Tobias, in der WDR-Produktion "Ein Leben lang kurze Hosen tragen", die vor kurzem in der ARD zu sehen war, hast du den jugendlichen Kindermörder Jürgen Bartsch gespielt, der in den 60ern vier schulpflichtige Jungen missbraucht und ermordet hat. Basierend auf privaten Aufzeichnungen und Briefen rekonstruiert der Film den Werdegang des Jürgen Bartsch und lässt ihn als 26-jährigen in einer fiktiven Therapiesitzung seine Lebensgeschichte erzählen. Was hat dich an diesem Projekt gereizt?
Schenke: Ich fand es ziemlich spannend einen Triebtäter zu spielen. Wenn man Schauspieler ist, freundet man sich gerne auch mal mit perversen Leuten oder Charakteren an, vor denen andere Leute vielleicht Angst haben. Es macht Spaß einen Menschen zu spielen, der kleine Jungs ausgeweidet hat, auch wenn das vielleicht komisch klingt. Das ist eine große Herausforderung! Natürlich ist das alles keine schöne Sache und wenn ich mich selbst in der Rolle sehe, was ich da sage und wie ich mich verhalte, bin ich auch teilweise ziemlich erschrocken; während den Dreharbeiten lässt man diese Grausamkeit aber nicht so an sich heran. Ich muss die Rolle ja spielen und darf keine Berührungsängste vor dieser Person haben.
Für das Spielen der Rolle musstest du dich in die Psyche eines Kindermörders hineinversetzen und dir seine grausamen Taten vergegenwärtigen. Inwiefern stößt man da an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit?
Schenke: Na ja, eigentlich eher weniger! Jürgen Bartsch erzählt ja, bis auf einige Ausnahmen, seine Geschichte ziemlich kühl und emotionslos und genau das wollte ich deutlich machen und selbst die emotionsgeladenen Momente waren nicht wirklich schwer zu spielen, sondern sehr schön! So etwas eröffnet dir immer viele Möglichkeiten und du bekommst Spaß am Spielen.
Hat dich diese Kühlheit und Gleichgültigkeit des Jürgen Bartsch nicht teilweise erschreckt?
Schenke: Nein, erschrecken tut mich das nicht! Ich kann das schon verstehen, dass er das alles in so einer Weise erzählt. Er ist ja mit diesem Thema nochmal ganz anders umgegangen als viele andere Triebtäter es tun würden. Im Endeffekt tun ihm seine Taten ja auch sehr leid und er denkt im Laufe der Jahre auch viel über sich und seine Taten nach, aber kann diese Reue eben nur sehr schwer rüberbringen. Er wollte das ja alles nicht, sondern hatte einen Trieb den er selber nicht steuern konnte. Der Mensch an sich erschreckt einen schon, wie er sich verhält aber eher nicht!
Nach eigenen Angaben hatte Jürgen Bartsch zu Lebzeiten unter seiner dominierenden Mutter und dem allgemeinen Desinteresse des Vaters gelitten, so etwas wie "wahre Elternliebe" hätte es nicht gegeben. Die Liebe die suchte er sich schließlich bei minderjährigen Jungen. Welches Verhältnis hast du während der Einarbeitungszeit zu der Person "Jürgen Bartsch" entwickelt?
Schenke: Ich habe versucht, mir durch das Lesen und Anschauen von Dokumentationen ein Bild von dieser Person zu machen, aber trotz aller Vorbereitung ist er für mich ein fremder Mensch geblieben und all das was ich über ihn herausgefunden habe, reicht noch lange nicht, um einen Menschen wie ihn beurteilen und einschätzen zu können. Du kannst seine Handlungen vielleicht besser nachvollziehen und dir wird klar, was er alles durchmachen musste, in welcher Umgebung er gelebt hat und denkst dir irgendwann, dass es vielleicht doch nicht nur der Trieb war, der ihn letztendlich zum Kindermörder gemacht hat.
