The Bad Plus

Keiner von uns spielt sein Instrument so, wie man es eigentlich erwarten würde.

Reid Anderson, Ethan Iverson und David King von The Bad Plus über Jazz, Improvisation, ihre Konzerte und ihr Faible für Rockmusik

The Bad Plus

© Sony Music

Reid, Ethan, David – eine Jazzband die in ihrem Repertoire auch Songs von Nirvana, Aphex Twin oder Blondie hat, trifft man ja nicht alle Tage. Wie sieht denn eure generelle Einstellung zum Jazz aus?
Ethan: Also zuerst einmal sind wir Jazz-Fans, würde ich sagen.
David: Wir sehen den Jazz vor allem als eine Musikrichtung, die sich an vielen verschiedenen Stilrichtungen bedient. Uns geht es auch um die gemeinsamen Erfahrungen, die wir mit dem Publikum teilen. Es gibt ja Jazz-Bands, bei denen denkst du als Zuhörer, die Musiker kümmern sich gar nicht darum, dass du da bist. Bei uns spielt aber die Energie eine große Rolle, die wir aus dem Publikum bekommen, mit der wir arbeiten.
Reid: Jazz bedeutet für uns aber auch, die Musik spielen zu können, die wir wollen. Die Entscheidung, was wir spielen, hängt nicht davon ab, ob es nun Jazz ist, oder nicht. Denn das schränkt dich als Musiker ein, wenn du dir sagst, ich bin ein Jazz-Musiker und deswegen spiele ich nur, was zum Jazz dazugehört. Wir kommen natürlich aus dem Jazz-Bereich, lieben den Jazz – aber wir hören privat ja auch ganz andere Musik. Ich mag Rockmusik oder elektronische Musik genauso wie Jazz. Und auch Ethan und David haben einen sehr vielfältigen Musikgeschmack.

In einer Rezension zu einem eurer Konzerte las ich vor kurzem: The Bad Plus ist eine Band, die sich nicht scheut, zu zeigen, dass sie am Jazz sehr viel Spaß hat.
David: Oh ja, wenn der Sound gut ist, dann kann so ein Konzert schon sehr großen Spaß machen. Manchmal ist es auch einfach die Leidenschaft, die man für diese Musik entwickelt. Das Konzert ist der Moment, für den ich jeden Tag lebe, ganz besonders, wenn wir auf Tour sind. Wenn du erst einmal auf der Bühne bist, dann willst du das auch bis zum Limit ausnutzen. Denn den Rest des Tages bist du normalerweise ziemlich müde, du reist von einer zur anderen Stadt, sitzt und wartest. Da ist es abends eine große Erleichterung, auf die Bühne zu gehen und Spaß zu haben.

Ethan, du hast früher bei der renommierten Mark Morris Dance Group Klavier gespielt. Ging es da auch schon um Jazz?
Ethan: Nein, ich habe dort klassische Musik gespielt und war fünf Jahre der Musikdirektor der Mark Morris Dance Group. Ich habe in meinem Leben überhaupt schon viel für Tanz gespielt. Bevor ich zur Mark Morris Dance Group kam habe ich beispielsweise für Ballettklassen in New York City improvisiert.

Also eher die klassische Form der Klavier-Improvisation.
Ethan: Richtig, aber es war tatsächlich so, dass manche Ballett-Lehrer zu mir meinten, ich würde zu ausgefallen improvisieren. Aber, das war eben nur ein Job, ohne Publikum. Ich hatte keine Karriere als improvisierender Musiker angestrebt, bis wir mit The Bad Plus anfingen.

Nun habt ihr gerade das Album "These Are The Vistas" veröffentlicht. Eure Live-Auftritte sind meist wild und rockig – wie bringt ihr das auf eine CD?
David: Das ist natürlich immer die Herausforderung, wenn man ein Album aufnimmt. Dabei kann auch die Arbeit im Studio Gefühle und Emotionen wecken, die du auf der Bühne nicht hast. Studio- und Live-Musik sind sowieso immer sehr verschiedene Sachen. Und wenn wir ins Studio gehen, dann wissen wir vorher, dass es schwierig wird, zumal wir in unsere Live-Konzerte ja sehr viel Energie investieren. Aber von der Live-Erfahrung ausgegangen haben wir das aufgenommene Material auch nicht mehr geschnitten oder bearbeitet.
Ethan: Die Atmosphäre eines Live-Konzerts auf CD einzufangen, ist natürlich kaum möglich, es fehlt ja vor allem die visuelle Komponente. So ein Album ist für uns aber auch eine schöne Dokumentation unserer Arbeit.

