Sofia Coppola

Ich bin ein Kontrollfreak.

Sofia Coppola über ihren Film "Somewhere", das Leben im Showbusiness, Nachdrücklichkeit bei Film und Familie und den Moment ihrer Geburt

Sofia Coppola

© TOBIS Film

Frau Coppola, für Ihren neuen Film „Somewhere“ haben Sie bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig den Goldenen Löwen gewonnen. Was bedeutet Ihnen so ein Preis?
Das war einer der schönsten Momente meines beruflichen Lebens, weil ich wirklich nicht damit gerechnet hatte. Das war eine absolute Überraschung, insofern bin ich wahnsinnig stolz auf diese Auszeichnung. Sogar meine vierjährige Tochter war ganz begeistert, dass ich einen goldenen Löwen bekommen habe. Den fand sie klasse, während sie dem Oscar für „Lost In Translation“ eigentlich noch nie irgendwelche Beachtung geschenkt hat.

Es gab ein paar böse Stimmen, die behauptet haben, Sie hätten den Preis nur aufgrund Ihrer privaten Freundschaft mit Jury-Präsident Quentin Tarantino bekommen. Hat Sie das geärgert?
War das nicht nur so eine kleine Geschichte in den italienischen Medien? Es gibt doch immer Leute, die zu jedem Thema eine Kontroverse vom Zaun brechen wollen. Quentin hat gesagt, dass die Jury sich einstimmig entschieden habe, und das hat mich sehr gefreut. Nach der Preisverleihung habe ich auch mit seinen Kollegen gesprochen, die alle sehr nette Sachen über meinen Film gesagt haben. Insofern interessiert mich so ein Gerede eigentlich nicht.

In „Somewhere“ geht es um das triste Leben eines Filmstars und der Beziehung zu seiner Tochter. Worin lag für Sie der Reiz, einen Film darüber zu machen?
Als ich über Themen für meinen nächsten Film nachgedacht habe, kamen mir irgendwann all diese Promi-Geschichten in den Sinn, von denen man vor allem in den USA heutzutage so besessen ist. Alle Zeitschriften sind ja voll von Berichten über Stars in der Krise. Ich fand es spannend, mal zu zeigen, wie das Leben dieser Menschen wirklich ist und worin deren Erfüllung liegt.

So im Sinne von: Filmstars sind auch nur Menschen?
Darum ging es mir eigentlich nicht. Aber es steht natürlich jedem frei, den Film so zu deuten.

Ihr Hauptdarsteller Stephen Dorff hat „Somewhere“ als sehr poetisch beschrieben. Würden Sie dem zustimmen? Ist der Film eine Art visuelles Gedicht?
Ich versuche zumindest immer, meine Geschichten auch unter visuellen Gesichtspunkten zu erzählen und hoffe, dass man das spürt. Ich wollte einen minimalistischen und natürlichen Film machen, ganz ohne die üblichen Hollywood-Klischees. Mir ging es um ein Porträt des echten Lebens.

Wie sind Sie überhaupt auf Stephen Dorff als Hauptdarsteller gekommen? In Hollywood hat man den nicht mehr unbedingt auf dem Schirm gehabt.
Ich habe ihn schon vor vielen Jahren durch gemeinsame Freunde kennen gelernt. Er ist wirklich ein sehr netter Typ und hat viel Herz, was für diese Rolle immens wichtig war. Außerdem fand ich immer schon, dass er ein toller Schauspieler ist. Deswegen kam er mir schnell in den Sinn, als ich über diese Figur nachgedacht habe. Dass er nicht so präsent ist und man ihn eher selten auf der Leinwand sieht, habe ich zudem als Pluspunkt empfunden.

Ist es Ihnen da auch um Parallelen zwischen Realität und Fiktion gegangen? Ähnlich wie seine Filmfigur hatte Stephen in seiner Karriere immerhin auch schon mal erfolgreichere Zeiten.
Im Film soll seine Figur Johnny Marco ein bekannter Schauspieler sein, der meistens Filme dreht, auf die er nicht besonders stolz ist. Gut möglich, dass Stephen das beim Dreh ein bisschen nachempfinden konnte. Zudem ist auch Stephen für sein ausschweifendes Privatleben bekannt. Er hat den Ruf eines Party-Boys mit vielen Frauengeschichten. In dieser Hinsicht war er tatsächlich immer ein guter Berater, wenn es um entsprechende Details im Drehbuch ging.

