Sandra Maischberger

Es gibt Gäste, da wartet man Jahre, bis sie endlich zusagen.

Sandra Maischberger über das Talkshow-Genre, gute und schlechte Fragen und die Verschmelzung von Fernsehen und Internet

Sandra Maischberger

© WDR/Roloff

Frau Maischberger, Sie haben in einem Interview einmal verraten, dass Sie ein mangelndes Selbstbewusstsein hätten, was Ihr Wissen anbelangt. Was hat sich daran nach fünf Jahren und 200 Sendungen „Menschen bei Maischberger“ in der ARD verändert?
Maischberger: (lacht) Es ist nicht besser geworden.

Kein gesteigertes Selbstbewusstsein auf Grund hinzugewonnenen Wissens?

Maischberger: Als ich vor 23 Jahren als Journalistin begann, dachte ich: Ich stelle so viele Fragen, bis ich irgendwann mal Antworten geben kann, weil ich von anderen so viel erfahren habe. In Wahrheit ist es so, dass das nicht der richtige Weg ist. Dafür bekomme ich vieles einfach zu flüchtig mit. Ich stelle vielmehr fest, dass ich, umso mehr Sendungen ich mache, desto mehr merke, was ich alles nicht weiß. Eigentlich müsste ich sofort mit allem aufhören, mich zurückziehen, nur noch Bücher lesen, Klausuren darüber schreiben und mich auf der Wissensseite vervollständigen. Das bin ich jedoch nicht. Aber ich weiß sehr genau, was ich nicht weiß. Und das ist noch eine ganze Menge.

Betrachten wir es mal aus Zuschauersicht: Taugen Talkshows zur Wissensvermehrung?
Maischberger: Meine ich schon. Es ist jedoch zum Beispiel schwierig, in einer Talkshow ein neues Thema zu setzen. Um über etwas zu sprechen, über das sich die Leute noch überhaupt keine Gedanken gemacht haben, sind Dokumentarfilme, Nachrichtenstücke, vielleicht aber eben auch Zeitungen und Bücher besser geeignet. Wir können immer die Themen sehr gut diskutieren, über die sich die Leute bereits eine Meinung gebildet haben. Weil man dann als Zuschauer mitdenkt, im Sinne von: Der hat Recht, der hat nicht Recht. Ich glaube, Talkshows sind ein ganz klassisches Meinungsmedium, auch deshalb weil sie so schnell gar nicht alle Fakten überprüfen können, die in einer solchen Gesprächsrunde genannt werden. Manche können wir natürlich schon vorher checken, manche sind mir als Moderatorin auch bekannt. Aber genauso kann es auch sein, dass jemand eine Zahl in den Raum wirft, die die Diskutanten nicht mal eben schnell überprüfen können, weil wir während der Sendung ja nicht alle online sind. Und wenn wir online wären, würden wir googeln und bei Wikipedia oder auf ähnlichen Seiten auf die Schnelle unter Umständen sogar noch eine falsche Information bekommen. Deshalb eignet sich die Talkshow mehr zur Meinungsvermittlung als zur Wissensvermittlung. Im Idealfall findet aber beides statt.

Nach der Aufzeichnung Ihrer 200. ARD-Sendung sagten Sie vor Programmverantwortlichen und Pressevertretern, dass es viel Zeit gebraucht hätte, die Sendung so hinzubekommen, dass sie Ihnen gefällt, Sie sprachen dabei von vielen Fehlern, die am Anfang gemacht worden seien. Wie lange hat es gedauert, bis Sie mit „Menschen bei Maischberger“ zufrieden waren?

Maischberger: Also, mit einzelnen Sendungen bin ich heute noch unzufrieden (lacht). Sagen wir mal so: Das Verhältnis hat sich umgedreht. Am Anfang war ich vielleicht mit zehn Sendungen richtig glücklich und mit neunzig unzufrieden. Mittlerweile bin ich mit 90 Prozent richtig glücklich und mit zehn Prozent unzufrieden. Da hat eine schleichende Entwicklung stattgefunden. Ab dem zweiten Jahr waren wir schon ganz gut, glaube ich. Und ungefähr ab dem dritten Jahr waren wir soweit, dass ich sagen konnte: Jawohl, das ist das, was ich machen möchte.

