Tobias Schlegl

Für einen Satiriker ist Schwarz-Gelb ein dankbares Geschenk.

Moderator Tobias Schlegl über die Satiresendung „extra 3“, Ehrlichkeit im NRW-Landtagswahlkampf, zivilen Ungehorsam und seinen Giftschrank mit alten Sendungen aus VIVA-Zeiten

Tobias Schlegl

© NDR/Britta Kohl

Tobias, du bist 2008 für die Sendung „extra 3“ nach Hamburg gezogen und auch dort gemeldet, oder?
Schlegl: Ja, das ist richtig.

Gebürtig kommst du aus Köln. Am 9. Mai findet nun die Landtagswahl in NRW statt – bist du traurig, dass du nicht mitwählen kannst?
Schlegl: (lacht) Nee, denn jetzt bin ich ja noch unabhängiger denn je und kann das Ganze so ein bisschen von außen kommentieren, natürlich auch böse und süffisant, so wie wir das immer bei „extra 3“ machen. Das Ganze hat ja eine bundesweite Bedeutung, das ist ja nicht nur eine normale Landtagswahl. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nicht wählen muss, denn in diesem Falle wüsste ich auch gar nicht, wen ich da wählen soll.  Die Aussagen, die da vorher gemacht werden, gelten eh nicht.

Laut dem April-Trend von infratest dimap ergibt sich weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün eine Mehrheit. Möglich wären nur die Große Koalition, Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün. Mit welcher Koalition rechnest du?
Schlegl: Wenn die Meinungsforscher das schon nicht sagen können, kann ich das erst recht nicht sagen. Ich kann es aber ja mal aus der Sichtweise kommentieren, was für unsere Sendung schöner wäre. Ein dankbareres Geschenk als Schwarz-Gelb kann man sich momentan für einen Satiriker nicht vorstellen. Deshalb wäre es schon nicht schlecht, wenn die die Mehrheit im Bundesrat behalten. Dann hätte Frau Merkel keine Ausreden mehr. Das ist aber keine Wahlempfehlung (lacht).

Du hast den amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers in deiner Sendung „extra 3“ bezogen auf die Sponsoring-Affäre der NRW-CDU „Callboy Rüttgers“ genannt. Er beteuerte jedoch immer wieder keine Kenntnis von den Sponsoring-Aktionen gehabt zu haben. Für wie ehrlich hältst du Rüttgers?
Schlegl: Da kann man ihn ja in eine Reihe stellen mit all den anderen Menschen, die gerade auch ganz viel leugnen, zum Beispiel in der katholischen Kirche. Wir fanden das nicht wirklich ehrlich, dass nur der Generalsekretär Hendrik Wüst davon gewusst haben will, und die gesamte Verantwortung auf sich gezogen hat. Durch seinen Rücktritt wurde er so zu einem Bauernopfer gemacht. Dass der Chef von diesen ganzen Aktionen nichts mitbekommen haben will, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Deshalb mussten wir das auch so hart kommentieren.

Ist denn so ein Opfer-Verhalten, wie im Falle des nordrhein-westfälischen CDU-Generalsekretärs Hendrik Wüst, in deinen Augen nachvollziehbar?
Schlegl: Es ist natürlich ein einfaches Mittel, um die Leute ruhig zu stellen. Wir lassen uns aber nicht ruhig stellen, und finden uns nicht damit ab, dass man Hendrik Wüst in die Wüste geschickt hat. Ich als Rheinländer weiß, dass man sich alles erlauben kann, in Köln wird ja auch viel geklüngelt, halt so unter der Hand abgemacht. Aber wenn du einmal den Stempel der Käuflichkeit hast, ist das ganz schlimm. Dann bist du definitiv nicht wählbar. Der Rheinländer an sich kann das, glaube ich, nicht vergessen.