Wie bei all Ihren anderen Filmen stammt auch das Drehbuch aus Ihrer Feder. Gehören Regie und Drehbuchschreiben für Sie zwingend zusammen oder könnten Sie sich auch vorstellen, mal die Geschichte eines anderen Autoren zu inszenieren?
Ich genieße es sehr, den gesamten Prozess in der Hand zu haben – von der ersten Drehbuchidee bis zum fertigen Schnitt. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt wüsste, wie ich das Drehbuch eines anderen umsetzen soll. Wenn alles seinen Ursprung in meinem Kopf hat, weiß ich einfach ganz genau, wie es am Ende aussehen soll. Mir fällt das Schreiben zwar nicht leicht, aber mir geht es immer um persönliche Filme; und die muss ich von Beginn an entwickeln.

Stephen Dorffs Charakter hat durchaus Ähnlichkeit mit Bill Murrays Figur in „Lost in Translation“. Beides sind traurige, einsame Stars.
Es gibt sicherlich Parallelen, dennoch sind das für mich auch zwei sehr unterschiedliche Charaktere. Mich interessieren einfach Menschen in der Phase des Übergangs und des Nachdenkens in Zeiten, wo alles irgendwie grau ist. Das gilt eigentlich für die Protagonisten aller meiner bisherigen Filme.

Ist das denn dein Bild von einem Star: Traurig und einsam?
Nein, das wäre eine Generalisierung, die nicht nur seltsam, sondern auch vollkommen falsch wäre.

Man kann aber wohl annehmen, dass Sie solche Phasen des Übergangs auch selbst kennen. Wie sehr hilft Ihnen das für Ihre Geschichten?
Jeder hat doch solche Momente, in denen man eher nachdenklich und nicht so gut drauf ist. Auch in meinem Leben gibt es manchmal Zeiten, wo ich mich sehr zurückziehe. Die lasse ich dann durchaus auch in meine Geschichten mit einfließen, zumal man als Filmemacher natürlich immer auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen in seine Arbeit einfließen lässt. Ich möchte allerdings betonen, dass diese Wesenszüge nicht den Großteil meiner Persönlichkeit ausmachen.

Bei so einem Sujet wie dem von „Somewhere“ drängt sich natürlich die Frage auf, wie viele Parallelen es zu Ihrem eigenen Leben gibt.
Eigentlich denke ich, dass jeder Zuschauer sich mit der Geschichte identifizieren kann, denn sie handelt im Grunde von der Reise des Lebens und den Entscheidungen, die man in dessen Verlauf trifft. Aber da ich seit jeher Kontakt zum Showbusiness hatte, ist das natürlich eine Welt, in der ich mich gut auskenne und sie entsprechend authentisch auf die Leinwand bringen kann. Meine Kindheit und Jugend war allerdings ganz anders als die des Mädchens in „Somewhere“. Aber selbstverständlich weiß ich auch, wie es ist, einen prominenten und gefeierten Vater zu haben.

Haben Sie als Jugendliche denn viel vom Job Ihres berühmten Vaters mitbekommen?
Wann immer er einen Film gedreht hat, sind wir mitgekommen und haben solange am jeweiligen Drehort gelebt. Wir haben also ziemlich viel Zeit an unterschiedlichen Orten verbracht, hatten aber natürlich immer auch unser Familienanwesen mit dem Weinberg, auf dem meine Eltern heute noch leben. Dort ging ich auch ganz normal zur Schule – eben abgesehen von den Wochen, in denen wir wegen Dreharbeiten woanders waren.

Film hat von klein auf zu Ihrem Leben gehört. Sogar Ihre Geburt wurde gefilmt, oder?
Stimmt, mein Vater war mit ihm Kreissaal und hatte eine Videokamera dabei. Als der Arzt dann sagte, dass ich ein Mädchen sein, ließ er sie allerdings vor Überraschung fallen (lacht). Damals in den 70ern war das vielleicht noch ungewöhnlich, aber heutzutage filmen doch alle Väter die Geburt ihrer Kinder. Aber es stimmt schon: In unserer Familie hat sich tatsächlich immer alles um Film gedreht, woran sich ja bis heute nichts geändert hat.

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Ich versuche immer, meine Geschichten auch unter visuellen Gesichtspunkten zu erzählen und hoffe, dass man das spürt.

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Michael Douglas hat einmal gesagt, dass er sich durch den Ruhm seines Vaters beinahe dazu verpflichtet gefühlt hätte, ebenfalls erfolgreich zu sein. Kennen Sie diesen Druck?
Nein, den habe ich eigentlich nie verspürt. Vielleicht ist das als Tochter aber auch noch mal etwas anderes.

