Rüdiger Hoffmann

Da scheinen Gehirnamputationen vorzuliegen.

Der Komiker Rüdiger Hoffmann spricht im Interview über "besorgte Bürger", wie er Fremdenhass begegnet, eine fragwürdige Vergütungsregel der VG Wort und warum er lieber Witze über den menschlichen Alltag als über die Politik macht.

Rüdiger Hoffmann

@ Det Kempke

Herr Hoffmann, Sie sagten einmal „In Zeiten wo die Probleme groß sind, hat das Lachen eine Ventilfunktion“. Haben wir gerade wieder so eine Zeit?
Rüdiger Hoffmann:
Es scheint so zu sein. Wenn ich da an alte Nummern wie „Die anonymen Ausländerfeinde“ oder „Der Ausländerfreund“ zurückdenke, die ich vor 25 Jahren geschrieben habe, sind die leider wieder sehr aktuell geworden. Ich habe auch schon überlegt, sie als Zugabe wieder mit ins Programm aufzunehmen.

Nach dem Aufkommen der PEGIDA-Bewegung häufen sich die Taten rechter Gewalt gegen Flüchtlinge. Wie erklären Sie sich diesen Hass?
Hoffmann:
Ich glaube, ein gewisser Bodensatz an diesen Leuten ist immer schon da gewesen. Und dadurch, dass jetzt viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen – wobei ich das Wort Vertriebene eigentlich viel besser finde – bekommt dieser Hass neuen Zündstoff. Die Ängste dieser Leute sind ziemlich konfus und irreal. Es reicht aber nicht, nur nach den Ursachen zu fragen. Man muss auch klar Stellung beziehen.

Ist die Wiederaufnahme der alten Sketche so eine Form der Stellungnahme?
Hoffmann:
Dass ich gegen Rassismus bin, müsste man in den letzten 30 Jahren, in denen ich jetzt auf Tour bin, ja schon mitbekommen haben. Als 1992 in Rostock-Lichtenhagen die Asylbewerberheime brannten, habe ich gemeinsam mit dem Kölner Kabarettisten Jürgen Becker ein Programm geschrieben. Das hieß „Es ist furchtbar, aber es geht!“ und bezog sich darauf, dass Rheinländer und Westfalen in einem Bundesland zusammenleben können, obwohl sie eigentlich total unterschiedlich sind. So haben wir versucht auf humoristische Weise zur Völkerverständigung beizutragen. Das lief sehr erfolgreich und war auch ein Statement. Ich persönlich glaube jedoch, dass die Menschen, die zu solchen Veranstaltungen gehen, in den seltensten Fällen ausländerfeindlich sind. Das sind eher die intelligenteren Leute.

Die Leute, die man eigentlich ansprechen will, lassen sich also nicht erreichen, weil sie einen sowieso nicht wahrnehmen?
Hoffmann:
Das ist ja generell das Problem beim politischen Kabarett. Da sitzen die Leute, die sowieso schon deine Meinung haben. Das wird dann so eine Art Bestätigungs-Kabarett. Die Leute wissen ja bereits, dass Merkel träge ist und alles aussitzt, aber bekommen es dann nochmal erzählt. Diese Form von Kabarett langweilt mich sehr schnell. Ich finde es spannender, in eine Rolle zu schlüpfen, wie zum Beispiel beim „Ausländerfreund“; der vorgibt total tolerant zu sein, aber eigentlich genau das Gegenteil ist. Da kommt dann auch mal ein Raunen im Publikum auf und den Leuten bleibt das Lachen im Halse stecken. Ich glaube, dass das die Leute eher berührt, als wenn man ihnen sagt: „Ausländerfeindlichkeit ist doof!“. Das würden die meisten ja sowieso unterschreiben.

Zitiert

Es gibt diese Verblendeten, die irgendwelchen fixen Ideen nachlaufen.

Rüdiger Hoffmann

Die „besorgten Bürger“ betonen oft, dass sie eben keine Nazis sind, sondern aus der Mitte der Bevölkerung stammen würden. Warum ist die sogenannte „bürgerliche Mitte“ so ein beliebter argumentativer Zufluchtsort?
Hoffmann:
Diese Leute verfügen wahrscheinlich nicht über genügend Denkfähigkeiten, da scheinen mitunter Gehirnamputationen vorzuliegen. Das sind die typischen Mitläufer, die es ja auch schon in der Nazi-Zeit gab. Sie sind aber eben nicht in der Mitte der Gesellschaft, auch wenn sie es gerne wären.