Zum Start Ihrer Sendung sagten Sie 2003, dass Sie „Talk-Journalismus“ machen wollen – explizit keine „Talk-Show“. Im Laufe der Zeit haben Sie Ihr Konzept allerdings geändert. Aus intensiven Einzelgesprächen wurden auch bei Ihnen die bekannten Talkrunden mit vielen Gästen. Sind Sie mit Ihrem damaligen Ansatz gescheitert?
Maischberger: Gescheitert ist ein sehr hartes Wort. Ehrlich gesagt: Dadurch dass wir jetzt kein Publikum mehr haben so wie zu Beginn, machen wir weniger Show als vorher. Wir machen „Talk-Journalismus“, ich wüsste kein besseres Wort dafür. Die Meinung dominiert leicht über die Fakten, was vor allem der späten Sendezeit geschuldet ist. Manchmal sind wir, wenn Sie so wollen, pure Unterhaltung. Aber ehrlich gesagt: Ganz, ganz, ganz selten. Wir sind sehr breit gefächert. Es gibt mal intensive Einzelgespräche wie das neulich mit Manfred Krug. Mal intensive Auseinandersetzungen mit wenigen Gästen, wie letzte Woche mit Kardinal Meisner und Gloria von Thurn und Taxis, in der es um Homosexualität und Abtreibung ging. Und dann die großen Runden, die unsere Zuschauer nun mal schätzen. Die 200. Sendung anlässlich der bayerischen Landtagswahl ging in die Richtung gehobener Stammtisch. Es ist sehr unterschiedlich – das ist das Gute. Denn so ist es auch für mich jedes Mal etwas Neues, und das macht es so interessant. Das war am Anfang nicht abzusehen, ich dachte es wird schlimmer.

Mittlerweile diskutieren Sie eher über Themen, als dass Sie Menschen zu Ihrer Person befragen.
Maischberger: Stimmt. Ich mache eher Gesprächsrundenleitung als Interviewführung.

Und das genügt Ihnen? Oder wünschen Sie sich manchmal die n-tv-Zeiten zurück, wo sie in über 1000 Sendungen intensive Zweier-Gespräche führen konnten?
Maischberger: Manchmal machen wir es in der Sendung ja auch, indem wir vor der großen Runde ein Zweiergespräch führen. Aber die Runden, die wir machen, gefallen mir immer mehr. Im Moment suche ich mir aus beiden Welten das Beste heraus. Das finde ich gar nicht so schlecht.

Unter welchen Umständen würden Sie einen Gast aus Ihrer Sendung werfen?
Maischberger: (lacht). Unter keinen. Ich finde, dass man sich vorher überlegt haben muss, wen man einlädt. Wir sind mit manchen Gästen ein gewisses Risiko eingegangen, aber nie ein so großes, dass man am Ende während der Sendung hätte sagen müssen: Nein, das war doch der falsche Gast. Das wird uns hoffentlich nicht passieren. Dass einer von selber geht, kann man allerdings nie ausschließen (Anm. der Redaktion: Im Oktober 2007 verließ der ZDF-Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath Maischbergers Sendung, in der es um Ufos und Außerirdische ging, nachdem er mit Nina Hagen aneinandergeraten war.)

Welcher Gast wäre denn ein zu großes Risiko?
Maischberger: Jemand wie Horst Mahler beispielsweise. Michel Friedman hat für die Vanity Fair ein Interview mit ihm geführt, im Anschluss daran hat Michel Friedman Horst Mahler wegen Volksverhetzung verklagen müssen. Ich denke, das hätte er auch vorher wissen und das Interview dann einfach sein lassen können. Horst Mahler wäre so ein Fall, wo ich sagen würde: Da muss man die Entscheidung vorher getroffen haben. Und die Entscheidung in unserer Redaktion ist: Wir laden ihn nicht ein. Da nimmt man sich dann auch die Peinlichkeit, ihn wieder ausladen zu müssen.

Auch bei der Zusammensetzung der Talkgäste muss man sich vorher genau überlegen, welche Kombination funktioniert und welche nicht.
Maischberger: Klar. Wir können nie ausschließen, dass es daneben geht. Wir wollen es aber auch gar nicht ausschließen. Wir machen eine Sendung, die immer ein gewisses Risiko beinhaltet, weil wir keine langweilige Sendung machen wollen. Manchmal klappt das grandios, manchmal geht es total in die Hose. Mit dem Risiko leben wir – und zwar ganz gut. Weil es auf die Art und Weise immer wieder überraschend ist, nicht zuletzt auch für die Zuschauer.

Wo Sie eben Michel Friedman ansprachen: Mögen Sie dessen Interviewstil?
Maischberger: Er hat im breiten Spektrum seine Berechtigung, finde ich. Ich finde es schade, dass er keine größere Bühne mehr hat, weil seine Art der Interviewführung eine ganz eigene ist. Heute fehlt jemand, der so provoziert wie er, auch mit der eigenen Persönlichkeit. Ob ich es persönlich toll fand, ist eine andere Frage.

