Heinz Strunk, Rocko Schamoni, Jacques Palminger, es gibt von eurer Seite aus eine gewisse Abgrenzung zu Kabarett und Comedy, Heinz hat einmal von „Verachtung von Comedy“ gesprochen. Wie entstand diese „Verachtung“?
Heinz Strunk: Die hat sich die Comedy selbst zuzuschreiben. Man kann verallgemeinernd sagen: Überall wo das Etikett „Comedy“ draufklebt ist in der Regel nichts Lustiges drin. Jeder, der sich Comedian nennt, steht für eine Art des Humors, dich ich einfach nicht komisch finde. Comedy ist für mich der ganzjährig verlängerte Arm des Rheinischen Karnevals. Und es tut mir leid: Ich kann über Karneval auch nicht lachen. Wenn ich eine Büttenrede sehe, weiß ich nicht, was daran lustig ist. Vielleicht liegt es am rheinischen Humor, der die ganze Comedy beeinflusst hat.
Ist Comedy heutzutage zu platt?
Strunk: Es ist platt, es ist doof… Aber das hat mit heutzutage nichts zu tun, das war auch vor 10, 15 oder vor 20 Jahren so. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist leider traurig.
Jacques Palminger: Ich muss sagen, dass ich die ganzen Comedians nicht mal kenne. Ich habe keinen Fernseher und es interessiert mich auch nicht. Null. Ich habe keine Zeit für schlechte Comedy im Fernsehen. Und ich bin gerne überzeitlich unterwegs, deshalb interessiert mich auch nicht politisches Kabarett. Es gibt bestimmt hier und da im Comedy-Bereich gute, großartige Leute. Ich persönlich kenne die nur nicht.
Wie kam es, dass der Humor von Studio Braun so ein anderer geworden ist?
Palminger: Wir haben uns von Anfang an für das interessiert, was wir im Grunde bis heute machen: Humorientierte Schreib-, Bühnen oder Filmarbeit. All das was heute Comedy heißt, das gab es damals noch nicht, zumindest nicht in unserer Wahrnehmung. Das hat uns auch nicht interessiert, im Gegenteil, wir haben uns immer nur für die Peripherien interessiert. Deshalb haben wir auch zusammengefunden.
Wolltet ihr euch bewusst von anderen Humoristen abgrenzen?
Strunk: Wir haben uns immer dagegen verwahrt, als Comedians bezeichnet zu werden. Aber da sind wir genauso machtlos, wie wenn unsere Theaterstücke mit dem Attribut „Trash“ versehen werden – was ja auch völliger Unfug ist. Dagegen kann man sich nicht wehren, auch nicht gegen Leute, die alles, was mit Humor zu tun hat, automatisch als Comedy bezeichnen.
Rocko Schamoni: Mir geht es beim unserer Arbeit gar nicht so sehr um Humor, der ist auch nur ein Werkzeug, eine Technik, um wahrhaftig zu berichten, über etwas, was einem unter den Nägeln brennt. Ich habe meine Technik in den frühen Achtzigern in vollkommener Unkenntnis der deutschen Humorlandschaft erfunden, als ein Medium mit dem ich arbeiten kann. Nicht mit der Aussicht, dass ich lustig sein möchte wie Humorist X, sondern weil es der einzige Weg war, mich von den anderen in meinem Umfeld zu unterscheiden. Punk-Rock-Bands haben damals bierernsten Poltik-Punk gemacht, da habe ich mir eine Technik gesucht, die den Ausdrucksmethoden der anderen kontrovers gegenüber stand. Es war für mich keine bewusste Entscheidung für Humor oder komödiantisches Talent, sondern die die Frage: Welches ist technisch das beste Werkzeug um mein Anliegen vortragen zu können?
Wie habt ihr Otto wahrgenommen, der in euren Jugendjahren sehr erfolgreich war?
Schamoni: Als ich ungefähr 12 war, als die ersten Otto-Platten rauskamen, fanden wir das toll und man hat sich wenn Otto im Fernsehen war am nächsten Tag an der Bushaltestelle die Witze begeistert vorerzählt. Aber bei den meisten Gags ist heutzutage ganz normal die Halbwertszeit abgelaufen – so ist das nun mal bei Witzen und bei Obst.
Für mich überlebt haben aus der Historie wenige: Karl Valentin, Polt, Loriot und Heino Jäger. Jäger ist weniger bekannt geworden, aber er hat genau wie wir in diesem Grenzbereich zwischen Humor, Psychose, Krankenhaus, Satire und Realitätsbetrachtung gearbeitet.
Ich empfinde unsere Arbeit auch nicht immer als klar humoristisch. Man könnte sagen, es ist humortendierte Durchleuchtung von deutscher Alltagskultur.
Jacques, wenn du von „überzeitlich“ sprichst, heißt das „zeitlos“?
Palminger: Ich will damit sagen, dass man sich nicht an dem orientiert, was gerade draußen passiert. Sondern es bleibt einfach nur ein Tisch. Decktische, Tischdecks, Essen.
Weil Dinge wie Tisch und Essen sozusagen immer vorkommen…
Palminger: Genau.
Schamoni: Kabarett muss sich um Tagespolitik kümmern, deshalb ist es manchmal auch so bieder. Wenn es sich an Alltagsdebatten festkrampft, wenn es versucht, immer der aktuellen Diskussion zu folgen. Deswegen sagt man den Kabarettisten auch nach, dass sie Hofnarren der Mächtigen sind, weil sie sich immer dranhängen müssen an das, was gerade ist. Anstatt dass sie vorne weg gehen. Uns kam das immer irgendwie muffig vor.
