Thomas Schaaf

Ich muss meinen eigenen Weg finden.

Fußballtrainer Thomas Schaaf Werder Bremen über die Abwehr und den Sturm seiner Mannschaft, Traum-Formationen, Nachwuchsarbeit und das Trainieren ehemaliger Kollegen

Thomas Schaaf

© Werder Bremen

Herr Schaaf, wie sieht Ihr Konzept aus, um Werder Bremen wieder langfristig unter den ersten fünf in der Bundesliga zu etablieren? Können Sie sich vorstellen auch mal einen teuren Star zu verpflichten, um dieses Ziel zu erreichen? (Stefan Schuster aus Langen)
Schaaf: Unser Ziel muss jetzt sein, nachdem wir sehr unruhige Jahre hinter uns haben, hier viele Trainer gearbeitet haben und es einen enormen Wechsel von Spielern gab, erst mal wieder eine Linie reinzubekommen, um eine gute Mannschaft zusammenzubauen. Man muss dieser Mannschaft eine gewisse Zeit geben, man muss sie auch von der Altersstruktur gut mischen, so dass man ein paar Jahre zusammen gute Leistungen bringen kann. Dazu gehört es natürlich auch, dass man ein gutes Händchen hat, zum einen bei den Neuverpflichtungen, zum anderen müssen wir aber auch schauen, dass der eigene Nachwuchs wieder zum Zuge kommt und sich in der Profi-Mannschaft etablieren kann. Wir müssen uns identifizieren können mit der Arbeit, die wir hier leisten. Wenn bei den Verpflichtungen ein großer Name dabei ist, der für uns bezahlbar und realisierbar ist, dann haben wir nichts dagegen. Qualität kann man immer gut gebrauchen und bei einem Top-Spieler würden wir sicherlich nicht nein sagen.

Welchen persönlichen Beitrag kann und will Thomas Schaaf leisten, um das gegenwärtige Image des SV Werder von der "grauen Maus" wieder loszuwerden? (Ansgar F. Roeder aus Frankfurt)
Schaaf: Wir alle können eigentlich mit Erfolgen dafür sorgen, dass man positiv über den Verein spricht. Ich glaube auch, dass man sich vor allem so darstellen sollte wie man als Person ist und nicht versuchen sollte, irgendetwas besonders oder anders darzustellen. Ich denke, wir versuchen immer wieder zu zeigen, dass hier Leute am Werk sind, die arbeiten, die alles versuchen, damit es dem Verein gut geht und er erfolgreich ist, dass man sich eben auch mit der Sache Werder identifizieren kann, das ist sehr wichtig.

Nach meiner Meinung ist das größte Problem des Teams zur Zeit die Abwehr, wie es auch schon im letzten Jahr war. Das Team fängt sich einfach zu viele Tore ein und das trotz einem der besten Torhüter Europas. Nach meiner Ansicht wird zu viel Abstand zum Gegner gelassen, bzw. jeder scheint sich auf den anderen oder den Torwart zu verlassen. Trotz den Erfolgen in der Rückrunde der letzten Saison, damals war es ähnlich, nur hatte man oft viel Glück. Sind Sie der gleichen Meinung und wenn ja, wie wollen Sie das ändern? (O. Vossler aus Passau)
Schaaf: Ja, da gibt es sicherlich ein paar Ansatzpunkte, die schon richtig erkannt sind, dass man eben solche Fehler macht und zu weit weg ist vom Gegenspieler. Das bemängeln wir auch, dort müssen wir uns verbessern. Es gibt immer wieder Phasen, in denen etwas besser oder schlechter funktioniert. Allerdings, wenn man beachtet, dass wir in der Rückserie der letzten Saison die beste Mannschaft Deutschlands waren, können wir hinten auch nicht so schlecht gewesen sein. Ich halte es nicht für besonders gut, wenn man nur über einzelne Mannschaftsteile schimpft – Fußball ist immer ein Mannschaftssport und die ganze Mannschaft ist dafür zuständig, Tore zu verhindern und eben auch Tore zu schießen. Wenn man Probleme nur an einzelnen Spielern festmacht, dann ist das ungerecht, man muss immer das Gesamtgebilde betrachten. Sicher, wenn einer individuell immer wieder die gleichen Fehler macht, dann muss man sich Gedanken darüber machen, ob man dort etwas verändert. Aber das ist bei uns eigentlich nicht der Fall gewesen, sondern wir haben sehr unterschiedliche Fehler gemacht. Vielleicht hat mal der eine geschlafen, oder der andere war mal nicht am Mann, so dass dort diese Saison bisher eine Quote zusammenkam, die nicht befriedigend ist. Allerdings haben wir jetzt in den Spielen gegen Kaiserslautern (5.Spieltag) und den HSV (7.Spieltag), sehr gute Leistungen gezeigt, auch was die Abwehr betrifft.

