Mr. Mann, Ihr Dokumentarfilm "Go Further" zeigt den Schauspieler Woody Harrelson, wie er mit einer kleinen Crew entlang der Westküste der USA reist und überall versucht, Studenten zu mehr Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und einer gesunden Ernährung anzuregen. Warum sind Sie aber selbst nicht zu sehen?
Mann: Ich fühle mich hinter der Kamera viel wohler als davor. Es gibt ja einen Trend, dass der Regisseur im Film vorkommt, wie etwa bei Michael Moore, der es in gewisser Weise auch autobiographisch gemacht hat – aber das ist im Moment nichts für mich. Ich bin natürlich im Film präsent, schließlich habe ich den Film ja selbst gedreht und auch geschnitten.
Aber die Lebensweise, die Woody Harrelson und seine Crew propagieren, trifft auch auf Sie zu, oder?
Mann: Ja, ich war schon vor diesem Projekt Vegetarier, Yoga ist auch etwas, was mein Leben komplett verändert hat. Ich habe mit Woody bereits bei meinem Film "Grass" zusammen gearbeitet, der sich vor allem mit dem Thema Marihuana beschäftigt. Doch zu dem Zeitpunkt war meine … ich bin um die Welt gereist, auf verschiedene Festivals gegangen, das war schon fast Routine, ich ließ mich zu sehr gehen – ich musste etwas an mir ändern. Ich hörte auf Fleisch zu essen, ich habe meine Ernährung umgestellt und habe angefangen Yoga zu machen. Ich habe dann erst mal 15 Pfund abgenommen, ich wurde mir meiner Lebensweise und meinem Körper mehr bewusst – und ich habe auch das Buch "No Logo" von Naomi Klein gelesen, wonach ich mich als erstes fragte, wo meine Turnschuhe herkommen. Ich wurde mehr und mehr ein bewusster Konsument, ich wollte nicht mehr Teil der Verschmutzung und des Zerfalls sein, sondern vielmehr Teil der Lösung der Probleme. Natürlich habe ich auch heute noch meine Widersprüche, ich fahre zum Beispiel noch immer einen SUV-Jeep und habe andere schlechte Angewohnheiten. Aber ich habe mein Leben schon ein bisschen umgekrempelt.
Wie kam es dann zu der erneuten Zusammenarbeit mit Woody Harrelson?
Mann: Wir sind nach der Arbeit an "Grass" Freunde geworden. Er hat meinen damaligen Lebensstil nicht verurteilt, aber er hat mich ermutigt, etwas zu verändern. "Es ist die Evolution, nicht die Revolution" hat er immer gesagt, also alles in kleinen Schritten, die kleinen Dinge, die jeder einzelne beitragen kann. Letzten Endes war es aber ein Artikel den ich über Woody las, in dem stand, dass er eine Reise an der Westküste unternehmen würde, um mit Studenten über Nachhaltigkeit zu sprechen. Ich habe ihn angerufen und ihm gesagt, dass man diese Reise dokumentieren müsste. Michael Moore hat ja mit "The Big One" mal einen Dokumentarfilm gemacht über eine seiner Lesereisen und das gefiel mir sehr gut. Woody hat mich dann gefragt, ob ich gute Dokumentarfilmer kennen würde – ja und irgendwie fand ich mich kurze Zeit in seinem Tourbus wieder.
In Ihrem Film sieht man immer wieder, wie Woody vor den Studenten spricht, die ihm kräftig applaudieren – aber war das bei den Studenten auch eine Art Aufbruchsstimmung, dass die anfangen wollten, etwas zu verändern in ihrem Leben?
Mann: Es ging darum, die Leute zu inspirieren. Ich habe Woody gefragt, was er dem Zuschauer des Films am Ende für ein Gefühl geben wollte. Und er meinte: Hoffnung. Wir wollten einen hoffnungsvollen Film machen und den Leuten zeigen, dass es da draußen Menschen gibt, die genauso sind und auch den Wunsch haben, aus der Welt eine bessere Welt zu machen. Jeder einzelne kann zu der Veränderung beitragen, nur wird uns immerzu eingeprägt, dass wir nichts verändern können. Und die Leute glauben das, dass sie an der politischen Situation nichts verändern können usw. Natürlich, wenn man sieht, dass wir einen Präsidenten haben, der noch nicht einmal vollständig legitim gewählt wurde. Aber da draußen gibt es Leute, die sagen, sie können etwas verändern und die an Lösungen arbeiten für die sehr ernsten Probleme unserer Welt.
Stumpfes Essen ist genauso schlecht, wie stumpfe Filme.
Welche Chancen sehen Sie, für Ihren Film ein möglichst großes Publikum zu bekommen?
Mann: Ich sehe, dass es eine ganz neue soziale Bewegung gibt. Wir sind im neuen Millennium, es wächst eine neue Generation auf, junge Menschen, die sich mit der Zukunft befassen, nicht mit der Vergangenheit. So etwas habe ich selbst seit 1967 nicht mehr gesehen, dass die Leute mit ihren Problemen auf die Strasse gehen mit einer sehr positiven Einstellung zur Welt und zum Leben. "Bowling for Columbine" wurde äußerst erfolgreich in den USA und auf der ganzen Welt – weil es wirklich ein Publikum gibt, dass diese Filme sehen möchte, auch vielleicht ein Teil der sich mit Yoga schon auskennt, Vegetarier, Veganer usw. Es ist nicht so, dass wir mit unserem Film nur die erreichen, die die Sache bereits verstanden haben. Davon gibt es schon viele, aber wir werden darüber hinaus auch die anderen ermutigen, einen Schritt weiter zu gehen.
Die Politik an sich kommt in Ihrem Film nur sehr wenig vor, warum?
Mann: Wir haben versucht, mit Humor die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Normalerweise wird in Umweltfilmen ja wirklich nur das Problem dargestellt, was sehr deprimierend sein kann. Wir haben eine Art Road-Movie gedreht mit einer unterhaltsamen Geschichte, die ich ja nicht vorher aufgeschrieben hatte, sondern die sich während der Tour von allein entwickelte. Das ist ein Weg, wie man die Leute erreichen kann und wir haben uns für den entschieden, um die Leute wacher zu machen und zu ermutigen, auf dieser Welt auch Verantwortung zu übernehmen.
Sie erklären in "Go Further" wie schädlich Fast Food und für unsere Gesundheit ist, wie sehr wir der Umwelt schaden, wenn wir nicht umweltbewusst denken – wie sehr ist denn Fast-Food-Kino schädlich für die Filmkunst?
Mann: Sehr schädlich, würde ich sagen, stumpfes Essen ist genauso schlecht, wie stumpfe Filme. Dokumentarfilme hingegen können die Leute aufwecken. Und ohne dass das jetzt das nach Verschwörungstheorie klingen soll, aber unsere derzeitige Kultur versucht doch nur, uns zu Abhängigen zu machen, abhängig von Fast Food und Fast Food Kino. Aus diesem Kreis müssen wir unbedingt ausbrechen und uns vorwärts bewegen.