Palminger: Wenn es so genau getextet ist, dann fehlt das Surreale. Dann ist es zielorientiert – und für uns nicht mehr lustig.
Muss es surreal sein, damit es lustig wird?
Schamoni: Nein, aber das ist ein Teil von Kunst, der mich interessiert. Unsere Arbeit sehe ich zum großen Teil auch als Kunst. Ich habe Kunst studiert, ich bin Fan von Künstlern wie Martin Kippenberger oder Max Ernst. Das sind Leute, die immer im Unscharfen bleiben, oder die zumindest auf der Klippe wandeln, zwischen absurd, psychotisch und ernst. Es flimmert sozusagen. Und das finde ich interessant, wenn man nicht verortbar ist, sondern immer da ist, wo der andere einen gerade nicht glaubt, zu sehen.
Spiegelt sich euer Kunstanspruch auch im Publikum? Kommen Kunstfans zu euch?
Palminger: Das wäre jetzt ein Kompliment für den kleinen Kreis, den wir um uns scharen. Es lässt sich aber nicht mehr so genau sagen. Früher kannten wir die Leute noch persönlich, aber wenn es größer und breiter wird, dann kann man die Leute nicht mehr so einbeziehen. Im schlimmsten Fall sitzen jetzt auch mal Leute im Publikum, die wir vorher noch nie gesehen haben.
Euer Ende 2016 erschienenes Jubiläumsbuch dokumentiert die vielen verschiedenen Darstellungsformen, mit denen ihr gearbeitet habt. Die möchte ich jetzt nicht alle durchgehen, sondern stattdessen fragen, was für Formen ihr nicht wolltet. Zum Beispiel Studio Braun vor 10.000 Leuten – wäre das zu viel?
Schamoni: Da gibt es unterschiedliche Ansichten und Phasen bei uns. Ich finde es nicht uninteressant, mal zu gucken, was passiert, wenn wir in einer größeren Halle spielen. Vom Gefühl und von der Erfahrung her würde ich sagen, dass das nicht einfach ist. Je größer die Menge, desto unfeiner wird der Witz. Wenn 10.000 an einem Klotz nagen, dann werden die Rundungen weiter, das Intime verliert sich dabei. Eigentlich ist uns das nicht so sympathisch.
Palminger: Mit Fraktus haben wir ja auf großen Festivals gespielt, beim Hurricane waren es 5000 Leute. Da merkte man: Das Spielerische geht ein bisschen flöten, es muss pointierter, schneller, kompakter, direkter sein – das entspricht uns nicht. Aber das wäre vielleicht auch eine Chance. Denn auch in der großen Form gibt es eine Eleganz.
Schamoni: Du hast sicher Recht, dass es Leute gibt, die in diesem Großformat funktionieren. Aber die Bands aus unserem Freundeskreis, die auf diesem Level angekommen sind, die bestechen mich damit nicht mehr so wie früher. Jetzt sind das markige, große Sätze, mit denen die eine Halle in Bewegung setzen können, die Witze werden einfacher. Also, die Vorstellung, dass man es auf die Spitze treibt und wir mit Studio Braun vor 20.000 Leuten stehen, wo die Witze dann immer einfacher werden…
Palminger: Ich möchte in meinem Leben zwei Sachen noch erleben:1. An der Größe des Publikums zu scheitern, und 2. Einen Hit zu landen ohne die Gema-Rechte richtig geklärt zu haben, und dann mindestens die Hälfte der Millionen Tantiemen an unbeteiligte Dritte zu verlieren. Und mich darüber jahrelang ärgern. Das beides möchte ich noch erleben.
Unser Humor ist fürs Fernsehen nicht geeignet.
Kommen wir zum nächsten, was ihr in eurer Arbeit meistens vermeidet: Pointen.
Strunk: Ich kann nicht sagen, dass ich Pointen ablehne. Pointen sind ein wichtiger Bestandteil von Humor. Was ich bei „Extra3“ mache, ist zum Beispiel klassischer Pointenhumor, den ich auch gut finde. Es ist natürlich ein bisschen cooler, wenn man en passant lakonisch und lapidar daherkommt, wenn der Humor-Impact aus dem Vortrag heraus passiert, ohne dass es auf eine Pointe hinauslaufen muss.
Aber die Anfänge von Studio Braun waren schon pointenlos, oder?
Schamoni: Ja, früher haben wir uns das komplett verboten. Immer wenn jemand angefangen hat, einen Witz zu erzählen, bin ich vorher rausgegangen, weil ich Angst hatte, dass ich darüber nicht lachen kann. Ich fand Witze grundsätzlich schrecklich und Pointen das Schlimmste daran. Ich habe gehustet oder mich weggedreht, weil ich den anderen nicht brüskieren wollte. Mittlerweile gibt es bei uns aber eine Altersmildheit gegenüber Pointen.
Strunk: Meine Aktivität bei „Extra3“ wäre mit Pointenverzicht gar nicht möglich, aber das ist ja auch klassische, satirische Unterhaltung, die ist eben so. In meiner Titanic-Kolumne „Intimschatulle“ ist es dann wieder ganz anders. Es sind verschiedene Spielarten des Humors.