Und im Sturm, denken Sie nicht, dass im Sturm Handlungsbedarf besteht? Nur Ailton als bundesligataugliche Spitze reicht einfach nicht für die 1. Bundesliga. (Matze aus Göttingen)
Schaaf: Erst mal muss ich da widersprechen: natürlich haben wir mehr als nur Ailton in der Spitze, sondern auch genügend andere gute Stürmer. Nur sind wir im Moment in einer Phase, wo wir noch nicht die richtige Abstimmung haben, um uns im Sturm gegenseitig ergänzen – daran arbeiten wir noch. Und wir mussten mit Claudio Pizarro leider einen Top-Stürmer ziehen lassen, aber Claudio wollte diesen Wechsel und dazu hatte er die Möglichkeit. Ähnlich war es mit Arie van Lent. Sicherlich freuen wir uns jetzt alle über die Leistung, die er zeigt und dass er so eine Entwicklung genommen hat. Man muss aber dazu sagen, dass er damals auch eine Zeit brauchte, um jetzt so auffällig zu sein. Er war damals sehr verletzt gewesen und brauchte eine Weile, bis er wieder den Anschluss bekommen hatte. Da war es wichtig, dass er einen Neuanfang machen kann in einem neuen Umfeld. Ihm ist das gelungen und wir freuen uns alle darüber. Das bestätigt uns auch in unserer Arbeit, da wir ja an seiner Leistung mitgearbeitet haben. Nur so etwas kann man natürlich nicht vorausahnen und so etwas wird es auch immer wieder geben, dass ein Spieler in einem Verein Top-Leistungen zeigt, wo er zuvor in einem anderen Verein gar nicht zum Zuge kam. Genauso bin ich sehr froh, dass wir auch einige Spieler haben, die bei anderen Vereinen nicht zum Zuge gekommen sind aber jetzt bei uns Top-Leistungen bringen.

Wie sieht es mit Roberto Silva aus, wie lange gibt es noch Schonfrist für ihn?
(Nils Pütthoff aus Bonn)
Schaaf: Viele gehen davon aus, dass es normal wäre, dass man einen Spieler neu verpflichtet und der sofort Top-Leistungen bringt. Das ist aber oft nicht so, viel öfter hat man die Situation, dass es eher umgekehrt ist. Wenn man einen Spieler einbaut, muss man Glück haben, damit er genau reinpasst, bei einem zweiten Spieler wird es schwieriger und bei einem dritten wird es ganz schwierig. Und sowieso, wenn man einen Spieler herholt wie Roberto Silva, muss man ihm auch genügend Zeit geben, dass er sich zurechtfinden kann. Wenn ich von Lima hierher komme ist das ein erheblicher Wechsel, vom Klima, von der Sprache – es gibt viele Dinge, die da zu berücksichtigen sind. Wir wünschen uns natürlich auch, dass das von heute auf morgen funktioniert. Aber Roberto war bisher noch nicht in der Lage, seine optimale Leistung zu zeigen. Ich denke, wenn er dazu imstande ist, dann werden wir noch viel Vergnügen mit ihm haben.