Aber andererseits war Jürgen Bartsch auch nicht der einzige Junge, der unter der Dominanz seiner Mutter leiden musste und auch nicht der einzige, der in den Arbeitervierteln im Ruhrpott der 60er Jahre aufwuchs.
Schenke: Das stimmt! Klar spielt sein Trieb auch eine entscheidende Rolle, nur hat die Erziehung und sein Umfeld die ganze Situation noch verschärft. Ich glaube im Umgang mit Jürgen Bartsch wurden viele Fehler gemacht. Anstatt therapiert zu werden, saß er jahrelang in dieser Heilanstalt, die ihm dann letztendlich aber gar keine Heilung gebracht hat.
Glaubst du, dass auch heutzutage noch viele Fehler im Umgang mit solchen Menschen gemacht werden?
Schenke: Ja, auf jeden Fall! Davon mal abgesehen, finde ich sowieso, dass unser Rechtssystem komisch eingerichtet ist. Es kann einfach nicht sein, dass ein Vergewaltiger leichter bestraft wird, als einer der bunte Bilder an die Wand sprüht!
Wenn du dir ein politisches System wünschen könntest, für welches würdest du dich entscheiden?
Schenke: Also, bestimmt nicht für den Sozialismus, auch wenn ich diese Gedanken immer noch am menschlichsten finde! Ansonsten orientiere ich mich wenig an politischen Richtungen, die ich vielleicht gerne hätte und für die ich mich engagiere. In der Politik ist es immer schwer zu beurteilen, wer da jetzt Recht hat und wer nun die wenigsten Lügen verbreitet. In der Politik werden immer viele Fehler, aber wiederum auch viel richtig gemacht. Ich bin da eher so’n Mensch, der sich Religionen anschließt oder besser gesagt, immer noch die richtige für sich sucht. Ich halte zum Beispiel den Buddhismus für eine sehr wichtige Religion und Lebensweise, die auch politisch verankert werden sollte!
Könntest du dir vorstellen, wie es zum Beispiel der US-Star Richard Gere getan hat, einmal in den Buddhismus überzutreten?
Schenke: Nein, das ist eh immer so’n komischer Quatsch! Ich lebe hier in Berlin, gehe auf Goa-Partys und spreche auch mit Katholiken. Ich bin nicht so’n Typ der von sich behauptet Buddhist zu sein, nur weil er ab und zu meditiert. Es gibt genug Spinner, die so was von sich behaupten, nur haben die meisten von denen überhaupt keine Ahnung, was Buddhismus wirklich ist. Klar hat Richard Gere den Dalai Lama besucht und sich auch mit der Lehre beschäftigt, aber im Endeffekt war das auch nur eine billige PR-Nummer!
"Ein Leben lang kurze Hosen tragen" wurde kürzlich in der Kategorie "Bester Schnitt/Spielfim" mit dem "Deutschen Kamerapreis 2003" ausgezeichnet, bekam desweiteren den "Levi’s First Feature Award 2003 " für den besten Debutspielfilm im Rahmen des "San Francisco International Lesbian & Gay Festival 2003" und wird dort demnächst auch landesweit in den Kinos laufen. Ist Tobias Schenke demnächst auch in den USA ein Star?
Schenke: Das brauchst du mich nicht fragen, ich hab die Information ja selber erst vor ein paar Tagen bekommen und weiß gar nicht, was da jetzt genau läuft. Ich glaube aber nicht, dass ich jetzt ein großer Star in Amerika werde, nur weil der Film in San Francisco’s Kinos läuft.
Würdest du in die USA auswandern, wenn entsprechende Angebote kommen?
Schenke: Jein, kann ich noch gar nicht genau sagen. Ich bin auf jeden Fall ein reiselustiger Mensch und möchte irgendwann auch aus Deutschland raus; obwohl USA politisch gesehen da auch nicht gerade mein Traumland ist; aber was den Job betrifft, könnte glaube ich keiner Nein sagen, wenn er diese Chance bekommen würde. Auf der anderen Seite will ich aber auch nicht als kleiner langweiliger europäischer Schauspieler in Amerika verkommen und dann irgendwann nur noch Nazis spielen! Das gute an Deutschland ist, dass ich hier alles ausprobieren kann und das ist mir sehr wichtig!
