Rolf Zacher

Ich habe von den Mönchen gelernt.

Schauspieler und Sänger Rolf Zacher über den Umgang mit seiner Prominenz, Meditation im Auto und sein ‚Leben daneben’

Rolf Zacher

© Lutz Voigtlaender

Herr Zacher, Sie haben in Ihrer langen Karriere schon unzählige Interviews gegeben. Gibt es eine Frage, die Sie mal vollkommen überrascht hat?
Zacher: Die meisten Leute fragen mich immer irgendwas über längst vergangene Zeiten, dabei weiß man das doch alles. Es gibt so viele Interviews über mich, in denen man nachlesen kann, wie ich früher gelebt habe, aber das sind doch alles alte Kamellen.

Es kann manchmal aber doch durchaus Sinn machen, über alte Kamellen zu sprechen, wenn man sie unter einem neuen Blickwinkel betrachtet. Dinge und Ansichten können sich schließlich ändern.
Zacher: Neue Blickwinkel erkenne ich aber nicht, denn die Fragen sind stets dieselben. Und ich weiß wirklich nicht, warum mich manche Leute heute noch nach meiner Zeit im Gefängnis fragen. Das ist schließlich schon 40 Jahre her.

Finden Sie es manchmal befremdlich, wenn wildfremde Menschen plötzlich total persönliche Dinge von Ihnen wissen wollen?
Zacher: Man muss natürlich wissen, wie weit man die Leute an sich heran lassen will. Das habe ich im Laufe meiner Karriere gelernt. Allerdings lebe ich für die Kamera, insofern zeige ich auf der Bühne, im Fernsehen und im Kino sowieso schon alles von mir.

Sie gehen auch nicht gerne über rote Teppiche, oder?
Zacher: Nein, nicht mehr. Früher habe ich das gemacht, weil ich immer ein Star werden wollte. Mittlerweile bin ich aber ein Star, deshalb habe ich das nicht mehr nötig. Die Leute erkennen mich, und ich bekomme ganz viel Liebe von ihnen zurück. Sie mögen mich, weil ich so authentisch bin.

Angeblich kennen Sie 89% aller Deutschen.
Zacher: Ja, das habe ich auch gehört. Ich merke das auch auf der Straße. Und was lernen wir daraus? Wenn man seinen Weg geht, und nicht allen Leuten hinten reinkriecht, dann honorieren das die Menschen. Ich hätte schließlich auch nichts davon, wenn mich die Leute zwar erkennen, aber nur beschimpfen würden. Das passiert mir aber nicht.

Was war denn das schönste Kompliment, das Sie mal von jemandem auf der Straße bekommen haben?
Zacher: Einmal kam eine alte Frau zu mir und erzählte, dass ihr 80-jähriger Mann schwer krank sei, im Rollstuhl säße und ihr mal gesagt hat: „Sag mir Bescheid, wenn der Zacher wieder im Fernsehen läuft. Ich will nur den sehen. Die anderen gehen mir alle auf den Sack.“ Das fand ich großartig! (lacht) Und neulich habe ich im Supermarkt eine Verkäuferin etwas gefragt, als eine Frau ums Regal herumkam und meinte: „Ach, Herr Zacher, ich habe Sie sofort an Ihrer Stimme erkannt. Ihre Stimme ist heilend.“

Das geht dann runter wie Öl …
Zacher: Natürlich. Ich spreche aus der Tiefe, daher kommt diese Wirkung meiner Stimme. Das habe ich durch tibetanische Mönche gelernt. Die meisten Leute sprechen nicht aus der Mitte ihres Körpers heraus – aber das ist das Geheimnis. Dadurch wird der ganze Körper massiert und das strahlt man eben auch aus.