Sie sind beim Nordderby gegen den HSV mit sehr vielen jungen Spielern aufgelaufen, ohne auf erfahrene Spieler, wie zum Beispiel Dieter Eilts oder Andreas Herzog zurückzugreifen. Auch wenn dieser Mut in Hamburg belohnt wurde, die Frage: Sind Sie sicher, dass diese selbsternannte "Traumelf" ohne erfahrene Spieler auskommen wird? Ist es nicht ratsam, einen in sehr guter Form befindlichen Andreas Herzog mit einzubeziehen und so den Spagat zwischen zukünftiger "Fohlen-Elf" und dem Einbezug erfahrener Spieler zu bewältigen? (Torben aus Norderstedt)
Schaaf: Also, ich weiß nicht, wer Ihnen meine Traumelf verraten hat, die weiß ich ja selbst noch nicht. Meine Traum-Formation ist natürlich die Mannschaft, die möglichst alle Spiele gewinnt. Dazu gehört sicherlich auch ein Andreas Herzog und ich wünsche mir natürlich, dass er mit dem SV Werder Bremen erfolgreich ist. Zu den Altersunterschieden möchte ich sagen, dass dies nicht ganz richtig ist. Wir haben sogar einen sehr guten Altersdurchschnitt, wie ich finde. Wir haben erfahrene Spieler dabei, wie Dieter Eilts, Frank Verlaat, Andreas Herzog und Marco Bode, die sicherlich zum älteren Bereich gehören. Im jüngeren Bereich haben wir Leute wie Razundara Tjikuzu oder Tim Borowski und im mittleren Altersbereich Spieler wie Mladen Krstajic und Ailton, einen Frank Rost und Frank Baumann. Da ist eine sehr gute Mischung vorhanden und ich denke auch, dass eine Mannschaft immer aus einer guten Altersmischung bestehen muss. Es muss immer das Element Erfahrung dabei sein, es muss irgendwo auch dieses Frische, dieses Junge, Unbekümmerte eines jungen Spielers dabei sein und es müssen Spieler dabei sein, die noch über beides verfügen, über diese Frische und Unbekümmertheit, und die zum anderen aber auch eine gewisse Erfahrung mitbringen. Spieler, die schon Erfahrung sammeln konnten, aber immer noch neugierig sind auf neue Erfahrungen und die sich weiterhin etablieren wollen.

Eine Frage zur Jugendarbeit: Glauben Sie das aus der jetzigen A-Jugend, die ja auch sehr gut in der Tabelle dasteht, einmal Bundesliga-Profis hervorkommen? (Gerd Müller aus Hamburg)
Schaaf: Ja, ich denke schon. Es ist ja bekannt, dass Werder Bremen eine sehr gute Nachwuchsarbeit leistet und ich habe jahrelang da mitgearbeitet und versucht im Nachwuchsbereich etwas zu bewegen. Ich habe glaube ich insgesamt 12 Jahre die A-Jugend gemacht und dann den Amateurbereich übernommen. Es wird hier sehr viel getan für den Nachwuchs. Und das wir guten Nachwuchs haben sieht man an unserer Amateurmannschaft, die sehr, sehr jung ist. Dort spielen junge Leute, die auch schon im Kader bei uns mit dabei sind, beispielsweise Simon Rolfes oder Tim Borowski. Darüber hinaus haben wir gute A-Jugend-Spieler, also U18-Spieler wie Alexander Ludwig oder Marco Stier, die auch Nationalspieler sind. Schon in dem älteren Bereich spielen gute Leute wie Christian Schultz oder Stefan Becker. Und auch im U16-Bereich sehe ich Spieler, die einmal zu Bundesliga-Profis werden könnten.

Ist es schwer für Sie, alte Kollegen wie Eilts und Bode zu trainieren und was für ein Gefühl ist es, diese Leute dann einfach auf die Bank zu setzen?
(Peter Andersen aus Hamburg)
Schaaf: Das ist nicht schwer, ehemalige Kollegen zu trainieren. Ich denke, dass ist nicht anders als bei den übrigen Spielern, weil es geht um die Arbeit, es geht um das, was man erreichen will. Und wenn man einen Spieler auf die Bank setzen muss, ihn nicht unter die ersten elf nominiert oder ihn sogar nicht für den Kader für das Spiel nominiert, dann ist das immer eine schwierige Situation, unabhängig davon, ob es ein ehemaliger Kollege ist oder nicht. Das sind unangenehme Entscheidungen, die man treffen muss, dafür hat man aber die Position und dieser Aufgabe muss man sich stellen.