Diese Menschen wenden sich gegen eine Gesellschaft, die sich durch Zu- und Abwanderung vermischt…
Hoffmann: Deutschland ist schon lange ein Einwanderungsland. Die Leute werden hier ja auch gebraucht. Die Vertriebenen sind Menschen, die unfassbares Leid erlebt haben. Ich finde das unfassbar, dass man diese Menschen nach ihrer Ankunft dann auch noch angreift und bedroht. Das kann ich nicht verstehen.

Wenn Sie in ostdeutschen Städten aufgetreten sind, wie wurde Ihr Sketch „Die anonymen Ausländerfeinde“ dort aufgenommen?
Hoffmann: Sehr gut. Man ja kann nicht sagen, dass die Ostdeutschen pauschal ausländerfeindlich sind. Mir hat damals jemand erzählt, dass auch ein Skinhead mal bei einem Auftritt gewesen sei. Der wurde wohl immer kleiner, als er merkte, wie der Sketch eigentlich gemeint ist. Das fand ich dann fast schon wieder lustig.

Was glauben Sie, wie würden die Menschen heute in Dresden auf den Sketch reagieren?
Hoffmann:
Das wird nicht anders sein als damals. Der Großteil der Menschen in Dresden ist ja anderer Meinung. Aber es gibt diese Verblendeten, die irgendwelchen fixen Ideen nachlaufen. Und die werden mit den anderen Dresdnern in einen Topf geworfen. Mittlerweile muss die Stadt ja auch schon Einbußen im Tourismus hinnehmen. Diese ganzen Proteste sind und waren für das Image der Stadt überhaupt nicht gut. Da beißt sich die Katze selbst in den Schwanz.

In Ihren Sketchen geht es oft um Alltägliches, auf der Arbeit, im Urlaub oder im Beziehungsleben. Warum eignet sich der Normalbürger so gut für Komik?
Hoffmann: Zuerst muss man erst mal eine Sympathie für diese Figuren haben, für den sogenannten „kleinen Mann“. Die habe ich. Ich liebe diese Menschen. Sonst könnte ich das auch gar nicht so machen. Im normalen Leben liegen Tragik und Komik oft nahe beieinander. Wenn du Geschichten aus dem Alltag der Menschen erzählst, finden sich im besten Fall viele darin wieder. Vielleicht passt es deshalb so gut.

Vor zehn Jahren sagten Sie in einem Interview, dass Ihnen diese Art von Comedy mehr liegt als politisches Kabarett. Ist es dabei geblieben?
Hoffmann:
Ja, das würde ich genauso sagen. Als ich vor 30 Jahren angefangen habe, bin ich die ersten zehn Jahre nur rumgetingelt. Ich hatte es sehr schwer, weil es das, was ich gemacht habe, noch gar nicht gab. Es gab politisches Kabarett und es gab meine Sachen. Die waren eigentlich Comedy, wurden aber noch nicht so genannt. Somit war es schwer den Leuten zu erklären, was ich da eigentlich genau mache. Ich habe dann meine eigene Art entwickelt, bin in meine Figuren hineingeschlüpft.

Gelegentlich kommt aber auch bei Ihnen eine politische Haltung zum Vorschein.
Hoffmann: Natürlich ist es auch politisch, wenn ich einen Arbeitslosen spiele, der erzählt, was er den ganzen Tag über so macht. Er schält sich dann mal einen Apfel und sagt Sätze wie: „Früher gab es auch mal schlechte Zeiten, aber dann wurden die Autobahnen gebaut!“. Oder ich spiele jemanden, der dringend eine Wohnung sucht. Das ist dann so meine Art, diese schweren Themen zu behandeln.

Zum Kabarett fühlten Sie sich nie hingezogen?
Hoffmann: Ich mag dieses Erhobene-Zeigefinger-Kabarett nicht, in dem man platte Meinungen äußert und sich dafür beklatschen lässt. Da mache ich es mir lieber etwas schwieriger. Interessant ist auf jeden Fall, wie sich die Themen wiederholen: Auch heute haben wir wieder mit Fremdenfeindlichkeit zu tun, auch heute gibt es wieder Wohnungsknappheit.

In den letzten Jahren sind viele Comedians wie Kaya Yanar, Mario Barth oder Cindy aus Marzahn dazugekommen. Welches Verhältnis haben Sie zu den neuen Kollegen?
Hoffmann:
Ein sehr gutes, wir freuen uns, wenn wir uns sehen.Ich kenne Mario noch, als er ganz am Anfang stand, da haben wir uns bei Stefan Raab hinter der Bühne getroffen. Da sagte er zu mir: „Mensch, wenn ich mal so große Hallen bespielen könnte wie du! Das wäre so toll!“ Michael Mittermeier sagte das auch mal zu mir – und, joa, dann haben die das alle gemacht.

