Steven Spielberg, Tom Hanks und Leonardo DiCaprio

Der Hochstapler und sein Doppelgänger

Regisseur Steven Spielberg, Schauspieler Tom Hanks und Leonardo DiCaprio über ihren Film "Catch me if you can"

Steven Spielberg, Tom Hanks und Leonardo DiCaprio

© UIP

Mr. DiCaprio, Sie spielen in "Catch me if you can" Frank W. Abagnale Jr., der als Hochstapler auf der Liste der 10 meistgesuchten Verbrecher der USA stand, weil er amerikanische Banken um Millionen prellte. Sie haben ihn persönlich getroffen, was für eine Erfahrung war das für Sie?
DiCaprio: Es war ein wundervolles Erlebnis. Anfangs war ich sehr skeptisch, ihn kennen zu lernen, aber dann habe ich festgestellt, dass er im Grunde ja auch ein Schauspieler ist. Ein Schauspieler macht doch nichts anderes, als in verschiedene Rollen zu schlüpfen und sich über die Personen, die er darstellt, zu informieren – genau das, was Abagnale auch getan hat. Außerdem ist er ein sehr charmanter Mann.

Mr. Hanks, Sie spielen den FBI-Agenten Carl Hanratty, der Abagnale Jr. über Jahre hinweg um den ganzen Globus verfolgt hat. Würden Sie sagen, er ist eine Art Ersatzvater für Abagnale, der früh von zu Hause ausgerissen ist?
Hanks: Eigentlich würde ich sagen, er ist mehr der Doppelgänger von ihm. Sie leben in der gleichen Welt, beschäftigen sich mit den gleichen Sachen, wie Bankbetrug, Scheckfälschung, sind beide meistens allein, nur eben auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Im Vergleich zu Frank kann Paul nachts ruhig schlafen. Er liebt seinen Job, und die Jagd nach Abagnale – das führt zu einer widerwilligen Sympathie ihm gegenüber.

Mr. Spielberg, die Story basiert auf der Geschichte eines der genialsten Betrüger in der amerikanischen Geschichte. Hin und wieder liest man, dass Sie selbst auch nicht immer ganz ehrlich gewesen sind, zu Beginn Ihrer Karriere.
Spielberg: Aber ich möchte erst mal sagen, dass das nicht der Hauptgrund dafür war, dass ich mich dafür entschieden habe bei "Catch me if you can" Regie zu führen, sondern dass dieser sechzehnjährige Junge in so kurzer Zeit mehr erlebt hat als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Er ist eine unglaublich interessante Persönlichkeit.
Meine Geschichte ist viel kürzer. Mit sechzehn habe ich mich in den Sommerferien als Produzent verkleidet und habe mich in Anzug und mit Aktentasche heimlich auf das Gelände der Universal Studios gemogelt. Also habe ich nicht wirklich gegen das Gesetz verstoßen.

Der Film basiert auf der wahren Geschichte des Frank W. Abagnale Jr. Welche Elemente sind denn wahr, und welche zur Steigerung der Dramatik des Films hinzugekommen?
Spielberg: Alle Dinge, die Frank im Film vollbringt, sind wirklich so passiert. Wo wir ein wenig ergänzt haben, ist die Scheidung seiner Eltern, die nicht genau so abgelaufen ist wie im Film, genauso das Verhältnis zu seinem Vater, was ja den Film durchzieht. In Wirklichkeit hat er seinen Vater nach seinem Ausreißen gar nicht mehr wiedergesehen. Ansonsten sind es eigentlich nur Kleinigkeiten, wie Franks Flucht aus dem Flugzeug, die in Wirklichkeit aus einer Hintertür des Flugzeuges passiert ist, und er im Film über den Flugzeugreifen türmt.

