Schloss Einstein

Aus dem Blickwinkel der Kinder

Mit inzwischen 800 Folgen ist "Schloss Einstein" die längste Kinderserie im deutschen Fernsehen. David Sarkar sprach mit der Produzentin Yvonne Abele über empathisches Kinderfernsehen, die Schwierigkeit Jugendkultur abzubilden und die Konkurrenz durch das Internet.

Schloss Einstein

© Saxonia Media

Frau Abele, am 22. Februar wird die Jubiläumsfolge zur 800.  Sendung von „Schloss Einstein“ ausgestrahlt, für die Sie seit 2010 als Produzentin verantwortlich sind. Was braucht man, um gutes Kinderfernsehen zu machen?
Yvonne Abele: Gute Geschichten sind wichtig und gute Geschichten sind immer mit Liebe erzählt. Man muss die Figuren lieben, die Geschichten und das Team, das die Geschichten umsetzt. Wir alle leiden mit, wenn die erste Liebe zerbricht oder all das Lernen doch nur für eine 2 gereicht hat. Wir versuchen aus dem Blickwinkel der Kinder zu erzählen und ihre Probleme ernst zu nehmen. Wir wollen mit viel Empathie jugendliches Leben darstellen.

Die Serie spielt im fiktiven Erfurter Internat „Schloss Einstein“. Die Lebenswelt der Hauptzielgruppe der 10- bis 14-Jährigen ist zum größten Teil sicherlich eine andere…
Abele: Letztlich sind unsere Figuren Folien für die Wünsche und Sehnsüchte der Zuschauer. Und welcher Teenager träumt nicht davon, zeitweise ohne Eltern zu leben? Wenn sich die Zuschauer in einer Serie wiederfinden, dann heißt das ja nicht, dass eine Serie die Realität eins zu eins abbildet. Wünsche und Sehnsüchte werden bedient, Lösungsmöglichkeiten für eigene Konflikte angeboten, aber immer auf einer fiktionalen Ebene. Wo die Konflikte spielen ist erstmal zweitrangig.

Bei „Schloss Einstein“ gehen nicht alle Geschichten um Freundschaft und Liebe so aus, wie es sich die Protagonisten wünschen – wie viel Realismus ist nötig und möglich?
Abele: Die Härte des Lebens wird bei uns immer abgefangen durch die Liebe und Weichheit der Freundschaft. Unsere Geschichten gehen im Prinzip alle gut aus. Wichtig ist, dass man den jungen Zuschauer nicht alleine lässt, dass man immer eine Lösung anbietet. Bei „Schloss Einstein“ ist es in der Regel so, dass die Figuren lernen und aus negativen Erlebnissen geläutert hervorgehen. Wir bemühen uns, keine Enden offen zu lassen, weil wir der Überzeugung sind, dass in einer so langlaufenden Serie jede Figur eine abgeschlossene Geschichte benötigt.

Aber trotzdem gibt es immer wieder auch Szenen, in denen die Figuren Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit spüren…
Abele: Wenn wir diesen Teil des Lebens ausklammern würden, wären wir nicht glaubhaft. Jeder kennt die Momente, in denen man denkt, dass es nicht weiter geht. Die Charaktere schaffen es jedoch immer wieder, meist mit Hilfe des Umfelds, sich aus solchen Situationen zu befreien. Um den Zuschauern Mut zu machen, dass auch sie schwere Zeiten überstehen können, müssen wir schwere Zeiten zeigen. Und das sind nun mal Situationen oder Szenen voller Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Dennoch überwiegen diese Szenen nicht. „Schloss Einstein“ ist in erster Linie eine fröhliche Serie.

Wie schwierig ist es, ein möglichst aktuelles Abbild der Jugend von heute zu zeigen?
Abele: Ich persönlich halte nicht viel davon Zeitgeistphänomenen hinterher zu jagen. Fiktionale Unterhaltung hat meistens eine lange Vorlaufzeit. Was heute geschrieben wird, wird in drei Monaten gedreht und in sechs Monaten ausgestrahlt. Bis ein Phänomen wie der „Harlem Shake“ bei uns zu sehen sein könnte, ist das Risiko, dass keiner mehr weiß, was ein „Harlem Shake“ ist, relativ hoch. Des Weiteren existiert „die Jugend“ nicht. Weder in Deutschland noch weltweit. Die regionalen Unterschiede in den Lebenswelten sind zu groß, als dass man die gesamte Masse an Jugendlichen ausmachen könnte.