Rüttgers sorgte ja bereits bei der Landtagswahl 2000 mit seinem Statement „Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer“ und bei der Bundestagswahl 2009 mit der Aussage, rumänische Arbeiter seien faul und unzuverlässig, für Aufsehen. Wie erklärst du dir, dass trotz all dieser Skandale laut infratest dimap immer noch 38 Prozent der Wähler Rüttgers ihre Stimme geben würden?
Schlegl: Er ist einfach ein geschickter Populist. Der fängt links wie rechts die Stimmen, als Arbeiterführer links und als derber Sprücheklopfer rechts. Der kann sozusagen alles – jedenfalls mit dem Mund. Es ist traurig, dass viele immer noch darauf reinfallen. Aber Frau Kraft (Spitzenkandidatin der SPD, d. Red.) hat da ja auch kräftig mitgemacht und ins gleiche Horn geblasen, als sie vorgeschlagen hat, dass man doch Hartz-IV Empfänger zum Vorlesen in Altenheimen verdonnern sollte. Da ist Rüttgers nicht alleine. Aber dass er ein Populist ist, sollte man wissen, bevor man ihn wählt.

Bis auf den Hartz-IV-Vorschlag ist Hannelore Kraft im Wahlkampf aber bisher ja eher blass geblieben…
Schlegl: Ja, deshalb hat sie probiert auch mal in die Medien zu kommen. Der Schuss ist aber komplett nach hinten losgegangen. Bei einem lauten Rüttgers sollte man lieber mal leise bleiben. Wir haben ja bei Westerwelle gesehen, dass das Motto Angriff auch nicht wirklich funktioniert und eher negative Auswirkungen hat.

In einem Interview sagte Rüttgers nun kürzlich: „Eines meiner großen und wichtigen Projekte der nächsten Legislaturperiode ist der Bau der zweiten Energieschiene mit dem massiven Ausbau regenerativer Energien.“ Wird Rüttgers jetzt ein Öko?
Schlegl: Dass ist mittlerweile das Schöne, dass selbst die unternehmensfreundlichen Herren, die damals noch die Öko-Langhaarfuzzis massiv bekämpft haben, heute merken, dass sich Umweltschutz einfach rechnet. Das ist das Prinzip der Nachhaltigkeit, die ja probiert, Ökologie und Ökonomie zusammen zu bringen. Rüttgers hat wohl endlich mal begriffen, dass die Energiefrage in Zukunft gelöst werden muss, und dass er da eigentlich keine Wahl hat. Das finde ich natürlich gut. Es gibt dazu ja den passenden Bela B.- Song „Es gibt kein Schwarz und Weiß mehr“, also so einfach ist das alles nicht mehr. Es gibt nicht mehr die Bösen und die Guten. Man kann nur konkrete Handlungsweisen bewerten. Deshalb schießen wir in unserer Sendung ja auch nach links und nach rechts. Da kriegt jede Partei ihr Fett weg. Man wird letztendlich sehen, wie ernst Rüttgers diese Ankündigung meint, oder ob das nur wieder so ein Maulheld-Spruch ist. Soweit ich jedoch weiß, sind alle CDU-Menschen gerade dabei, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern, gerne auch auf insgesamt 60 Jahre. Das sieht auf jeden Fall nicht nach ernsthaftem Umweltschutz aus.

Du hast eben gesagt, dass sich heute alle Parteien vermischt haben. Gibt es trotzdem eine Partei, in der du dich am besten wieder findest?
Schlegl: Da kann ich natürlich nichts zu sagen. Das wäre ein Grund mich zu feuern. (lacht) Ich habe noch nie was für eine Partei gemacht, mich für sie öffentlich engagiert oder etwas moderiert. Das wird auch so bleiben.

Aber wen hast du gewählt, bevor du zu „extra 3“ gekommen bist?
Schlegl: Auch dazu keinen Kommentar. Ich kann nur sagen, dass ich ja privat sehr engagiert bin, und unter anderem Mitglied bei Attac bin. Das mache ich aber auch nur unter der Hand öffentlich. Damit gehe ich jetzt nicht groß hausieren.

Du bist also eher der NGO- statt der Partei-Typ?
Schlegl: Ja, ich bin ja auch der, der drei Jahre im Rat für Nachhaltige Entwicklung gesessen hat, da groß geworden ist, und daraufhin parallel auch schon an Dokumentationen und Büchern gearbeitet hat. Ja, ich bin eher der NGO-Typ, um es auf den Punkt zu bringen.