Stört dich dieser große Unterscheid, der oft zwischen amerikanischen und deutschen Schauspielern gemacht wird?
Schenke: Es muss definitiv Stars geben! Das ist so ein Phänomen, das in anderen Ländern viel besser funktioniert als hier in Deutschland. Hier ist es egal ob du jetzt im Kino, in der Soap, im Theater oder sonst wo spielst; das ist alles eine Soße! Wirkliche Stars gibt es in Deutschland nicht! Die Amis aber, zum Beispiel, machen auf der einen Seite zwar verständlich, dass Willl Smith und Co auch ganz normale Menschen sind, aber letztendlich schaffen sie es trotzdem immer, ihre Lieblinge auf ein Treppchen zu heben oder zumindest so unantastbar zu machen, dass es halt Stars sind.
In der Kinoproduktion"Der letzte Lude" hast du den Jungschauspieler Timo gespielt, der sich, um für eine Filmrolle zu lernen, auf den Hamburger Kiez begibt und nun von Möchtegern-Zuhälter Andy Ommsen in die Rotlichtwelt eingeführt werden möchte, was logischerweise nicht ohne Zwischenfälle abläuft. Der Film gilt als absoluter Flop und wurde von einem Großteil der Kritiker als "billige, niveaulose und frauenverachtende"-Proletenklamotte bewertet. Was sagst du dazu?
Schenke: Erstmal bin ich stolz darauf, in einem Film mitgespielt zu haben, der solche Kritiken bekommen hat! Wenn irgendwelche Zeitungen schreiben, dass Lotto King Karl für die "Hinrichtung des deutschen Films" verantwortlich ist, dann muss ich doch schon sehr lachen. Das ist ja alles irgendwie so scheiße, dass es schon wieder cool ist! "Der letzte Lude" ist ja von vorne bis hinten blöder Klamauk und will auch gar kein intelligenter Film sein. Das sollten sich Zuschauer und Kritiker bewusst machen!
Woran hat es deiner Meinung nach gelegen, dass der Film ein so gnadenloser Flop wurde?
Schenke: Die Promotion war ganz miserabel! Die Produktionsfirma hat bei der Promotion alles falsch gemacht, was man auch nur falsch machen konnte und auch in der Verwertung wurden schwerwiegende Fehler gemacht. Viele schöne Szenen, die den Film vielleicht auch in ein besseres Licht hätten rücken können, wurden einfach weggeschmissen. Es wurde die ganze Zeit auf diesen ganzen Zoten rumgeritten und dann muss man sich über solche schlechten Kritiken nicht wundern. Der Film selber hat mir aber sehr viel Spaß gemacht und ich habe selten so lustige Dreharbeiten erlebt.
Zusammen mit Jungstars wie Robert Stadlober, Julia Hummer oder Daniel Brühl wirst du oft als "Der junge Wilde" bezeichnet. Ist dieses Image von dir selbstgewählt oder wird es einem von den Medien aufgedrückt?
Schenke: Das haben die Medien erfunden! Ich kenne keinen von uns, der dieses Wort jemals in den Mund genommen hat. Wenn die Presse meint, dass wir die "Jungen Wilden" sind ist es doch cool! Früher waren es halt so Leute wie Benno Fürmann, Florian Lukas, Til Schweiger und Frank Giering und heute sind wir’s halt. Ich glaube das ist auch so’n Generationending und wird sich immer wieder verändern!
Inwiefern bist du stolz auf die Bezeichnung "Der Junge Wilde"?
