Herr Krahl, Sie sollen beim Vorgespräch zum Casting so aufgeregt gewesen sein, dass Sie wieder angefangen haben zu rauchen.
Krahl: Das stimmt. Ich habe damals aber nur ein oder zwei Zigaretten am Tag geraucht. Jetzt sind es zwei Schachteln.
Frage: War es das wert?
Krahl: Natürlich ist es kein Film wert, dass man dafür seine Gesundheit ruiniert. Ich will auch wieder aufhören. Ich hoffe, noch vor meinem Tod.
Für den Film haben Sie beide zum ersten Mal vor der Kamera gestanden. Was war Ihre Motivation, sich an die Schauspielerei zu wagen?
Krumbiegel: Ich war neugierig darauf, Dinge zu tun, die ich vorher noch nie getan habe. Anfangs war ich sehr skeptisch und hatte Angst, mich zu blamieren. Deshalb bin ich ganz glücklich, dass wir dann doch eine ganze gute Figur im Film machen.
Vor „Max und Moritz Reloaded“ gab es bereits andere Filmangebote. Warum haben Sie gerade bei diesem Projekt zugesagt?
Krumbiegel: Bei den bisherigen Angeboten ging es immer nur darum, einen lustigen Film mit den Prinzen zu machen. Wir sollten uns selbst spielen, was uns nicht sonderlich gereizt hat. Es ist doch aufregender und eine viel größere Herausforderung, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Darum ging es mir: herauszufinden, ob ich das kann. Wichtig dabei ist, dass du weißt, was das für ein Typ ist, den du da spielst. Da ich selbst bei der Armee war, kannte ich diese Schleifer-Typen und profilneurotischen Halb-Sadisten. Die hatten Spaß daran, andere fertig zu machen. Diese Erfahrungen konnte ich gut für die Rolle nutzen, mit der ich mich übrigens auch ein bisschen für damals gerächt habe. Das hat großen Spaß gemacht.
Herr Krahl, Sie waren nicht bei der NVA.
Krahl: Gott sei dank. Die Leute, die wir in dem Film darstellen, sind aber auch mir oft genug begegnet. Die wurden schließlich auch mal rausgelassen aus der Kaserne.
Als Ihnen die Rolle angeboten wurde, sollen Sie gesagt haben: „Das mache ich nicht.“ Was hat Sie umgestimmt?
Krahl: Das hatte nichts mit der Rolle zu tun, sondern zeitliche Gründe. Wir hatten gerade richtig viel zu tun. Außerdem hatte ich Angst, mich auf unbekanntes Terrain zu begeben und mir eine Niederlage einzufangen. Ich habe dann aber noch einmal darüber nachgedacht. Schließlich sind unter meinen Bekannten und Freunden viele Schauspieler, die ihr Leben lang auf so eine Chance warten. Als ich dann das Buch gelesen habe, hatte ich das Gefühl, dass ich das hinbekomme. Dieses Duo Axel und Henry – das waren Krumbiegel und Krahl.
Sie haben in dem Film nicht nur gespielt, sondern auch einige Songs geschrieben.
Krumbiegel: Ja, das war eine herrliche Erfahrung. Normalerweise schreibt man ja Texte über sich selbst. In diesem Fall musste ich mich in die Rolle eines anderen versetzen. In der habe ich mich auch getraut, ganz andere Dinge zu sagen, zum Beispiel als Axel Schulz in dem Lied „Zucht und Ordnung“, das ziemlich brutal ist. Oder der Song „Es war nicht alles schlecht“. Das Lied behandelt nicht nur die Ost-West-Problematik, sondern funktioniert auch losgelöst vom Film. Es geht um Freunde, die viele schöne Dinge gemeinsam erlebt haben. Auf diese beiden Songs bin ich wirklich stolz.
„Es war doch nicht alles schlecht“ – sehen Sie das auch so, wenn Sie an die DDR zurückdenken?
Krumbiegel: Dieser Spruch ist genauso dumm wie „Morgenstund hat Gold im Mund“. Natürlich gibt es viele Leute, die meinen, dass in der DDR alles besser war: Wir waren sozial abgesichert, es gab keine Arbeitslosen, jeder hatte seinen Kindergartenplatz. Das ist natürlich alles wahr und trotzdem völliger Schwachsinn. Genauso, wie wenn man sagt, im Osten war alles ganz fürchterlich, jeder, der mal einen Witz erzählt hat, wurde sofort eingesperrt und außerdem waren sowieso alle bei der Stasi. Diese Schwarz-Weiß-Malerei macht mich aggressiv.
Und was war nun wirklich gut an der DDR?
