Schiller

Geld hilft doch nicht, wenn das Ergebnis keiner hören will.

"Symphonia" ist die erste CD, die Christopher von Deylen alias "Schiller" mit Orchester aufgenommen hat. Als wir uns aus diesem Anlass zum Interview trafen, entwickelte sich ein kontroverses Gespräch über den Klassikbetrieb und die Unterteilung in "E-" und "U-Musik". Von Deylen stellt die Frage, warum für Klassik und Pop nicht die gleichen Maßstäbe gelten.

Schiller

@ Philip Glaser / Deutsche Grammophon

Christopher, was war das letzte Orchesterwerk, das du live gehört hast ?
von Deylen: Ich wurde vor einigen Jahren von Freunden in die Berliner Philharmonie eingeladen, kann mich aber nicht mehr erinnern, was ich da gehört habe. Man geht ja leider viel zu selten ins Orchesterkonzert, weil der Aufwand, den man betreiben muss, immer so groß ist. Man muss sich Wochen vorher entscheiden wo man hinmöchte, weil die guten Konzerte sonst ausverkauft sind…

Das heißt, du würdest eigentlich öfter gehen wollen?
von Deylen: Ich würde vermutlich öfter gehen, ja. Es gibt da aber gewisse Hemmungen, denn vieles ist immer noch viel zu ritualisiert. Eine gewisse Abo-Klientel legt scheinbar Wert darauf, dass es auch ja so bleibt, dass es viele Menschen einfach nicht anspricht. Auf der einen Seite hört man das Gejammer über immer weniger Zuschauer, doch wenn dann für Millionen aus Steuergeldern neue Konzerthäuser gebaut werden, fragt man sich natürlich: Wer soll da hingehen? Es wird dadurch ja nicht automatisch Musik für die Massen. Die Massen möchten eben etwas anderes hören, in einem anderen Rahmen.
Die Bewahrer des Klassikbetriebs haben ja gar kein Interesse daran, dass sich die Klassik öffnet. Man wehrt sich. Ich fühle mich unwohl, wenn ich ins Konzert gehe und nicht im Anzug auftauche, da fühlt man sich dann doch immer etwas deplatziert.

Die CD „Symphonia“ dokumentiert dein erstes Konzert mit einem Orchester. Wie hast du dich dem Klangkörper Orchester angenähert?
von Deylen: Relativ pragmatisch. Für mich ist es eine Konfiguration von Instrumenten, die jetzt zufälligerweise nicht elektronischer Natur sind, sondern eben ein Orchester. Das ganze Beiwerk und das Ritualisierte interessiert mich nicht unbedingt, das kann ich zum Glück im eigenen Tun ausblenden. Mein Konzert mit Orchester fand unter freiem Himmel statt und eben nicht in einem Konzerthaus. Wobei wir ironischerweise auf der „Klangwelten“-Tour in der Berliner Philharmonie gespielt haben. Wir waren dort sogar der erste rein elektronische Act überhaupt. Das war auch wieder so ein wunderbarer Bruch, bei dem etwas passiert, was man eigentlich nicht vermutet. Das finde ich äußerst spannend. So ist dann auch die Idee entstanden, ein Konzert mit einem Symphonie-Orchester zu kreieren.

@ Philip Glaser / Deutsche Grammophon

Schiller mit Orchester vor dem Berliner Konzerthaus im Juli 2014 © Philip Glaser / Deutsche Grammophon


Wie erschließt du dir die Instrumente, die unterschiedliche Notation, die verschiedenen Spielarten?

von Deylen: Da habe ich zum Glück im Musikunterricht in der Schule etwas aufgepasst (lacht). Und ich bekam Hilfe vom Dirigenten, der die Arrangements für das Orchester geschrieben und notiert hat. Wir haben das gemeinsam musikalisch besprochen und es war auch klar, dass das Orchester nicht einfach nur den Schiller-Sound nachspielen würde. Es wäre ja unsinnig, ein Orchester so klingen zu lassen wie einen Synthesizer. Umgekehrt wäre das genauso widersinnig. Wobei man ein Orchester elektronisch ja auch schon nachbilden könnte, wenn man es denn wollte.