Für deine NDR-Dokumentation „Schlegl sucht die Wahrheit“ bist du 2009 zum G8-Gipfel nach L’Aquila gereist und hast festgestellt, dass man aber selbst unter den Demonstranten, also wo man glaubt sich wieder zu finden, bedroht werden kann. Du bist dann enttäuscht abgereist…
Schlegl: Ja, die Protestler sind eben auch nicht zwangsläufig die Guten. Diese Protestgruppe war so zersplittert, die haben sich lieber gegenseitig untereinander bekriegt, als dass sie zusammen ein Zeichen setzen und auflaufen. Man hat ein Ziel, aber man kann nicht miteinander, weil man eben anders heißt und aus unterschiedlichen Gruppen kommt, obwohl  man eigentlich gleich denkt. Das habe ich nicht verstanden, und körperliche Gewalt anwenden geht auch gar nicht. Da hat man gleich verloren. Das spricht nicht für guten, intelligenten, subversiven Protest. Wir wurden ja richtig bedroht, da hieß es dann, gleich würde ich keine Zähne mehr haben, und die sind martialisch auf unsere Kameras zugekommen. Ab diesem Moment war ich dann auch raus und war echt enttäuscht und auch erschrocken.

Du hast eben angesprochen, dass du Mitglied bei Attac bist. Außerdem unterstützt du die Verbraucherorganisation Foodwatch. Wie weit darf Protest gehen? Wo würdest du da die Grenze ziehen?
Schlegl: Ich bin ein großer Freund des zivilen Ungehorsams, das sieht man ja auch bei „extra 3“, wenn ich zum Beispiel mit einem Panzer durch Berlin fahre oder mit einem riesigen Schwamm durch Osnabrück laufe und die katholische Kirche reinwaschen will. Neulich haben wir auch für die Bundeswehr gesammelt, weil die so eine schlechte Ausrüstung hat, und in Rendsburg, wo die Flieger nach Afghanistan rüber fliegen, haben wir denen dann unsere gesammelten Spenden mit einem Kipplaster vor die Tür geknallt. Die Soldaten waren in heller Aufruhr. Ich glaube aber das geht noch. Wir haben eine halbe Stunde Stau verursacht. Das war ziviler Ungehorsam. Das ist aber auch so eine Grauzone. Das war schließlich  Sperrgebiet und eigentlich auch nicht erlaubt. Wir haben aber nichts zerstört und erst recht kein Menschenleben gefährdet. Da hört dann auch der Spaß auf. Das ist die absolute Grenze. Protest sollte Zeichen setzen und symbolisch sein, und dazu muss man auch mal an die Grenze gehen. Wenn es aber zu Zerstörung kommt, bin ich raus. So etwas mache ich nicht mit.

Zitiert

Ich bin ein großer Freund des zivilen Ungehorsams.

Tobias Schlegl

Gab es denn Aktionen von Attac, die du im Nachhinein als zu heftig empfunden hast?
Schlegl: Nee, wenn bei Demos etwas passiert und es in den Medien dann wieder heißt: „Die linken Autonomen haben Steine geworfen!“ – das sind ja nicht die von Attac, sondern meist spezielle Krawallmacher, die sich im schwarzen Block verstecken. Die werden ja auch nicht von Attac unterstützt. Das finden die natürlich absolut nicht hilfreich, dass die dadurch negative Presse bekommen. Attac ist gut im zivilen Ungehorsam – die machen Lärm, die blockieren Dinge, bemalen etwas, aber das ist ja nicht gewalttätig. Das beste Symbol bei einer Anti-Nazi-Demo ist halt einfach, sich auf die Straße zu setzen, um so zu verhindern, dass die Nazis öffentlichen Raum bekommen. Das hat bisher auch immer sehr gut funktioniert. Da muss man nicht zum Mittel der Gewalt greifen.