Fehlen generell erstklassige Interview-Formate im deutschen Fernsehen?
Maischberger: Ja. Ja. Ja! Das liegt auch einfach daran, dass es immer mehr gibt und man sich dadurch nivelliert.

Was glauben Sie, wohin sich das Talkshow-Genre in den nächsten Jahren entwickeln wird? Wird es so weitergehen wie bisher – oder braucht es irgendwann – für die Zeit nach Kerner, Beckmann & Co ganz neue Ideen?
Maischberger: Meiner Meinung nach sollte es neue Ideen geben. Es gibt einfach insofern eine Diskrepanz, als dass die Leute, die das Internet nutzen, zum Chatten, aber eben auch um sich auf Youtube selber darzustellen, bei uns als Zuschauer ja gar nicht mehr existieren. Selbst dann nicht, wenn wir eine Sendung machen, die sich thematisch mit der Zukunft des Kommunikations- und Informationsbereiches beschäftigt. Da wird etwas nachwachsen, von dem ich im Moment gar nicht sagen kann, was es ist. Sicherlich wird es eine Verschmelzung geben von Youtube und Fernsehen. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass das Fernsehen der Zukunft noch viel stärker auch ein Mitmachfernsehen werden wird. Die Castingshows sind ja jetzt schon ein Element davon. Es entstehen immer mehr Sachen, die eine Plattform darstellen, auf der man sich präsentiert. Nicht so wie es früher war, mit dieser Art von Staatsfernsehen, wo dann nachher die Volkshochschule kam und dich unterrichten wollte. Es wird sich sicher einiges verändern. Aber wie genau: keine Ahnung.

Zitiert

Wir können nie ausschließen, dass es daneben geht. Das wollen wir aber auch gar nicht.

Sandra Maischberger

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Inflation neu entstehender Sender und Spartenkanäle?
Maischberger: Wenn es zuletzt eine Bewegung im Fernsehen gab, dann die, dass immer mehr Sender hinzugekommen sind. Das hat dazu geführt, dass auch viele gute Programme hinzugekommen sind, die allerdings gut versteckt sind. Wozu es auch geführt hat, ist, dass es sehr viele Standards gibt: Ware von der Stange. Das gilt für die Serien, das gilt für die Krimis, es gilt aber auch für den journalistischen Bereich. Da wird einfach vieles produziert, was sich ähnelt. Das beantwortet auch die Frage, weshalb es die klassische Fernsehkritik in der Zeitung nicht mehr gibt. Denn wenn alles gleich ist, braucht man es auch nicht mehr zu kritisieren.

Für die Talkshows gilt das doch aber auch.
Maischberger: Es gilt in der Masse der Talkshows natürlich auch für uns. Wenn wir früher eine Sendung gemacht haben, ob es nun „Talk im Turm“ war, „Live aus dem Schlachthof“ oder die Kollegen vom ORF mit „Club 2“ – da haben die Zeitungen ein paar Tage danach noch darüber berichtet. Jetzt haben Sie alleine im Abendprogramm von ARD und ZDF etwa sieben ernst zu nehmende Sendungen. Natürlich können wir nicht erwarten, dass jede dieser Sendungen so herausragend ist, dass sie denselben Widerhall findet. Manchmal gelingt es. Unsere Sendung mit Gloria Fürstin von Thurn und Taxis und dem Kardinal Meisner war beispielsweise eine, die sehr viel Echo erzeugt hat. Aber das kommt seltener vor als früher.

Kann man lernen, gute Fragen zu stellen oder muss man dafür ein bestimmtes Talent mitbringen?
Maischberger: Man kann auf jeden Fall lernen, keine blöden Fragen zu stellen. Das wäre schon sehr viel.

Inwiefern haben Sie im Laufe der Jahre an Ihrer Fragetechnik gefeilt?
Maischberger: Das ist ein Prozess, der nach wie vor andauert. Eine der wichtigen Erkenntnisse ist zum Beispiel, dass kurze Fragen besser sind als lange. Wenn ich eine Sachfrage stelle, muss ich wissen, worüber ich rede. Das, worüber ich frage, muss ich begriffen haben. Ich habe gelernt, dass bestimmte persönliche Fragen nicht zu privat gestellt werden dürfen, nicht zu aufdringlich. So etwas sind wichtige Erfahrungswerte.

