Mr. Hanks, im Gangsterfilm "Road to Perdition" spielen Sie den Killer Michael Sullivan. Ist der ein "Bad Guy" oder ein "Good Guy", was meinen Sie?
Hanks: Gibt es jetzt nur die Lösungen a) oder b)?
Sullivan vollbringt sehr grausame Dinge, klar. Aber er tut das auch aus nachvollziehbaren Gründen. Auf der einen Seite ist er extrem loyal, er ist sehr ehrenwert. Er ist auch ein Vater, der seinen Jungen streng erzieht. Aber er ist auch ein guter Sohn für seinen Adoptivvater, den Gangsterboss John Rooney (gespielt vonPaul Newman). Er ist kein Lügner. Und er realisiert immer, das was er in seinem Leben macht.
Ich kann jetzt als Schauspieler nicht sagen, er ist der "bad" oder "good Guy". Dann hätte ich ja nur eine Möglichkeit, ihn zu spielen, eben gut oder schlecht. Aber er ist immer sehr im Konflikt mit sich selbst, er will immer das richtige tun – auch wenn das bedeutet, jemanden umzulegen.
Was ist das Besondere an diesem neuen Gangsterfilm, wenn man ihn mit den berühmten amerikanischen Gangsterfilmen der 20er und 30er vergleicht?
Hanks: Der Film wird gezeigt aus der Perspektive des Jungen, der ist 12 Jahre. Es geht da nicht etwa um einen Jungen, der vielleicht 19 ist und die Geschäfte der Familie übernehmen soll. Im Gegenteil, der Junge will sich vom Business des Vaters distanzieren. Das war das neue, so etwas hatte ich bisher nicht gesehen. Ich finde es interessant, so in diese Geschichte hineinzukommen.
Man könnte meinen, die typische Tom Hanks-Rolle ist der Jüngling, der seine Unschuld verliert, eben auch jener Forrest Gump. In "Road to Perdition" sind Sie aber ganz der ernste Vater – macht das als Schauspieler für Sie einen Unterschied?
Hanks: Ich muss zugeben, dass ich ein sehr selbstsüchtiger Schauspieler bin, ein Sturkopf, Narzisst usw. Mein Wunsch ist es, immer etwas zu tun, wozu ich noch nie die Chance hatte. Ich bin jetzt 46. Mit 36 mochte ich vielleicht noch andere Filme, und mit 26 waren das noch wieder ganz andere. Damals habe ich ja auch noch jeden Job angenommen, der mir vor die Nase kam. Heute lebe ich in dem Luxus, mir das aussuchen zu können, was mich fasziniert. Standard-Tom-Hanks-Rollen wollte ich allerdings nie spielen. Das war vielleicht so in "The Money Pit" (1986) oder "Turner & Hooch" (1989), aber die Zeiten sind vorbei. Das wird doch sonst langweilig. Ich such nach den Dingen, die ich noch nie erfahren habe, an die ich vielleicht auch noch nie gedacht habe.
"Road to Perdition" basiert auf einem Comic, bzw. auf einer Graphic Novel. Wie schwer war es für Sie, einen Charakter, den Sie schon als Comic gesehen haben, mit Leben zu füllen?
Hanks: Ich muss dazu sagen, dass ich nicht so viele dieser Graphic Novels kenne. Ich habe diese mehrere Male gelesen und mir war dabei immer wie 200 Grad Hitze. Aber es war nur die Grundlage, der Comic wurde also nicht 1:1 verfilmt. Es war ein bisschen wie das Storyboard zum Film. Im Comic fließt viel mehr Blut und die Motivationen der Protagonisten sind eher eindimensional. Und da ist es natürlich eine Herausforderung, aus dieser Eindimensionalität Figuren zu schaffen, mit Hintergrund, mit Metaphern und Subtilem.
Wann haben Sie "Road o Perdition" begonnen und wo wurde gedreht?
Hanks: Wir haben in Chicago im Februar 2001 begonnen und haben dort bis etwa Juni gedreht. Eine der letzten Filmszenen wurde auf einer Strasse der Warner Bros Studios Burbank gedreht. Und das war eine historische Strasse – auf der sind schon so viele berühmte Filmfiguren niedergegangen. Das war der Schauplatz so vieler Schiesserein in den Warner-Gangster-Filmen der 30er bis 50er. Es war teilweise während der Dreharbeiten im Februar verdammt kalt, erst ab Mai wurde es allmählich warm. Das ist brutal. Und jede Abend-oder Nacht-Szene wurde immer etwa gegen 3Uhr Nachts gedreht. Hart aber wahr.
An Ihrer Seite spielen in "Road to Perdition" zwei Schauspieler: Paul Newman ist sozusagen Ihr Adoptiv-Vater und Tyler Hoechlin Ihr Sohn. Für Tyler war es der erste Film, Paul Newman dagegen ist natürlich ein sehr erfahrener Schauspieler. War es da schwierig, eine Brücke zu schlagen?