Jetzt haben ja so Gruppen wie Attac immer noch so ein bisschen mit dem Image zu kämpfen, aus verzottelten Langzeitstudenten zu bestehen. Woher kommt dieses Image? Warum ist dieser Protest in den Augen vieler Jugendlicher „uncool“?
Schlegl: Da habe ich eher genau den gegenteiligen Eindruck, weil ich mittlerweile finde, dass die Menschen aus dem NGO-Bereich gar nicht mehr dieses Zottelmonster-Klischee erfüllen, sondern eher als Menschen wahrgenommen werden, die als einzige begriffen haben, was wirklich vor sich geht. Stichwort „Finanzkrise“ – das haben die Attac-Leute ja schon vor zehn Jahren vorhergesagt, und damals schon die Maßnahmen gefordert, zu denen heute auch die Politik greift. Attac wird ja mittlerweile auch von der Politik zu Rate gezogen. Ich glaube, dieses Klischee gibt es gar nicht mehr. Ich hoffe im Gegenteil sogar sehr, dass diese ganzen NGOs von Greenpeace bis Attac nicht zu bürgerlich werden. Stichwort „Die Grünen“ – also, dass man plötzlich spießiger wird als die CDU und nur noch die Besserverdienenden in seinen Reihen hat und so eine Art Luxus-Protest macht. Die NGOs sind aber trotz allem immer noch in einer Nische. Ich glaube es ist aber auch generell schwer, junge Menschen für Protest, Aufstehen und Haltung zeigen zu begeistern, denn dazu muss man sich bilden, viel lesen, dafür muss man sich mit Politik auseinandersetzen. Es ist aber ein hartes Brett, da irgendwie hinter die Kulissen zu gucken und sich eine Meinung zu bilden. Das ist immer eine Nische, so wie „extra 3“ auch eine Nische ist, eben für Leute, die sich auch für Politik interessieren. Ansonsten versteht man die Gags auch gar nicht.

Man wirft jungen Menschen ja oft vor, zu pragmatisch zu sein, aber durch die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge und der damit verbundenen zeitlichen Mehrbelastung bleibt ja für Protest kaum noch Zeit…
Schlegl: Das ist ja geschickt vom System gemacht, wenn man die Jugend so einbindet, dass sie keine Zeit mehr hat, sondern sich in der Freizeit erholen muss, damit sie dann weiter funktionieren kann. Damit hat man den Menschen geschickt ruhig gestellt. Das ist schlau, aber es wird immer welche geben, die das nicht auf sich sitzen lassen. Das hat man ja auch an den bundesweiten Hochschulstreiks gemerkt. Da passiert schon eine Menge.

In der letzten Zeit hat man aber eher das Gefühl bekommen, als wenn der Protest eingeschlafen wäre…
Schlegl: Ja, die Studenten haben sich so ein bisschen von der Politik umarmen lassen, insbesondere von Frau Schavan, die jetzt viel versprochen hat. Das ist ja auch okay. Es gab viele Proteste, da kann man ruhig mal ein bisschen abwarten, was jetzt passiert. Die Gefahr ist aber, dass man sich einlullen lässt. Man muss sich ein Zeitfenster setzen, und wenn bis dahin nichts passiert ist, so wie es im Moment aussieht, weil eben nur an kleinen Stellschrauben gedreht wurde, dann muss man wieder ordentlich auf die Straße gehen. Das hat ja auch was gebracht, wenn auch erstmal nur Aufmerksamkeit.

Ist Politik deiner Meinung nach ein schmutziges Geschäft?
Schlegl: Na klar! (lacht) Deshalb ist das auch nichts für mich. Ich würde mich da nie wieder finden, weil ich oft Sachen vertuschen und auch mal die Unwahrheit sagen müsste. Dafür ist mein Moralorgan zu groß ausgebildet.

Politik- oder Medienbranche –  welche ist schmutziger?
Schlegl: Ich glaube, die tun sich da beide nicht viel (lacht). Ich glaube, für beide Parteien ist in der Hölle schon ein Platz reserviert. Die sind da beide auf einer Ebene. Es gibt aber Gott sei Dank auch noch Journalisten, die sich nicht durch irgendwelche Journalistenrabatte bestechen lassen, und zu denen möchte ich auch immer gehören. Ich versuche auf jeden Fall immer so zu handeln.