Empfinden Sie den Gewinn des Goldenen Löwen denn als Bestätigung dafür, eben doch nicht nur die Tochter von Francis Ford Coppola zu sein?
Nein, das Selbstbewusstsein, eine eigenständige Regisseurin mit einem individuellen Stil zu sein, hatte ich auch vorher schon. Sonst würde ich wahrscheinlich auch gar keine Filme drehen. Der Preis war vielmehr eine schöne Bestätigung für diese spezielle Arbeit. Und natürlich auch allgemein eine schöne Bestätigung für solche kleinen, persönlichen Filme.

Wollte Ihr Vater denn eigentlich, dass Sie Regisseurin werden?
Schon als ich klein war, hat er mit mir und meinem Bruder immer wieder über das Regieführen und Drehbuchschreiben gesprochen. Aber da ging es eigentlich weniger darum, uns in diese Richtung zu drängen, sondern uns etwas von dem mitzugeben, was er liebt.

Aber es war doch sicher nicht leicht, im übermächtigen Schatten Ihres Vaters eine so prägnante, eigene kreative Stimme zu finden.
Natürlich hat es ein bisschen gedauert, bis ich wirklich herausgefunden habe, was ich mit meinem Leben anfangen will. Und selbstverständlich gab es auch in meinem Leben die eine oder andere Herausforderung, die ich meistern musste. Aber in dieser Hinsicht habe ich mich sicherlich nicht von anderen Mädchen im Alter von 18 oder 19 Jahren unterschieden. Natürlich bin ich zuhause ausgezogen, aufs College gegangen und habe dann später mit einer Freundin ein Mode-Label gegründet. Aber irgendwann habe ich dann meinen ersten Kurzfilm gedreht und wusste sofort, dass das mein Ding ist. Als ich dann auch noch den Roman „The Virgin Suicides“ gelesen hatte, wusste ich, dass ich daraus einen Spielfilm machen will. Ich hatte sofort eine Idee, wie man die Geschichte auf die Leinwand bringen kann, und wollte unbedingt verhindern, dass sie jemand anderem in die Hände fällt.

Kurz vorher haben Sie sich jedoch noch als Schauspielerin in „Der Pate III“ unter der Regie Ihres Vaters versucht. Die Kritiken waren vernichtend, Sie haben sogar die goldene Himbeere als schlechtester Newcomer des Jahrzehnts verliehen bekommen. War das ein traumatisches Erlebnis?
Das war damals auf jeden Fall keine leichte Erfahrung. Ich war erst 18 Jahre alt, und in dem Alter ist das letzte, was man will, auf seine Eltern zu hören. Insofern war es mir wirklich unangenehm, dass mein Vater mir Regieanweisungen gegeben hat. Mir ging es damals einfach darum, alles mal ausprobiert zu haben. Dass das so viele Menschen sehen und drüber sprechen würden, habe ich mir damals nicht klar gemacht. Ich bin mit dem „Paten“ aufgewachsen, das war für mich nicht dieses ikonische Heiligtum, das er für viele Leute ist. Aber ich war dann auch nicht am Boden zerstört, als es den Leuten nicht gefallen hat, denn die Schauspielerei ist nie mein Traumberuf gewesen. Ich habe das Ganze eher als Lernerfahrung gesehen. Und letztlich hat mich das nur stärker gemacht.

Sie haben in zehn Jahren vier Filme gedreht. Es gibt Kollegen, die sehr viel mehr Projekte realisieren.
Ach, ich habe es nicht eilig. Für meine Filme lasse ich mir gerne Zeit und suche nach Geschichten, an denen mir wirklich etwas liegt. Dann dauert es auch immer ein bisschen, bis ich die zu Papier gebracht habe, bis die Finanzierung steht und all die anderen Aspekte abgedeckt sind, an denen ich ja immer mitbeteiligt bin. Na ja, und zwischen den Filmen gönne ich mir natürlich auch immer ein bisschen Zeit, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Wenn andere Regisseure Filme über Hollywood drehen, binden sie häufig „echte Stars“ mit ein. In „Somewhere“ gibt es ebenfalls so eine Szene, in der Benicio del Toro als er selbst auftritt; es wird jedoch noch nicht einmal sein Name genannt. Wieso diese Distanz?
Diese ganze Hollywood-Welt sollte nur den Hintergrund für die Geschichte darstellen. Deswegen zeige ich Johnny ja auch nie bei der Arbeit. „Somewhere“ ist eben kein Film über die Filmbranche, sondern über das Leben eines ihrer Protagonisten. Und da solche Cameos nur vom Wesentlichen ablenken, habe ich es bei einer kleinen Prise davon belassen.