Und jetzt, nach Album-Veröffentlichung, spielt ihr die Stücke live genauso, wie ihr sie für die CD aufgenommen habt?
David: Nein, wir improvisieren ja durchweg, das klingt immer unterschiedlich. Ich benutze so ein Album nur als Motivation, was meine Konzentration angeht. Im Studio hast du ja so ein hohes Maß an Konzentration und wenn ich auf der Bühne bin, erinnere mich manchmal daran, mit wie viel Konzentration ich das anstehende Stück im Studio gespielt habe.
Reid: Im Studio wiederholst du dich natürlich viel, weil du manche Tracks immer wieder aufnehmen musst usw – du verinnerlichst also bestimmte Melodien. Da ist es live eine besondere Herausforderung ist es, dass du dich eben nicht ständig wiederholst.

David, in den Rhythmen die du am Schlagzeug spielst, hört man nicht selten Techno- und Rock-Einflüsse. Hat das auch etwas mit deinem persönlichen Musikgeschmack zu tun?
David: Ja, es gibt beispielsweise Drum’n’Bass-Stücke, die ich wirklich sehr gerne höre. Ich bin jetzt zwar nicht der große Fan elektronischer Musik. Aber an Drum’n’Bass gefällt mir, dass es eine Rhythmus-Musik ist, dass die Drums so dermaßen im Mittelpunkt stehen. Mir als Schlagzeuger macht es Spaß, mit dieser ‚Maschinen-Musik‘ zu wetteifern. So zu spielen, wie es Elektro-Musiker programmieren, das fordert einen schon sehr heraus. Ich mag diese rhythmus-dominierte Musik sehr – und eigentlich will ich ja auch die Band dominieren (lacht). Ja, es könnte doch in die Richtung gehen, dann würde unsere vierte Platte bestimmt ein Schlagzeug-Solo-Album …

Wenn man euch live erlebt, klingt es aber teilweise tatsächlich so, als würdet ihr gegeneinander spielen und improvisieren.
David: Richtig, wir sehen das Ganze ebene nicht als festgelegtes Rollenspiel, bei uns zählt jedes Instrument sowohl als melodisches als auch als rhythmisches Instrument, alle sind gleichwertige Komponenten. Wenn einer ein Solo spielt, dann ist es nicht so, dass die anderen beiden sich sagen "wir müssen jetzt höflich und leise begleiten". Nein, in dem Moment kommt eher die Frage: "wie spielst du dein Solo weiter, wenn ich dir meine Drum-Sticks um die Ohren haue." Es geht darum, den anderen immer wieder herauszufordern. Das muss nicht immer funktionieren, meistens entstehen dadurch aber unheimlich vitale Momente.
Ethan: Ich denke auch, dass es sehr viel ausmacht, dass keiner von uns der Lead-Musiker ist, das ist im Jazz eher selten. Wir sind bereit, den anderen zu unterstützen, wenn es gut für die Musik ist, wir sind auch bereit, dagegen anzuspielen, wenn es gut für die Musik ist.

Habt ihr euch denn bewusst für die Trio-Besetzung Klavier, Schlagzeug, Bass entschieden?
Reid: Nein, das hat sich einfach so ergeben. Wir haben uns kennen gelernt, zusammen gespielt und das passte. Gedanken über die Instrumentierung haben wir uns nie gemacht. Wenn Ethan meinetwegen Dudelsack spielen würde, dann wären wir jetzt wohl ein Dudelsack-Bass-Schlagzeug-Trio. The Bad Plus basiert halt auf unseren Persönlichkeiten, nicht auf den Instrumenten, die wir spielen. Außerdem denke ich, dass keiner von uns sein Instrument so spielt, wie man es eigentlich erwarten würde.