Haben Sie ein Trainer-Vorbild, bei wem haben Sie sich am meisten abgeschaut? (Petra Kleinschmidt aus Rechen)
Schaaf: Ein Vorbild habe ich nicht. Ich habe natürlich immer geguckt, wie jeder einzelne Trainer arbeitet, wie er mit der Mannschaft umgeht. Ich habe ja selber einige Trainer erlebt, mit Otto Rehhagel sicherlich den längsten. Man nimmt von jedem Trainer etwas mit, aber kopieren kann man ihn nicht. Man kann sich ein paar Punkte abgucken, aber man muss immer schauen, ob das für einen selbst umsetzbar ist. Und man muss auch immer wieder schauen, dass man selbst etwas aktiviert und etwas neu inszeniert und aufbaut. Ich habe mir immer wieder gesagt, ich muss meinen eigenen Weg finden und diesen Weg gehen.

Wie lange wird der SV Werder noch mit blanker Brust rumlaufen? Ist das nicht auch ein Schaden im Ansehen für zukünftige Sponsoren? (Lars aus Bremen)
Schaaf: Auf solche Entscheidungen habe ich ja keinen direkten Einfluss. Wir können ja nur versuchen als Mannschaft erfolgreich zu sein und uns so zu qualifizieren für möglichst viele Interessenten. Es gibt natürlich schon einige Interessenten, aber im Moment muss geguckt werden, wer am besten zu uns passt. Ob wir nur bis zum Winter ohne Sponsor auf dem Trikot bleiben, oder ob man die ganze Saison mit blanker Brust aufläuft, weiß ich nicht.

Was halten Sie zum Beispiel von der "AOL-Arena" in Hamburg, könnten Sie sich so eine Sponsorenmaßnahme auch in Bremen vorstellen?
Schaaf: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Auf der einen Seite verbindet man natürlich schon mit dem Namen "Weserstadion" etwas ganz bestimmtes und es ist gut, wenn man sich mit diesem Namen identifizieren kann. Auf der anderen Seite muss aber auch jeder Fan und jeder, der sich für den Verein ausspricht, wissen, dass man jede Einnahme gut gebrauchen kann. Ich denke ein Fan, der zum Beispiel als erstes schreit, wenn es um die Verpflichtung neuer Spieler geht, muss einsehen, dass man manche Dinge vielleicht nur über so eine Sponsorenmaßnahme realisieren kann. Das ist dann aber immer noch im Sinne des Fans, weshalb man den einen oder anderer Kompromiss eingehen muss. Wie weit solche Kompromisse gehen, ist schwer abzuschätzen.

Eine Frage noch zu den Finanzen in der Bundesliga. Es gibt die Tendenz, dass es sich die "kleinen" Vereine bald nicht mehr leisten können, Top-Spieler zu verpflichten und es dadurch nur noch Mannschaften wie Bayern München oder Borussia Dortmund schaffen, international attraktiv Fußball zu spielen. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Schaaf: Die Gefahr besteht natürlich immer, dass sich das Feld immer weiter auseinanderzieht, dass zwischen den finanzstarken und den kleinen Clubs eine sehr große Lücke entsteht. Gott sei dank ist es aber auch im Fußball noch so, dass es immer wieder Überraschungen gibt, wo "kleinere" Vereine großen Erfolg haben und man nur hoffen muss, dass sie diesen Erfolg auch weiter umsetzen und nutzen können. Leicht ist das allerdings nicht. Und es wird immer schwieriger, Sponsoren zu finden und einen Etat zu bilden, der die Möglichkeit bietet, im Kampf um die vorderen Plätze wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich wünsche es mir, dass die Bundesliga möglichst immer lebt und eben auch von richtigen Vergleichskämpfen lebt. Nicht, dass man sich von vornherein nur über das Ergebnis unterhält.

Angenommen, das Leben ist ein Comic, welche Comicfigur sind Sie?
Schaaf: Das ist schwer zu beantworten, wo ich mich da sehen würde. Ich als Trainer muss auf der einen Seite für gute Unterhaltung sorgen und muss aber auf der anderen Seite auch ernste Themen anbringen und kritisch sein. Ich denke, dass wichtigste ist, dass man zeigt, dass man seine Sache immer sehr konzentriert annimmt.

Haben Sie vielleicht eine spezielle Lieblingsfigur aus Comics?
Schaaf: Ich nicht, aber meine Tochter: sie ist ein großer Fan von Micky-Maus.

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