das wird dann immer heruntergespielt mit „das ist ein Comedian“ usw. Tatsache ist – als ich das las, habe ich es erst nochmal und nochmal überprüft, aber es ist so – dass das Militärbudget der USA heute so groß ist wie das von Russland, China, Deutschland, Frankreich und England zusammen mal zwei. Was wollen die mit dem ganzen Gerät tun?
Sie müssen Krieg führen.
Emmerich: Aber das ist doch ein Wahnsinn! Gleichzeitig fallen in den USA die Straßen zusammen und als Steuerzahler denkt man sich: Wann wird das repariert? Die Flughäfen sehen in den USA aus wie in der Dritten Welt, nein, die sind in der Dritten Welt eigentlich besser. Die Schulen gehen auch bergab – aber die besten Drohnen und Militärgeräte haben die Amerikaner.
Dann müssen Sie ja enttäuscht gewesen sein, dass Obama nun angekündigt hat, Syrien zu bombardieren.
Emmerich: Der Mann hat es schwer. Angesichts des Einsatzes von Giftgas ist er vielleicht der einzige, der den Mut hat, zu sagen: Das darf niemals wieder passieren.
Mit den Atomwaffen ist das so eine Sache, die eh nie passieren wird. Wer würde so wahnsinnig sein, das einzusetzen? Aber Giftgas – das kann offensichtlich so passiert sein.
Interessant finde ich, dass der Aufruhr heute durchs Internet kommt. Der Arabische Frühling, das kommt alles durch die Sozialen Medien. Man kann heute nur noch ganz schwierig Menschen unterdrücken, das geht einfach nicht mehr. Da erleben wir die letzten Diktatoren, die das noch versuchen, festzuhalten an ihrer Macht.
Eine Berliner Zeitung beschrieb Sie als „Hollywoods unheilbaren Filmpyromanen“. Haben Sie als Kind schon gern gezündelt?
Emmerich: Nein, überhaupt nicht. Es gibt ja so Kinder, die wollen alles in die Luft sprengen, aber das war ich nicht. Ich habe immer in der Ecke gesessen, mit einem Buch.
Angesichts Ihrer langjährigen Erfahrung in den USA: Wirkt dort die Zerstörung des Weißen Hauses als Metapher noch stärker, als die Zerstörung der Freiheitsstatur?
Emmerich: Die Freiheitsstatur ist traditionell in Filmen immer benutzt worden, zum Beispiel in einem meiner Lieblingsfilme, „Planet der Affen“, wo Charlton Heston am Ende auf die Knie sinkt und sagt „Der Wahnsinn, der Wahnsinn“.
Das Weiße Haus wurde früher nie so als Symbol verwendet, jetzt geschieht das immer mehr, denn es ist so etwas wie die letzte Heilige Kuh, die man hat schlachten müssen.
Wird Ihnen das eigentlich übelgenommen? Sprich, wenn jemand, der in gewisser Weise von außen kommt, immer derjenige ist, der das Weiße Haus zerstört?
Emmerich: Ich glaube nicht, dass die Amerikaner sagen: „Oh, das ist ein Deutscher“. Es steht auf dem Plakat ja auch nicht „vom deutschen Regisseur Roland Emmerich“ sondern „vom Regisseur von Independence Day, Day After Tomorrow und 2012“. Von daher interessiert die das eigentlich nicht so, höchstens ein paar konservative Journalisten, die sagen: „Muss da ein Deutscher daherkommen, um uns Obama-Porn zu verkaufen?“
Wäre eigentlich auch „Kanzleramt Down“ vorstellbar? Und wer würde Angela Merkel spielen?
Emmerich: Meryl Streep! Ich wollte immer schon mal mit Meryl Streep arbeiten.
Glauben Sie denn, die Deutschen würden so einen Film annehmen?
Emmerich: Nein, glaube ich nicht. Es gibt bestimmte Dinge, die sind so amerikanisch, Western zum Beispiel. Und „White House Down“ mit dem Bundeskanzleramt… Ich glaube das könnte man nicht machen, das hätte ja auch nicht diesen weltweiten Effekt. Wenn man das „Weiße Haus“ besetzen würde, dann würde das eine Weltkrise auslösen. Wenn die Frau Merkel gekidnappt würde, ja, das wäre auch eine große Geschichte, aber nicht so groß, wie wenn das Weiße Haus besetzt wird.
Wissen Sie, ob Obama Ihren Film gesehen hat?
Emmerich: Ich glaube, wir haben ihm eine DVD geschickt. Aber ich habe immer zu allen Leuten gesagt: „Ihr müsst gar nicht erwarten, dass er sich dazu öffentlich äußert“. Der Mann kann ja gar nichts mehr machen, vor kurzem hat er einem seiner Marines die Hand geschüttelt als er in den Helikopter gestiegen ist, und nicht salutiert. Das hat einen Riesenskandal ausgelöst, nach dem Motto „What kind of president is that?“ – Da sage ich, es ist genau der Präsident, den ich haben will.
Ist Ihr Film dann eine Art Rückendeckung für Obama?
Emmerich: Ja, aber Rückendeckung hin oder her – ich glaube, der Mann ist jetzt in seiner letzten Amtsphase. Ich hoffe, dass er noch zwei, drei oder wenigstens vier Dinge durchkriegt. Zum Beispiel habe ich total Angst, dass „Obamacare“ von einem nächsten republikanischen Präsidenten abgeschafft wird. Jetzt haben sie es endlich mal geschafft, Krankenversicherungen für Arme zu durchzusetzen – und dann kommen diese reichen Idioten und wollen das abschaffen.
Es gibt auch viele enttäuschte Obama-Anhänger. Konnte er die hohen Erwartungen überhaupt erfüllen?
Emmerich: Ich glaube, das kann kein Mensch. Er hatte ja auch diese „Hope“-Kampagne, da hat er sich selbst ein Ei gelegt. Das ist wie beim Film: Wenn du einen Film zu hoch hypest und dann ist er nur gut und nicht sehr gut, dann wird er runtergemacht.
Noch eine Frage zur Altersfreigabe: In „White House Down“ gibt es Tötungen aus nächster Nähe, einem verängstigten Mädchen wird eine Pistole an den Kopf gehalten. Warum beantragt man dafür in Deutschland eine Freigabe ab 12 Jahren?
Emmerich: Was wäre es denn sonst, ab 16?
Die Frage ist, ob es inzwischen ganz normal ist, so etwas Kindern zu zeigen.
Emmerich: Ich glaube schon. Ich würde meinem Neffen, der acht ist, das nicht zeigen. Aber einem 12, 13-Jährigem kann man das schon zeigen, glaube ich.