Suzanne von Borsody

Ich habe nichts gegen Kitsch.

Schauspielerin Suzanne von Borsody über den ARD-Film „Schicksalstage in Bangkok“, anstrengende Dreharbeiten in Thailand, Kitsch in Zeiten der Wirtschaftskrise und die Lust an komplexen Rollen

Suzanne von Borsody

© ARD Degeto/Thanaporn Arkmanon

Frau von Borsody, Sie spielen oft depressive und gebrochene Charaktere. Was reizt sie daran?
von Borsody: Es macht Spaß, so paradox das auch klingen mag. Aber Komödien machen auch wahnsinnig Spaß, nur sind sie oft schwieriger zu spielen, weil das Geheimnis, das eine Figur mit sich herumträgt, meist nicht so offensichtlich ist. Eine Rolle interessiert mich dann, wenn die Figur anders in die Geschichte hineingeht als sie heraus kommt, wenn sie eine Entwicklung durchgemacht hat. Mich interessiert auch immer der Lebensweg meiner Charaktere. Woher kommen sie? Was haben sie früher gemacht? Wie wurden sie zu dem was sie heute sind? Das finde ich sehr spannend.

Sind Sie ein Mensch, der gerne andere Menschen beobachtet?
von Borsody: Wenn ich auf der „Menschwerdungsspur“ einer Figur bin, dann passiert das häufiger. Wenn ich mit einer Figur schwanger gehe, weiß ich ja noch nicht, was am Ende dabei herauskommt. Beim Film hat man ja nie so viel Zeit eine Figur chronologisch aufzubauen, also musst du sehr viel mehr Vorarbeit leisten, damit du in die Rolle hineinschlüpfen kannst. Da addieren sich oft auch Beobachtungen von anderen Menschen hinzu, die ich gar nicht kenne, sondern nur aufmerksam beobachtet habe, wie sie angezogen sind, sich bewegen, miteinander sprechen.

Wie tief darf man als Schauspielerin in seine Rolle eintauchen ohne selbst Schaden zu nehmen?
von Borsody: Ich glaube nicht, dass man ein Mörder sein muss, um einen Mörder zu spielen (lacht). Es geht ja darum, die Essenz einer Figur herauszufinden und sich dann so aufzumachen, um die Figur in sich selbst zuzulassen. Ein berühmter männlicher Kollege aus Hollywood wurde mal gefragt, wie er all diese aggressiven und mordenden Menschen spielen kann, wie er das aushält und er sagte: „Wissen Sie, eigentlich bin ich ein sehr friedlicher Mensch, aber was ich abgrundtief hasse, sind Mücken. Also stelle ich mir bei solchen Szenen immer Mücken vor.“ (lacht)

Und das funktioniert auch bei Ihnen?
von Borsody: Die Aufgabe ist, das geforderte Gefühl zu finden, und manchmal geht das eben auf so einem Wege. Jede Rolle fordert ihren Tribut und erfordert eine Nachforschung in sich selbst. Man kann eine Rolle nicht immer nach Feierabend abschütteln, aber letztendlich muss man immer wieder auch in sein eigentliches Leben zurückkehren. Wenn eine Figur wie Vicky in „Schicksalstage in Bangkok“ innerhalb der Geschichte zu einer Lösung kommt, dann kann ich diese Figur auch gut wieder ziehen lassen, weil sie ihren Frieden gefunden hat. Wohingegen die Frau, die ich kürzlich im „Tatort“ gespielt habe, eine Mörderin ihres tyrannischen Mannes, mir immer noch leid tut. Das ist von Rolle zu Rolle unterschiedlich.

Der ARD-Film „Schicksalstage in Bangkok“ ist eine teamworx-Produktion von Erfolgsproduzent Nico Hofmann. (u.a. „Der Tunnel“), der einen Filmhit nach dem anderen produziert. Inwiefern steht man da als Schauspielerin unter einem großen Erfolgsdruck?
von Borsody: Ich schätze Nico Hofmann so ein, dass er mich gar nicht besetzt hätte, wenn er glauben würde, dass mit mir kein Erfolg zu machen wäre (lacht). Ich habe schon mit ihm zusammengearbeitet, als er noch als Regisseur tätig war, und das war immer sehr angenehm. Er hat ein gutes kaufmännisches Händchen. Der Erfolg gibt ihm Recht. Man kann sich bei Nico auch darauf verlassen, dass er sich in das Kreative einmischt, weil er davon viel Ahnung hat. Man fühlt sich wirklich gut betreut in seinen Produktionen.

