Uli Stein

Humor ist eine sehr individuelle Sache.

Cartoonist Uli Stein über seinen Arbeitsalltag, schwarzen Humor, sein Lieblingstier und warum sich Leser bei ihm beschweren

Uli Stein

© Catprint Media

Das folgende Interview entstand am 13.06.2009 im Rahmen der "Jugendmedientage 2009" in Hannover und wurde von Teilnehmern des Planet Interview Workshops geführt.

Herr Stein, haben Sie heute schon etwas erlebt, das Sie in einem Cartoon verarbeiten werden?
Stein: Es ist bei mir nie so, dass ich am Tag etwas erlebe, es in Gedanken mitnehme um es später in einen Cartoon umzusetzen. Das ist mir noch nie passiert. Es ist immer so, dass ich mich abends vor ein leeres Blatt oder meinen Tablet-PC setze und mir etwas ausdenke. Ich kriege tagsüber keine Eingebungen, mich küsst die Muse nicht bei Aldi an der Kasse.

Wie sieht der Alltag eines Cartoon-Zeichners aus?
Stein: Das ist ein ganz normaler 12-Stunden-Tag. Ich stehe morgens um acht auf, mache meine E-Mails und mein Notizbuch für ulistein.de fertig. Dann haben ich und meine wunderbare Assistentin meist noch Arbeit vom Vortag, machen unsere Fotos und alles, was an tausend Dingen so anfällt.. Mittags fahre ich meistens zu meiner Agentur um nachzuschauen, ob es etwas gibt, das man anschauen, freigeben oder besprechen muss. Danach geht es wieder zurück an den Schreibtisch und ich mache weiter bis abends gegen zehn Uhr.

Was möchten Sie mit Ihren Cartoons ausdrücken?
Stein: Ich möchte den Leuten Spaß machen, sie unterhalten und ihnen schöne Momente geben in diesen trüben Zeiten oder auch in guten Zeiten. Es steckt jetzt keine besondere Message dahinter.

In manchen Ihrer Cartoons behandeln Sie aber politische oder gesellschaftskritische Themen. Steckt auch dort keine Message dahinter?
Stein: Ein einziges Mal, vor sechs oder sieben Jahren, habe ich ein paar Cartoons zu politischen Themen gemacht, aber das war eine große Ausnahme. Meine Arbeit  ist reines Entertainment, ich möchte niemanden belehren. Wenn ich in meinen Pisa-Büchern ein bisschen herumgestichelt habe, war das auch nur, damit die Leute Spaß haben und beileibe kein mahnender Zeigefinger.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder einmal politische Cartoons zu zeichnen?
Stein: Nein!

Warum nicht?
Stein: Ich habe das nur einmal gemacht. Das waren damals fünf oder sechs Cartoons, die ich in meinem Studio in Amerika gezeichnet habe, weil ich von ein paar Dingen in Deutschland tierisch gefrustet war. Die Cartoons waren auch gar nicht zur Veröffentlichung gedacht, sind dann aber eine Zeit lang im Internet kursiert. Das ist wirklich kein Thema, das mir Spaß macht.

Haben Sie den bissigen Humor, der für Ihre Cartoons charakteristisch ist, auch im Alltag?
Stein: Unterschiedlich! Es gibt Tage, an denen ich unausstehlich bin, so wie manche Figuren in meinen Cartoons, aber es gibt auch Tage an denen ich nett sein kann.

Sie haben vor kurzem in einem Interview erwähnt, dass Sie sich vorstellen könnten, Ihre Cartoons zu animieren. Wäre es überhaupt möglich, diese in eine Geschichte zu verpacken, obwohl sie ja eigentlich von dieser Momentaufnahme leben?
Stein: Das ist eine gute Frage. Wir hatten das Thema gerade mal wieder:  Es gab die Idee, die Cartoons als Einzelgeschichten zu animieren. Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre, wenn man die Cartoons stretcht und eine Geschichte daraus macht. Besser fände ich es, man würde ein Drehbuch schreiben, eine komplette, runde Geschichte erzählen und dafür natürlich jemanden haben, der das auch perfekt kann. Ich selber kann das nicht, sonst würde ich ja Comics zeichnen und keine Cartoons. Man müsste mit einem guten Team arbeiten, dann würde das schon gehen.

Das wäre dann aber nicht mehr original Uli Stein, wie wir es kennen.
Stein: Das wäre schon noch Uli Stein, aber man muss sich dann natürlich arrangieren und vermutlich auch Zugeständnisse machen.  Ob ich das könnte? Weiß ich nicht. Es wäre auf jeden Fall schon etwas ganz anderes.

Zitiert

Mich küsst die Muse nicht bei Aldi an der Kasse.

Uli Stein

Würde Sie ein solches Projekt reizen?
Stein: Schon. Aber das Thema besteht jetzt schon seit über zwanzig Jahren. Filmproduktion ist ein schwieriges Feld.

In vielen Ihrer Bücher gibt es Cartoons über Tabuthemen wie zum Beispiel Suizid. Überschreiten Sie damit nicht manchmal Grenzen?
Stein: Ich kann natürlich verstehen, dass der eine oder andere mit diesem schwarzen Humor nichts anfangen kann. Ich bekomme jeden Tag Briefe von Leuten, die sich beschweren und das ist auch ihr Recht, denn Humor ist eine sehr individuelle Sache.