Die meisten Celebrities in Hollywood geben vor, unter der immensen öffentlichen Aufmerksamkeit zu leiden, obwohl sie diese natürlich auch immer wieder suchen. Wann wird es ungesund mit dem Rummel um eine Person?
Das ist doch wie mit allem: Sobald etwas ins Extreme kippt, ist es nicht mehr gesund. Aber gerade Schauspieler sind ja tatsächlich häufig genau deshalb Schauspieler, weil sie besonders viel Aufmerksamkeit brauchen.

Ihre Familie stammt ursprünglich aus Italien. Fühlen Sie sich dort zuhause?
Ich fühle mich in Italien immer sehr wohl und willkommen. Man behandelt mich sehr zuvorkommend und alle freuen sich, dass wir dort unsere Vorfahren haben. Von daher spüre ich schon eine besondere Verbindung zu diesem Land und seinen Leuten. Aber gleichzeitig fühle ich mich natürlich trotzdem auch dort in erster Linie als Amerikanerin.

Dass Sie sich in „Somewhere“ über italienische Fernsehshows lustig machen, hat Ihnen dort aber niemand übel genommen, oder?
Ach, was. In jeder Kultur gibt es doch Facetten des Showgeschäfts, für die man sich eher schämt. Außerdem ist das ja kein rein italienisches Phänomen, sodass man das einfach mit Humor nehmen sollte.

Wie wichtig ist Ihnen denn Familie?
Ich bin von meinen Eltern mit der Gewissheit erzogen worden, dass die Familie etwas sehr wichtiges ist. Da kommen dann doch wieder die Italiener in uns durch.

Ist Ihr Bruder deshalb auch einer der Produzenten von „Somewhere“?
Mit ihm zusammenzuarbeiten macht mir einfach wahnsinnig viel Spaß, und ich freue mich natürlich, wenn er sich bei der Produktion um das ganze Alltagsgeschäft kümmert. Ich meine: Wer würde sich nicht über Unterstützung vom großen Bruder freuen?

Erspart das auch unnötige Diskussionen, weil man sich blind versteht?
Klar, wir kennen uns extrem gut. Deswegen kann er auch Entscheidungen treffen, bei denen er ganz genau weiß, was ich erwarte oder mir wünsche. Wir müssen da nicht wegen jeder Kleinigkeit Rücksprache halten, und das ist natürlich sehr angenehm.

Wie bringen Sie  denn Ihre eigene kleine Familie mit der Arbeit unter einen Hut?
Nach der Geburt meiner ersten Tochter habe ich erst einmal ein Jahr Pause gemacht, bevor ich mit der Arbeit an „Somewhere“ angefangen habe. Aber natürlich war es danach anders als vorher. Früher habe ich die Nächte durchgemacht, wenn ich an einem Drehbuch gesessen habe. Das geht heute nicht mehr. Der Familien- und Arbeitsrhythmus hat sich aber trotzdem schnell eingependelt.

In diesem Jahr kam noch eine zweite Tochter hinzu, Cosima. Der Name deiner Erstgeborenen ist Romy. Gibt es da eine Verbindung zu ihrer berühmten deutschen Namensschwester Romy Schneider?
Nein, nicht wirklich. Wir haben sie vielmehr nach meinem Bruder Roman benannt. Die Mutter meines Lebensgefährten ist jedoch Deutsche, eine kleine Verbindung gibt es also doch. Falls die nächste Frage nun aber lautet, ob ich deshalb deutsch lerne, muss ich leider verneinen.

Viele männliche Regisseure vergleichen ihre Filme mit Babys, die es aufzuziehen gilt. Sie haben jetzt den direkten Vergleich: Ist da etwas dran?
Ein Kind großzuziehen kann man durchaus auch als kreative Leistung sehen, insofern lassen sich da sicherlich ein paar Parallelen finden. Aber im Grunde kann man beide Erfahrungen eigentlich bloß schwer miteinander vergleichen.

Wann sind Sie denn strenger: Als Mutter oder als Regisseurin?
Ich fürchte, ich bin in beiden Rollen streng, aber natürlich auf unterschiedliche Art und Weise. Als Regisseur bin ich auf jeden Fall ein Kontrollfreak, weil ich immer sehr klare Vorstellung von meinen Filmen im Kopf habe. Da muss man einfach streng sein. Bei Kindern aber manchmal auch (lacht).

Wie muss man sich das denn vorstellen, wenn Sie am Set streng sind? Man würde Sie ja eher als ruhigen Typ Mensch charakterisieren…
Ich verändere beim Dreh natürlich nicht plötzlich meine Persönlichkeit und fange an zu brüllen. Aber ich kann durchaus sehr bestimmt sein und ganz genau vermitteln, wie ich bestimmte Dinge haben will. Wenn ich überhaupt mal laut werde, dann aber tatsächlich eher mal mit meiner Vierjährigen.

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