Wie gut sind mittlerweile diese „Soundlibraries“, wenn es um Orchesterklang geht?
von Deylen: Die sind so gut, dass jemand, der eine normale musikalische Sozialisation hat, keinen Unterschied zum echten Orchester hört.

Bist du schon mal drauf reingefallen?
von Deylen: Ja, schon oft. Mir hat jemand etwas Neues vorgespielt, eine Demoversion, und ich dachte „Wow, da habt Ihr sogar ein Orchester“. Aber dann hieß es: „Nö, Plastikgeigen“, also Soundlibraries. Das kann man sich gar nicht vorstellen wenn man noch aus einer Zeit kommt, in der man mühsamst mit dem Computer versucht hat, einen Orchesterklang zu simulieren, bei dem dann aber jeder sofort erkannt hat, dass das nicht echt ist.

Wenn heute die Technik so weit ist, was ist dann für dich das entscheidende Argument für ein Orchester mit echten Musikern?
von Deylen: Das hat etwas mit dem Energiefluss zu tun. Wenn 60 Musiker auf der Bühne sind, ist das einfach etwas ganz Besonderes. Der reinen musikalischen Information wird etwas Geheimnisvolles hinzugefügt, was es eben nur in diesem Moment gibt. Damit kann dann auch zum Glück keine CD, kein Download und kein Stream mithalten. Das ist offenbar ähnlich wie beim Fußball: Live ist es ganz anders als zuhause am Fernseher.

Zitiert

Der Klassikbetrieb ist und bleibt eine selbsternannt-elitäre Welt.

Schiller

Wäre es für dich denkbar, einmal nur für Orchester zu komponieren? Bist du durch dieses Projekt vielleicht auf den Geschmack gekommen?
von Deylen: Nein, das finde ich altmodisch.

Warum altmodisch?
von Deylen: Das wäre für mich der Versuch, etwas zu simulieren, was aus einer anderen Zeit kommt. Das gibt es in gut, das gibt es in perfekt, das gibt es in unübertroffen. Ich könnte mir das nicht vorstellen, weil man nichts wirklich Neues hinzufügen kann.

Siehst du die Form einer Orchesterkomposition sozusagen als historisch abgeschlossene Gattung?
von Deylen: Ja. Wer sagt denn, dass sie nicht abgeschlossen ist?

Beispielsweise Jörg Widmann, ein Komponist, der immer noch große Orchesterwerke schreibt.
von Deylen: Gut, würde jemand irgendwann den Gedanken gehabt haben, dass es auserzählt ist, was man mit einem Orchester machen kann, dann gäbe es keine 12-Ton-Musik, kein Schönberg usw.
Die Situation ist aber doch die, dass so etwas heute zwanghaft nur in diesem bestimmten, historisch-geprägten Rahmen aufgeführt wird. Wodurch dann der Gedanke entsteht, es sei mehr wert als Popmusik.

Den Gedanken teilst du offenbar nicht.
von Deylen: Nein. Vor allem nicht, wenn man dann noch mit der Unterscheidung zwischen E- und U-Musik anfängt, die ja von vornherein impliziert, dass E besser ist als U. Das finde ich ganz gruselig. Auch die Konsequenzen, die das hat. Einerseits ist und bleibt das ein Nischenspaß, andererseits kann ein Daniel Barenboim sich aber damit brüsten, wenn er der Bundesregierung mal eben so und so viele Millionen Euro für den Bau eines Konzertsaals (in der Barenboim-Said-Akademie, Anm. d. Red) abgequatscht hat. Da fasst man sich doch an den Kopf.