Worüber beschweren sich die Leute?
Stein: Die Dicken beschweren sich, wie in meinen Cartoons die Dicken behandelt werden, Ärzte, Hundehalter, Hausfrauen, Lehrer, jeder halt, der sich unangemessen dargestellt sieht. Und wenn es um Cartoons geht, auf denen Leute aus dem Fenster springen oder in denen Behinderte vorkommen, dann wird die Zahl derer, die damit nichts anfangen können, noch größer. Aber wie gesagt , das ist auch deren gutes Recht, sich darüber aufzuregen. Trotzdem denke ich, ist das, was ich mache, legitim, weil ich auch weiß, dass es viele Menschen gibt, die diese Art von Humor mögen.

Sie finden also nicht, dass es bestimmte Grenzen gibt, dass man sich über bestimmte Dinge nicht lustig machen sollte?
Stein: Ich mache mich ja nicht lustig! Wenn ich zum Beispiel eine Szene mit einem Blinden und seinem Hund zeichne, dann mache ich mich nicht über den Blinden lustig, sondern die Situation selber ist dann eine komische. Ich habe sehr viel Post von Behinderten bekommen, die es gut fanden, auch in Uli Stein-Cartoons vorzukommen und nicht  wieder einmal ausgegrenzt zu werden.  Auch jemand, der nur ein Bein hat, hat schon mal eine komische Situation in seinem Leben erlebt.

In Ihren Cartoons kommen sehr oft Tiere, vor allem Mäuse vor. Welchen Hintergrund hat das?
Stein: Ich zeichne grundsätzlich gerne Tiere und mag es, mir vorzustellen, was zum Beispiel passiert, wenn zwei Pinguine ins Kino gehen, oder wenn Menschen- und Tierwelt aufeinandertreffen. Die Maus, aber auch der Pinguin sind dabei zwei meiner Lieblingsfiguren. Zur Zeit zeichne ich viel Schlangen, weil ich Cartoons für ein Schlangenbuch sammele.

Was ist Ihr persönliches Lieblingstier?
Stein: Die Gans. Schön knusprig gebraten und mit Äpfeln und Maronen gefüllt.

Menschen werden in Ihren Cartoons nicht gerade positiv dargestellt, haben Schwächen oder benehmen sich daneben. Haben Sie ein negatives Menschenbild?
Stein: Nein, natürlich nicht. Es ist aber so, dass es viel komischer ist, wenn jemand richtig in die Scheiße tritt oder sich besonders blöd anstellt, als wenn er fröhlich und perfekt durch das Leben geht. Im Scheitern liegt eine Menge Humor. Wenn etwas daneben geht, kommt dann noch die Schadenfreude dazu. Das sind einfach Dinge, die man Cartoons oft gut unterbringen kann.

Aber wenn Sie jetzt anfangen würden, die Menschen positiv darzustellen…
Stein:…dann wäre es weniger lustig! Wenn auf einem Begräbnis alles schön, friedlich und ehrfurchtsvoll ist, dann wird es doch erst komisch, wenn jemand ins Grab fällt. Es muss einfach etwas passieren. Und je extremer die Situation ist, desto mehr gewinnt es an Bedeutung, wenn irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht. Wenn jemandem beim Kochen etwas daneben geht, kann das zwar auch lustige Momente haben, hat aber nicht das Level, als wenn jemand beim Fensterputzen aus dem Fenster fällt. Wobei das allein natürlich noch nicht komisch ist.

Ihr Lieblingsmaler ist Sebastian Krüger, dessen Kunstwerke sich sehr von Ihren unterscheiden. Was schätzen Sie so an ihm?
Stein: Man kann uns gar nicht vergleichen. Ich bin Cartoonist, zeichne meine Knollennasen, während er ein großer Weltkünstler ist, der einfach unglaublich tolle Portraits malt. Ich kenne und bewundere ihn schon seit weit über zwanzig Jahren und er wird jedes Jahr besser. Er hat gerade von den  Rolling Stones ein neues Bild gemacht, ein Riesending. Er ist einfach sensationell toll.

Welche Comics und Cartoons von anderen Künstlern gefallen Ihnen?
Stein: Ich habe gar nicht so viel Zeit, um andere anzuschauen. Den Amerikaner Gary Larson fand ich immer super, als er noch gezeichnet hat. Und Donald Duck liebe ich auch sehr.

Lesen Sie auch in Ihren eigenen Büchern?
Stein: Es ist immer noch so, dass ich mich riesig freue, wenn ich ein neues Buch zum ersten Mal in der Hand halte. Ich schau es dann auch noch mal durch, ob irgendetwas gepfuscht wurde, vielleicht ein Text vergessen wurde oder sonstwas.
Und dann kommt es ins Regal (ich habe von jeder Ausgabe ein Exemplar zuhause).
Aber dann ist es auch abgehakt und ich konzentriere mich aufs nächste.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Was dürfen wir von Ihnen in den nächsten Jahren erwarten?
Stein: Zurzeit arbeite ich wie gesagt an einem Buch über Schlangen, das soll Anfang des nächsten Jahres fertig sein. Dann zeichne, fotografiere und schreibe ich jeden Tag auf ulistein.de mein Notizbuch. Dieses Material soll die Basis für ein drittes Tagebuch werden, das ebenfalls nächstes Jahr erscheinen soll.

2 Kommentare zu “Humor ist eine sehr individuelle Sache.”

  1. freche Maus |

    weitere Interviews mit Uli Stein

    Finde ich ja super, dass da unten ein Link steht, der mich zu einem weiteren Interview mit Uli Stein führt. Aber dass DER Uli Stein (Cartoonist) nun plötzlich zu einem Fussballer mutiert…. oi oi, das hätte ich ihm ja gar nicht zugetraut. ;-P

    Antworten
    1. Wühlmaus |

      @freche Maus: Hach, ja, diese Verwechslung passiert oft… künstliche Intelligenz halt… ;o)
      UNS würde das NIE passieren, denn es gibt nur DEN Uli Stein (Cartoonist).

      Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.