Comedy findet inzwischen auch im Internet statt, wo Youtube-Comedians wie Y-Titty oder Die Lochis ein Millionenpublikum erreichen. Können Sie mit der 2.0-Comedy etwas anfangen?
Hoffmann:
Absolut. Ich überlege, ob ich mir auch eine eigene Plattform schaffen sollte. Ich hätte da schon großes Interesse dran. Ich würde dann Videos machen, die auf meinem Kanal veröffentlicht werden. Ich bin dann quasi mein eigener Fernsehdirektor und entscheide, was auf meinem Kanal läuft. Natürlich schadet es nicht, wenn man über Jahrzehnte Bühnenerfahrungen sammelt, aber wahrscheinlich hätte ich auch den Weg über das Internet gewählt, wenn es das damals schon gegeben hätte. Der unmittelbare Kontakt zum Publikum wäre dann allerdings weggefallen. Der ist mir schon sehr wichtig geworden in den vergangenen 30 Jahren.

Rüdiger Hoffmann geht also unter die Youtuber?
Hoffmann:
Ich habe ja bereits einen Youtube-Kanal, aber das wird noch etwas anderes werden. Ich werde eine eigene Plattform gründen, auf der Videos von mir oder befreundeten Kollegen zu sehen sein werden. Vielleicht auch kleine Filme, wenn wir unterwegs sind auf Tour.

Wann wird die Plattform an den Start gehen?
Hoffmann:
Da gibt es schon konkrete Pläne, aber ich kann noch nicht genau sagen, wann es soweit ist. Ich setze mich da nicht unter Druck. Ich führe Gespräche mit Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten möchte und irgendwann legen wir dann einfach los. Dann wird man sehen, wie das Ganze angenommen wird. Mir geht es gar nicht darum, die meisten Klicks zu bekommen, sondern vor allem um die Freiheit, auf meinem Kanal machen zu können, was ich will. Das werden auch keine belanglosen Teenager-Filme. Vielleicht filme ich auch einfach mal eine Spinne und synchronisiere die. (lacht)

Ein anderes Thema. Die VG Wort, sozusagen die GEMA für Wortkünstler, vergütet Comedy-Beiträge nur halb so hoch wie Kabarett, mit der Begründung, Comedy sei „weniger kulturell bedeutend“.Wie finden Sie das?
Hoffmann:
Das ist eine Frechheit. Ich weiß gar nicht genau, in welche Kategorie ich falle, in meiner Steuererklärung steht glaube ich auch Kabarettist drin, da müsste ich mal nachforschen (lacht). Ich muss sagen: Diese Unterscheidung finde ich völlig daneben. Das eine ist die vermeintliche Hochkultur, das andere eben nur Comedy, also E und U, Ernst und Unterhaltung. Ich glaube, diese Trennung gibt es auch nur in Deutschland, für mich ist das sehr hochnäsig und nicht richtig. Das wäre genauso, als wenn man sagt: Klassische Musik ist wertvoller als die Musik der Beatles. Wer will denn sowas bewerten?

Comedy wurde in Deutschland vor allem durch die Privatsender bekannt und selbst heute findet man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern Comedy-Sendungen allenfalls im Spätpgrogramm. Warum?
Hoffmann:
Comedy hätte es ohne RTL so gar nicht gegeben. „RTL Samstag Nacht“ hat in den 90er-Jahren den Durchbruch für diese Form der Komik gebracht, auch für mich. Wenn es nach den öffentlich-rechtlichen Sendern gegangen wäre, wäre wahrscheinlich bis heute alles beim Alten geblieben. Allerdings hat sich auch Einiges verändert, so viel Live-Comedy läuft bei RTL gar nicht mehr. Im Moment ist besonders das ZDF sehr federführend, die haben die „heute-show“ mit Oliver Welke und das „Neo Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann. Eigentlich ist das ZDF fast der neue Comedy-Kanal. (lacht)

Eine Schlussfrage: Ihr Markenzeichen auf der Bühne ist die Langsamkeit. Was können Sie richtig schnell?
Hoffmann:
Schwimmen. Ich hatte Schwimmen als Abiturfach und war auch mal im Verein. Ich habe eine gute Wasserlage und bin immer erstaunlich schnell. Ich staune da selber noch über mich. (lacht)

[Das Interview entstand im August 2015.]

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