Schamoni: Ich kenne inzwischen auch Leute, die können Witze so gut erzählen, dass ich bis zu Ende zuhören kann. Aber früher war das bei uns so ähnlich wie bei Monthy Python: Es ging nicht um Pointen sondern um die Aufladung der Gesamtszenerie, des Gesamtdialoges, der häufig irgendwelchen Alltagsbeobachtungen entlehnt gewesen ist. Die Pointe ist ja immer so ein bürgerlicher Abschluss einer verqueren Situation, da sind alle wieder happy, es wird abgelacht – fertig. Aber die Realität, der wir unsere Humoraufladung entnehmen, diese Beobachtungen aus dem Alltag, die reichen in sich komplett aus, die brauchen keinen Abschluss.
Palminger: Mal ein Beispiel, eine Situation, die ich gerade gestern so erlebt habe. Ich war beim Yoga, da stand man vorher rum, hat Tee getrunken, die Sonne schien herein, wunderschönes Licht, es lief klassische, elegische Musik und eine Frau hielt ganz ruhig und raumfüllend eine Rede darüber, wie sie merkt, dass sie älter wird und dass alles nicht mehr so gut geht und sie viele Übungen nicht mehr machen kann und Angst hat, dass das bald überhaupt nicht mehr kommen mag.
Diese sanfte klassische Musik und darüber dieses endlose Lamento – da dachte ich: Das ist perfekt! Ich hatte gleich die Idee, jemanden zu fragen, ob er einen klassischen Soundtrack macht, und darüber setzt man so ein endloses Gejammer.
Schamoni: Ja, das drei Minuten zu hören wäre wahrscheinlich humoranregend. Aber eben ohne Pointe am Ende. Denn das fände ich eher abtörnend.
Palminger: Als wir vom „Fraktus“-Film die erste Schnittfassung gesehen haben, kam in einer Szene, nachdem der Gag abgeliefert wurde, sofort ein Schnitt. Das war falsch, denn genau da brauchen wir den Platz, das peinliche Schweigen. Die Stille nach dem Gag – das ist der Witz.
Schamoni: Es geht nicht um „Pointe, fertig, abgelacht“ sondern du musst das nachwirken lassen.
Wenn ihr als Studio Braun normalen Pointen-Humor ablehnt, verweigert ihr euch dann auch dem sogenannten ‚Mainstream‘?
Schamoni: Unsere Devise war, glaube ich, immer: Wir werden uns nie dem sogenannten Mainstream anpassen, im Gegenteil, wir warten solange bis der Mainstream sich uns anpasst. Keine Gefangenen, keine Zugeständnisse, sondern das machen, was man will – und das dann auch auf hohem Niveau in einer relativ starken Frequenz. Und wenn die Zeit reif dafür ist, kommen sie alle. Wenn nicht, hat man in der falschen Ecke gegraben.
Palminger: Ich denke, dass wir in unserer Arbeit teilweise recht fortschrittlich waren – und der so genannte „Mainstream“ rückt jetzt nach. Wir werden heute jedenfalls besser verstanden als vor 15 Jahren. Man könnte frecherweise behaupten, dass wir da unser eigenes Beet gegraben haben – und damit auch unser eigenes Grab. (lacht)
Und ihr werdet heute besser verstanden als vor 15 Jahren?
Schamoni: Viel besser, um das Fünfzig-fache. Das hat aber nicht nur etwas mit unserer Arbeit zu tun. Sondern da spielen auch Leute wie Funny von Dannen, Fil oder Helge Schneider eine Rolle, die erfolgreich wurden und diese Art von abseitigem Meta-Humor mit bearbeitet haben.
Strunk: Meine Erfahrung ist: Die Leute bleiben immer gleich dumm. Das bezieht sich auch auf den Humor, das war vor 50 Jahren so und wird auch in 30 Jahren so sein. Was mir machen ist Spezialistenkram. Das ist wie Titanic, Neue Frankfurter Schule – alles Spezialistenzeug.
Ihr würdet nicht sagen, dass die Leute sich heute besser auf eure Wellenlänge eingestellt haben?
Strunk: Die Leute können sich auf gar keine Wellenlänge einstellen, weil die Leute sind wie sie sind. Adenauer hat mal gesagt, „Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.“ Das gilt auch für unser Publikum. Rocko hat mal geschätzt, dass es in Deutschland vielleicht 100.000 Leute gibt, die das, was wir machen, verstehen. Es können auch 150.000 sein, aber viel mehr ist es bestimmt nicht. Das reicht locker, um davon leben zu können. Aber wir werden niemals im Leben ein Publikum von drei Millionen haben, wie Comedians, die die O2-Arenen der Republik ausverkaufen. Das ist für uns per se ausgeschlossen.

© Studio Braun
Heinz, du hast mal über dein Buch „Der Goldene Handschuh“ gesagt, als Gast in der TV-Sendung von Stermann und Grissemann: „Um diesen Humor zu verstehen muss man die ein oder andere Gehirnwindung mehr haben.“ Gilt das auch für Studio Braun? Braucht man für euren Humor mehr Intelligenz?
Schamoni: Schwierige Frage. Wenn ich im Fernsehen zum Beispiel Guido Cantz anschaue, „Verstehen Sie Spaß“: Das ist sehr einfacher, runtergestripter Humor, den finde ich schleimig und irgendwie auch dumm. Da vermute ich, dass die Sendung eine Schicht von Leuten bedienen soll, die einen eher hohen Unbildungsgrad haben, wo echt nicht viel los ist – und die lachen über so etwas herzlich.
Dann ist mir aber aufgefallen, dass Humor eventuell doch komplett intelligenzunabhängig ist.
Wie kommst du darauf?