Findest du die Klassik nicht mehr förderungswürdig?
von Deylen: Das ist ein Museum. Es ist der Versuch, etwas, was vor 200 Jahren entstand, am Leben zu erhalten. Es wird notorisch immer wieder in diesem Rahmen aufgeführt, weil man aus irgendeinem Grund denkt, das kann und darf nur genauso aufgeführt werden. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde die Klassik schon erhaltenswert…

…und vieles in der Klassik würde vielleicht verschwinden, wenn man es allein kommerziellen Maßstäben unterwerfen würde.
von Deylen: Ich finde aber, dass man diese Frage durchaus stellen kann. Überall anders wird sie ja auch gestellt. In vielen anderen Bereichen scheut man sich überhaupt nicht, sich an der Nachfrage zu orientieren. Aber wenn man das mit der Klassik macht, gilt man gleich als ketzerisch und ignorant.
Das liegt vermutlich auch an einer Art von Kulturschickeria, die wir hier haben. Menschen, die sich gerne in Bayreuth fotografieren lassen, auch wenn sie keine Ahnung von dem haben, was dort eigentlich gespielt wird. Denen wir dann auch zu verdanken haben, dass ein traumhaft modernistisches Gebäude wie der Palast der Republik abgerissen wird, damit dort ein Stadtschloss aus längst verblichenen Zeiten wiederaufgebaut wird. Aus einer diffusen Sehnsucht nach Wohlfühl-Vergangenheit wird einfach Strg-Z gedrückt und ein Parkhaus mit angeklebter Stuckfassade aufgestellt. Fertig, willkommen in der neo-kaiserlichen Kulissenstadt. Vermutlich kommt ja bald noch jemand auf die Idee, den Flughafen Tegel abzureißen und in Schönefeld wieder aufzubauen, dann nur doppelt so gross (lacht).

Aber nochmal zur Nachfrage: Wenn man den Klassikbetrieb nach kommerziellen Maßstäben organisieren würde, würden vermutlich ein paar Hits von Beethoven, Mozart und Bach übrig bleiben und all das, was weniger Zuschauer anzieht, würde wegfallen. Ist das eine Vorstellung, mit der du dich anfreunden kannst?
von Deylen: Und wenn es so wäre ? Was wäre daran verwerflich ? Es kann doch jeder aufführen oder hören, was er möchte. Es werden ja auch Filme gedreht, bei denen Regisseur und Produzent von vornherein wissen, dass sie nur ein überschaubares Publikum erreichen. Und es wird „U-Musik“ produziert von Musikern, die vielleicht nur einen sehr kleinen Fankreis haben, die davon auch gar nicht leben können oder wollen, es aber als wichtig empfinden, diese Musik zu machen und aufzuführen.
Die Frage, die sich stellt, ist doch: Warum benutzt man unterschiedliche Maßstäbe? Es gibt die Band, die im kleinen Klub Konzerte spielt, die sich freut, wenn ein paar Freunde kommen und einfach eine gute Zeit haben. Und auf der anderen Seite sieht man die Klassik-Institutionen, die sagen: Wir spielen nicht, wenn wir nicht so und so viel Geld vom Staat bekommen. Wenn mich nicht alles täuscht, passt das nicht recht zusammen.
So oder so – ich bin ja jetzt kein Gegner des Genres “Klassik”, auch nicht von moderner Musik. Im Gegenteil. Irgendwann letztes Jahr habe ich bei einer Veranstaltung Musik von Hans Werner Henze gehört – das fand ich großartig, ich habe mir am nächsten Tag gleich vier Henze-CDs bestellt. Wobei das eben Musik ist, die mit normalen „U-Ohr“ nur schwer zu ertragen ist. Aber sie hat mich scheinbar gerade deswegen sehr bewegt.

Und es ist wahrscheinlich Musik, die komponiert werden konnte, weil der Staat Orchester finanziert, welche dann Komponisten mit neuen Werken beauftragen.
von Deylen: Unter künstlerischen Gesichtspunkten finde ich das auch ja auch ganz toll.

Sollte gerechterweise dann auch die Popmusik gefördert werden?
von Deylen: Nein, das meine ich ja eben nicht. Geld hilft doch nicht, wenn das Ergebnis keiner hören will. Ich rufe natürlich nicht nach einer Popmusikförderung, um Gottes Willen. Das wäre ja etwas sehr Urdeutsches – erst einmal eine neue Behörde aufmachen, ein Gremium gründen und dann eine “Wer-ist-es-wert-gefördert-zu-werden-Casting-Show” zu veranstalten. Nein nein, es reicht ja schon, wenn die Deutsche Filmförderung mit ihrem Zauberwürfel alles durcheinanderbringt (lacht).
Mein Gefühl ist und die Ausgangsfrage war ja, ob ich gerne in ein Klassik-Konzert gehe dass die Protagonisten des Klassikbetriebes am liebsten unter sich bleiben wollen.
Es ist und bleibt eine selbsternannt-elitäre Welt, die aus mir nicht plausiblen Gründen in ihrer eigenen Umlaufbahn kreist und nicht unbedingt an einer gesunden Bodenhaftung interessiert ist.