In der Presse wird ja nicht selten vom typischen „Degeto-Kitsch“ gesprochen. Wie kitschig ist denn „Schicksalstage in Bangkok“ Ihrer Meinung nach?
von Borsody: Ich habe nichts gegen Kitsch, um das mal vorweg zu schicken. Kitsch hat genau so eine Daseinsberechtigung wie interessante Dokumentationen, und wer sagt, er hätte keine Kitschecke in sich, lügt meiner Meinung nach, um das mal ganz frech zu sagen. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise sehnen sich die Menschen auch nach etwas, in das sie eintauchen können, was einen neben dem eigenen Leben nicht auch noch belastet. „Schicksalstage in Bangkok“ zeigt aber ja gar keine heile Welt. Es geht um die emotionale Auseinandersetzung von zwei Frauen, die beide emotional sehr belastet sind. Meine Figur Vicky ist eine Lehrerin, die nach 25 Jahren Ehe ihren Mann verliert, der im Ausland als Architekt gearbeitet hat, aber immer wenn sie sich irgendwo heimisch gefühlt hat, die Zelte wieder abgebrochen wurden. Also hat sie sich ein Leben in Deutschland aufgebaut und er blieb in Thailand. Eines Tages bekommt sie dann die Urne ihres Mannes zugeschickt und einen Brief vom Nachlassverwalter mit dem Hinweis, dass ihr Mann eine Eigentumswohnung in Bangkok besaß. Das kann sich Vicky nicht erklären und macht sich auf den Weg nach Bangkok, um die Wahrheit über ihren Mann herauszufinden, und ob er wirklich ein Verhältnis zur Immobilienmaklerin June van Driel hatte.

Der Film spielt in der thailändischen Hauptstadt Bangkok und auf einer Teeplantage im Norden Thailands. Wie haben Sie diese fremde Kultur während der Dreharbeiten aufgenommen?
von Borsody: Ich war vorher schon ein paar Mal in Thailand im Urlaub. Ich mag Asien sehr gerne. Wir haben im Norden Thailands angefangen zu drehen, weil es da angeblich kühler sein sollte, aber es waren trotzdem 32 Grad mit 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und vielen Insekten, schillernden, brummenden, giftigen Käfern, Spinnen und Geckos. Da die Autos und Motorräder auch alle keinen Rußfilter haben, ist die Luft dazu auch noch sehr dreckig. Die letzten zwei Wochen waren wir dann in Bangkok, in diesem großen Moloch. Bangkok so lange zu erleben war eine ganz neue Erfahrung für mich. Bei Dreharbeiten hat man ja immer das Glück nicht als Tourist da zu sein. Man sieht die Stadt aus der Sicht der Einwohner, kommt auch in Privathäuser rein und das hat schon einen besonderen Reiz. Neben der deutschen Filmcrew hatten wir auch noch 30 einheimische Mitarbeiter, die auf und abgebaut und den Ton gemacht haben.

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Ich glaube nicht, dass man ein Mörder sein muss, um einen Mörder zu spielen.

Suzanne von Borsody

Könnten Sie sich vorstellen, jemals in Thailand zu leben?
von Borsody: Nein, nach Thailand ziehen möchte ich nicht, aber zu Besuch komme ich immer wieder gerne. Ich habe mich dort angefreundet mit einer Frau namens Peng, die für uns gedolmetscht hat. Wir mailen uns und halten Kontakt. Mein letzter Tag in Bangkok war der einzige Tag an dem ich mal als „Ich“ unterwegs war und da mein Flug erst spätabends ging hat sie mich abgeholt und gesagt: „So, jetzt zeige ich dir mal mein Bangkok.“. Wir sind dann mit dem Schiff gefahren und sie hat mir wunderschöne Plätze gezeigt, aber letztendlich ist mein Kulturkreis ein anderer und ich fühle mich in Deutschland sehr zu Hause.

Aufgrund der besonderen Konditionen für Filmteams und des günstigen US-Dollars werden immer mehr Produktionen im Ausland realisiert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
von Borsody: Das Ergebnis zählt, also was für einen Film dabei herauskommt – egal ob ich jetzt in der Eifel drehe, in Südafrika oder eben in Bangkok. Es ist sehr anstrengend in Bangkok zu drehen, eben wegen der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit. Und dann sollst du dir auch noch Text merken. Und da die Autos und Motorräder auch alle keinen Russfilter haben, ist die Luft dazu auch noch sehr dreckig (lacht). Aber ich bin sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und dazu noch mit so einem interessanten Stoff. Es war auch sehr schön, nach so vielen Jahren mal wieder mit dem Regisseur Hartmut Griesmayr zu drehen, bei dem ich 1978 mit „Adoptionen“ mein Fernsehdebüt gab.

