Frau Neid, laut einer Studie von 2006 interessieren sich hierzulande knapp 60 Prozent der Frauen für Fußball. Gibt es auch Männer, die sich für Frauenfußball interessieren?
Silvia Neid: Aber sicher. Bei Männern ab 60 gibt es sogar eine gewisse Häufung.
Wegen der hübschen Beine?
Neid: Nein, weil die Spiele der Fußballfrauen am Nachmittag übertragen werden. Die Berufstätigen können da nicht fernsehen. Insgesamt sind die Zuschauer zur Hälfte Männer und zur Hälfte Frauen.
In den Stadien auch?
Neid: Dort haben wir viele Familien. Wenn Sie bei einem Spiel von uns auf die Tribünen schauen, dann sehen Sie dort einen Querschnitt durch die Bevölkerung.
Wodurch unterscheidet sich denn Frauenfußball vom Männerfußball?
Neid: Fußball bleibt Fußball – egal, wer ihn ausübt. Nur die Akteure können sich unterscheiden. Der Unterschied, den Sie meinen, ist biologisch bedingt. Männer haben gegenüber Frauen von Natur aus Vorteile in Bereichen wie Kraft, Größe oder Schnelligkeit.
Gibt es denn Unterschiede in der Spielweise oder der Haltung?
Neid: Im Prinzip nicht. Wir haben dieselben taktischen Ziele: Den Raum enger machen, den Ball erlaufen, schnell von Verteidigung auf Angriff umschalten und natürlich Tore schießen. Der Unterschied ist: Männer können Pässe über 70 Meter schlagen, Frauen über 50 Meter. Daher können sie das Mittelfeld nicht so schnell überbrücken, brauchen eine Zwischenstation mehr. Das muss man im Spielaufbau berücksichtigen.
Wie ist es mit Fairness und Härte?
Neid: Kein Unterschied. Obwohl: Bei Schiedsrichterentscheidungen meckern Frauen nicht so viel. Ansonsten sind sie genauso ehrgeizig wie die Männer auch.
Ist die Härte der Männer ein Maß, ein Vorbild?
Neid: Im Frauenfußball ist es heute unabdingbar, körperbetont zu spielen. Aber ich bin aus taktischen Gründen nicht so fürs Tackling und Reingrätschen. Denn wenn man mal unten ist, und es hat nicht geklappt, dann ist der Ball weg. Von daher schätze ich spielintelligente Spielerinnen, die auf Grund ihres Spielverständnisses und ihrer läuferischen Fähigkeiten Defensivaufgaben lösen können.
Gehen Frauen anders mit ihrem Körper um?
Neid: Nein.
Mir kommt es immer brutal vor, wie schnell Sportler wieder fit gemacht werden. Wieso heilen die Verletzungen bei Spitzensportlern eigentlich immer so schnell?
Neid: Weil sie die besten Ärzte und die beste Betreuung bekommen. Leistungssportler werden bei Verletzungen einfach intensiver behandelt. Aber Wunder können auch Sportmediziner nicht vollbringen. So braucht ein Muskelfaserriss einfach seine Zeit, wenn er schneller verheilt, dann liegt es eher daran, dass es doch wohl nur eine Zerrung war.
Bei Schiedsrichterentscheidungen meckern Frauen nicht so viel. Ansonsten sind sie genauso ehrgeizig wie die Männer.
Empfehlen Sie Ihren Spielerinnen eine besondere Ernährung?
Neid: Das ist Sache der Team-Ärzte. Wir verfügen normalerweise über alle Arten frischer Lebensmittel, Obst Gemüse, Fisch, Fleisch, Nudeln, Reis, für jeden das Passende.
Legen Sie Wert auf Bio?
Neid: Ich persönlich schon. Wenn wir mit der Mannschaft unterwegs sind, werden wir in der Regel von den Hotels sehr gut versorgt, aber wir können den Köchen dort natürlich nicht vorschreiben, wo sie einkaufen sollen.
Sie haben sich beklagt, dass der Frauenfußball noch nicht genügend anerkannt sei…
Neid: Das muss aber schon eine ganze Weile her sein. Da hat sich viel getan. Nicht zuletzt ist DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger ein großer Förderer des Frauenfußballs.
Dann gibt es auch entsprechend Nachwuchs?
Neid: Ja! Interessanter Weise gab es eine Nachwuchswelle auch nach der Männer WM 2006. Das ist nicht mehr eine Sache des Geschlechts. Die Mädchen werden auch durch die Männer motiviert. Der Frauenfußball ist das am stärksten wachsende Segment im deutschen Fußball. Wir hatten bei den Mädchen jährliche Zuwachsraten von 20 Prozent. Mittlerweile sind in Deutschland 6292 Mädchen- und 4265 Frauen-Mannschaften im Spielbetrieb gemeldet.
Wie sehen Sie die deutschen Chancen in China bei der WM?
Neid: Es wird schwerer als 2003, weil wir diesmal als Titelverteidiger hinfahren. 2003 hat ja keiner mit uns gerechnet. Wir wollen uns auf jeden Fall bei der WM für Olympia qualifizieren. Dann wollen wir das Finale erreichen und natürlich auch gewinnen. Aber das ist ein langer Weg mit vielen Stufen.
Wer sind die schweren Gegner?
Neid: Schweden, Norwegen, USA, China, Brasilien, Nordkorea, Nigeria, … es gibt eine Menge starker Mannschaften. Wie bei den Männern auch sind die Leistungsunterschiede zwischen den verschiedenen Nationen geschrumpft. Es gibt keine wirklich „Kleinen“ mehr.
Erwarten Sie von dem Land China besondere Umstände?
Neid: Nein, da kennen wir uns ja auch gut aus, wir sind praktisch jedes Jahr dort.
Sind neben den sportlichen auch menschliche Beziehungen zur chinesischen Mannschaft gewachsen?
Neid: Nicht dass ich wüsste. Da ist einfach die Sprachbarriere. Nur wenige Chinesinnen sprechen Englisch. Und wir nun mal kein Chinesisch.
Sie haben die Mannschaft 2005 nach der Europa-Meisterschaft von Tina Theune-Meyer übernommen. Die WM ist also Ihr erstes großes Turnier als hauptverantwortliche Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft. Erkennt man Sie schon auf der Straße?
Neid: Als Assistentin von Tina, bin ich in der Öffentlichkeit nicht so aufgefallen, als Spielerin war ich bekannter. Aber jetzt bemerke ich doch nach und nach, dass ich wieder mal angesprochen werde.
Die Männer-WM hat das Selbstverständnis der Deutschen verändert. Erwarten Sie das von der Frauen-WM auch?
Neid: Sicher nicht. Die Männer-WM war hier, ganz nah und zu den besten Sendezeiten. China ist weit weg und durch die Zeitverschiebung werden die Spiele hier am frühen Nachmittag gezeigt. Wer berufstätig ist, wird die WM kaum live verfolgen können, nur über die Zusammenfassungen in den Nachrichten. Das ist etwas ganz anderes. Natürlich hängt es auch vom Erfolg ab. Wenn man früh ausscheidet, ist die Aufmerksamkeit viel niedriger.
Happy Birthday
Alles liebe und Gute zum Geburtstag?
Die Beste
Silvia Neid du bist die Beste