Herr Spohn, wozu müssen wir ins All?
Spohn: Zunächst einmal ist es so, dass wir in uns ein Entdeckergen haben. Das hat auch Entdecker wie Kolumbus damals angetrieben, nach neuen Seewegen und neuen Kontinenten zu suchen. Der Mensch will grundsätzlich immer über seine Grenzen hinaus gehen und es ist daher ganz natürlich, dass er versuchen will, die nähere Umgebung der Erde und vielleicht auch die weitere Umgebung der Erde zu erkunden.
Rechtfertigt das auch die Milliardeninvestitionen, die heutzutage in die Raumfahrt fließen?
Spohn: Sie müssen bedenken, dass diese Milliardeninvestitionen eigentlich unserer High-Tech-Industrie zugute kommen. Im Prinzip ist die Raumfahrt ein Programm zur Förderung der Hochtechnologie. Und die brauchen wir als entwickelte Staaten. Die Raumfahrt ist ein Teil dessen, wie man die Hochtechnologie fördern kann.
Aber was kann ein Mensch auf der Erde damit anfangen, wenn ein Auto ein paar Meter auf dem Mars fährt und dann stecken bleibt?
Spohn: Zunächst einmal gar nichts. Die Technologien, die wir im Rahmen der Raumfahrt entwickeln, kommen nicht unbedingt immer direkt, wie bei der Teflon-Pfanne, auf der Erde zum Einsatz. Jedoch hat zum Beispiel die Kommunikationstechnologie durch die Raumfahrt wesentlich gewonnen. Sie würden heute weder ein Handytelefonat noch eine Wettervorhersage machen können, wenn es die Raumfahrt nicht gegeben hätte. Wenn wir in sehr extreme Welten eindringen, werden wir auch technologisch extrem herausgefordert. Und das findet immer ein Feedback in den Technologien, die wir auf der Erde verwenden.
Was kann man mit der Begehung eines anderen Planeten für die Erde erreichen, abseits von den von Ihnen genannten Begleitinnovationen?
Spohn: Wissenschaftliche Erkenntnis hat für sich genommen einen Wert. Aber indem wir die anderen Planeten erkunden, können wir auch unsere Erde besser verstehen. Wenn Sie zum Beispiel die Venus angucken oder auch den Mars, können Sie dort etwas über die Klimaentwicklung lernen, denn auf beiden Planeten sind Treibhauseffekte im Gang. Forschung geschieht ja sehr oft im Vergleich. Das heißt, wenn Sie einen Körper erforschen, dann möchten Sie wissen, wie ein ähnlicher Körper unter anderen Bedingungen funktioniert hat, um Ihre Schlüsse zu ziehen. Das können Sie in der Planetenforschung und in der Geoforschung machen, indem Sie die Erde mit dem Mars oder mit der Venus vergleichen. Darüber hinaus können Sie auch in weiter entfernte Teile des Sonnensystems vordringen.
Braucht man dafür zwangsläufig die bemannte Raumfahrt?
Spohn: Nein, die bemannte Raumfahrt ist in den seltensten Fällen rein wissenschaftlich getrieben. Die Wissenschaft könnte die Dinge wahrscheinlich ohne Weiteres robotisch erledigen. Wobei man auch sagen muss, dass ein trainierter Wissenschaftler auf dem Mond oder auf dem Mars heute noch bessere Leistungen bringen kann als die besten Roboter, die wir zurzeit haben. Der Wissenschaftler bringt ein ausgebildetes wissenschaftliche Auge und seine Erfahrung mit.
Die bemannte Raumfahrt ist in den seltensten Fällen rein wissenschaftlich getrieben.
Aber das ist nicht der alleinige Grund für bemannte Missionen…
Spohn: Nein, das wird von einem sehr viel breiteren Interessenspektrum getrieben, bei dem auch wieder dieses Entdeckergen zum Tragen kommt – neben raumfahrtpolitischen und wirtschaftspolitischen Aspekten.
Was die Mondfahrt angeht, weiß man, dass das im Prinzip ein Produkt des Wettrennens der beiden Supermächte im Kalten Krieg gewesen ist und es nicht unbedingt darum ging, dass man jetzt unbedingt den Mond erforschen wollte.
Wird es ein nächstes Wettrennen im All geben?
Spohn: Die großen robotischen Missionen werden heute in gemeinsamer Anstrengung zwischen Europa und Amerika unternommen, auch Japan ist ein großer Player auf dem Gebiet. Deshalb glaube ich, dass der Flug zum Mars – das wäre das nächste bemannte Ziel – eher als ein gemeinsames, globales Unternehmen gemacht werden könnte. Auch wenn es eine Utopie ist. Schon der berühmte Astronom Carl Sagan hat in den 90er Jahren, als die Blöcke begannen sich aufzulösen, vorgeschlagen, dass der Ostblock und der Westen ein gemeinsames Unternehmen Marsfahrt machen sollten.
Sie glauben also nicht daran, dass es zu einem neuen Wettkampf im All kommt?
Spohn: Ich kann im Moment keinen Sinn in einem Wettrennen sehen. Dazu müsste für die Privatwirtschaft deutlicher erkennbar sein, was der unmittelbare wirtschaftliche Nutzen ist. Schließlich ist die Privatindustrie immer sehr stark an einem greifbaren Nutzen interessiert. Staaten können diesbezüglich etwas langfristiger und etwas philosophischer denken. Vielleicht sind wir im Moment einfach nicht phantasievoll genug, um uns vorstellen zu können, was irgendwann einmal der unmittelbare Nutzen sein könnte. Wenn sich daran etwas ändert, kann es natürlich zu einem Wettrennen kommen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, ins All zu fliegen: Würden Sie es tun?
Spohn: Ich würde persönlich schon ganz gerne ins All fliegen, aber ich mache mir im Augenblick keine Illusionen darüber, dass das in meiner restlichen Lebenszeit noch möglich sein wird. Die Astronauten, die wir heute haben, sind ja Pioniere und als solche müssen sie besonders trainiert sein. Sie müssen besondere Eigenschaften haben, über die ich zum Beispiel mit meiner Brille schon mal gar nicht verfüge. Ich verfüge auch nicht über die Mittel wie mancher Industrieller oder reiche Mensch in den USA, der sich für einige zehn Millionen Euro einen Flug zur ISS kaufen kann. Insofern muss ich das für mich leider ausschließen. Aber tun würde ich es trotzdem gerne.