Hat Ethan denn schon mal Dudelsack gespielt?
David: Das wäre eine unglaubliche Show!
Ethan: Nein, habe ich noch nicht. Das schöne an Dudelsäcken ist ja, dass sie wahnsinnig laut sind. Wenn du in einem kleinen Club einen Dudelsack auspackst – die Leute würden davonlaufen.
Reid: Aber die Frauen würden es lieben. Frauen lieben Dudelsäcke, das weiß ich.

Ethan, während des Konzerts greifst du auch mal in die Saiten des Flügels hinein – schon recht ungewöhnlich für ein Jazz-Konzert.
Ethan: Ich glaube, dass erste mal hat das jemand in den 40ern gemacht. Gewöhnlich ist das wohl bis heute nicht, das stimmt. Wobei, ich denke, jeder Jazz-Pianist hat da schon mal seine Hände drin gehabt. Ich mache das ja auch nicht permanent in jedem Konzert, nur manchmal kommt es als Farbe hinzu.

Beschreibt das denn auch dein Verhältnis zu Klavier?
Ethan: Dass ich vielleicht ein aggressives, lustvolles Verhältnis zum Klavier habe? Nein, …
David: Ethan, du bist der körper-betonteste Pianist, den ich je gesehen habe. Du müsstest mal ein Video von dir sehen.
Ethan: Ich denke, meine Art des Klavierspiels hängt eher damit zusammen, dass wir uns keine musikalischen Grenzen setzen.
Reid: Es gibt viele Jazz-Musiker, bei denen ich den Eindruck habe, als würden sie für eine Art unsichtbare Autorität spielen, welche ihnen vorschreibt, was Jazz ist und was nicht. Die sitzen dann meistens ganz ruhig hinter ihrem Instrument, vielleicht sind sie damit auch vollkommen glücklich. Wir hingegen wären es nicht. Und wenn ich einen Musiker sehe, der improvisiert, aber keinen Ausdruck im Gesicht hat, dann denke ich, hier ist was faul.
David: Vielleicht kann man das auch mit verschiedenen Politikern vergleichen: es gibt welche, die lesen ihre Reden einfach nur vom Blatt und es gibt welche, die reden frei und kommunizieren die ganze Zeit mit ihrem Publikum.

Neben Eigenkompositionen habt ihr für das Album Stücke von Aphex Twin, Blondie und Nirvana verjazzt. Wie seid ihr auf diese Bands gekommen?
David: Das sind einfach Musiker, die wir lieben, die Musik gemacht haben, mit der wir uns sehr verbunden fühlen, in der wir etwas von uns selbst wiederfinden. Und diese Musik spricht uns zum Teil sogar mehr an, als das typische Jazz-Standard-Repertoire.

Welche anderen Bands stehen denn sonst noch auf dem Programm?
David: Police, Pixies, Prince, Ornette Coleman, Neil Young – hin und wieder spielen wir aber auch ein bisschen Bach.

Wie steht’s mit deutschen Bands, zum Beispiel Rammstein?
Ethan: Ich glaube das wird schwierig. Du kannst einen Song wie "Smells like teen spirit" auf dem Saxofon, der Flöte oder dem Dudelsack spielen – das wird immer jeder erkennen. Aber Rammstein, da gibt es glaube ich zu wenig Melodien. Wenn wir das nachspielen würden, da würde dann kaum jemand an Rammstein denken.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren sein ihr?
David: Ich wäre Quick Draw McGraw, eine Figur aus den 60ern, samstags morgens hab ich das immer geguckt. Quick Draw McGraw ist ein Pferd und gleichzeitig Sheriff einer Kleinstadt. Es ist sehr freundlich, aber auch trottelig, leistet nicht wirklich gute Arbeit, aber versucht immer, die größte Autorität zu sein.
Reid: Ich wäre Underdog.
Ethan: Ich mag die Peanuts – ich wäre also zu einem Drittel Schröder, der Klavierspieler, zu einem Teil Linus, der intellektuelle Kuriositäten-Erzähler und zu einem Drittel Charlie Brown, der Einzelgänger mit dem großen Kopf, der zu allen freundlich sein will.

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