Uncle Ho

Man will sich einfach permanent in so einer Voraussetzungslosigkeit fühlen.

Julian Hanebeck und Björn Krüger von Uncle Ho über den Versuch der Selbstauflösung, Plattenrezensionen und das "Marsupilami"

Uncle Ho

© Sony Music

Julian und Björn, besteht eigentlich zwischen dem vietnamesischen Unabhängigkeitskämpfer Ho Chi Minh, auch genannt "Uncle Ho", eine Verbindung zum Namen eurer Band?
Hanebeck: Nein, es gibt da eigentlich keine Verbindung. Der Name der Band stammt noch aus unseren frühen Jahren. Wir sind ja im Grunde eine alte Schulband, wir kennen uns schon aus Schulzeiten. Wir haben damals nie gedacht, dass wir mal eine professionelle Band werden würden. Die meisten Bands setzen sich hin und überlegen sich lange ihren Namen. Bei uns habe ich damals sofort gesagt, die Band heißt "Uncle Ho". Ich weiß aber heute gar nicht, ob ich Ho Chi Minh damals schon kannte. Inzwischen weiß ich sehr viel über Ho Chi Minh. Allerdings hat der seinen Namen noch von einer von einer mythischen Volksheld-Figur sozusagen gestohlen. Da muss es vor ihm noch ursprünglichere Freiheitskämpfer gegeben haben. Bei uns bestand aber nie der Wunsch, sich mit diesem Namen als Band politisch zu verorten.

Aber wie haltet ihr es generell mit der Politik?
Hanebeck: Wir sind als Menschen sehr politisch, irgendwie ist ja fast alles was man tut irgendwie politisch, eine gewisse Haltung bringt man immer zum Ausdruck. Bei uns sind das eher die Aktionen drum herum, also zum Beispiel die Art der Festivals, auf denen man spielt. Wir haben auch mal mit Greenpeace zusammengearbeitet, während der letzten Tour, da hatten die jeden Abend einen Stand bei unseren Konzerten.
Als Menschen sind wir sehr politisch, aber als Musiker sind wir definitiv keine politische Band. Natürlich bringt sich eine gewisse Geisteshaltung immer zum Ausdruck, wenn man einen Text schreibt, wenn man zusammen musiziert und unterwegs ist. Aber unsere Musik ist niemals ein Instrument gewesen, um bestimmte politische Inhalte zu präsentieren oder in irgendeiner Form für irgendetwas zu werben. Unsere Musik war immer schon relativ zweckfrei. Nie im Sinne von einem Liedermacher, der mit Hilfe seiner Songs versucht, ein politisches Bewusstsein zu schaffen oder zu verändern.

Die Texte kommen ja allein von dir, Julian. Was ist mit Björn und dem vor kurzem ausgestiegenen Jens "Doc" Schmidt. Wollen die nicht auch mal ran mit eigenen Texten?
Krüger: Nein, aber wir diskutieren über die Texte. Ich muss auch ganz ehrlich gestehen, dass ich selber nie Ambitionen hatte, Texte zu schreiben. Ich habe das auch in der eigenen Muttersprache nie versucht. Und außerdem macht der Julian das schon sehr gut.

Habt ihr schon Songs auf Deutsch im Programm gehabt?
Hanebeck: Einen einzigen, der war aber auch für einen Fehlfarben-Tribute Sampler, also logischerweise auf Deutsch.

Geht Rock vielleicht gar nicht so gut mit Deutsch?
Hanebeck: Das würde ich so nicht sagen. Aber bei uns ist es eben so, aus vielen verschiedenen Gründen. Es wäre gelogen zu sagen, das haben wir uns genau so ausgesucht. Ich habe eher das Gefühl, es ist passiert, weil ich es konnte und weil es passier ist. Ich habe nie an einem Reißbrett gesessen und mein Leben entworfen. Wenn ich nach Ursachen suche, dann hat es bestimmt mit meinen Hörgewohnheiten zu tun. Außerdem habe ich über mein Anglistik-Studium viel Berührung mit der englischen Sprache. Ich denke, das ist auch natürlich, wenn man mit den Beatles oder mit Nirvana groß wird, dass man dann auch selbst auf Englisch singt.