Schenke: Natürlich bin ich da irgendwie stolz drauf! Ich habe ein schönes Leben und kann mir viele meiner Wünsche erfüllen. Außerdem habe ich in meiner Altersklasse fantastische Kollegen, mit denen ich gerne und oft zusammenarbeite.
Würdest du dich als Rebell bezeichnen?
Schenke: Nein, ich hab‘ ja nicht wirklich was zu rebellieren. Das ist ja auch schwer in der heutigen Zeit, weil es eben schon alles gibt. Ich versuche aber auf jeden Fall alles auszunutzen und auszuprobieren was es so gibt. Ich bin in dieser Hinsicht ein sehr extrem lebender Mensch ….
Gelegentlich auch zu extrem?
Schenke: Ja, manchmal schon!
Es macht Spaß einen Menschen zu spielen, der kleine Jungs ausgeweidet hat, auch wenn das vielleicht komisch klingt.
Wie äussert sich das?
Schenke: Na ja, dass es mir danach halt ziemlich scheiße geht. Ich hab in meinem Leben bisher viel ausprobiert um einfach weiterzukommen und solange man nicht kleben bleibt, finde ich das ja auch völlig in Ordnung. Ich lebe ein bisschen anders und das ist auch gut so.
Stört es dich eigentlich, dass um die Legalisierung von Hasch weiterhin so eine große Diskussion betrieben wird?
Schenke: Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass Kiffen verboten ist. In Berlin kiffe ich ohne Bedenken auf der Straße oder in irgendwelchen Kneipen und fühle mich dabei überhaupt nicht bedrängt von irgendwelcher Polizei. Natürlich passt man in München vielleicht ein bisschen mehr auf, aber in Städten wie Berlin, Köln oder Hamburg lässt sich das alles wunderbar machen. Außerdem ist es ja auch ganz spannend, mal irgendwas verbotenes zu tun! Es handelt sich beim Kiffen ja auch um ein Kleindelikt und selbst wenn du mal vors Gericht kommen solltest, passiert dir ja nicht wirklich was.
Was war das Verbotenste, das du je in deinem Leben gemacht hast?
Schenke: Ich habe früher viel gesprüht, die verschiedensten Kräuterchen und Mittelchen ausprobiert und halt mal ne Schokolade oder ’ne Packung Zigaretten geklaut. So richtig kriminelle Sachen habe ich aber nie gemacht. Das war mehr so’n Einstellungs- und Subkulturding.
Im September 2003 musste Hamburgs Innensenator Ronald Schill, nach einem Erpressungsversuch gegenüber Bürgermeister Ole von Beust bezüglich seiner Homosexualität, seinen Posten abgeben. War das ein erfreuliches Ereignis für dich?
Schenke: Ja, das war ein sehr freudiges Ereignis! Ich bin ja Berliner und Hamburg hat mir von außen die ganze Zeit leid getan, als dieser Kaspar da an der Macht war; deswegen finde ich es auch cool, dass er wieder weg ist! Wenn so was in meiner Stadt passieren würde, wär’s definitiv nicht mehr länger meine Stadt. Dann würde ich mich verpissen.
Bereits in der sechsten Klasse hast du dich gegen ein mögliches Abitur entschlossen und es dann schließlich auch bei einem Realschulabschluss belassen. Ein Hausaufgabenheft hast du seit der 7.ten Klasse nicht mehr besessen und warst auch sonst eher selten in der Schule anzutreffen. Was haben deine Eltern damals dazu gesagt?
Schenke: Die brauchten nicht viel sagen, weil ich ja immer relativ gut in der Schule war. Die Sechsen habe ich mir durch fehlende Hausaufgaben geholt, aber ansonsten habe ich immer im Unterricht mitgearbeitet. und hatte auch auf dem Zeugnis keine einzige 5 oder 6. Ich hätte sogar Abitur machen können, aber wegen diesen ganzen Fernseh- und Kinogeschichten habe ich nach dem Realschulabschluss die Schule verlassen.