Ein Beispiel?
Maischberger: Ganz früher bei „Live aus dem Schlachthof“ habe ich einmal eine Frau bei mir sitzen gehabt, die an HIV erkrankt war. Da habe ich eben mal so die Frage rübergeschossen, wie viel Zeit sie sich noch gibt. Da war ich einfach zu jung, um zu begreifen, dass ich sie damit letztlich vor einem großen Haufen von Menschen frage, wann sie stirbt. Und da ich selber soweit weg vom Tod war, habe ich nicht gemerkt, wie bescheuert es war, das jemanden so zu fragen. Das wird mir zum Beispiel nie wieder passieren. Aber es passieren mir andere Fehler (lacht). Bei „Talk im Turm“ habe ich Fragen zum Steuersystem gestellt, wo ich mir vorher nicht genau überlegt habe, was das Halbeinkünfteverfahren denn jetzt eigentlich genau ist. Und dann habe ich meinen Gast gefragt: Wollen Sie das Halbeinkünfteverfahren abschaffen? Und er fragte zurück: Was daran gefällt Ihnen denn nicht? Und schon stehen Sie nackt dar. Sie müssen sich das, worüber Sie reden, also vorher selbst ganz genau begreifbar gemacht haben. Solche Dinge lernt man.

Merken Sie heute manchmal – um damit noch mal an die Einstiegsfrage in Bezug auf Ihr Wissen anzuschließen -, dass Ihnen ein Fachstudium fehlt?
Maischberger: Ein Fachstudium vielleicht schon, aber nicht das, was ich angefangen hatte. Ich hatte ja ein Studium der Kommunikationswissenschaften begonnen, doch das war für die Arbeit, die ich suchte, nicht das Richtige. Aber klar: Heute wünschte ich mir, ich hätte Geschichte studiert. Ich wünschte mir, ich hätte Politik studiert. Ich wünschte mir auch, ich hätte Jura studiert. Und Wirtschaft. Und Philosophie. An der Menge sehen Sie schon: Ich hätte all das gar nicht schaffen können. Der universal gebildete Mensch ist ein humanistisches Ideal, dem ich noch nachhänge, wohl wissend, dass ich es nie erreichen werde. Manchmal merke ich, dass mir etwas fehlt. Allerdings, in meinem Bereich, in dem man sich mit sehr vielen Dingen auseinandersetzen muss, können Sie sich auf eine Sache gar nicht so sehr spezialisieren. Kollegen, die in der Wirtschaftsredaktion arbeiten, müssen sich spezialisieren. Kollegen, die im Außenressort arbeiten, müssen das vermutlich auch stärker tun. Dasselbe gilt für die Sportleute. Die müssen nicht studieren, aber Sie müssen sich eben spezialisieren. Ich mache so ziemlich alles und kann mich daher gar nicht richtig spezialisieren.

Fehlt Ihnen manchmal auch die Zeit, sich in ein Thema so intensiv einzuarbeiten, wie Sie es gerne tun würden?

Maischberger: Manchmal schon. Aber ich habe ja einen Ausgleich, indem ich hin und wieder auch Filme mache, was eine ganz andere Arbeitsweise darstellt. Ich mache jetzt einen Film über Richard von Weizsäcker und habe eineinhalb Jahre Drehzeit. Auf den kann ich mich natürlich ganz anders einlassen, als wenn er einmal am Dienstag in meine Sendung kommt, gar keine Frage. Und damit hängen dann so viele Themen zusammen: Ich werde mich sicherlich noch einmal mit der Vorkriegszeit, mit dem Zweiten Weltkrieg, mit der Nachkriegszeit beschäftigen, mit der Wiedervereinigung – weil das alles seine Felder waren. Und das macht Spaß. Die Kommentierung der Olympischen Spiele in China, die ich machen durfte, hat dazu geführt, dass ich mich noch einmal schwerpunktmäßig in chinesische Literatur gestürzt habe. Das empfinde ich als Privileg.

Um welchen Interviewpartner haben Sie sich im Laufe der Jahre am meisten bemüht?
Maischberger: Es gibt Gäste, da wartet man Jahre, bis sie endlich zusagen. Helmut Schmidt war so einer. Den habe ich zum ersten Mal am 12. September 2001 interviewt, am Tag nachdem die Flugzeuge ins World Trade Center gerast sind. Davor waren alle Anfragen abschlägig entschieden worden. Knapp 20 Jahre habe ich auf Helmut Schmidt gewartet (lacht).

Seitdem war er mehrmals in Ihrer Sendung.
Maischberger: Ja, das lag aber auch daran, dass er zu der Zeit jemanden suchte, der mit ihm zusammen ein Buch macht. Er hat meine Sendung bei n-tv gesehen und sich gewünscht, dass ich es mache. Er ist auf mich gekommen, nicht umgekehrt.