Schamoni: Ich kenne Leute, die nicht besonders gebildet sind, aber einen extrem guten Humor haben. Genauso gibt es welche, die sehr gebildet sind und gar keinen Humor haben. Insofern tue ich mich schwer damit, zu sagen: Dumme Leute haben keinen Humor, oder einen dummen Humor. Das stimmt nicht so richtig. Ich glaube eher, dass Humor eine Intelligenzform des Menschen ist: beim einen ist sie stärker ausgebildet, beim anderen schwächer. Meine mathematische Intelligenz zum Beispiel ist gering ausgebildet, meine humoristische Intelligenz dagegen sehr stark.
Ein Beispiel: Als ich beim beim Hamburger Spastiker-Verein meinen Zivildienst gemacht habe, hatte ich einen Patienten mit Gehirnschwund. Der konnte nur noch zwei Worte sagen: „Den Mist“. Der Rest war weg. Dem habe ich dann jeden Abend, wenn ich ihn gewaschen habe, Heinz Erhard angemacht. Und an bestimmten Stellen, die ich persönlich auch komisch fand, ist dieser Mann total abgedreht und hat geschrien vor Lachen. Und als der Gag vorbei war, ist er wieder komplett in sich zurückgesackt. Das heißt: Das Einzige, was von seiner aktiven Intelligenz übrig geblieben war, das war sein Humorzentrum. Das war irre, sehr anrührend und auch traurig.
Strunk: Ganz unabhängig sind Humor und Intelligenz aber glaube ich nicht. Ich vermute, dass generell dumme Menschen eher humorlos sind. Und ob es eine humoristische Intelligenz gibt, darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
Palminger: Bestimmte Sachen im Bereich Humor sind vielleicht neu, aber wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, die Leute langsam heranführt, dann kapiert das jeder. Wenn man das einmal verstanden hat, dann kann man auch mitlachen. Pointenloser Humor braucht vielleicht ein bisschen länger um sich durchzusetzen.
Ein Medium, das sehr viele Menschen erreicht, ist in eurer Arbeit komplett ausgeblieben: Das Fernsehen. Habt ihr euch bewusst dagegen entschieden oder wurdet ihr von den Sendern verschmäht?
Schamoni: Beides. Es passt genau nicht zusammen, von beiden Seiten.
Strunk: Wobei eher das Fernsehen uns verschmäht hat, es gab überhaupt kein Angebot, sondern immer nur ganz kleine Nischengeschichten, die auch finanziell völlig uninteressant waren.
Schamoni: Wir haben keine Plattform gefunden, die wir gut gefunden hätten. Ab und zu haben wir uns mit TV-Leuten getroffen, aber bislang gab es kein Angebot a la HBO, wo man uns sagt: Ihr könnt jetzt ein halbes Jahr experimentieren. Für so ein Angebot würde ich sofort Haus und Hof verpfänden, mit dem heiligen Versprechen, am Ende mit etwas Gutem zu kommen. Man müsste uns dafür nur Zeit, Raum und künstlerische Freiheit geben. Das tut aber keiner in diesem Land. Die Feigheit der deutschen Medien, der Auftraggeber und Produzenten ist ja weltbekannt. Deswegen kommen Fernsehen und Studio Braun nicht zusammen. Es gibt ein großes Desinteresse von uns am derzeitigen Programm und es gibt ein großes Desinteresse der Sender an dem, was wir liefern könnten. Wir würden es machen, aber nicht zu deren Bedingungen sondern zu unseren.
Strunk: Ich bin da mittlerweile etwas kompromissbereiter, weil ich weiß: Wenn man sich auf Fernsehen einlässt, muss man Kompromisse zu machen. Für mich geht das, aber für Studio Braun insgesamt geht es glaube ich nicht.
Weil Studio Braun nicht Mainstream-kompatibel ist?
Strunk: Diese Art von Humor ist fürs Fernsehen einfach nicht geeignet. Wir werden damit kein großes Publikum erreichen. Bei den Privaten ist es völlig ausgeschlossen – und wenn wir etwas bei den Öffentlich-Rechtlichen machen, würde immer noch die Hälfte sofort wegschalten. Dass solche relativ aufständigen Sachen wie „Tatortreiniger“ funktionieren, ist schon erfreulich. Aber ich glaube, dass wir vom „Tatortreiniger“ noch weit entfernt sind. Man bräuchte ein tragfähiges Konzept, wie man Studio Braun im Fernsehen in Szene setzt, so ein Konzept gibt es aber nicht.
Rocko, die „Feigheit“, die du gerade erwähnt hast, wovor hat man bei den Sendern Angst: Vor einer niedrigen Quote?
Schamoni: Ja, ich glaube das ist die Hauptangst.
Palminger: Ein befreundeter TV-Redakteur hat mir mal gesagt: ‚Du darfst machen, was du willst, du darfst nur keinen Fehler machen. Wenn du einen Fehler machst, bist du draußen.‘ Die Angst steckt dort allen in den Knochen. Besonders beim NDR haben sie diese Angst etabliert, glaube ich.
Schamoni: Und was ist ein Fehler? Wahrscheinlich hat man als Redakteur alles richtig gemacht, aber wenn die Sendung dann keine Zuschauer hat ist das der Fehler.
Palminger: Letztendlich geht es nur um die Quote.
Was in eurer Arbeit auch nicht vorkommt, ist Politik. Oder seht ihr das anders?
Palminger: Es gibt einen Unterschied zwischen Realpolitik und politischer Haltung. Wir haben uns 2010 solidarisiert mit dem Deutschen Schauspielhaus, als es in der Krise steckte. Wobei das eine stadtpolitische Frage war, ein Engagement für einen Stab von Leuten, die wir gemocht haben. Ansonsten gibt es keine Verortung von Studio Braun in irgendeiner politischen Richtung.
