Saskia Vester

Es ist eben kein Pantoffelkino.

Schauspielerin Saskia Vester über die Krimi-Serie "Kriminaldauerdienst", Filme im Internet, ihre Arbeitsweise und ihre Naivität

Saskia Vester

© ZDF

Frau Vester, wie erklären Sie sich den großen Erfolg der Serie?
Vester: Ich glaube, es ist einfach etwas sehr Spezielles in der deutschen Fernsehlandschaft. Entweder man mag es oder man mag es nicht. Es gibt nichts dazwischen. Es gibt Leute, die sagen: Ich kann damit nichts anfangen, es ist mir zu schnell, ich kapier nix. Und es gibt andererseits Leute, die total süchtig danach sind und kaum erwarten können, dass die nächste Folge kommt. Ich weiß nicht, woran das liegt. Wahrscheinlich daran, dass die Serie eine so frische Art und Weise hat, Dinge zu zeigen, die nicht den üblichen Sehgewohnheiten entsprechen. Es ist eben kein Pantoffelkino.

„KDD“ erzählt vom Polizeialltag in Berlin. Haben Sie sich den im Vorfeld einmal aus der Nähe angeschaut?
Vester: Nee, ich war nur beim Schießtraining. Allerdings für einen anderen Film, in dem ich eine Kommissarin gespielt habe. Da hatte ich zum ersten Mal eine Waffe in der Hand. Das hat etwas sehr Präzises. In der Denkweise, in der Körperlichkeit. So ein Bulle kann nicht vor sich hinschnarchen, der kann nicht träumerisch oder sonst wie sein. Er muss jeden Moment auf der Rasierklinge tanzen können. Das finde ich sehr faszinierend.

Was bringen Sie in Ihre Rolle von sich selbst ein?
Vester: Wenig. Sie ist ja lesbisch, das bin ich nicht. Ich trage auch nicht gerne Knarren im Alltag. Es ist zudem eine Figur, die mehr oder weniger in sich ruht. Ich bin gar nicht so. Sie ist viel tougher als ich, viel straighter.

Sind Sie selbst ein Fan von Kriminalfilmen?
Vester: Ja, auf jeden Fall. Ich liebe gut gebaute Thriller. Das ist das Göttlichste überhaupt. Auch wenn ich oft nicht hingucken kann. Selbst bei „KDD“ nicht, zum Beispiel wenn sich dort jemand die Pulsadern aufschneidet. Das finde ich oft so schrecklich.

Es ist tatsächlich teilweise recht starker Tobak, der dort gezeigt wird. Manchmal schon fast zu viel?
Vester: Ich glaube, es ist einfach bewusst gewählt für diese Serie. Es ist eine Erzählweise, die anrempeln will. Die will nichts schön vorgekaut servieren, sondern auf den Tisch hauen und sagen: So ist es. Genau das macht vielleicht den Erfolg aus. Es ist eine Art von Ehrlichkeit und Ungehübschtheit, die viele Leute sehr ansprechend finden.

Inwiefern muss man Ihrer Ansicht nach auch aufpassen mit einer schonungslosen Gewaltdarstellung im Fernsehen?
Vester: Deswegen läuft die Serie erst um 21.15 Uhr, das ist der Grund. Als die ersten Folgen gedreht wurden, war noch der Sendeplatz um 20.15 Uhr anvisiert, aber dann hat man gemerkt, dass es zum Teil so heavy ist, dass das einfach nicht geht.

Würden Sie sich einen Film im Internet anschauen?
Vester: Nein, eigentlich nicht. Mein Sohn macht das oft, aber ich finde, da geht so viel Ton- und Bildqualität verloren, so dass es für mich keine cineastische Freude ist.

„KDD – Kriminaldauerdienst“ war die erste deutsche Fernsehserie, bei der die jeweiligen Folgen schon 24 Stunden vor der Fernsehausstrahlung im Internet als Stream zu sehen waren. Was halten Sie davon?
Vester: Ich war ganz überrascht, dass das gemacht wurde. Ich dachte eigentlich, wenn man die Folgen vorab im Internet zeigt, geht es auf Kosten der Quote, weil sich die Leute das dann nicht mehr im Fernsehen angucken. Aber, ganz im Gegenteil, es wird sehr gut angenommen und ist quasi wie ein zusätzlicher Verteiler. Es scheint zu funktionieren. Eigentlich bin ich aber die Falsche für die Frage, weil ich, was Internet und so angeht, ganz doof bin.