Du hast mal gesagt, die einzigen Sendungen, die du im Fernsehen gucken könntest, wären die „Simpsons“ und „extra 3“…
Schlegl: (lacht herzlich) Ja, das ist auch immer noch so geblieben. Ich gucke aber natürlich auch viele Nachrichten, und da muss ich die öffentlich-rechtlichen Sender echt mal loben. Das ist ein Gut, dass ich so nirgendwo anders finde. Wenn man die RTL 2-News mit der „Tagesschau“ vergleicht, stellt man schon extreme Unterschiede fest. Auf RTL 2 ist dann eben der erste Beitrag über Leonardo diCaprio und sein neues Top-Model – das ist schon echt erschreckend und ganz schlimm. Ich gucke auch gerne Magazine wie „Panorama“ und finde es gut und wichtig, dass die immer viel aufdecken und da nie locker lassen. Zum Beispiel sind die gerade mal nach Bangladesch gefahren, um zu gucken, wo denn überhaupt die Mode für KIK hergestellt wird.

Dein Einstieg in die Medienbranche war alles andere politisch: 1995 wurdest du im Alter von 17 Jahren als neuer VIVA-Moderator ausgewählt – wie ist das für dich, wenn du dir die alten Aufnahmen heute ansiehst?
Schlegl: Das tut schon ein bisschen weh, also ganze Folgen von „Interaktiv“ kann ich mir nicht mehr ansehen. Da muss man schon schmerzfrei sein (lacht). Man muss das aber immer in den Kontext einordnen. Mit 17 war ich damals der jüngste VIVA-Moderator, war da plötzlich drin, hatte Kameraangst, wusste nicht damit umzugehen und musste mich erstmal zu Recht finden. Ich hatte ja damals, auch wenn man das nicht denkt, wenn man so die ersten Aufnahmen sieht, schon eine Punk-Band, durchaus auch mit politischen Texten. Das Gute an VIVA war aber auch, dass man mir die Zeit gegeben hat, die ich brauchte, um mich da selbst zu finden und einzuordnen. Zwei Jahre später sah das dann schon ganz anders aus. Da konnte ich dann auch satirisch an Promigeschichten rangehen. Ich bin VIVA sehr dankbar für diese Chance, aber nicht dankbar, dass man diese Ausschnitte immer noch im Internet sehen kann (lacht).

Hast du denn die alten VIVA-Sendungen für dich persönlich aufgehoben?
Schlegl: Es gibt so eine Art Giftschrank in meiner Wohnung, wo ich ein paar Sendungen wirklich habe, aber die habe ich nur, um sie mir in 20 Jahren mal mit Kumpels anzugucken, aber auch erst nachdem wir 20 Jägermeister getrunken haben (lacht). Das mache ich auf jeden Fall, spätestens zu meinem Sechzigsten. Den Spaß gönne ich mir dann.

Wie politisch warst du als Jugendlicher in dieser VIVA-Zeit?
Schlegl: Wenn man ein Freund der Punkmusik ist, weiß man auf jeden Fall, was man nicht gut findet, und das ist eigentlich alles  (lacht). Man weiß alles, was man nicht will, aber man weiß nicht, was man wirklich will. Das war so die politische Einstellung damals. Und dann muss man halt langsam gucken, für was man sich eigentlich einsetzen will. Ich finde es ja überhaupt schon mal gut, wenn man zornig ist. Ich finde es ganz schlimm, wenn Menschen keinen Zorn auf bestimmte gesellschaftliche Zustände empfinden. So passiert das ja auch in unserer Sendung. Wir setzen uns zusammen und jeder erzählt was ihn in der vergangenen Woche aufgeregt hat. Dann versuchen wir der Sache nachzugehen und was zu unternehmen.