War das eine ganz bewusste Entscheidung, nichts Politisches zu machen?
Strunk: Nein. Das hat sich nicht ergeben. Mich langweilt das auch. Ich finde das überholt, diese Statements von Schriftstellern wie Martin Walser, Heinrich Böll oder Günter Grass, die sich in die politische Debatte eingemischt haben. Oder wenn sich Leute wie Wolfgang Niedecken oder Campino einmischen – das ist mir meistens viel zu plakativ. Wenn, dann muss man sich mit der Materie so auseinandersetzen, dass man auch gute Beiträge abliefern kann. Das können wir aber alle nicht, meiner Meinung nach. Wenn dann viele immer so reflexhaft gegen die Nazis und gegen die AfD posaunen – ja, das ist doch selbstverständlich, dass man die nicht gutheißt. Das muss ich nicht noch rausposaunen, um damit mein Gutmenschentum unter Beweis zu stellen. Das ist doch nur peinlich.
Schamoni: Ich finde es langweilig, wenn sich Kunst instrumentalisieren lässt, egal für welche Seite. Politik mit der Kunst zu verbinden bedeutet sofort: Die Hälfte der Kunst ist weg, ist abgeschnitten, weil sie zum Maultier eines fremden Karrens wird. Das will ich nicht.
Zumindest mit Martin Sonneborns „Die Partei“ habt ihr ein paar Aktionen gemacht.
Schamoni: Ja, weil wir alle Martin Sonneborn sehr schätzen. Aber für mich war das definitiv nicht der richtige Bereich.
Palminger: Mein Bereich ist es auch nicht.
Heinz, du bist angeblich überzeugter Nicht-Wähler…
Strunk: Ich wähle wirklich seit geraumer Zeit nicht mehr. Nicht weil ich so bequem bin, sondern weil ich schlicht und ergreifend keine Partei finde, der ich guten Gewissens meine Stimme geben könnte.
Also hast du auch nicht „Die Partei“ gewählt?
Strunk: Nein. „Die Partei“, das ist ja auch völliger Quatsch. Das ist lustig und gut gemeint…
Immerhin hast du als Hamburger Bürgermeister-Kandidat für „Die Partei“ großartige Reden gehalten.
Strunk: Ja, das hat mir Spaß gemacht, die Reden zu schreiben und zu halten. Das habe ich aber vor allem aufgrund meiner jahrzehntelangen Verbundenheit mit der Titanic und der Neuen Frankfurter Schule gemacht.
Martin Sonneborn ist sogar ‚echter‘ Politiker geworden und nach Brüssel ins EU-Parlament gegangen…
Schamoni: Ja, lustigerweise. In seinem Fall finde ich das auch gut, weil er diese ganzen Überspitzungen und Übertreibungen toll auf den Punkt bringen kann. Aber das kann nicht jeder. Und Sonneborn lässt sich auch nicht vor irgendeinen Karren spannen, sondern er nimmt das komplette System aufs Korn. Die komplette Breitseite auf alle – das ist ein Spezialbereich, darin ist er sehr gut.
Strunk: Ich hätte das nicht drauf gehabt, das hätte ich unter keinen Umständen gewollt, mich für Jahre in Brüssel aufzuhalten, ich hab ja noch andere Sachen zu tun im Leben. Sonneborn hat den Vorteil, dass er von seiner Physiognomie und von seinem Impetus her die Rolle eines Politikers ausfüllen kann. Das wäre mir gar nicht gegeben.
Palminger: Ich habe riesigen Respekt vor Leuten, die sich ernsthaft für etwas einsetzen, die einen Teil ihrer Zeit für andere Menschen hergeben und dafür, dass etwas besser wird. Deswegen finde ich das Lustigmachen über Politik auch oft langweilig.
Wenn es eine Erwartung eures Publikums an euch gibt, dann wahrscheinlich die, dass ihr mit den Erwartungen brecht. Empfindet ihr das inzwischen wie ein Korsett, genau nicht erwartbar zu sein? Engt euch das ein?
Schamoni: Ich denke wir sind immer nur der Lust verpflichtet. Wir folgen dem eigenen, inneren Grinsen. Am besten ist es, wenn ich mich selbst überrasche – und die beiden anderen auch. Auf der Bühne mit etwas zu kommen, was die anderen beiden nicht wissen oder kennen, ist grandios, das ist die größte Form von Bestätigung, die wir haben können. Sich selbst zu überraschen ist für mich auch so eine Urfeder, nicht stehen zu bleiben, sondern zu gucken: Was geht noch so? In welche Bereiche kann man vordringen?
Ist das Lachen des Publikums ein wichtiger Gradmesser für euch?
Palminger: Auf jeden Fall, das Lachen ist total wichtig.
Strunk: Das wäre ja grässlich, wenn man auftritt als ausgewiesener Humorist – und dann lachen die Leute nicht. Da hat man den Beruf verfehlt.
Palminger: Manchmal wünschte ich mir, es wäre nicht so, dann wären wir tatsächlich radikaler. Sind wir aber nicht, wir wollen einfach, dass die Leute gut gelaunt genießen und gut gelaunt nach hause gehen.
Vielleicht kriegen wir es ja tatsächlich mal hin – das fände ich auch gar nicht so verkehrt – dass die Leute ernsthaft verärgert, schreiend den Saal verlassen, weil wir eine Tür aufgemacht haben, die man nicht öffnen darf.
Rocko, dir ist das früher bei Konzerten ja tatsächlich so ergangen, oder?