Robert Stadlober hat, ähnlich wie du, die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen. Über seine Klassengemeinschaft sagt er im Nachhinein, dass er nie wirklich integriert war und es letztendlich auch gar nicht wollte. Wie war dein Verhältnis zu deinen Klassenkameraden während der Schulzeit?
Schenke: Ich war immer der Klassenclown, habe jeden Scheiß mitgemacht und war immer sehr integriert. Egal, ob das jetzt irgendwelche Rechtsradikale, Schläger oder Türken waren; ich bin mit allen irgendwie immer klar gekommen und niemand hat mich blöd angemacht.
Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Klassenkameraden?
Schenke: Nein, da bin ich auch zu nachlässig und außerdem ist das ja auch alles schon wieder sechs Jahre her. Ich habe noch Kontakt zu meinen zwei besten Freunden, die ich aus meiner Schulzeit kenne. Die verstehen das dann auch, wenn ich mich mal ’ne längere Zeit nicht melden kann, weil ich gerade mit Dreharbeiten beschäftigt bin. Diese Freundschaft ist mittlerweile so tief, dass du dich einfach automatisch immer mal wieder meldest und man sich trifft, weil du halt auch wissen willst, wie es denen so geht und was sie gerade machen.
Anfang 2004 kommt der Kinofilm "Kleinruppin Forever" in die Kinos, in dem du den erfolgreichen Tennisspieler Tim spielst, der während eines Schulausfluges in die DDR seinem Zwillingsbruder Ronnie gegenüber steht, von diesem niedergeschlagen wird und nun an seiner Stelle in der DDR verweilen muss, während sein Bruder die "goldenen Zeiten" im Westen genießen kann. Braucht Deutschland nach "Sonnenallee", "Goodbye, Lenin!" und "Herr Lehmann" einen weiteren Retrofilm oder könnte es nicht sein, dass die Zuschauer aus DDR-Übersättigung heraus "Kleinruppin Forever" meiden?
Schenke: Na, dann können wir ja nix für! Wir haben den Film gedreht und meiner Meinung nach ist es der schönste DDR-Film der auf dem Markt sein wird. Warum muss man den Film überhaupt verteidigen? Man soll ihn rauskommen lassen und ich hoffe, dass viele Leute daran teilhaben werden! Das Drehbuch zu "Kleinruppin Forever" war außerdem schon lange vor den anderen DDR-Geschichten fertig, nur ist es nie wirklich zu einer Verfilmung gekommen. Im Endeffekt ist es aber auch völlig egal, ob der Film nun im Osten spielt oder irgendwo in Afrika. "Kleinruppin Forever" erzählt eine wunderschöne Geschichte über Menschen, mit vielen lustigen und auch emotionalen Momenten.
In einem Interview hast du einmal gesagt, deine Familie hätte eine "extreme DDR-Vergangenheit" hinter sich. Zusammen mit Eva-Maria-Hagen, der Mutter von Nina Hagen, Wolf Biermann und Robert Havermann hätte sich deine Oma "revolutionär engagiert, um die Mauer aufzukriegen". Wie kann man sich das genau vorstellen?
Schenke: Na ja, das waren mehr oder weniger die anderen. Meine Oma war deswegen mit in dieser Clique um Robert Havermann, Wolf Biermann und Eva Maria Hagen, weil sie nebenan gewohnt hat und mit der Familie Havermann gut befreundet war. Meine Oma hatte ganz bestimmte Ansichten und war von Anfang gegen die DDR, nur hat sie eben sehr nah an dem Kreis gewohnt, der seinen Unmut gegenüber diesem System geäußert und sich dagegen gewehrt hat. Sie war aber auf keinen Fall eine politische Frontkämpferin oder Revoluzzerin oder so etwas, sondern einfach eine liebe und nette Oma und das ist sie bis heute.
Weiter sagst du, dass eure Familie schon immer "eine sehr politisch verfolgte Familie im Osten " gewesen war. Wie sah diese Verfolgung konkret aus?
