Sönke Wortmann

Die Schlüssellochperspektive

Sönke Wortmann über seinen Film „Das Hochzeitsvideo“, Youtube-Ästhetik und warum er seine Filme nicht kostenlos im Internet sehen möchte

Sönke Wortmann

© Constantin Film Verleih GmbH

Herr Wortmann, angeblich hat Sie eine Hochzeit im Freundeskreis zu „Das Hochzeitsvideo“ inspiriert. Musste das Brautpaar damals ähnliche Klippen umschiffen, wie Sebastian und Pia in Ihrem Film?
Ich mochte die Konstellation sehr gerne, dass zwei Leute heiraten, die sich kaum kennen und ich finde es gut, ein solches Risiko einzugehen, wenn man sich sicher ist.
Bei der Hochzeit, die Sie ansprechen, war es so – und die beiden sind heute, zwei Jahre später, immer noch verheiratet. Für eine Komödie ist das eine tolle Konstellation, vor allem weil sich die Familien nicht kennen und sich erst auf der Hochzeit kennenlernen.

Wie haben Sie sich persönlich dem Sakrament der Ehe und der Kirche genähert?
Ich habe die Ehe nie als Sakrament gesehen, eher als sehr romantischen Akt. Ich halte mich für einen sehr romantischen Menschen und hatte mir immer vorgestellt, dass ich irgendwann mal heirate – und hoffentlich nur einmal heirate. Dass der eine Mensch derjenige ist, mit dem es passt, mit dem man Kinder hat. Nach fast zehn Jahren habe ich es nicht bereut. Nicht einmal.  

Sie greifen im Film auf Amateurvideos der Freunde des Brautpaars zurück, spielen also mit Stilmitteln von Youtube & Co. Wie wichtig war das für den Film?  
Diese Ästhetik ist mitentscheidend. Ich hätte die Komödie auch klassisch anlegen können, mit Schnitt, Gegenschnitt, Totale, wie man es halt kennt. Das Aufregende hier sind die 80, 90 Prozent der Geschichte, die von einem und später von zwei Hochzeitsfilmern erzählt werden. Sonst hätte ich mich gelangweilt.
Optisch hat das zu Folge, dass wir oft eine Handkamera einsetzen, allerdings ohne so sehr zu wackeln, dass es den Leuten in der zweiten Reihe schlecht wird. Das habe ich bei vergleichbaren Filmen schon erlebt. Wir wollten die optische Gratwanderung schaffen zwischen dem, was der Titel „Das Hochzeitsvideo“ verspricht und dem, was im Kino erwartet wird – nämlich mehr als ein Amateur-Video. Das soll Kinoqualität haben, aber auch als Video durchgehen. Diese Vorgehensweise bedeutete aber auch, dass wir nur wenig schneiden konnten, das Timing der Szenen mussten wir daher schon vorher festlegen. Das war eine große Herausforderung für die Schauspieler und den Regisseur. Man muss schon beim Drehen sehr genau arbeiten.  

Was versprechen Sie sich durch diese Amateurästhetik im Hinblick auf den Zuschauer?
Das führt zu einer Schlüssellochperspektive. Auch wenn es kein Schlüsselloch ist, hat man das Gefühl: wenn dieser Hochzeitsfilmer filmt, bekommt das etwas Voyeuristisches, Subjektives, Direkteres.

Wie verändern Youtube und die Millionen von Hobby-Regisseuren Ihre Arbeit?
Für mich hat das mit Youtube nichts zu tun. Es ist ein Stilmittel. Youtube wird nur als Thema erwähnt, aber niemand lädt in Wirklichkeit solche Filme bei Youtube hoch. Das interessiert keinen, außer den Leuten, die auf dieser Hochzeit sind. Insbesondere das Brautpaar und die Trauzeugen.  
Ich habe allerdings mal eine lustige Aufnahme einer Hochzeit bei Youtube gesehen: Da sitzt das Paar vorm Pfarrer, woraufhin sein Handy klingelt, er guckt und einfach rausgeht. Während der Zeremonie. Die Braut schaut ihn hinterher und denkt sich wohl „Das kann doch nicht wahr sein.“ Wir haben geschaut, ob wir davon etwas gebrauchen können und haben eine Idee von vielen übernommen.

Youtube ist immer wieder in der Diskussion wegen Missachtung von Urheberrechten. Mit „Sommermärchen“ und „Das Wunder von Bern“ finden sich zwei Ihrer Filme komplett auf Youtube…  
Komplett? Und ich dachte, da wären nur Trailer drin. 

Wie finden Sie das als Urheber?
Ich wusste es nicht und werde es sofort weitergeben. Bei „Sommermärchen“ wäre das besonders bitter, da das ein Charity-Projekt ist und alle Einnahmen an die SOS-Kinderdörfer gehen. Dem gehen wir schon nach. Mir würde das überhaupt nicht gefallen.

Auch bei Ihren älteren Filmen?
Ich bin ein Anhänger des Urheberrechts und hier geht es um geistiges Eigentum. Wer das haben will, muss dafür bezahlen. Keiner wird gezwungen, es zu nehmen. Ein Brötchen kostet 25 Cent und ein Film eben 9,99 Euro oder so.