Hanks: Nein. Paul, der schon alle möglichen Filme auf der Welt gedreht hat, weiß wie man Filme dreht, er hat ganz instinktiv diese Energie mit der er ans Set kommt. Tyler hat noch nie einen Film gedreht in seinem Leben und musste sich also auch auf seinen Instinkt und seine Energie verlassen. Und wenn Sie jetzt denken, dass ein 12-Jähriger und ein 77-Jähriger ganz unterschiedlich sind im Temperament… Nein, wenn die beiden gefragt waren, haben sie alles gegeben, sich konzentriert und die Sache erledigt.
Der Untertitel zum Film lautet "Jeder Vater ist der Held seines Sohnes" – kann man Tom Hanks privat auch so beschreiben?
Hanks: Oh, ich müsste mich fragen: war ich für meinen Sohn überhaupt schon mal ein Held? Da bin ich mir nicht sicher. Und außerdem sollte ich das nicht beantworten, man muss sehen, was meine Kinder sagen, wenn Sie 46 sind, was ich für ein Vater war. Wenn ich mir solche Dinge überlege, dann fallen mir nur die Momente ein, in denen ich meinen Kindern gefehlt habe, an Geburtstagen oder zu einer College-Feier. Es gibt natürlich Leute, die sich abends vor dem Einschlafen selbst loben: "Das war ein guter Tag, ich habe wieder nur gutes getan usw." Andere allerdings sagen sich, "was hab ich heute wieder für Mist gebaut?". Meine ist wohl eher die letztere Variante.
Mein Wunsch ist es, immer etwas zu tun, wozu ich noch nie die Chance hatte.
Sie sind zwar gerade eher auf der Durchreise – trotzdem: wie gefällt Ihnen Berlin?
Hanks: Ich war das letzte Mal hier zur Berlinale 1994, damals mit meinem Film "Philadelphia". Das ist schon lange her und ich würde sicher gerne mal etwas von Berlin sehen. Aber wissen Sie, ich sehe nur Zimmer und Limousinen, Zimmer und Limousinen – und ab und zu Journalisten.
Restaurants?
Hanks: Heute noch nicht, aber 1994, da haben wir hier ein paar sehr gut gegessen, kann ich mich erinnern.
Vielleicht das Brandenburger Tor?
Hanks: Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass eine Menge der Häuser heute hier damals noch nicht gestanden haben.
Sie sehen in "Road to Perdition" – wie so oft in Ihren letzten Filmen – sehr anders aus als in Wirklichkeit, in diesem Film eher der bullige Typ mit Schnurrbart… Wie reagiert eigentlich Ihre Frau auf diese ständigen Veränderungen?
Hanks: Sie ist nicht besonders vergnügt, muss ich sagen. Aber es ist mit Sicherheit schon besser als bei "Cast away". Die Zeit damals war grausam, sie hat das so gehasst, genauso meine Kinder. Und auch der Schnurrbart war jetzt nicht gut, obwohl das doch nur ein kleines Büschel von Schnurrbart war.
"Road to Perdition" ist auch ein Film über Rachegefühle, Rechnungen begleichen etc. Wie handhaben Sie es persönlich, zahlen Sie es Widersachern gerne heim?
Hanks: Nein, ich bin nicht der Typ, der immer Rache schwört. Ich bin eher ein großer Vergeber. Klar, wenn jemand meiner Familie etwas antut – da würde wohl jeder Mensch Rachegefühle haben. Aber man muss auch differenzieren zwischen Vergeltung und Rache. Rache ist mehr etwas persönliches, etwas egoistisch, man rächt sich, weil man glaubt, sich danach besser zu fühlen. Vergeltung ist aber nur die Strafe, da bekommt jemand eine Strafe, die er verdient.
In diesem Film ist die Vergeltung jedenfalls nicht ein Moment der großen Freude. Da gibt es ja eine Menge anderer Filme, wo das Filmpublikum im Moment der Vergeltung aufsteht und lazt klatscht. In dem Moment, wo ich in "Rod to Perdition" die eine Rechnung begleiche – da ist keine Regung von so einem Gefühl dabei und es wirkt auch nicht so.
Aber nochmal: der Film spiegelt keinesfalls wieder, wie ich die Dinge persönlich sehe. Ich habe viel mehr davon, wenn ich die gewisse Person anrufe und sage: "Mach dir keine Sorgen, ist schon ok".
Zum Schluss: Ein Jahr nach den grausamen Terroranschlägen: Wie hat der 11.September Ihr Familien-Leben verändert?
Hanks: Ich weiß nicht. Ich denke, es wäre jetzt interessant zu wissen, was unsere Kinder später einmal von diesem Tag erzählen werden, woran sie sich erinnern werden. Wir waren an dem Tag in Kalifornien, es passierte also gerade, als die Kinder aufstanden, um in die Schule zu gehen. Sie sind natürlich nicht gegangen an diesem Tag. Das war ein Horror-Tag. Ich denke nicht, dass wir wissen, wie wir damit umzugehen habe. Andererseits hat es zu diesem Krieg geführt, soweit ich weiß. Es ist heute schwieriger geworden für die meisten Amerikaner, zum Flughafen zu fahren, da fühlen die Leute ein wenig, dass Krieg ist. Ich selbst weiß nur: über der Zukunft steht Moment ein richtig großes Fragezeichen.