Kommt es vor, dass sich die Darsteller in den Dialogen nicht wiederfinden?
Abele: Sicher, aber für solche Fälle gibt es Coaches und Regisseure, mit denen die Schauspieler ihre Probleme besprechen können. Niemand ist unfehlbar, weder Autoren, Redakteure noch wir Produzenten, die auch an der Bucharbeit beteiligt sind. Bei einer Serie wie „Schloss Einstein“, die sehr schnell unter einem enormen Zeitdruck hergestellt wird, kann es durchaus passieren, dass eine Rolle mal einen komischen Satz sagt. Wichtig ist mir, dass Anglizismen nicht mit Jugendsprache gleichgesetzt werden und dass die Figuren in ihrer Sprache ernst genommen werden.

Das durch Youtube sehr erfolgreich gewordene Comedy-Trio „Y-Titty“ sagte kürzlich in einem Interview: „Die Fernsehmacher sind verunsichert und werden langsam nervös, die haben Angst, dass sie durch das Internet verdrängt werden.“ Müssen Sie zukünftig noch aktiver im Netz sein, um die Jugendlichen weiterhin zu erreichen?
Abele: Ich persönlich glaube, dass Fernsehen und Internet koexistieren und sich gegenseitig inspirieren können. Beide Übertragungsformen wollen unterhalten und Geschichten erzählen. Dank der Mediatheken hat das Fernsehen die zeitliche starre Ausstrahlung gegenüber dem Internet nahezu aufgeholt. Ich kann qualitativ hochwertige Formate zu einer für mich passenden Uhrzeit mit individuell auf mich zugeschnittenen Pausen in den Mediatheken genießen. Darüber hinaus sehe ich das Internet und die vielfältigen Möglichkeiten aber auch als Chance, all das zu erzählen, wozu im eigentlichen Format, kein Platz mehr war.

Während der Dreharbeiten von Schloss Einstein © Saxonia Media

Während der Dreharbeiten von Schloss Einstein © Saxonia Media


Nach jeder Staffel werden Darsteller verabschiedet und neue eingeführt, manche sind über drei Jahre dabei, manche gehen nach einem Jahr. Woran machen Sie fest, wie lange ein Darsteller in der Serie bleiben kann?
Abele: Bei uns hat es sich so ergeben, dass eine Schülergeneration nach der 10. Klasse nicht weiter erzählt wird. Wenn Figuren vor Abschluss der 10. Klasse „Schloss Einstein“ verlassen, geschieht das auf Wunsch des Darstellers. Die Serie ist für die jugendlichen Hauptdarsteller ein sehr zeitintensiver und fordernder Job, den sie neben der Schule bewältigen müssen. Manche Darsteller können mit dieser Doppelbelastung nur eine gewisse Zeit umgehen, andere sind sehr traurig, wenn sie nach vier Jahren die Serie verlassen müssen, obwohl sie es nicht wollen. Wieder andere stellen im Laufe der Zeit fest, dass sie im Vorfeld andere Erwartungen an dieses Abenteuer „Schloss Einstein“ hatten. Das Wort „Abenteuer“ höre ich beim Casting oft. Doch dann warne ich und sage: Es ist vor allem ein sehr harter Job.

Ist es auch ein hartes Geschäft?
Abele: Natürlich ist die Saxonia Media ein Wirtschaftsunternehmen, das mit den Produkten, die sie herstellt, Gewinn machen will. Und natürlich ist der MDR ein Sender, der mit den Serien, die er in Auftrag gibt, Erfolg haben will. Ich bin aber sehr dankbar mit so wunderbaren Jugendlichen arbeiten zu dürfen, stelle mich aber auch der Verantwortung, die wir damit übernehmen. „Schloss Einstein“ ist ein ernstes, aber kein hartes Geschäft, weil bei uns der Mensch im Mittelpunkt steht. Wie in allen kreativen Branchen müssen sich die Beteiligten wohl fühlen, sonst kann man nicht kreativ sein.

Sie sprachen die Doppelbelastung für die Darsteller an. Direkt nach der Schule, geht es an mehreren Tagen ab 14 Uhr ans Filmset. Woran merken sie, wenn es einem Darsteller zu viel wird?
Abele: Neben regelmäßigen Gesprächen mit unserem Kinderbetreuer bekomme ich natürlich Feedback aus der Regie und dem Coaching, die am intensivsten mit den Kindern arbeiten. Die Produktionsleitung und ich halten darüber hinaus regelmäßigen Kontakt mit den Familien der Darsteller und den Darstellern selbst. Wenn sich Anzeichen zeigen, dass der Spaß verloren geht, suchen wir das direkte Gespräch. „Schloss Einstein“ ist ein Job. Deshalb muss ich die Darsteller manchmal auch bitten die Zähne zusammen zu beißen. Wenn der Spaß am Job aber auf Dauer ausbleibt, suchen wir gemeinsam nach einer Lösung.

Ein Kommentar zu “Aus dem Blickwinkel der Kinder”

  1. Amrin |

    Cooles Interview, man.

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