Vor kurzem wurde in der ARD anlässlich des Kaukasus-Konfliktes ein Interview von Thomas Roth mit Wladimir Putin ausgestrahlt…
Maischberger: Ich habe es leider nicht gesehen, nur darüber gelesen und kann Ihnen deshalb dazu nicht viel sagen.

Erst nach der Ausstrahlung kam heraus, dass dieses ursprünglich 60 Minuten lange Interview sehr stark – auf zehn Minuten – gekürzt wurde. Man fragte sich, weshalb: Da hat die ARD, die Möglichkeit, einen der aktuell wichtigsten internationalen Politiker eine Stunde lang zu interviewen – und sendet nur einen Ausschnitt von zehn Minuten. Ist das nicht verwunderlich?
Maischberger: Ich kann es Ihnen deshalb nicht beantworten, weil ich nicht weiß, ob nicht die gesamte Länge des Interviews zu einem anderen Zeitpunkt ausgestrahlt worden ist. Was häufig passiert, ist, dass man sagt: Man macht ein nachrichtliches Interview und nimmt einen Nachrichtenkern in die Nachrichtensendung und das komplette Interview wird zu einem anderen Zeitpunkt gesendet.

Das komplette Interview wurde – allerdings erst nachdem von verschiedener Seite Kritik geäußert worden war – einige Tage später morgens um kurz nach sechs im WDR gezeigt. Generell die Frage: Wie objektiv sind Fernsehinterviews? Im Endeffekt weiß der Zuschauer ja nie, an welcher Stelle geschnitten wurde und wo möglicherweise zentrale Aussagen weggefallen sind.
Maischberger: Ich bin ein Gegner davon, Interviews zu schneiden. Wir machen das auch nicht. In unserer Sendung gilt die Regel: Live on tape. Das heißt, es wird gesendet, was gesagt wird. Es gibt ganz selten Ausnahmen. Zum Beispiel als wir eine außenpolitische Sendung mit einer Schalte nach Georgien zum ehemaligen georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse gemacht haben. Da hatten wir das Glück, dass wir nicht live waren, denn bei solchen Schalten entstehen Längen, einfach durch die verlangsamte Kommunikation, und die haben wir dann tatsächlich rausgeschnitten. Das haben wir vorher gewusst und haben uns da einen Puffer gebaut. Weil wir schon wussten, dass es schwierig wird. Sonst wird das gesendet, was gesagt wird. Lieber wäre es mir noch, ich könnte live senden, aber unsere Sendezeit ist so spät, dass unsere Gäste zu einer solchen Sendezeit häufig gar nicht kommen könnten. Aus meiner Sicht ist es eigentlich ein Gebot der Fairness, das zu senden, was gesagt wird.

Anne Will sagte kürzlich im Gespräch mit Planet Interview, dass Sie verabredet hätten, mit 78 noch zusammen vor der Kamera zu stehen…

Maischberger: Sie hat gesagt 78? Gut, dann erhöhe ich jetzt auf 80 (lacht).

Es gilt also nach wie vor?
Maischberger: Wir verstehen uns sehr gut und kommen, glaube ich, auch aus einem ähnlichen journalistischen Selbstverständnis, obwohl wir in unterschiedlichen Teilen des Landes gelernt haben. Wir sind auf derselben Seite. Abgesehen davon mögen wir uns, und wir haben gedacht, wir machen das mal. Es gibt so viele Sendungen mit elder statesmen – wir sind dann die ersten elder stateswomen im Journalismus, aber (flüstert) ob das jemand sehen will, weiß ich nicht.

Barbara Walters in den USA ist ja auch nach wie vor aktiv – mit 79.
Maischberger: Ein großes Vorbild, wirklich. So viele gibt es da ja nicht, an denen man sich orientieren kann. Aber die Amerikaner sind, was das Durchhaltevermögen angeht, eh Vorreiter. Larry King sendet jetzt seit 25 Jahren? Hat, glaube ich, 17 Bypässe – aber er macht immer weiter.

Wer waren Ihre Vorbilder im deutschen Journalismus?
Maischberger: Als junge Journalistin fand ich Günther Jauch immer sehr gut, vor allem im Radio. Er hatte Humor, aber auch eine Chuzpe gehabt, die nicht respektlos war. Damit hat er in seinen Interviews immer Antworten bekommen, die sonst keiner bekam. Das fand ich immer sehr beeindruckend. Ansonsten sind es neben meinen Kollegen aus der Anfangszeit beim Bayerischen Rundfunk viele schreibende Journalisten gewesen, die ich bewundert habe. Das Rollenfach Peter Scholl-Latour zum Beispiel findet keinen Nachwuchs mehr.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.