Schenke: Wir wurden durch die Stasi bespitzelt ohne Ende! Jeder deiner Schritte wurde aufgeschrieben und die wussten immer Bescheid, wenn du mal wieder irgendeine Scheiße gebaut hast. Die Familie Havermann stand sogar unter Hausarrest, die Straße war abgesperrt und die Bullen standen vor der Tür.
Du warst damals erst sechs Jahre alt. Inwiefern bekommt man da überhaupt etwas von diesen Vorgängen mit?
Schenke: Ich hatte eine total unbeschwerte Kindheit und habe mir darüber überhaupt keine Gedanken gemacht. Solange ich im Wald spielen konnte, war für mich alles in Ordnung. Die ganze Funktionsweise und Geschichte der DDR wird einem erst später bewusst, wenn man soweit denken kann und sich das alles erzählen lässt und weil ich mich dafür interessiere und weil man ja in der Schule darüber gelernt hat. Nachdem die Mauer gefallen ist, haben wir genau das Gegenteil von dem gelernt, was wir davor gelernt haben. Erst haben wir gelernt der Westen ist schlecht und nach dem Mauerfall war’s dann auf einmal die DDR.
Welche Erinnerungen hast du an den Mauerfall 1989?
Schenke: Das war für jede Altersgruppe ein einschneidendes Erlebnis. Auf einmal wurdest du mit Nachbarn konfrontiert, die du vorher nie in deinem Leben gesehen hast und die völlig anders drauf sind als du. Die sind mit Amis aufgewachsen und wir mit den Russen. Das ist ein himmelweiter Unterschied! Wenn ein Westkind von acht Jahren vor mir mit acht Jahren stand, dann gab es grundsätzlich erst mal Meinungsverschiedenheiten. Wir fanden die Wessis immer wahnsinnig arrogant und waren neidisch auf die ganzen Spielsachen, die die hatten.
Kannst du als "Ossi" eigentlich über Parodien wie "Sonnenallee" oder "Goodbye Lenin!" lachen?
Schenke: Ja, ich finde die Filme fantastisch, obwohl ich die sieben Millionen Zuschauer eigentlich eher "Sonnenallee" zugetraut hätte. Die haben genau das veralbert, was veralbert werden muss und auch darf und wo jeder Ossi spießig wäre, wenn er nicht drüber lachen könnte! Ich kann aber jetzt schon mal sagen, dass "Kleinruppin Forever" auf jeden Fall der beste Ostfilm werden wird!
Während den Dreharbeiten zu der Pro-7 Produktion "Nicht heulen, Husky!" im Jahr 2000 in Kanada hast du an drehfreien Wochenende eigene Goa-Partys organisiert. Wie genau lief das ab?
Schenke: Wenn man Goa-Partys in Deutschland kennt, muss man sich die Deko und die Musik einfach in einem riesengroßen, fetten und weiten Land mit Bären, Wölfen, Canyons, Adlern und Flüssen vorstellen, was natürlich die wesentlich geilere Variante ist! Ich habe in Kanada Musiker gefunden, die uns eine dicke fette Anlage zur Verfügung gestellt haben. Wir sind dann in so’n Canyon rausgefahren, haben ’ne kleine Hütte aufgeheizt, draußen zwei Feuer gemacht und haben mit über 150 Leuten die ganze Nacht gefeiert. Das war ziemlich cool!
War Heiner Lauterbach, der ebenfalls eine Rolle in "Nicht heulen, Husky!" gespielt hat, auch dabei?
Schenke: Nein, aber mit Heiner habe ich so viele lustige Abende erlebt. Wir sind zusammen durch den Wald gestapft und haben abends mit den Hillbillys gesoffen.
Heiner Lauterbach hat das Image des unverbesserlichen Machos. Ist da was wahres dran?
Schenke: Na, er ist halt’n Kerl! Wenn Macho ein Schimpfwort ist, dann ist er keiner; wenn es kein Schimpfwort ist, dann ist er einer! Heiner ist einfach ein sehr netter Mensch, der in Kanada richtig aufgeblüht ist. Keine Sau hat ihn erkannt und er konnte mal wieder so richtig Gas geben!