Schamoni: Ja, solche Konzerte gab es. Ich bin in der Hafenstraße aufgetreten – und da gab es viele Leute, die das nicht sehen wollten, die sehr verärgert waren. Das war nicht angenehm, weil die angefangen haben, mich mit Sachen zu bewerfen und mich von der Bühne prügeln wollten. Andererseits war das genau die Idee: Die eigenen Kreise zu provozieren und zu überprüfen, ob die Leute wirklich so libertär und offen sind, wie sie es von sich behaupteten – und das war nicht so. Da gab es auch diese klammheimliche Freude daran, dass man die eigenen Kreise mindestens genauso provozieren kann wie den Rest der Welt auch.
Wollt ihr mit Studio Braun noch provozieren? Wolltet ihr es jemals?
Schamoni: Ich finde Provokation nicht so wichtig, wie die Überraschung. Das ist für mich in der Kunst das Beste: Dass ich vor etwas stehe und erstaunt bin, für einen Moment ratlos bin. Für mich ist das der Kern der Kunst, der schönste Effekt den Kunst haben kann. Wenn ich durch Worte oder Musik etwas erzeugen kann, was bei mir jemand wie Martin Kippenberger erzeugt: Wo ich etwas im ersten Moment nicht richtig einsortieren kann und dadurch in Bewegung gerate. Das ist für mich der Motor in der Kunst, jemand in Bewegung zu bringen, egal in welche Richtung. Dann ist das Ziel erreicht.
Palminger: Ich finde das mit dem Provozieren auch eher schwierig. Wenn jemand provoziert, dann öffnet der damit eine neue Bühne, die auch bespielt werden muss. Wenn er die aber nicht bespielen kann, wird es richtig peinlich. Wenn Provokation, dann muss man schon Mike Henz-mäßig mit seinem ganzen Körper reingehen, sonst schockt das nicht, sonst ist es peinlich.
Schamoni: Etwas um der Provokation willen zu machen kann enorm peinlich werden. E gibt einige Protagonisten in Deutschland, die das genau so betreiben. Wenn ich so was sehe, wenn ich merke, die Provokation ist alles, es ist nichts dahinter, da befällt mich meistens eine unglaubliche Scham.
Anders als die meisten Komiker lacht ihr auf der Bühne sehr viel über die eigenen Aktionen. Könnt oder wollt ihr euch das nicht verkneifen?
Strunk: Warum sollte man sich das verkneifen? Es gibt doch nichts Schärferes, als wenn man sich, fürs Publikum offenbar, über die eigenen Sachen beömmelt. Es gibt doch nichts Ansteckenderes als schöne Albernheit. Gerade wenn sie von älteren Männern kommt. Ich freue mich immer über jeden Moment, wo ich ernsthaft über meine Sachen lachen kann. Das hat meiner Meinung nach auch nichts mit Unprofessionalität zu tun.
Palminger: Ich finde das sympathisch, kann es aber nicht so gut. Rocko ist da besser, der lacht gerne über sich und uns, er bringt eine große Fröhlichkeit auf die Bühne. Ich würde das auch gerne, bin aber halt ein bisschen depressiv veranlagt.
Schamoni: Bei mir ist es andersrum: Ich würde lieber so ernst bleiben wie Jacques, aber auf der Bühne widerfährt mir das so, wenn ich irgendetwas witzig finde. Das ist ein Systemfehler.
Manchmal ist es aber auch ein Trick, um einem Publikum, das vollkommen uninitialisiert ist, den Weg anzuweisen. Man kann den Leuten durch ein leichtes Anlachen zeigen: Das hier ist die richtige Stelle, hier könntest du theoretisch auch lachen. Manche nutzen diese Chancen dann aus.
Mit zu euren bekanntesten Aktionen gehören Telefon-Sketche, die ihr auf mehreren CDs veröffentlicht habt. Ihr habt die früher auch live aufgeführt, macht ihr das immer noch?
Schamoni: Nein. Jacques würde es gerne, ich nicht.
Palminger: Mir hat das tatsächlich Spaß gemacht, ich fand das Live-Telefonieren nicht belastend. Es wurde aber irgendwann schwierig. Dass bei so einem Live-Telefonat dann auch die Leitung funktioniert – das ist ein bisschen kompliziert. Wir werden das nicht mehr machen.
Schamoni: Von braunem Boden wird nie wieder ein Telefonat ausgehen.
Strunk: Ad Acta. Für mich existiert das Thema seit über 10 Jahren praktisch nicht mehr.
Habt ihr zumindest spaßige Erinnerungen daran?
Strunk: Die Ergebnisse sind gut. Aber der Weg dahin – eher schwierig.
Waren die Sketche immer echt, oder gab es auch welche mit Schauspielern?
Schamoni: Wir haben das mal mit der kompletten Mannschaft des FC St.Pauli gemacht und auf CD rausgebracht. „1:1:0 am Millerntor“ heißt das Album.
Palminger: Die Live-Telefonate waren aber immer ohne Netz und doppelten Boden. Wir haben uns vorher backstage im Telefonbuch Nummern angestrichen und die dann live angerufen. Natürlich mit dem Risiko: Vor dir sitzen 1000 Leute und es geht keiner ran. Das muss man aushalten.
Schamoni: Es kam auch vor, dass jemand direkt aufgelegt hat. Oder dass jemand ranging, der gerade einen Todesfall in der Familie hatte. Wir mussten uns dann festlegen auf Leute, die sicher nach 20 Uhr zu erreichen sind: Tankstellen zum Beispiel, Restaurants, Spätkaufs. Dadurch war aber auch inhaltlich eingeschränkt, was man so am Telefon machen konnte.