Krahl: Jede Medaille hat zwei Seiten. Bei dem Versuch „DDR“ gab es ganz bestimmt Dinge, die nicht schlecht gedacht waren, sondern nur schlecht umgesetzt wurden, manchmal auch ganz miserabel. Bei diesen Pauschalisierungen allerdings kann einem schon der Kamm schwellen. In dem Film gibt es zum Beispiel das Lied „Bummiland“. Es geht darum, von früher zu träumen und gleichzeitig zu erkennen, dass etwas vorbei ist. Anstatt etwas nachzutrauern, sollte man versuchen, die Dinge besser zu machen.
Was können Sie mit einem Begriff wie Ostalgie anfangen?
Krumbiegel: Ostalgie und Nostalgie meinen ja eigentlich das Gleiche. Es gibt eine ganz normale Nostalgie, die jedem Menschen innewohnt. Ein Ostdeutscher erinnert sich eben nur an andere Dinge als jemand aus dem Westen. Der denkt an Ton, Steine, Scherben und einer aus dem Osten eben an City. Der Mensch ist so gestrickt, dass er die negativen Sachen verdrängt und sich nur an die schönen Dinge erinnert. Bei meiner Kindheit denke ich auch nicht an Kommunismus oder rote Fahnen.
Glauben Sie, dass die Menschen im Osten Deutschlands anders auf den Film reagieren als im Westteil?
Krumbiegel: Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht, ob sich der gemeine Ossi auf den Schlips getreten fühlt. In München, Hamburg und Berlin ist der Film wohl sehr gut aufgenommen worden. Das Ost-West-Thema beschäftigt die Menschen ja nach wie vor. Es geht in dem Film auch viel um Gewalt und gescheiterte Existenzen, um Kids, die keine Perspektive haben und schräge Sachen machen. Das sind alles Dinge, die wir täglich in den Nachrichten hören. Natürlich stellt der Film die Dinge überspitzt, zynisch und anarchistisch dar. Und viele fragen sich sicher, ob man das darf. Ich glaube, man muss sogar. Kunst sollte sich mit dem auseinander setzen, was uns herum passiert.
Welche Botschaft hat der Film für Sie?
Krumbiegel: Kümmert euch mehr um die Kids, vielleicht ist das die Botschaft. Max und Moritz haben eine alkoholkranke Mutter, die sich nicht um sie kümmert und ihnen keine Perspektive bieten kann. Die Sozialbehörden in Hamburg wollen auch nichts mit dem Problem zu tun haben und schieben die beiden in den Osten ab. Diese Probleme existieren definitiv. In Amerika zum Beispiel ist ein 16-Jähriger verurteilt worden, weil er als Zwölfjähriger seine Großeltern mit der Schrotflinte umgebracht hat. Fast jeder hat dort eine Knarre. Dann dürfen die sich auch nicht wundern, wenn so etwas passiert. Kalifornien ist das reichste amerikanische Bundesland mit dem höchsten Bruttosozialprodukt und gibt mehr Geld für Gefängnisse als für Bildung aus.
In dem Film spielen Sie beide ein schwules Pärchen. Was war das für ein Gefühl?
Krahl: Wir wollten das nicht durch den Kakao ziehen und wie in einem Bully Herbig-Film mit viel Heititei spielen. Wir wollten vielmehr zeigen, dass auch wir unseren Konflikt auszutragen haben. Auf der einen Seite sind wir die harten Kerle mit Uniform und Stahlhelm, auf der anderen Seite haben wir unser kleines Geheimnis unter der Bettdecke.
Hatten Sie eigentlich nach der Wende Angst, als Ost-Künstler in die zweite Reihe treten zu müssen?
Krahl: Verunsichert war ich ganz bestimmt. Das bin ich aber immer wieder mal. Angst hatte ich aber keine. Ich habe ein sehr ausgeprägtes Selbstvertrauen und war immer davon überzeugt, dass unsere Musik gut ist. Mir war aber auch klar, dass jemand in Dresden jetzt nicht in den Laden geht und sich eine CD von City kauft, sondern endlich die von Led Zeppelin. Die hatten ja schließlich eine ganze Menge nachzuholen.
Hätten Sie Lust, auch in Zukunft wieder als Schauspieler zu arbeiten?
Krahl: Also ich habe Blut geleckt. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich zum Film gehe. Aber wenn ich wieder ein Drehbuch bekomme, das passt, bin ich dabei.
Krumbiegel: Das geht mir genauso. Natürlich werde ich immer Songs schreiben und Musik machen. Jetzt bin ich erst einmal froh, nichts Peinliches gemacht zu haben. Ich mache zwar lange genug Musik und weiß, was ich zu tun habe, wenn ich auf der Bühne stehe. Da fühle ich mich zu Hause. Auch wenn ich noch immer Lampenfieber habe, weiß ich trotzdem, dass ich das kann. Beim Film wusste ich das nicht.