Neben der Schauspielerei hast du nun auch den Sprung ins Musikbusiness gewagt. Mitte dieses Jahres ist deine erste Single "Niemand hat gesagt" erschienen und ein Album ist ebenfalls in Planung. Ist damit ein ganz persönlicher Traum von dir in Erfüllung gegangen?
Schenke: Ja, auf jeden Fall! Ich bin auch sehr dankbar, dass ich meine erste Single "Niemand hat gesagt" produzieren konnte. Dadurch konnte ich viele tolle Menschen und Musiker kennen lernen, mit denen ich jetzt endlich die Musik machen kann, die ich schon immer machen wollte.
In welche Richtung wird sich deine Musik verändern?
Schenke: Ich werde auf jeden Fall wesentlich härtere Musik machen und mich musikalisch total verändern. Ich will einfach geile Musik machen, mit der ich die Leute zum springen und abgehen bringen kann! Irgendwelche Chartplatzierungen sind mir da eigentlich völlig egal!
Wie hat deine Plattenfirma Polydor auf deine neuen Pläne reagiert?
Schenke: Die Vorstellungen von Polydor über die Gestaltung meiner nächsten Singles und dem ersten Album haben sich absolut nicht mit meinen gedeckt und ich habe ihnen gesagt, entweder mache ich die Musik die ich will, oder ich beschränke mich wieder auf die Schauspielerei. Wegen diesen ganzen Veränderungen erscheint das Album jetzt auch erst Anfang 2004.
Würdest du – hättest du nicht schon einen Plattenvertrag – dich bei einer Castingshow wie "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) bewerben?
Schenke: Nee, das würde ich niemals tun! Diese ganze Plastikkacke und besonders "Deutschland sucht den Superstar" kotzt mich total an! Auch wenn es teilweise wunderbare Kompositionen sind, ist diese Musik viel zu billig gemacht! Die einzige, die sich da noch ein bisschen von den anderen abhebt ist Vanessa, die ja nicht nur mit Dieter Bohlen arbeitet, sondern auch mit vielen anderen Produzenten und sowieso soundmäßig wesentlich mehr drauf hat als Alex, Juliette und wie sie alle heißen!
Was hältst du von Daniel Küblböck?
Schenke: Der tut mir richtig leid! Daniel ist jetzt 17 Jahre alt, weiß mit seiner Sexualität und seinen Gedanken absolut nicht wohin und gehört, meiner Meinung nach, auf keinen Fall in die Medienwelt, sondern in therapeutische Behandlung! Dieser ganze Rummel macht den Jungen doch total fertig. Wenn er auf allen möglichen Bühnen ausgebuht wird, anfängt zu heulen und dann trotzdem noch von seinem Management von Auftritt zu Auftritt gejagt wird, würde es mich nicht wundern, wenn er sich irgendwann mal umbringt.
Und Dieter Bohlen?
Schenke: Dieter Bohlen tut mir überhaupt nicht leid! Er ist lange genug in dem Geschäft, hat genug Selbstbewusstsein und weiß, wie er mit den Medien umgehen muss. Letztendlich macht er aber auch diese Plastikkacke und irgendwie finde ich ihn auch wieder scheiße dafür. Ich würde mich definitv nie auf ein Geschäft mit ihm einlassen!
Robert Stadlober ist neben der Schauspielerei Frontman seiner eigenen Rockband "GARY". Könntest du dir einen gemeinsamen Auftritt mit ihm vorstellen?
Schenke: Ich schon, aber er ist glaube ich noch nicht so weit. Wir unterscheiden uns ja schon durch die Musikrichtung – Robert macht englischsprachige und ich deutsche Musik. Robert muss erst mal sehen, dass ich auch härtere Musik machen kann und dann werden wir weiter sehen.