Wie kann man sich denn Ihren persönlichen Medienkonsum vorstellen?
Vester: Der konzentriert sich auf Bücher. Ich bin außerdem fanatische Rätsellöserin. Es gibt ja von P.M diesen Logik-Trainer. Ich leihe auch oft DVDs aus. Im Fernsehen sehe ich hingegen am allerliebsten Dokumentationen.

Keine fiktionalen Filme im Fernsehen?
Vester: Wenig. Wenn, dann sehr speziell ausgesuchte. Ich bin eben so ein Dokumentationsfreak. Gerade in deutsche Filme kann ich mich auch nie so ganz reinfallen lassen, weil ich dann immer bekannte Kollegen sehe und beobachte, wie sie ihre Rollen spielen. Es ist insofern also immer ein Stück weit Arbeit. Wenn ich richtig abschalten will, ist eine gute Dokumentation daher das Köstlichste für mich.

Sehen Sie sich Ihre eigenen Filme gerne an?
Vester: Das fällt mir sehr schwer. Erst etwa ein Jahr nach Drehschluss kann ich sie relativ neutral angucken. Es gibt ja Kollegen, die gucken sich noch während dem Dreh Muster an, das geht bei mir gar nicht, da kann ich gar nichts mit anfangen. Ich finde alles schrecklich und furchtbar langweilig.

Woran liegt das?
Vester: Ich habe keinen Abstand. Es gibt insgesamt wenige Filme von mir, die ich mit Freude gucken kann. Komischerweise die bayerischen. Zum Beispiel den Kinofilm „Wer früher stirbt, ist länger tot“. Wenn ich auf bayerisch spiele, kann ich es mir unheimlich gut angucken. Wahrscheinlich, weil es nicht meine Sprache ist und sie so weit weg ist von mir, dass ich mit der Person nichts mehr zu tun habe.

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Ich bin vom chinesischen Sternzeichen Schwein. Und Schweine sind im chinesischen Horoskop das Gutgläubigste und Döfste was es gibt.

Saskia Vester

Sie sagten einmal, dass Sie gerne relativ schnell arbeiten. Wieso?
Vester: Ich bin halt einfach schnell. Ich bin schnell gelangweilt, wenn ich etwas längst kapiert habe, und noch ein weiteres Mal proben soll. Das ist zum Teil wie am Theater. Ich habe manchmal das Gefühl, wenn man etwas einfach „Zack, bum, von jetzt auf gleich“, macht, ist es oft richtiger, als wenn man ewig lange drüber grübelt und tausend Mal probiert. Da fällt die Spannung weg. Der Blütenstaub geht weg. So wird manches auch zerredet. Ich arbeite lieber aus dem Bauch heraus.

Viel proben nervt Sie eher?
Vester: Total.

Ihre Kollegin Ann-Kathrin Kramer findet vielmehr, dass zu wenig geprobt wird. Die künstlerische Arbeit leide darunter, sagt sie. Ihre „Tatort“-Kollegen Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär beklagten des Weiteren die geringe Anzahl von Drehtagen.
Vester: Drehtage sind etwas anderes. Das bedeutet, dass man am Tag sechs oder sieben Minuten dreht und eines nach dem anderen hintereinander wegarbeiten muss. Das hat aber nichts mit den Proben zu tun, sondern mit der Gründlichkeit der Vorbereitung. Früher hatten wir Drehtage, die nicht länger waren als acht Stunden, heute sind es zehn bis zwölf. Das geht einfach auf die Knochen.

Aber umso länger man probt, desto länger werden doch auch die Drehtage?
Vester: Ja, logisch. Das kostet natürlich auch viel Zeit. Da bin ich wirklich kein Fan von. Jeder Schauspieler ist da auch anders und hat andere Bedürfnisse. Zum Beispiel kam Matthias Glasner, der Regisseur der ersten Staffel von „KDD“, eines Tages an den Set und sagte: „Ich habe keine Lust mehr, euch beim Proben zuzugucken, wir drehen gleich“. Da wurde überhaupt nicht geprobt. Gar nicht! Es wurden noch nicht einmal Kameraeinstellungen gestestet. Es hieß plötzlich: „Jeder macht, was er will, die Kamera steht irgendwo, spielt einfach!“ Ich fand das so geil. Das war mit das Göttlichste, was ich je erlebt habe. Es ist auch eine tolle Szene geworden.

Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen: Sehen Sie eine Entwicklung in Hinblick auf Ihre Rollen?
Vester: Bis vor zehn Jahren habe ich eigentlich nur Figuren mit schwierigem Charakter gespielt. Dann ging es los, dass man mir zunehmend mehr Komödien anbot. In dem Genre hat man mich früher nie gesehen, auch am Theater nicht. Und dabei liebe ich es, Komödien zu spielen!

Woran lag es, dass plötzlich die Angebote kamen?
Vester: Keine Ahnung, ich kann es Ihnen nicht erklären. Plötzlich kam irgendeiner auf die Idee, und dann habe ich es vielleicht ganz gut gemacht. So dass der nächste auch wieder auf mich gekommen ist. Mittlerweile sind meine Rollenangebote ein riesengroßer, bunter Blumenstrauß. Das ist wirklich traumhaft und ich bin da auch sehr dankbar. Es geht nicht jedem Schauspieler so, dass man so viel komplett Verschiedenes spielen darf.

Gibt es eigentlich Parallelen zwischen dem Alltag eines Polizisten und dem eines Schauspielers während intensiver Dreharbeiten?
Vester: Schon. In der Härte. Ich möchte unseren Schauspieleralltag nicht mit einem Bullenalltag vergleichen, ich glaube, dazwischen sind schon noch einmal ein paar Universen. Aber dass man abends todmüde nach Hause kommt und sich nur noch aufs Bett schmeißt und den Überblick verliert, das gibt’s bei Polizisten vermutlich genauso. Aber ich denke mal, das gibt’s bei jedem, der einen intensiven Beruf ausübt.

Gibt es Dinge, die Ihnen dabei helfen, wieder Kraft zu schöpfen?
Vester: Meine Rätsel (lacht). Und ich bin jemand, der gerne Gameboy und so ein Zeugs spielt.

Aber nichts am Computer?
Vester: Doch, auch.

Noch ein Aspekt in Bezug auf Ihren Medienkonsum.
Vester: Ja, stimmt. Habe ich vorhin vergessen (lacht). Beim Runterkommen hilft sonst natürlich auch die Familie, kochen, mit meinen Kindern und meinem Mann zusammen sein, Katzen kraulen.

Haben Sie manchmal auch den Gedanken: Jetzt würde ich gerne einmal aus diesem Beruf ausbrechen und etwas ganz anderes machen?
Vester: Die hatte ich, als ich vor zwanzig Jahren am Theater gekündigt habe. Ich war völlig fertig, total ausgelaugt. Ich hatte alles rauf und runter gespielt und konnte nicht mehr. Ich habe ein Jahr lang Pause gemacht mit der Schauspielerei, habe einen Roman geschrieben, der auch verlegt worden ist. Das hat mir sehr gut getan, weil ich dadurch gemerkt habe, dass die Schauspielerei mein Beruf ist. Seitdem bin ich nicht mehr fremdgegangen und hatte diesen Gedanken nie wieder.

Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie, Frau Vester?
Vester: Daisy Duck. Die ist ganz schön tough und schlau. Aber eben auch so ein bisschen naiv und doof. Außerdem hat sie traumhafte Schuhe an, die hätte ich auch gerne (lacht).

Wann sind Sie denn naiv und doof?
Vester: In vielen Dingen. Vor allem gegenüber Menschen. Da bin ich sehr gutgläubig, man kann mir wirklich alles erzählen. Mein Mann schimpft mich dann immer.

Haben Sie in Bezug auf Ihren Beruf negative Erfahrungen machen müssen, weil Sie sich naiv angestellt haben?
Vester: Ja. Weil ich irgendetwas verplappert habe oder mich habe über den Tisch ziehen lassen. Mittlerweile weiß ich um meine Schwäche und kann damit umgehen. Im Zweifelsfall sage ich inzwischen: „Rufen Sie mal lieber meine Agentin an“. Ich muss dazu sagen: Ich bin vom chinesischen Sternzeichen Schwein. Und Schweine sind im chinesischen Horoskop das Gutgläubigste und Döfste was es gibt.

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