Herr Kier, „Far Cry“ ist die Verfilmung eines Videospiels. Taugen Videospiele etwas, als Grundlage für einen guten Film?
Kier: Das kann ich nicht beantworten, weil ich noch nie in meinem Leben ein Videospiel gesehen habe, obwohl ich selbst zwei berühmte gemacht habe, „Red Alert“ und „Yuri’s Revenge“. Ich weiß, was ein Videospiel ist, aber mich interessiert das nicht. Und für einen Film muss es mich auch nicht interessieren. Ich bekomme ja ein Drehbuch, wo ich halt weiß: es basiert auf einem Videospiel. Aber würde ich mir das Videospiel anschauen glaube ich nicht, dass mir das helfen würde.
Ich denke, als Drehbuchautor hast du mit so einem Spiel schon eine schöne Vorlage und als Regisseur hast du sogar Bilder, die du dann umsetzen kannst. Du musst diese Bilder nicht mehr in deiner Phantasie erzeugen.
Sie sind kein Technik-Freak?
Kier: Nein, ich habe noch nie eine E-Mail oder eine SMS geschickt – und neulich sagte mir eine Freundin: „Auf deinem Telefon sind ja Nachrichten von vor drei Jahren“. Ich kümmere mich nicht um diese Technik, ich bin eine andere Generation. Ich benutze das zu meinem Zweck, ich kann anrufen und Nachrichten abhören – das reicht mir.
Was reizte Sie denn an der Verfilmung des Videospiels „Far Cry“?
Kier: Meine Rolle, weil sie eine Anlehnung an die Rollen in den James Bond Filmen ist, der intelligente Böse, der für die Regierung arbeitet. Die Rolle wurde dann noch ausgebaut, mit der Musik von Wagner und der Malerei – das fand ich ganz ok. Es ist halt ein Action-Film, es gibt viele Explosionen, starke Männer, schöne Frauen – ist doch wunderbar.
Hören Sie privat auch gerne Wagner?
Kier: Ich höre gerne klassische Musik, aber nicht nur Wagner. Es kommt auf meine Stimmung an. Wenn ich abends ausgehe, höre ich bestimmt nicht vorher Wagner, sondern etwas Schnelleres. Madonna zum Beispiel.
Wagner ist natürlich schön schwer, wenn man im Bett liegt, wenn man ganz müde ist und dann Wagner hört – das ist wunderschön.
Sie spielen in Filmen in erster Linie die Bösewichte – warum spielt eigentlich ein netter Mensch wie Sie immer diese bösen Rollen?
Kier: Also, ich bin ja im Privatleben genau das Gegenteil, ich koche gerne für Freunde, pflanze Bäume, habe drei Hunde, die ich auf der Straße aufgelesen habe, ich bin also ganz anders als im Film. Wenn ich das Böse spiele habe ich Freude daran und überlege mir jedes Mal neue Sachen, dass es noch böser wirkt. Weil es spielerisch böse ist. Es funktioniert aber nur, weil ich selbst nicht böse bin. Dagegen bei Menschen, die wirklich böse sind, würde es nicht funktionieren, da wird es gemein und unangenehm.
Bestimmen Sie diese Rollen bei Dreharbeiten inzwischen ein Stückweit selbst?
Kier: Ich habe mir im Laufe der Jahre eine eigene Art zugelegt, die wird in jedem Film wieder eingesetzt. Ich bin nicht so, dass ich jetzt geführt werden muss. Wenn ich so ein Drehbuch bekomme, weiß ich, was für eine Rolle das ist und dann passiert das einfach. Wenn es einem Regisseur nicht gefällt, kann er es ja sagen. Ich stelle jedenfalls keine Fragen mehr. Ich habe das gemerkt, als ich vor kurzem das erste Mal mit Oskar Roehler gearbeitet habe. Da habe ich die ersten Tage viel zu viel gefragt – als ich nichts mehr gefragt habe, ging es viel besser.
Regisseure, die wurden ja früher auch Spielleiter genannt, die leiten das Spiel. Die verbessern mich auch, ich biete das an. Aber einen Lars von Trier zum Beispiel würde ich selbst nie etwas fragen.
