Thomas, die Fantastischen Vier existieren nun seit fast 20 Jahren. Das ist weitaus länger, als so manche Ehe hält. Was ist euer Rezept?
Thomas D: Der Unterschied zwischen uns und einer gewöhnlichen Ehe ist zunächst, dass bei uns Seitensprünge erlaubt sind. So haben wir uns alle in Soloprojekten austoben können, der eine mehr, der andere weniger. Je nachdem, wie dringend das Bedürfnis war, sich außerhalb der Band zu verwirklichen. Ich glaube aber, dass insgesamt das Geheimnis darin besteht, dass wir alle vier sehr unterschiedlich sind und dass auch gerne bei den anderen akzeptieren. Dass der Input, auf den man selber nicht gekommen wäre, sehr gerne entgegen genommen wird, so dass es die Musik unterhaltsamer und abwechslungsreicher macht.
Du sagtest gerade, Seitensprünge seien erlaubt. Hat man mehr Möglichkeiten, sich kreativ auszutoben, wenn man solo arbeitet?
Thomas D: Wir können uns in der Zusammenarbeit inzwischen sehr gut verwirklichen. Früher war das vielleicht noch nicht so möglich, weil wir mehr einen gewissen Schrank im Kopf hatten: Was ist jetzt Fanta Vier, wie hören die sich jetzt an? Mittlerweile sind wir da freier geworden, wir haben für uns keine Definition. Die einzige Schublade ist eigentlich der Name Fanta Vier. Wie sich das anhört wird durch uns vier immer wieder neu definiert.
Die „Seitensprünge“, die Soloprojekte, sind einerseits eine willkommene Abwechslung vom Bandleben und andererseits weiß man immer, was man an den anderen hat.
Auf dem neuen Album „Fornika“ hat sich euer Sound enorm weiterentwickelt, es ist vor allem noch melodischer geworden. Wie weit, bzw. wohin lässt sich Fanta Vier denn noch entwickeln?
Thomas D: Ich denke, gerade mit unseren ersten Alben haben wir noch Dimensionssprünge gemacht. „Lauschgift“ ist dann unser erstes – ‚erwachsenes’ ist jetzt ein blödes Wort – aber sagen wir ‚gereiftes’ Album gewesen. Und dann hat die Band sich gefunden gehabt in einem Stil, den sie die nächsten Alben nicht unbedingt gebrochen oder zumindest nicht sehr stark verwandelt hat.
Bei „Fornika“ hatte ich das Gefühl, dass wir wieder mit mehr Offenheit heran gegangen sind natürlich auch mit dem Verlangen, keine Kopie der vorigen Alben zu produzieren, sondern noch einmal einen Schritt weiter zu gehen. Dafür sind die Fantas bekannt: Sich immer neu zu erfinden. Natürlich kommst du irgendwann auch an deine Grenzen und es wird doof, gezwungenermaßen irgendetwas Neues zu produzieren – was man selber gar nicht gut findet – nur weil es modern ist. Aber ich denke, wir sind experimentierfreudig genug etwas Neues zu schaffen.
Ihr wagt euch auch an vielfältige Arrangements heran, mit Pauken, Trompeten und Geigen. Muss man dem eingefleischten Fan mehr auf dem Teller präsentieren, um ihn bei Laune zu halten?
Thomas D: Wir fordern unsere Fans eher als dass wir sie verwöhnen. Das erfordert von einem Fan auch immer einen Schritt mitzugehen mit der Band, wenn sie was Neues macht. Ich glaube, die meisten Fans an sich sind in ihrer Art eher konservativ und möchten das gleiche Album noch mal haben. Meistens – und so geht es mir auch als Fan – hat man immer das Gefühl, dass das alte Album besser war. Dann hört man sich aber rein in das Neue und wenn es dann wirklich Qualitäten hat hört man die Entwicklung. Generell, wenn man als Band innovativ bleibt, fordert man auch seine Fans.
Deshalb auch „Troy“ als Liebeserklärung an die Fans?
Thomas D: „Troy“ war eine schöne Liebeserklärung um damals zu sagen: Hey, wir kommen zwar anders rüber, sind aber immer noch die Gleichen.
Eine Textzeile eures Songs „Du mich auch“ auf „Fornika“ lautet: „Wir werden nicht wie unsere Alten“. Hast du inzwischen irgendwelche Marotten deiner Eltern an dir entdeckt?
Thomas D: Ich hab so das Gefühl, dass mich die Schwäbische Sauberkeit so langsam einholt. Aber den Kampf verliere ich schon regelmäßig in meinem eigenen Zimmer, also insofern ist sie noch nicht so weit gereift! Ordnung ischt nu mal das halbe Leben – aber ich lebe immer noch auf der anderen Seite.