Wie politisch ging es denn früher im Hause Schlegl zu?
Schlegl: Es wurde um 20 Uhr immer die „Tagesschau“ geguckt – das war Standard. Meine Familie war ein bisschen Arbeiterklasse – mein Vater Betriebswirt, meine Mutter Kindergärtnerin. Es war nie viel Geld da, aber immer genug, um alles zu haben. Ich hatte aber nie Markenklamotten an und wir sind nie weit weg in den Urlaub gefahren. Ich komme aus einem Bereich, in dem man das Geld noch zu schätzen weiß und wo das Sparbuch das höchste ist, was man haben kann. Es hieß dann „Das ganze Geld bitte aufs Sparbuch packen und für schlechte Zeiten aufbewahren!“ Mir ging es damit echt gut, aber es war jetzt nicht so, dass ich mit denen mithalten konnte, die immer die tollsten Schuhe anhatten. Ich hatte so einen Lieblingspulli, den ich dann auch so lange getragen habe, bis er Löcher hatte. Dafür wurde ich dann auch öfters gedisst. Natürlich.

Das wurde durch die Arbeit bei VIVA dann schlagartig anders. Da hast du über die Jahre ja sicherlich einiges verdient…
Schlegl: Ja, das stimmt schon, aber du kennst ja die Sparbuchgeschichte (lacht). Das Gute ist, und das ist auch bis heute so geblieben, dass mich Statussymbole nie wirklich interessiert haben. Ich brauche kein cooles Auto und auch nicht die coolsten Klamotten.

Du hast mal gesagt, dass dir das Shopping-Gen fehle…
Schlegl: Ja, das stimmt. Ich weiß nicht, ich verstehe es nicht. Ich finde es ganz langweilig und ganz schlimm in Einkaufspassagen zu sein. Das ist wie Klaustrophobie bei mir. Da wird mir schlecht und da will ich dann einfach nur weg. Dann muss ich in die Natur und alle sollen mich in Ruhe lassen. Das ist dann vielleicht der Luxus, also dass man dann wegfahren kann – weg von Menschen, um irgendwo Ruhe zu haben. Ich habe eben viel Geld für Reisen ausgegeben. Von meinem ersten Geld, das ich bei VIVA verdient habe, bin ich mit dem Auto und dem Skateboard gemeinsam mit einem Kumpel einmal durch Amerika gereist. Von Los Angeles nach New York.

Kommen wir abschließend zu einem anderen Thema: Seit dem 1.April 2010 bist du nun Botschafter für ungewöhnliche Studiengange der Leibniz Universität Hannover. In zehn kurzen Videoclips stellst du Studiengänge wie Gartenbauwissenschaft, Geodäsie und Elektrotechnik vor. Wie kam es dazu?
Schlegl: Die haben mich einfach angesprochen. Ich hab mich schon so ein bisschen gebauchpinselt gefühlt, dass eine Universität auf mich zukommt, obwohl ich nie studiert habe, weil ja das Fernsehen dazwischen kam. Ich habe mir eigentlich vorgenommen nie Werbung für irgendwas zu machen, aber für eine Bildungsinstitution, die dann auch noch im Sendegebiet von „extra 3“ liegt, finde ich das völlig okay.

Hast du es denn bereut, nie studiert zu haben?
Schlegl: Es ist ja nie zu spät (lacht). Ich habe ja schon bei VIVA immer damit gerechnet, dass meine Fernsehkarriere schnell zu Ende sein würde. Dann hatte ich zwei Pläne – entweder Umwelttechnologie, also richtige Solaranlagen bauen, oder Regie zu studieren. Jetzt sind es schon 15 Jahre TV und ich mache immer schönere Formate. Das Schöne ist aber: Studieren kann man auch noch mit 60 (lacht).

Würdest du rückblickend sagen, es war zu früh mit 17 im Fernsehen anzufangen?
Schlegl: Das kannst du ja nicht planen. Jedem der plant, unbedingt ins Fernsehen zu kommen, dem kann man davon nur abraten, und der sollte lieber was Richtiges studieren, auch wenn ich da jetzt schon wie meine Alten klinge (lacht). Das war damals echt ein Glücksfall. Mein Gesicht hat eben zwei Leuten gefallen. Das war total subjektiv und da kann man sich auch nichts drauf einbilden. Wenn man dann in der Medienbranche ist, muss man natürlich auch noch das passende Format für sich finden. Heute mache ich „extra 3“ und diese Sendung ist wirklich das, was ich schon immer machen wollte. Gleichzeitig darf ich mich journalistisch in Dokumentationen austoben. Was will ich denn mehr?

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