Sie haben mit Lars von Trier schon mehrfach zusammengearbeitet, genauso auch mit Rainer Werner Fassbinder. Kann man die beiden Regisseure vergleichen?
Kier: Es geht ja damit los, dass Lars von Trier ein Verehrer von Fassbinder war. Dass er ein Verehrer von Tarkowskij war, dass Fassbinder ein Verehrer von Douglas Sirk war – die haben auch Menschen, die sie verehren. Und wenn Lars von Trier sagt, dass er Fassbinder verehrt, dann weiß ich auch, in welche Richtung seine Filme gehen. Wenn man Lars von Triers Filme sieht, erkennt man das auch, diese Einflüsse, auch von Tarkowskij.
Wen verehren Sie?
Kier: Peter Lorre. Ich habe auch mal ein Remake von „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ versucht, aber der Film – mit Menahem Golon – ist nie rausgekommen. Ich habe mich aber trotzdem bemüht, so ehrlich zu sein wie nie in meiner Arbeit. Allerdings waren die Schauspieler um mich herum einfach nicht gut.
Wenn man mit Regisseuren wie Fassbinder, Lars von Trier, Schlingensief und Wim Wenders gedreht hat – wie ordnet man dann eigentlich Uwe Boll ein, filmgeschichtlich? Hat jemand wie Boll da überhaupt eine Bedeutung?
Kier: Die Bedeutung hat er. Wir wissen alle, wie schwer es ist, Geld für Filme aufzutreiben. Und er kann wirklich in Kleinstarbeit dieses Geld auftreiben, um diese Videospiele zu verfilmen. Ich stelle natürlich nicht Lars von Trier und Uwe Boll auf eine Stufe, das ist doch klar. Aber es ist einfach so: ich bin überhaupt nicht ehrgeizig. Die Regisseure mit denen ich gearbeitet habe, das ist alles aus Zufall entstanden. Ich habe weder Wim Wenders noch Werner Herzog gefragt, ob ich mit denen arbeiten kann, auch nicht David Lynch. Das kommt einfach irgendwie. Und dann gibt es natürlich Unterschiede: Wenn ich „Armageddon“ mache mit Michael Bay, dann weiß ich auch, dass das keine Kunst ist, obwohl super Schauspieler dabei sind. Auch bei Uwe Boll weiß ich weiß, dass das ein kommerzieller Film ist.
Ich weiß, was ein Videospiel ist, aber mich interessiert das nicht.
Til Schweiger nennt „Far Cry“ einen B-Movie…
Kier: Also, wenn man Filme nach Buchstaben benennen muss, finde ich das furchtbar. Und die Bezeichnung „Trash“ finde ich auch furchtbar, weil das heißt auf Deutsch „Abfall“. Ja, ich mache doch keinen Abfall!
Die stilistische Bandbreite Ihrer Filmographie ist sehr groß, hatten Sie nie Bedenken, dass das ein oder andere Projekt Ihrer Filmkarriere schaden könnte?
Kier: Ich war am Anfang schon vorsichtig als ich das Sex-Buch mit Madonna machte, oder als ich nach Amerika gegangen bin, da dachte ich: „Hmm, wie reagieren jetzt Leute wie Lars von Trier darauf?“ Aber die fanden das ganz toll.
Ich habe da schon eine Freiheit, dass ich machen kann, was ich will. Das mache ich auch bewusst, weil ich immer weiß, ich verlasse nicht das eine Schiff nicht und springe auf das andere. Sondern ich kann immer wieder zurück zu dem einen Schiff, ich kann immer wieder mit Lars arbeiten oder mit Werner Herzog. Ich mache ja nur einen Ausflug. Ich mache einen kommerziellen Filme, natürlich auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass man dadurch populärer wird. Durch diese Popularität werde ich auch mehr „bankable“, d.h. man kriegt für ein zukünftiges Projekt eher Geld. Ein junger Filmemacher kann dann sagen, der Kier war in „End of Days“, „Armageddon“ und „Blade“ und dann sagen die Geldgeber: Ok. Das ist natürlich auch ein Grund, warum man so etwas macht.
Und dann ist man einfach auch gerne in Filmen, die von vielen Menschen gesehen werden. Das ist doch klar, warum soll jemand zu Hause üben, zu Hause Weltrekord springen, wenn er das auch im Olympia-Stadion machen kann?