Für die GEMA ist die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik bei der Ausschüttung von Tantiemen ja auch immer noch relevant, dort haben E-Musiker einen finanziellen Vorteil…
von Deylen: Ja, wahrscheinlich ist das so. Mir geht es aber keinesfalls um Neid, oder darum, dass ich eine Förderung haben will, nur weil ich mit einem Symphonie-Orchester auftrete. Ich finde nur das Selbstverständnis der E-Musik problematisch. Das ist ungefähr so, als würde ein Maler sagen: Bitte kauft mir die Farbe und bezahlt mein Atelier, denn die Bilder, die ich male, sind so unfassbar relevant und in 20 Jahren ganz bestimmt große Meisterwerke. Nicht im Traum würde einem Maler einfallen, so etwas einzufordern. Doch in der Klassik gelten offenbar andere Regeln. Dabei ist und bleibt Musik doch einfach nur Musik. Warum da zwischen “U” und “E” ein Unterschied gemacht wird, verstehe ich partout nicht.

Schiller SymphoniaSiehst du dich selbst als Komponist?
von Deylen: Auch, aber nicht in erster Linie. Ich glaube ich würde mich eher als „Klangforscher“ bezeichnen.

Stimmt es, dass du dich mit instrumentaler Musik besser ausdrücken kannst als mit Worten?
von Deylen: Ja. Auch als Hörer geht es mir so. Wenn ich instrumentale Musik höre, passiert bei mir viel mehr.Vermutlich weil es keine Geschichte gibt, die vorgegeben ist.

Als ich Steve Reich einmal erklärte, ich könnte zu seiner Musik gut einschlafen, war er davon nicht gerade angetan. Wie hättest du reagiert?
von Deylen: Also, für mich wäre das schon ein Kompliment. Denn es fällt uns heute doch zunehmend schwer, sich dieser Dauerstimulanz, die um uns herum herrscht, zu entziehen. Damit meine ich gar nicht nur das Großstadtleben, sondern da reicht schon das neurotische Wechseln zwischen TV, 2nd Screen, 3rd Screen und vielleicht noch einer Familie, die sagt „Hallo, siehst du nicht, dass ich beim Friseur war?“ Wenn für meine Musik eine beruhigende Wirkung hat, dann finde ich das super.

Ist das auch mit ein Grund für deinen Erfolg? Dass die Leute diese Entspannung suchen, weil sie im Alltag mit Eindrücken und Informationen bombardiert werden?
von Deylen: Dem würde ich nicht widersprechen. Es ist für mich aber nicht die Hauptmotivation. Ich habe nicht die Absicht, Entspannungsmusik zu machen. Im Gegenteil, meine Musik entsteht ja aus einer Spannung, die irgendwo in mir herrscht und vor sich hin köchelt. Das Komponieren hat für mich etwas Befreiendes, aber nicht zwangsläufig etwas Entspannendes.
Dass man zu der Musik gut abschalten kann wurde mir schon oft erzählt. Mich hat das früher allerdings eher irritiert. Inzwischen sehe ich das aber auch so: Der Moment des Einschlafens ist heute einer der wenigen, bei denen man ganz bei sich ist. Und wenn meine Musik dazu ein Soundtrack sein kann, in Zeiten der allgemeinen Zerstreuung, dann kann ich damit sehr glücklich sein.