Haben Sie sonst noch etwas von den Mönchen gelernt?
Zacher: Ja, einiges. Vieles wusste ich aber bereits aus meiner Hippie-Zeit. Zum Beispiel, dass man immer bewusst leben und sich Zeit nehmen sollte – dann macht das Leben nämlich auch Spaß. Die meisten Menschen machen alles total unbewusst und verlieren dadurch an Lebensqualität. Diese Menschen verpassen all die Dinge, die das Leben erst lebenswert machen. Und das ist schade.

Es gibt aber doch auch in Ihrem Leben bestimmt Zeiten, in denen Ihnen dieses „bewusst leben“ nicht möglich ist, weil Sie zum Beispiel gerade im Stress sind.
Zacher: Das Wort „Stress“ kenne ich gar nicht. Stress halte ich von mir fern. Das passiert durch diese Bewusstmachung der einzelnen Lebenskomponenten jedoch ganz automatisch. Man weiß die einfachen Dinge einfach mehr zu schätzen. So wie jemand, der lange Zeit ein Gipsbein hatte und plötzlich wieder ohne Krücken laufen kann.

Vielleicht bedarf es aber erst einer gewissen Lebenserfahrung, um der Bedeutung dieses Bewusstseins gewahr zu werden.
Zacher: Ja, das mag sein. Ich habe das allerdings schon recht früh durch meinen Opa mitbekommen, der Schneider war.

War das der, der immer zu Ihnen gesagt hat: „Rolf, egal was du machst, mach alles mit Qualität.“?
Zacher: Ja, genau! Durch ihn habe ich das bereits in jungen Jahren gelernt, denn Handwerker sind generell sehr bewusste Menschen, weil das Teil ihres Jobs ist – jedenfalls dann, wenn sie gut sind.

Verinnerlicht man aber nicht auch sehr schnell bestimmt Arbeitsabläufe, sodass man sie eben gerade nicht mehr bewusst macht?
Zacher: Nein, das muss sich nicht widersprechen. Nur, weil man etwas gut kann, heißt das noch lange nicht, dass man es deshalb nicht auch bewusst machen kann. Ich mache auch Türen bewusst auf – selbst wenn ich das schon tausend Mal getan und verinnerlicht habe. Viele Leute denken ja, es wäre wahnsinnig anstrengend, alles bewusst zu machen – aber das Gegenteil ist richtig. Außerdem: Statistisch gesehen müsste ich eigentlich auch schon tot sein.

Wie kommen Sie jetzt darauf?
Zacher: Weil ich im Jahr 60.000 bis 70.000 Kilometer zurücklege und einen Großteil der Strecken mit dem Auto fahre. Aber ich meditiere beim Fahren, deshalb passiert mir nichts.

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Die Leute erkennen mich, und ich bekomme ganz viel Liebe von ihnen zurück. Sie mögen mich, weil ich so authentisch bin.

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Sie meditieren beim Fahren? Das klingt aber gefährlich.
Zacher: Das tut es nur deshalb, weil Sie eine falsche Vorstellung von Meditation haben. Meditation heißt bloß, Dinge bewusst zu machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen meditiere ich also die ganze Zeit. Aber man kann den Leuten keinen Vorwurf daraus machen, denn nur die Wenigsten werden so erzogen. Anders in Japan: Da meditieren die Leute sogar während der Arbeitszeit in Fabriken; auf Firmenkosten. Aber das zahlt sich aus, weil die Leute dadurch viel besser arbeiten. Hierzulande fehlt leider dieses Bewusstsein dafür.

Worin liegt denn das größte Manko in dieser Hinsicht?
Zacher: Dass es den Leuten an Geduld fehlt. Man muss fairerweise aber auch dazu sagen, dass ich das Glück hatte, alleine durch meinen Beruf viele Dinge bewusst machen zu müssen – ein Umstand, der mir auch im Alltag weitergeholfen hat. Denn wenn ich gut vor der Kamera bin, dann bin ich auch gut im Leben. Und sehen Sie mich an: Ich bin 70 und fit wie ein Turnschuh. Das können andere in meinem Alter nicht von sich behaupten.