Wie ist das Erwachsenwerden innerhalb der Band vonstatten gegangen?
Thomas D: Die Band stellt sich immer wieder die Frage: Sind wir jetzt zu alt, für das was wir machen? Das ist eine Frage die ich mir eigentlich nicht stelle. Wenn Musik authentisch ist, wird man meiner Meinung nach nie zu alt für Musik. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir auf „Fornika“ textlich noch besser geworden sind. Da ist wohl das Alter von Vorteil. Die Erfahrung zwingt einen, noch besser zu werden, wieder etwas Neues heraus zu holen, was es bisher noch nicht gab.
Die Frage nach der eigenen Existenz scheint auf dem neuen Album ein wichtiges Thema zu sein. Sind die Fantastischen Vier in der Midlife-Crisis?
Thomas D: Würde ich so nicht sagen. Da muss man natürlich fragen: Was ist die Midlife-Crisis? Dass man alles in Frage stellt? Ja, das tun wir gerne! Unsere Midlife-Crisis äußert sich dann eher so, dass – wenn alles hin ist – uns das egal ist und wir lieber noch einen guten Witz darüber reißen! Dann gehen wir wenigsten lachend unter. Wir nehmen die Sachen mehr mit Humor, als daran zu verzweifeln.
„Nicki war nie weg“ lautet ein Titel auf dem neuen Album. Die Fantastischen Vier scheinen auch immer omnipräsent zu sein und überall geliebt. Die Fantastischen Vier als „Söhne der Nation“?
Thomas D: Wir sind einfach nur vier Typen die Musik machen. Wie wir da draußen ankommen, das wage ich schwer zu beurteilen. DJ Ötzi ist auf Platz eins und wir sind in den Charts auf Platz zwölf eingestiegen. Dann nehmen wir doch ihn! Lassen wir DJ Ötzi den Sohn der Nation sein!
Man hat aber noch nie von Fanta-Vier-Hassclubs gehört. Da hat es zum Beispiel Tokio Hotel schon härter getroffen.
Thomas D: Unsere Texte bleiben nicht nur an der Oberfläche. Das heißt, wenn man sich mit uns auseinander setzt, dann gewinnt das eine größere Dimension als nur Musik-Lala und eine schöne Melodie. Da steckt mehr drin und da können sich viele Menschen drin wieder finden. Das mag nicht in allen Stücken der Fall sein, aber dadurch dass wir vier so unterschiedlich sind, gibt es viermal so viele Menschen, die sich damit identifizieren können. Diese Ehrlichkeit und diese Konstante führen zu dem Gefühl, dass an uns was dran sein muss. Deshalb ist es vielleicht so schwer, uns zu hassen, weil wir mehr als nur ein Image sind. Tokio Hotel vertreten ein Image. Viele nehmen das, ohne sich eine Platte anzuhören, um es zu verurteilen.
Ihr textet schon immer auf Deutsch. War es für euch eine Genugtuung, als die Diskussion um die Deutsch-Quote im Radio entbrannte?
Thomas D: Wir kamen nach der Neuen Deutschen Welle, die ja ziemlich schnell untergegangen ist. Da gab es mit „Die Da“ eine Wende, die viel Akzeptanz gefunden hat. Es hat sich seither, Gott sei Dank, als natürlich herausgestellt, dass man in der Muttersprache singen kann, ohne dass man das als Zuhörer als blöd empfindet.
Die Quotendiskussion, war schwierig, weil man sie nicht auf Schlagworte begrenzen darf. Sondern dahinter steckt die Intention, deutschsprachige und deutschstämmige Gruppen zu fördern und die nicht verarmen zu lassen. Jungen Bands eine Chance zu geben ist nach wie vor sehr wichtig, gerade in Zeiten von Formatradio. Immer nur Musik zu spielen, die nicht auffällt, alles rund zu machen – da fehlen einfach die Kanten! Aber auch aus so einer Ecke entsteht manchmal ein ganz neuer Trend und eine ganz neue, massentaugliche Musikrichtung. Dafür muss man sich einsetzen, dass das Außergewöhnliche, das Innovative, dass der Mut einfach belohnt wird.
War es denn manchmal schwierig für euch konsequent bei deutschsprachigen Texten zu bleiben?