Zitiert

Nur wer Theater gemacht hat, kann längere Szenen spielen, die über einen gewissen Zeitraum nicht an Energie verlieren.

Sönke Wortmann

Es geht Ihnen in dem Fall darum, auch mit Filmen Geld zu verdienen, die älter sind?
Auf jeden Fall. Es geht darum, davon leben zu können. Verdiene ich kein Geld mehr, kann ich keine Filme mehr machen. Ich muss ja auch Miete und Essen bezahlen und manchmal Urlaub machen.

Ist „Das Hochzeitsvideo“ tatsächlich die beworbene Antwort auf erfolgreiche Komödien wie „Brautalarm“ oder „Hangover“, den Sie im Film sogar zitieren?
Das ist eine Marketingmaßnahme, die ich aber richtig finde. Die Leute müssen wissen, was sie kriegen, schließlich ist nicht Matthias Schweighöfer auf dem Plakat. Und „Hangover“ fand ich überragend.

Sie haben bei Hochzeitsvideo auf bekannte Schauspieler verzichtet, das brigt für eine Komödie doch ein gewisses Risiko, oder?
Nicht ein gewisses Risiko, sondern ein Risiko! Ich bin froh, dass die Produzenten und die Verleiher das eingehen.

Sie haben den Film mit Ihrer Firma Little Sharks mitproduziert… 
Ja, koproduziert. Hauptproduzent und Verleiher ist die Constantin. Die verstehen aber, wenn ein Film ein solches Konzept hat und es nicht nach Namen geht. Ich musste da niemand überzeugen. Der Produzent ist nicht der natürliche Feind des Regisseurs. Entscheidungen trifft man gemeinsam.

Im Cast von „Das Hochzeitsvideo“ versammeln Sie eine Riege an Schauspieltalenten, die Sie auf Theater-Bühnen fanden. Zeigt sich darin Ihre Wertschätzung dessen, was am Theater passiert?
Absolut. Theaterschauspieler klingt immer so nach Kunst. Ich mag diese Unterscheidung nicht so gern. Im besten Fall ist man ein guter Schauspieler und kann beides. Bei denen ist es so, dass sie bisher fast nur Theater gemacht haben. Das ist auch das Wichtigste. Nur wer das gemacht hat, kann längere Szenen spielen, die über einen gewissen Zeitraum nicht an Energie verlieren. Ein bekanntes  Gesicht hätte in einem Film gestört, der sagt: Ich will authentisch sein.

Sie haben mit „Der bewegte Mann“, den erfolgreichsten Film der 90er Jahre abgeliefert, der 6,5 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Wie hat sich das Genre Komödie seither entwickelt?
Sie ist immer noch populär, gerade wenn bekannte Gesichter mitspielen. Die Namen kennen wir alle. Komödie wird vom Publikum nach wie vor geschätzt und geliebt, aber von Intellektuellen nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Insofern hat sich seitdem wenig geändert.

Werden Sie wieder die Deutsche Fußballnationalmannschaft zur diesjährigen EM begleiten?
Nein, das war für mich und die Mannschaft einmalig. Das Turnier fand in Deutschland statt, was ein wichtiges Merkmal war. Wir hatten schon vorher vereinbart, dass es einmalig wäre. Dadurch dass es als Fußballereignis und als Film so erfolgreich war, ist das erst recht ein Grund, es nicht noch einmal zu machen. Eine Fortsetzung kann nur verlieren.

Sie waren als Schirmherr am Projekt deinfussballclub.de beteiligt, bei dem Fans gemeinsam den Fußballklub Fortuna Köln übernommen haben. Die Aktion endete im Januar 2012. Wie bewerten Sie das Experiment Basisdemokratie im Fußball?
Es hat lange funktioniert und dann irgendwann nicht mehr. Als die Plattform entstand und wir anfingen mit Fortuna Köln zu arbeiten, war der Verein in der 6. Liga im Mittelfeld. Mit unserer Hilfe ist er zweimal aufgestiegen und jetzt in der 4. Liga Tabellensechster. Das ist das sportliche Ergebnis unseres Engagements. Das hat alles super geklappt. Aber die von den Fans eingeforderte Transparenz sehen eben auch andere, eventuelle Gegner. Eine Internetgemeinde kann nicht so urteilen, wie ein Trainer. Der muss die Entscheidungen treffen, weil der es kann, weil er die Jungs jeden Tag sieht. Das führte zu Frust bei den Mitgliedern. An der Grenze zum Profi-Fußball hat sich das Konzept als Wettbewerbsnachteil erwiesen. Deshalb mussten wir damit aufhören, was auch jeder verstanden hat. Unterm Strich stehen zwei Aufstiege von einem Verein, den es ohne uns nicht mehr geben würde, da er damals vor der Insolvenz stand.

Lässt sich als Fazit formulieren, dass Basisdemokratie im Fußball bis in die höchste Amateurklasse möglich ist, aber an der Schwelle zum Profisport enden muss?
Das würde ich so sagen. Wie es da gerade aussieht weiß ich nicht genau. Der Verein liegt mir zwar am Herzen, aber meine Schirmherrenschaft endete im Januar. 

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