Es hat sich in einem Online-Kommentar mal jemand gewundert, warum es auf deinen Konzerten auch Stehplätze gibt.
von Deylen: Weil es auch Zuhörer gibt, die gerne körperlich der Musik folgen wollen, die nicht verstehen können, wie man zu der Musik stillsitzen kann. Und dann gibt es Menschen, die lieber sitzen und dabei vielleicht auch mal die Augen schließen. Da denke ich dann hin und wieder: Jetzt haben wir uns so viel Mühe gegeben, mit dem Licht und dem ganzen Drum und Dran, und jetzt sitzt man da und hat die Augen geschlossen. (lacht)

Du hast für dein Album Opus u.a. Griegs „Solveig’s Song“ adaptiert. Welche Version hörst du lieber, deine oder das Original?
von Deylen: Ich glaube, ohne anmaßend sein zu wollen, dass ich meine Version lieber mag. Weil die schönste Melodie, die man sich überhaupt vorstellen kann, bei Grieg nur einmal vorkommt, bei mir aber immerhin zweimal (lacht). Ich habe große Hochachtung vor dem Komponisten, deshalb habe ich mich sehr zurückgehalten und war sehr schüchtern. Ich habe wohl versucht, Grieg zu gefallen.

@ Philip Glaser / Deutsche Grammophon

© Philip Glaser / Deutsche Grammophon


Ich sprach einmal mit Anne-Sophie Mutter über Crossover. Sie sagte, es sei „überflüssig, klassische Musik in eine schlichtere Form zu quetschen“. Ich reiche eine Frage von ihr einfach mal an dich weiter: Warum sollte man diese großen alten Meister in eine andere Form bringen für die sie nicht geschaffen wurden?

von Deylen: Die Frage ist total berechtigt, warum sollte man das tun? Andererseits: Warum sollte man das nicht tun?

Warum findest du es denn gut, so eine Version zu machen?
von Deylen: Weil das Wesen des Stückes natürlich trotzdem die Komposition bleibt, die vor 100 Jahren vom Komponisten erschaffen wurde. Ich finde dabei nur wichtig, dass man gegenüber dem Werk, das man bearbeitet, den Respekt behält und versucht, den Geist zu bewahren. Man sollte es nicht veralbern, das Stück nicht achtlos als Materiallager behandeln. Das gilt aber für jedes Genre. Ich würde nicht sagen, dass man da bei der Klassik vorsichtiger sein sollte, als wenn man einen Popsong covert.
Was Anne-Sophie Mutter gesagt hat, klingt für mich natürlich wieder nach diesem „so etwas macht man nicht“. Wobei: Vielleicht ist es auch ganz gut, dass so eine Haltung noch existiert.

Wie meinst du das?
von Deylen: Ich war heilfroh, als mein Album „Opus“ in der FAZ mit viel Hingabe zerrissen wurde. Da war ich – als täglicher FAZ-Leser – beruhigt, weil ich gemerkt habe: Die bürgerlichen Feuilleton-Ressentiments sind noch genau da, wo sie hingehören. Wenn die Haltung dort schon aufgeweicht wäre, hätte ich mir Sorgen gemacht. So weiß man wenigstens, dass der Kulturbetrieb noch in Ordnung ist. (lacht)

Als William Orbit einmal Werke von Arvo Pärt in seinem elektronischen Stil adaptierte, musste seine CD wieder eingestampft werden, weil Pärt ihm die Erlaubnis verweigerte. Hast du für diese Haltung Verständnis?
von Deylen: Ja, das verstehe ich. Das ist wie bei einem Schauspieler, dessen digitale Kopie man ja auch nicht zwangsweise in einem Film mitspielen lassen kann, nur weil es technisch vielleicht machbar wäre. Wenn der sagt, er mache nicht mit, weil ihm das Drehbuch nicht passt, dann habe ich dafür vollstes Verständnis.

2 Kommentare zu “Geld hilft doch nicht, wenn das Ergebnis keiner hören will.”

  1. DER,DER RECHT HAT. |

    Völlig Falsch!
    Die alte Orchester-Musik wird noch heute komponiert, aber nur von diejenigen, die genug klug sind um keine Stimmführung-Fehler zu machen!!! Pop-Idioten sind nicht in der Lage Meisterwerke zu komponieren. Die Musik des dummen Volkes ist nichts wert. Es ist ein Geräusch, das Leute dümmer macht und keine besonders komplizierte Struktur hat. Heutzutage wenn ein Komponist immer zwischen Tonika und Dominante steht ist schon etwas ganz ungewöhnliches. Anscheinend sind Modulationen sind zu kompliziert für solche Menschen.
    Scheißmusik ist der Beginn vom Ende. Ihr solltet euch schämen solche Dinge zu „““komponieren“““. Es gibt Leute, die 4stimmige Fugen improvisieren können, und ihr braucht Tage lang um etwas so schlechtes zu darstellen. Wirklich unglaublich.