Worin liegt denn das Geheimnis Ihrer Fitness? Lassen Sie mich raten: Meditation.
Zacher: Vollkommen richtig. Fitness ist aber auch eine Einstellungssache. Und klar: Natürlich tue ich auch etwas dafür. Ich gehe jeden Tag sieben Kilometer spazieren. Spazieren gehen ist sowieso eine der tollsten Sachen der Welt: Atmen, sehen, leben – das muss man lernen.

Wir haben eben über Ihren immensen Bekanntheitsgrad gesprochen. Empfinden Sie das als großes Glück, weil das sicherlich auch berufliche Vorteile mit sich bringt oder ist das eher ein großes Pech, weil Ihnen dadurch außerhalb Ihrer vier Wände die Privatsphäre verwehrt wird?
Zacher: Das ist ein großes Glück. Das gibt mir Kraft. Und ganz ehrlich: Wer keine Lust darauf hat, auf der Straße angesprochen zu werden, der soll nicht prominent werden. Das ist ja das Obskure: Alle Prominenten wollen prominent sein, und wenn sie es dann sind, beschweren sie sich darüber.

Sie freuen sich also stets darüber, wenn man Sie anspricht?
Zacher: Na klar. Ich spüre auch sofort, wenn mich Leute erkannt haben und anfangen zu tuscheln. Das kommt durch mein „Leben daneben“; durch all das, was ich schon erlebt habe. Denn wenn man Extremsituationen durchlaufen hat, dann macht einen das wach. Ich war als Kind zum Beispiel Flüchtling, und solche Erfahrungen schärfen die Sinne.

Sie haben ja durchaus auch einige harte Zeiten durchgestanden: Ihren Gefängnisaufenthalt haben Sie eben selbst erwähnt, außerdem haben Sie vor vierzig Jahren erfolgreich Ihre Heroinsucht besiegt. Werden Sie auch auf solche Begebenheiten angesprochen?
Zacher: Natürlich. Die Leute kommen auf mich zu und sagen mir, dass ich Ihnen Kraft gegeben habe; Alkoholiker, die zu mir aufsehen und mich als positives Beispiel begreifen. Das ist natürlich schön, wenn Leute sich bei einem bedanken, weil man ihnen irgendwie weitergeholfen oder Mut gemacht hat.

Gleichzeitig bekommen Sie durch solche Feedbacks auch etwas von den Leuten zurück – eine klassische Win-Win-Situation.
Zacher: Genau so ist es. Umso trauriger finde ich, dass in der Medienbranche viele Leute nicht sehen, wie ich mich entwickelt habe. Natürlich gab es bei mir auch Zeiten, in denen ich sehr extrem gelebt habe – aber die sind 40 Jahre her! Ich bin heute ein vollkommen anderer Mensch, der mit seinen 70 Jahren noch voll im Saft steht und regelrecht aufblüht. Ich bin so fit, ich habe kein Sixpack am Bauch, sondern ein Eightpack. (lacht)

Ihr neues Album trägt den Titel „Danebenleben“. Ist es wichtig, zumindest ab und an auch mal daneben zu leben, um eine bessere Sicht auf die Dinge mittendrin zu bekommen?
Zacher: Absolut. Man sieht vollkommen andere Dinge, wenn man den Strom mal anders herum entlang schwimmt. Man nimmt eine andere Perspektive ein, und das ist wichtig für die persönliche Entwicklung. Insofern bedeutet „daneben leben“ eigentlich „in der Spur sein“.

Ihr Debütalbum haben Sie erst vor drei Jahren veröffentlicht – da waren Sie 67. Bereuen Sie es manchmal, diese Leidenschaft erst so spät verfolgt zu haben?
Zacher: Nein – weil mich die Musik immer schon begleitet hat. Ich habe auch davor schon viel gesungen; in Filmen und auch in verschiedenen Bands. Aber es ist natürlich so, dass man als guter Schauspieler auch gute Gagen bekommt, und immer, wenn ich mal wieder einen Anlauf für eine Musikkarriere gestartet habe, habe ich ein verlockendes Angebot für einen Film bekommen.