Mr. DiCaprio, wie ist es überhaupt zu dieser Zusammenarbeit mit Steven Spielberg gekommen?
DiCaprio: Die Rechte an dem Script lagen schon lange bei Dreamworks. Ich war gerade in Rom, als ich das Drehbuch in die Hand bekommen habe und ich war sofort davon begeistert. Die Rolle des Frank Abagnale ist so farbenfroh, so vielseitig und spannend – ich wollte ihn sofort spielen.
Spielberg: Und ich wollte das Script eigentlich nur produzieren, und war auf der Suche nach einem Regisseur, als ich mich auf einmal gefragt habe: "Hey, warum gibst du so ein tolles Drehbuch eigentlich ab, du solltest das selbst machen!"

Mr. DiCaprio, der Film spielt ja in den Sechziger Jahren. Gefällt Ihnen die damalige Zeit?
DiCaprio: Ich hätte gerne zu dieser Zeit gelebt, meine Eltern haben mir viel davon erzählt. Durch sie kenne ich auch die Musik von damals. Zudem würde eine Geschichte wie diese heutzutage gar nicht stattfinden können. Es gab zum Beispiel noch kein zentralisiertes Computersystem und die Leute haben einem mit der richtigen Verkleidung und dem richtigen Auftreten alles geglaubt.

Mr. Spielberg, vermissen Sie die Sechziger?
Spielberg: Eigentlich nicht so sehr, von dem ganzen Flippigen von damals habe ich nur wenig mitbekommen, was wohl auch der Grund dafür ist, dass ich Regisseur geworden bin – Langeweile.

Mr. Hanks, wie war es mit einem der ganz großen männlichen Sexsymbole zu arbeiten?
Hanks: (schweigt)

Tom?
Hanks: Oh, ich dachte Sie reden mit Leo, Sorry!
Klar, es war traumhaft! (lacht) Im Ernst, mit Steven zu arbeiten war ganz toll, das ist der Traum jedes Schauspielers. Wir haben ja auch schon vorher zusammen gearbeitet, und ich bewundere ihn seit ich "Die unheimliche Begegnung mit der dritten Art" gesehen habe. Er holt Dinge aus mir raus, die hätte ich nie erwartet.
Und mit Leo, falls sie ihn meinten, war die Zusammenarbeit auch wunderbar, denn ich denke er ist einer der besten Schauspieler seiner Generation. Ich bin ja leider alt genug, um zu einer anderen Generation zählen zu müssen. Leider hatten wir ja nur wenige Szenen zusammen zu spielen, denn meistens begegnen sich Abagnale und Hanratty am Telefon. Und das mit dem Sexsymbol – das ist natürlich immer ein Problem, aber ich denke, wir sind gut damit umgegangen.

Würden Sie sagen, Sie sind Freunde geworden?
Hanks: Freunde wohl nicht, aber gute Bekannte. Ich habe Leo noch nie angerufen, und er mich natürlich auch nicht. (lacht) Aber wir werden uns wohl für den Rest unseres Lebens immer mal wiedersehen und uns unterhalten, und vielleicht ja auch mal wieder einen Film zusammen drehen.

Mr. DiCaprio, wie fühlt es sich an, wenn man feststellt, dass sich die Presse mindestens genauso sehr für Ihr Privatleben interessiert, wie für Ihren aktuellen Film?
DiCaprio: Natürlich kann ich nicht sagen, dass mich das nie stört, dass ich nie genervt bin, wenn ich wieder etwas in der Presse über mich gelesen habe, was nicht stimmt oder was völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Auf der anderen Seite gehört das nun mal zu meinem Beruf als Schauspieler dazu, und ich bin glücklich und dankbar, dass ich das tun kann was ich liebe und dafür noch bezahlt werde. Dafür nimmt man eben auch das in Kauf.