Kritische Stimmen werfen der Filmindustrie immer wieder vor, sie würde die atemberaubenden Naturkulissen Afrikas oder auch Thailands für ihre Filme missbrauchen und dabei die wirtschaftlichen und politischen Probleme der Regionen außen vor lassen. Wie stehen Sie dazu?
von Borsody: Unser Produzent Nico Hofmann ist während der Dreharbeiten nach Burma gefahren und hat Hilfsgüter beziehungsweise Geld abgegeben, weil es dort ja diese schreckliche Katastrophe gab. Ich glaube, dass auch wenn man seichte Unterhaltung dreht, das Bewusstsein über den Zustand der Region in der man unterwegs ist, immer da ist. Und wer Scheuklappen hat, der läuft auch in Deutschland mit Scheuklappen herum. Jeder, der in diesen Ländern war, ist ja auch ein guter Botschafter für das Land und kann den Menschen von dieser Region erzählen. Ich fahre ja auch alle zwei Jahre nach Afrika, um mich über mein Projekt „Hand in Hand for Children“ zu informieren, über den Stand der Dinge in Krankenhäusern und den Schulen, die wir dort unterstützen. Und auch in Thailand geht das nicht spurlos an dir vorbei. Du siehst die kleinen verfallenen Häuschen, die Menschen, die auf der Straße betteln, und man sieht, was das für Männer sind, die sich Kinder heranholen und das zerreißt dir auch oft das Herz.

Thailand und insbesondere die Stadt Bangkok kämpfen ja seit Jahren mit dem Problem der Kinderprostitution…
von Borsody: Aber die Regierung hat schon vor Jahren versucht über einen sehr geschickten Weg dagegen anzugehen, in dem sie eine strenge Schulpflicht für die Kinder beschlossen haben, die bis zum Alter von 16 Jahren gilt, aber letztendlich wird man diese Problematik nie ganz auslöschen können. Umso wichtiger ist es, dass sich Menschen für diese Länder einsetzen.

Die Arbeiter auf der Teeplantage zum Beispiel wirken im Film sehr entspannt und zufrieden. Doch gerade in solchen Branchen kommt es nicht selten zu Kinderarbeit. Inwiefern bringt man dadurch ein falsches Bild der Region zu den Leuten, die denken, dort sei alles in Ordnung?
von Borsody: In den Film, den wir gemacht haben, passt das Thema Ausbeutung nicht hinein, weil das nicht das Thema ist. Aber wenn der Film darauf aufmerksam machen kann, wie schön Thailand ist, und die Leute dann in dieses Land reisen, dann werden sie auch sehen, was in diesem Land eben nicht in Ordnung ist und wo die Probleme liegen. Es sagt ja niemand, dass in Thailand heile Welt herrscht, und das weiß auch jeder, der nur ansatzweise die Nachrichtenlage verfolgt, aber letztendlich kann man in 90 Minuten auch nur einen kleinen Ausschnitt dieses Landes zeigen. Wir haben dann versucht auf andere Art zu helfen, indem wir zum Beispiel arme Kinder auf dem Markt zum Essen eingeladen haben. Das ist meines Erachtens sinnvoller, als ihnen nur das Geld zu geben.

Sie stammen aus einer klassischen Schauspielerfamilie. Ihre Eltern Hans von Borsody und Rosemarie Fendel und auch ihre Halbschwester Cosima sind alle erfolgreich in der Filmbranche tätig und ihr Großvater Eduard von Borsody war ein erfolgreicher Filmregisseur. Wie war es für Sie in einer Künstlerfamilie aufzuwachsen?
von Borsody: Für mich war das immer normal. Ich kannte ja nie was anderes (lacht). Auch die ganzen berühmten Menschen, die bei uns ein und ausgingen, waren für mich nie berühmt. Das hat meine Mutter schon immer gesagt: „Der Mensch ist immer noch ein Mensch und es zählt, wie er sich verhält, und nicht der Orden, den er sich von irgendjemandem an die Brust hat heften lassen.“ Diese Haltung habe ich übernommen. Mir ist es egal, wie berühmt jemand ist. Mich interessiert das Menschliche.

Wollten Sie denn jemals etwas anderes werden als Schauspielerin?
von Borsody: Ich wollte immer Malerin werden, was mich aber nicht davon abhält, nach wie vor zu malen. Ich habe auch schon Kindergeschichten geschrieben und Kinderbücher illustriert. Ich sage es mal so: Der Beruf des Schauspielers ermöglicht es einem jeden Beruf auszuüben – von der Gehirnchirurgin bis zur Gefängnisdirektorin, von der Staatsanwältin, der Lehrerin bis zur Analphabetin oder bis hin zur Mörderin. Die Vielfalt ist wirklich immens und das ist das Reizvolle an diesem Beruf.

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