Demzufolge ist Ihre Karriere als Musiker nun bloß deshalb zustande gekommen, weil Ihnen keine guten Rollen mehr angeboten wurden?
Zacher: Es hat eher damit zu tun, dass ich der Schauspielerei ein wenig überdrüssig geworden bin. Außerdem ist Musik Medizin für mich. Was viele Leute nicht wissen: Ich war auch vorher schon mit verschiedenen Songs bei Plattenfirmen, die mich jedoch stets in eine Richtung drängen wollten, in der ich mich nicht gesehen habe. Mir ging es ja nicht darum, mit der Musik Karriere zu machen, denn eine Karriere hatte ich bereits.

Auch in musikalischer Hinsicht sind Sie sich also stets treu geblieben und haben sich nicht verbiegen lassen.
Zacher: Natürlich nicht. Selbst Ralph Siegel wollte schon mal mit mir zusammenarbeiten, aber das habe ich abgelehnt. Ich mache Musik vor allem deshalb, weil es mir Spaß macht. Ich muss nicht mehr mit allem das große Geld verdienen – dafür habe ich mich sowieso häufig geschämt. Geld interessiert mich nicht mehr. Man muss gesund sein, das ist viel wichtiger. Aber diese Erkenntnis kommt eben auch erst im Alter.

Im Stück „In jeder gottverdammten Stunde“ gibt es die Zeile „Man weiß, dass es nicht geht, und tut’s am Ende doch“. Wie sehr finden Sie sich darin wieder?
Zacher: Es ist doch so: Man kann noch so bewusst leben; manche Dinge macht man auch, wenn man weiß, dass sie von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Manche Dinge laufen einfach schief, und es hat auch keinen Sinn, sich darüber aufzuregen – es lässt sich sowieso nicht ändern.

Es gibt ja auch das Sprichwort: „Aus Fehlern lernt man.“
Zacher: Eben! Deshalb liebe ich es auch, Fehler zu machen. Und ich finde es noch toller, wenn man in der Lage ist, sich seine Fehler eingestehen zu können. Das fällt vielen Menschen aber leider unheimlich schwer.

Wie viele Fehler sind Ihnen denn beim Einsingen im Studio unterlaufen? Fehler, von denen Sie im Nachhinein profitiert haben?
Zacher: Ganz ehrlich: Nur ganz wenige. Ich bin rein ins Studio, habe einen Song eingesungen, und dann war der im Kasten. Ich war konzentriert wie ein Hochseiltänzer, habe von Anfang an mein Bestes gegeben, und dann klappt das auch. Auf der Bühne mache ich schon eher mal einen Fehler.

Woran liegt das? Sind Sie dort weniger konzentriert?
Zacher: Nein, aber es ist doch lustig für alle Beteiligten, wenn ich mal einen Einsatz verpasse – außer für meine Band vielleicht. (lacht) Ich lache dann einfach darüber und das Publikum lacht mit. Manchmal lasse ich sogar absichtlich ein Glas fallen. Das Publikum schreit dann jedes Mal auf, und ich sage: „War das nicht schön?“ Dadurch versuche ich zu vermitteln: Es ist nichts dabei. Das ist nur ein Glas. Ich bin schließlich dafür da, den Leuten die Augen zu öffnen.

Rolf Zacher wurde 1941 in Berlin geboren. Der Schauspieler und Sänger war bisher in mehr als 250 Filmen und Fernsehserien zu sehen, darunter Klassiker wie „Die Venusfalle“ und „Berlin Alexanderplatz“. Sein Durchbruch als Darsteller gelang ihm 1980 mehr

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