Gab es rechtliche Probleme?
Schamoni: Die gab es immer. Manche Angerufenen haben uns verklagt. Wir haben auch gezahlt, insgesamt 12.000 Euro an Leute, die sich wiedererkannt haben und dann Geld rausholen wollten. Das war auch ein Grund, warum wir damit aufgehört haben, das wurde zu belastend.
Palminger: Drei mal mussten wir Bußgeld latzen, da ging die komplette Gage in den Vergleich.
War es den Spaß wert?
Schamoni: Ein Telefonat, das dabei rausgekommen ist, finde ich richtig gut, das heißt „Sexritter“. Da habe ich live von der Bühne in Bremen jemanden von einer Mittelaltermarkt-Gruppe angerufen – der hat das mitbekommen, uns verklagt und dann 4000 Euro geltend gemacht. Das Publikum hat sich wahnsinnig amüsiert, aber ob es 4000 Euro wert gewesen ist? – Da würde ich sagen, Nein. Es war ein witziger Moment.
Mussten CDs wegen der rechtlichen Probleme vom Markt genommen werden?
Gereon Klug (Management Studio Braun): Ja, „Gespräche 2“ ist vom Markt und, ich glaube, auch „Fear Of A Gag Planet“.
Ändert sich der Humor mit dem Alter?
Stunk: Nein. Gar nicht. Meine Grundierung habe ich schon seit 40 Jahren. Ich habe schon als 15-Jähriger in der Schule Zeichnungen gemacht, wo man im Ansatz schon gesehen, in welche Richtung das gehen würde. Es hat sich seit dem nicht geändert, es wird nur genauer, hoffe ich. Das Instrumentarium wird größer und man probiert mehr Sachen aus.
Mir fällt noch etwas ein, was andere Unterhaltungskünstler durchaus mal machen, was ihr aber bislang nicht gemacht habt: Werbung.
Schamoni: Es gab relativ große, breitgefächerte Angebote. Und die werden natürlich nicht angenommen. Das gehört sich nicht.
Palminger: Glaubwürdigkeit, Integrität und Geld von Dritten – das ist schwierig.
Strunk: Also, für mich ist diese Haltung „Ich mache keine Werbung“, so 90er.
Im Jubiläums-Buch steht, dass Studio Braun ein Werbeangebot in sechsstelliger Höhe abgelehnt hat.
Strunk: Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein sechsstelliges Angebot gegeben hat. Es muss ja auch nicht alles stimmen, was im Buch steht.
Es ist sicherlich eine ehrenwerte Haltung keine Werbung zu machen. Aber wenn jemand mir 100.000 Euro auf den Tisch legen würde, für ein Produkt, das man halbwegs vertreten kann, dann würde ich nicht per se Nein sagen.
War deine Haltung früher eine andere?
Strunk: Es ist leicht, eine Haltung zu haben, wenn einen keiner fragt. „Ich mache keine Werbung“, das sagen ja meistens die Leute, die gar nicht angefragt werden. Ich werde nun auch nicht ständig mit Werbeangeboten konfrontiert. Für 5000 Euro würde ich auch nichts machen. Aber wenn es eine fette Sache wäre, für die ich mich auch nicht total schämen müsste, dann würde ich mir das überlegen.
Schamoni: Meine Meinung ist: Kunst sollte frei von Gier bleiben. Die Künstler, die sich ins Fernsehen wagen, die in Comedy-Shows auftreten, finde ich zum Teil ja ganz gut. Sobald die zwei Jahre später, weil sie erfolgreicher werden, Werbeverträge unterschreiben, schmälert sich der sogenannte ‚Coolheitsgrad‘. Das, was ich ursprünglich mal gut fand, weil es aus der Person selbst herausgekommen ist, ist dann fast komplett weg. Nicht nur weil diese Person dann als gierig erscheint, sondern auch weil sie dadurch permanent in der Öffentlichkeit auftaucht, immer und überall zu sehen ist. Werbung vermittelt bei jemandem, der stark in den Medien vertreten ist, immer irgendwann den Eindruck, dass diese Person nicht genug bekommen kann. Und wenn diese ganzen Freds dann auch noch alle zusammen Werbung für McDonald’s machen und sich anschließend wundern, warum im Internet ein Shitstorm über sie hereinbricht – dann wundere ich mich darüber, dass die sich wundern. Das liegt doch auf der Hand.

Palminger, Strunk, Schamoni (von links) im Theaterstück „Rust – Ein deutscher Messias“ © Kerstin Behrendt
Ihr habt mit Studio Braun mehrere Theaterstücke auf die Bühne gebracht. Funktionieren die eigentlich auch ohne euch, sprich könnten andere Humoristen eure Rollen übernehmen?
Schamoni: Ich würde es gut finden, wenn wir nicht immer selbst dabei sein müssen. Bisher war es allerdings so, dass die Intendanten, die uns angefragt haben, uns auch auf der Bühne haben wollten.
Palminger: Und die Stücke waren dann so speziell, absurd, wechselhaft und ungriffig – ohne uns hätte sich das nicht erschlossen, da ist der Humor personengebunden.
Strunk: Weil wir ja exakt keine Schauspieler sind, die in ihre Rollen schlüpfen sondern weil wir als Studio Braun auf der Bühne sind. Ich befürchte auch, da sind wir als Studio Braun unverzichtbar. Es wäre interessant, auszuprobieren, ob das auch anders ginge, ob ein Theaterstück gänzlich ohne unsere Mitwirkung auf die Bühne bekommen können. Würden wir wahrscheinlich auch können, wir müssten unsere Parts rausnehmen und dann gucken, ob es funktioniert.