Aber Sie haben doch auch einen Anspruch an einen Film, oder?
Kier: Sicher, man erhofft sich auch, dass es ein guter Film wird. Man weiß es aber nie. Wenn es da ein Rezept geben würde, würde es nur gute Filme geben. Es gibt manchmal gute Drehbücher, die gehen so daneben… Und ich habe Filme gemacht, wie „Shadow of the Vampire“, mit John Malkovich, wo ich am Anfang gedacht habe, das ist die größte Scheiße – es wurde aber ein super Film. Das weiß man vorher nie.
Auch bei Uwe Boll nicht?
Kier: Bei dem weiß ich, dass es auf jeden Fall ein kommerzieller Film ist, dass die Leute herumfliegen, dass es Action ist und dass man da nicht psychologisch etwas im Film sucht. Ich finde es aber gut, dass jemand wie er so burschikos Geld sammelt und seine Filme macht und sich seine Träume erfüllt. Da gehört ja auch was zu: Es gibt ganz viele Regisseure, die super Geschichten haben, aber dann nicht einen Pfennig dafür zusammenkriegen.
Es geht in „Far Cry“ auch im Ansatz um Gentechnik, Genmanipulation. Halten Sie die Gentechnik für etwas Gefährliches?
Kier: Ja sicher ist das gefährlich, das weiß doch jeder. Wenn Obst genmanipuliert ist, finde ich das noch ok. Aber wenn die Menschen genmanipuliert sind, wenn man anfängt Körperteile zu produzieren und alles austauschbar ist, die Leute unsterblich werden – das ist doch furchtbar. Wenn Leute geklont werden, wie diese arme Kuh in England, das finde ich furchtbar, so unnatürlich.
Macht Ihnen das Angst?
Kier: Nein, mir macht das keine Angst, weil ich weiß, in meinem Leben wird das nicht mehr stattfinden. Also, was soll ich mir darüber Gedanken machen? Ich mache mir mehr Gedanken darum, dass in den letzten zehn Minuten wieder zehn Menschen gestorben sind. Hunger in Afrika, darüber mache ich mir mehr Gedanken. Deswegen bin ich auch Botschafter der Unesco.
Haben Sie sonst irgendwelche Ängste?
Kier: Ich habe Angst vorm Fliegen, ich habe Angst, wenn mich nachts Mücken angreifen – vor ganz normalen Dingen. Aber diese Gen-Geschichte, die ist so weit weg.
Wie gehen Sie mit Ihrer Flugangst um?
Kier: Ich habe bei jedem Flug Stress. Und gestern bei der Lufthansa, da habe ich die vom Personal in der Luft noch mal ganz genau gefragt: „Wenn die Maschine jetzt abstürzen würde, würde ich diesen Aufprall spüren oder werde ich vorher schon mit dem Kopf weg sein, von dem Druck, der da entsteht?“ Da haben die zu mir gesagt: „Das geht ganz schnell.“ Das ist mein eigener Masochismus, dass ich im Flugzeug sitze und dann die Frage stelle, wie der Aufprall ist.
Sie haben über 150 Film gemacht, wie gestaltet sich Ihr Verhältnis zu dieser großen Filmographie? Haben Sie eine komplette Sammlung zu Hause?
Kier: Nein, ich habe meine Filme überhaupt nicht zu Hause. Vielleicht zwei, drei, die mir mal irgendjemand geschickt hat. Ich sammle meine Filme nicht, ich habe auch viele Filme gemacht, die ich nie gesehen habe und auch nicht sehen werde. Das überlasse ich, wenn ich irgendwann nicht mehr da bin, einem Film-Studenten für seine Doktorarbeit. Der kann das dann alles mal zusammentragen.
Nein, ich habe nicht meine ganzen Filme, das wäre doch furchtbar. Ich bin auch kein Schauspieler, der dann abends nach dem Essen zu seinen Freunden sagt: „Jetzt schauen wir mal einen Film von mir“ und alle verdrehen die Augen und sagen dann: „Schön, tolle Idee!“ – Ich kenne Kollegen, die so sind – ich finde das furchtbar.