Mr. Spielberg, in Ihrem letzten Film "Minority Report" gab es unheimlich viele Special Effects zu sehen. In "Catch me if you can" verzichtend Sie weitgehend auf Special Effects.
Spielberg: Special Effects haben ihren festen Platz im Film seit es Filme überhaupt gibt. Der erste Film an sich war ja ein Special Effect. Niemand hatte so etwas vorher gesehen, es war weder wirkliches Leben, noch ein Stillleben. Von daher sind sie absolut notwenig, wenn sie der Story dienen. Wie in "Minority Report", wo ja die gesamte Auflösung und die Hinweise die zur Auflösung führen allesamt Special Effects sind. Sie sollten aber nie für sich alleine stehen, nicht dass die Leute nach dem Film nur wissen, wie toll die Effekte waren und sich aber nicht mehr an die Story erinnern. Mein Herz schlägt dafür, Geschichten zu erzählen, egal ob mit oder ohne Special Effects.

Mr. Spielberg, heutzutage kommen immer mehr Remakes, Sequels und Literaturverfilmungen ins Kino. Gibt es etwa keine guten Originaldrehbücher mehr? Oder liegt es daran, dass niemand mehr ein Risiko eingehen will?
Spielberg: Ich werde auf keinen Fall die Industrie für das Filmen von Sequels kritisieren, da ich ja selber welche gedreht habe, wenn man an "Indiana Jones" und "Jurassic Park" denkt. Ein Sequel heißt doch nur, dass etwas so gut und erfolgreich war, dass das Publikum mehr davon sehen möchte, und man es ihm gibt. Und außerdem, von zehn großartigen originalen Filmen gibt es vielleicht zwei, die eine Fortsetzung bekommen.
Remakes finde ich auch nicht verwerflich. Man muss ja nur mal das Theater anschauen, das besteht doch aus Remakes, jeder Regisseur interpretiert ein Stück anders, jeder Schauspieler eine Rolle – das ist doch unheimlich interessant.

Mr. DiCaprio, Sie werden erneut als Oscar-Kandidat gehandelt, was bedeutet Ihnen das?
DiCaprio: Ich könnte mich jetzt hier hinsetzen und sagen es bedeutet nichts, und Auszeichnungen sind nebensächlich, aber das wäre nicht wahr. Natürlich wäre es wunderbar einen Oscar zu bekommen, da bin ich wie jeder andere Schauspieler. So etwas ist eine unglaubliche Ehre. Aber man kann es sowieso nicht steuern, sonst wären Tom und ich ja jedes Jahr bei der Verleihung?

Mr. Spielberg, wie sehen Ihre nächsten Filmpläne aus? Sie haben mal gesagt, Sie würden gerne mal einen James Bond Film drehen. Kommt daher auch die kurze Anspielung auf Bond in "Catch me if you can"?
Spielberg: Ja, das hab ich wohl mal gesagt, aber ich glaube diese kurzen Szenen im Film haben mein Bedürfnis in diese Richtung befriedigt. Was weitere Pläne angeht, weiß ich nur, dass ich Ende des Jahres wieder mit Tom drehen werde, und dass ich in 2004 mit dem vierten Teil von "Indiana Jones" anfangen werde.
Was ich gerne mal verfilmen würde ist "Tim und Struppi". Das hatte ich vor Jahren schon mal geplant und 1983 die Rechte gekauft. Damals ist aber nie etwas zustande gekommen. Aber heute, wo ich Kinder habe und unser ganzes Haus voller "Tim und Struppi"-Bände auf Englisch und Französisch ist, habe ich dazu wieder große Lust.

Was denken Sie, kann die Welt in nächster Zeit für gute Filme erwarten?
Hanks: Fragen Sie jetzt uns als die selbstverliebten Filmstars, oder als die rational denkenden Filmproduzenten? (lacht)
Spielberg: Das schöne an diesem Business ist ja, das man das nie so genau über alles Bescheid weiß. Wir sind immer so in unsere eigenen Projekte eingespannt, dass man wenig von den Produktionen der anderen mitbekommt, bis sie dann laufen, und man von so tollen Filmen wie dem brasilianischen Film "City of God" oder "The Hours" oder "Gangs of New York", oder "Road to Perdition" erfährt. Und schließlich sind es ja auch nicht die Produzenten, die einen Film dann groß und erfolgreich machen – das macht das Publikum.

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