Für mich wird allerdings der „Goldene Handschuh“, mit Charly Hübner am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, das letzte Theaterstück sein. Ich hatte vorher schon meine Theateraktivitäten aufgekündigt, das ist jetzt die einsame Ausnahme. Für mich war es das mit Theater.
Warum kehrst du dem Theater den Rücken?
Strunk: Weil es nichts bringt. Theater ist eine Spezialkunstform für wenige Ausgewählte. Schon außerhalb der Grenzen einer Stadt, in der man ein Theaterstück inszeniert, erfährt kein Mensch davon. Kein Mensch weiß, dass wir Theater gemacht haben. Wir haben wahnsinnig viel Zeit in die Theaterarbeit investiert, das war eine schöne Erfahrung – aber für mich ist das Zeitverschwendung. Ich bin jetzt 54 und ich möchte Sachen machen, die eine möglichst große Verbreitung haben. Und dazu zählt Theater eben gerade nicht.
Deshalb sieht man dich jetzt auch bei „Extra3“?
Strunk: Ja, oder ich mache Filme. Den „Fraktus“-Film haben 90.000 Leute im Kino gesehen, dann lief er im Fernsehen, vielleicht hatte der insgesamt 400-500.000 Zuschauer. Welches Theaterstück erreicht solche Zahlen? Das Stück „Dorfpunks“ hatte 40.000, aber das lief nur in Hamburg. Deswegen haben uns die Leute aus anderen Städten irgendwann gefragt, ob es uns überhaupt noch gibt, obwohl wir die ganze Zeit so fleißig waren.
Nochmal zu euren Texten, von denen nun sehr viele im Jubiläums-Band vorliegen – seht ihr euch ein Stückweit auch als Dichter?
Palminger: Ich habe im Duden mal nachgeschlagen, was eigentlich Lyrik ist. Die Definition traf hundertprozentig auf das zu, was ich schreibe. Da dachte ich: Ich bin ja ein Lyriker.
Schamoni: Es ist nicht so, dass jedes Wort, das wir zusammendrechseln, nur aus unsrem Mund herauskommen kann, um einen Sinn zu ergeben. Wenn es aufgeschrieben ist, so wie in dem Jubiläums-Buch, dann habe ich das Gefühl, dass vieles von dem für sich steht. Das sind Gedichte oder Songtexte, die könnte auch jemand anderes vortragen.
Was bringt die besseren Texte hervor: Das lange Nachdenken oder das spontane Erfinden und Assoziieren?
Palminger: Es ist original beides. Nietzsche hat ja mal gesagt: „Trau keinem Gedanken, der im Sitzen entstand“. Ich finde es total geil, wenn mir beim Fahrradfahren ein ganzes Lied einfällt, komplett durchgereimt. Und genauso gut finde ich es, dazusitzen mit dem Ziel: Ich will jetzt diesen gesamten philosophischen Zusammenhang in dieses verdammte Ding reinkriegen. Und dann schraubi, schraubi…tagelang… – das ist auch herrlich.
Schamoni: Ja, es ist beides. Zum Beispiel Jacques‘ Gedichte „Wespenzüchter“ oder „Anarchos“, beide aus dem Stück „Dorfpunks“, das sind meiner Meinung nach Schraubwerke, an denen man zuhause vier Stunden lang geschraubt hat, damit die eine Kausalität die nächste ergibt und sich eine Kette bildet.
Palminger: Wie so eine Art Sudoku, man muss die Worte drehen bis es passt.
Schamoni: Andererseits gibt es Songs von mir wie „Wehre dich gegen den Staat“ oder „Mauern“ die sehr spontan entstanden sind. „Mauern“ ist mir eingefallen, als ich mit Jochen Distelmeyer am Strand gelegen habe und der mir zu nahe gerückt ist. Da sagte ich zu ihm: Hier zwischen uns beiden ist die Mauer – und zack, war der Song fertig. Da geht es um kurze, flashige Ideen. Wenn du so eine hast, ist der Rest quasi schon da.
Angenommen, in 100 Jahren findet jemand ein Textbuch von euch, das aber so vergilbt ist, dass man den Autoren nicht mehr entziffern kann. Woran erkennt man einen Studio Braun-Text?
Strunk: Ich selbst sehe natürlich sofort, ob ein Text von Rocko Schamoni, von Jacques Palminger oder von mir ist, jeder hat seine spezielle Art mit Sprache umzugehen.
Schamoni: Aber das jetzt zu verraten, das wäre ja der Kern, das wäre ja der Schlüssel zu unserem Raum. Nein, wir sind ja nicht blöde.
Palminger: Das musst DU herausfinden, DU beschäftigst dich jetzt damit. Wir haben das Glück, dass wir diese Texte machen und du hast das Glück, dass du die entschlüsseln darfst.
Schamoni: Das ist wie bei einem Text von François Villon: Entweder du erkennst ihn, weil du dich auskennst in der Kunst, oder du bist zu blöd dafür.
Palminger: Dein Geist wird es nicht entschlüsseln, aber dein Herz wird es fühlen. Das ist Studio Braun.
[Das Interview entstand im Herbst 2016. Aufgrund von Terminproblemen konnten zunächst nur Schamoni/Palminger das Interview persönlich führen, wenige Tage später wurde ein telefonisches Interview mit Heinz Strunk geführt und die Antworten schließlich zusammengeführt.]
Das ist doch nix als Werbung hier.