Thomas D: Es gab für uns nie eine Alternative. Wieso soll ich etwas sagen, was nicht aus meinem Kopf kommt, sondern aus meinem Wörterbuch? Damit es sich cool anhört? Damit es die anderen dann wieder übersetzen müssen? Wieso sage ich nicht einfach was ich denke und es ist für jedermann verständlich? Der einzige Grund, das einzutauschen wäre ja: die Band könnte international erfolgreich sein. Das sind wir aber nicht und das ist auch ok so. Ich will auch mal Urlaub machen, irgendwo im Ausland herumlaufen ohne erkannt zu werden. Darum beneide ich die Weltstars nicht.
Du wohnst seit 1999 in einem alternativen Wohnprojekt in der Eifel, dem M.A.R.S. Gab es ein Schlüsselerlebnis, das dich dazu bewogen hat, diese Kommune zu gründen?
Thomas D: Ich habe schon immer gerne mit Leuten zusammen gelebt. Da ist es natürlich schön, wenn man mit Menschen lebt, die ein gewisses Gedankengut teilen. Ob wir nun alle Vegetarier sind oder uns ein bisschen um die Welt kümmern, das ist für mich einfach eine schöne Lebenssituation. Gleichzeitig ein bisschen weg von der Welt, weil ich sehr viel unterwegs bin in verschiedenen Städten liebe ich es hier ganz weit draußen zu leben. Dann aber nicht allein, sondern mit Familie und Freunden. Die Kommune im Ansatz gefällt mir sehr gut.
Und ein Leben in der Großstadt kommt für dich nicht mehr infrage?
Thomas D: Ich könnte mir nicht vorstellen in der Stadt zu leben. Diese Gewissheit begleitet mich schon lange. Ich bin ein Landei. Das ist für mich echte Lebensqualität. Da kann ich durchatmen, da kann ich Sachen verarbeiten. Das ist für mich ein Ruhepol, wo ich wieder Texte schreiben kann und den Kopf frei kriege. Das ist sehr wichtig für mich.
Ihr bekennt euch auf der M.A.R.S.-Website zu einer „friedlichen, spirituell orientierten Lebensweise“. Daher mal eine Frage zur Politik: Angela Merkel ist die erste Frau im Kanzleramt, in Frankreich und den U.S.A. stehen auch zwei Frauen zur Wahl. Glaubst du Frauen an der Macht können mehr bewirken als Männer?
Thomas D: Wenn Frauen sich aus ihrer klassischen Rolle herauslösen würden und das nicht innerhalb einer Frauenbewegung sondern durch Akzeptieren und Leben der Gleichberechtigung, dann wären sie die besseren Regenten! Aber ganz klar! Ich meine, die Frau ist Mutter, ob sie will oder nicht, das ist ihr Wesen, sich zu kümmern. Während ein Mann dafür Sorge trägt, einem anderen auf’s Maul zu hauen oder einen ordentlichen Krieg anzuzetteln. Das ist nicht wirklich die Art wie wir die Welt ins Gleichgewicht bringen. Ich glaube durchaus, dass Frauen bessere Führungskräfte wären, allerdings ist die Rolle in der Gesellschaft – und die wir Männer der Frau ordentlich eingetrichtert haben – so eingeschränkt, dass sie Frauen einfach daran hindert diesen Job zu 100% zu machen.
Die Emanzipation ist noch nicht vollständig abgeschlossen…
Thomas D: Das glaube ich auch. Zumindest wird sie teilweise verdreht. Zum Beispiel: Die Frau muss jetzt alles machen, Kind und Karriere, um dem Mann zu zeigen, dass sie besser oder gleich gut ist. Kinder groß zu ziehen ist aber eine sehr, sehr schwere Aufgabe. Es ist ein großes Dilemma in dem wir da stecken. Der Job, den eine Frau in der Erziehung macht, ist total unterbewertet. Wenn man Männer in diese Rolle stecken würde, die würden ja zerbrechen. Wir würden ja bei der Geburt schon sterben! Die Frau kriegt aber einfach keinen Respekt dafür, dass sie ihr eigenes Leben in dem Moment mal ganz weit zurück stellt!
Du bist bekanntlich ein leidenschaftlicher Computerspieler, daher zum Schluss die Frage: Das Leben ist ein Computerspiel – welche Figur bist du?
Thomas D: Da schwanke ich natürlich sehr zwischen Mario und Link, das ist der Held aus Zelda. Mario hat unheimlich viel zu tun, der spielt in ganz vielen Videospielen eine Hauptrolle. Als Link ist man ein kleiner Junge, der ein reines Herz hat und zum großen Krieger heranwächst. Das ist natürlich genau mein Job! Bestünde eine Figur aus Mario und Link liehe ich ihr gern mein Konterfei!