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  2. Christian Köster |

    Herr von Deylen ist zwar angewidert von der bornierten Klassik-Szene (zum Teil zu Recht!), doch was er hier äußert, strotzt nur so von Pauschal-Äußerungen und Irrtümern und klingt daher nicht weniger borniert.

    Irrtum 1: „Die Klassik ist ein Museum“. Das mag die Standard-Auffassung eines 08/15-Popmusik-Hörers sein, passt aber nicht zu einem etablierten deutschen Elektronik-Popkünstler. Denn die klassische Musik erfreut sich eines beispiellos umfangreichen Lebens. Wer einmal mit offenen Augen und Ohren durch die Musikwelt streunt, wird feststellen, dass heute wahrscheinlich mehr „ernste“ Werke für Orchester komponiert werden als jemals zuvor.

    Irrtum 2: „Das will ja keiner hören“. Wer sich einmal zB auf Youtube umschaut, wie groß mitunter die Klickzahlen bei zeitgenössischen Komponisten sind, wird sich wahrscheinlich wundern. Dort wird außerdem heftig über das Für und Wider zeitgenössischer Musik diskutiert, die Aussagen reichen von abgrundtiefer Verachtung bis zu haltloser Bewunderung. Moderne Klassik zeigt sich dort also als ein Hot spot des modernen kulturellen Lebens – wenn es auch nur ein kleiner ist. Und damit wäre diese Aussage ad absurdum geführt. Richtig wäre gewesen: „Das will nicht jeder hören.“ Und damit sind wir bei Irrtum drei, der Förderung … siehe unten

    In Europa sind die Lager tatsächlich (leider!) vielfach klar abgegrenzt, und auch die moderne Klassik nur einem elitären Publikum zugänglich. Doch es lohnt sich zB ein Blick Richtung USA. Dort sieht man seit vielen Jahren eine ziemlich entspannte Sichtweise auf das Thema „U und E“. Dort befruchten sich die Bereiche Pop, Rock und Klassik gegenseitig sehr intensiv (kein Wunder dass David Garrett mit seiner Crossover-Idee von dort zurückkehrte). Und ja tatsächlich, dort gibt es namhafte klassische Komponisten, die Großes produzieren und sogar von ihrer Kunst leben können. Man denke nur an erwähnten Steve Reich, Philip Glass oder auch John Adams.

    Irrtum 3: „Der Musikbetrieb sollte sich besser selbst regulieren“. Es ist tatsächlich nicht vielen Künstlern vergönnt, bleibende musikalische Kulturgüter hervorzubringen und gleichzeitig damit kommerziell erfolgreich zu sein. Denken wir an Bach, der sein täglich Brot als Kirchenmusiker verdienen musste, und dessen späte Meisterwerke zu Lebzeiten (fast) keinen Menschen interessiert haben. Denken wir an Mozart, der zum Ende seines Lebens betteln gehen musste. Denken wir an Beethoven, der als erster Komponist überhaupt kommerzielle Erfolge erzielte: Jeder kennt „Freude schöner Götterfunken“, aber was wäre zum Beispiel aus seinen großartigen letzten Streichquartetten ohne Förderung durch reiche Liebhaber geworden?

    Was wenn Mendelssohn-Bartholdy seinerzeit so gedacht hätte: „Ja der olle Bach mit seiner gepuderten Perücke, der gehört echt ins Museum.“ Dann hätte er wohl kaum 1826 die Matthäuspassion aufgeführt und damit ein Bach-Revival ausgelöst.

    Kunst und Kultur braucht Förderung, weil sie uns gerade mit Dingen konfrontiert, die man mitunter nicht sehen, hören und wahrnehmen will. Weil sie uns herausfordern und zum Nachdenken anregen will. Weil sie oft eben doch etwas mehr zu sagen hat als ein netter dreiminütiger Popsong…

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