Nun gibt es ja dieses Konzept, dass ihr "Uncle Ho" per Definition zum 31.12.2003 auflösen werdet, um danach freier, unabhängiger, ohne Zwänge Musik machen zu können – so hab ich das zumindest verstanden.
Hanebeck: Die meisten, die von unserem Konzept hören, denke ja, da geht es um eine Einflussnahme von außen, die wir loswerden wollen. Aber eigentlich geht es viel eher darum, die Vorstellungswelten, mit denen man selbst seine eigene Musik versorgt, loszuwerden.

Aber muss man dazu eine Band komplett auflösen? Nehmen wir doch mal eine Band wie "Such a Surge". Die Musiker lassen sich viele Möglichkeiten offen in ihrem Nebenprojekt "Pain in the ass".
Krüger: Also, solche Seitenprojekte haben wir ja auch. Zwar keine Sachen, die wir jetzt großartig veröffentlicht haben. Wir haben aber zum Beispiel Texte der Wuppertaler Schriftstellerin Else Lasker-Schüler vertont. Aber die wenigsten unserer Seiteprojekte wurden auf irgendeine Weise ‚kommerziell verwertet‘, wie es so schön heißt.
Hanebeck: Ich glaube auch nicht, dass das mit einem Seitenprojekt so einfach ist. Zudem finde ich, dass "Pain in the Ass" – ohne dass ich da jetzt jemandem zu nahe treten will – zwar Musik von guter Qualität ist, aber nicht wirklich ein Schritt in eine andere Richtung. Das ist nur die nächste Band, die den nächsten Sound macht. Ich denke aber, wenn man sich von dem Musikmachen, wie man es bisher gemacht hat, wirklich lösen will und eine Sehnsucht nach einer echten Frische hat, dann geht das nur auf einem schmerzhaften Weg.
Dieser ganze Versuch unserer Selbstauflösung, der natürlich ein Stück weit auch live stattfindet, der hat schon auch etwas Geschicktes. Ich glaube, dass das schon ein paar Konsequenzen haben wird. Man will sich einfach permanent, an allen Punkten in so einer Vorraussetzungslosigkeit fühlen, also die Fragen: Wie mache ich neue Musik? Was bringe ich mit, bevor ich anfange, Musik zu machen? Wie wird die Musik live präsentiert? Wie ist das Konzept der Band? Wie werden in Albumlänge Stücke produziert, die zwischen zwei und acht Minuten lang sind? Und so weiter. Da ist es natürlich schwer, sich den wohltemperierten eigenen Hörgewohnheiten zu entziehen. Und man bringt ja wahnsinnig viel an Vorstellungen mit. Je mehr man aber davon lassen kann – so stellen wir uns das vor – desto spannender wird am Ende die Musik. Ob uns das gelingt ist spannende Frage, die wir uns vor allem im nächsten Jahr, fragen werden.

Aber nun habt sich ja über die Jahre auch eine Fangemeinde gebildet. An diese Leute ranzukommen ist doch schwieriger, wenn man kein ‚Format‘, keinen festgesetzten Rahmen hat. Denn auch eure Fans denken ja in bestimmten Kategorien.
Hanebeck: Aber das ist ja auch wieder nur eine Vorstellung, die man mitbringt, dass das primäre Ziel beim Musikmachen wäre, gehört zu werden und Fans zu gewinnen. Wenn ich so anfange, das mein Hauptziel ist, dann ist man meines Erachtens auch schon zur Hälfte fertig. Denn dann orientiere ich mich an den Geschmacksentscheidungen anderer und bin sofort wieder orientiert.
Was wir im nächsten Jahr starten wollen ist der Versuch, Musik zu machen, die vielleicht auf ganz andere Weise überrascht. Und dann ist es für mich noch überhaupt keine Frage, ob das irgendwie kommerziell verwertet wird, oder nicht.

Es könnte also auch ein Band-Projekt sein, das nur unter euch abläuft, ohne Zuhörer?
Hanebeck: Ja, vielleicht spielen wir das nur unseren Freunden und Familien vor, das wird sich zeigen. Aber auch dafür gibt es zum Glück noch gar keine Pläne.

Wenn jetzt also die Tage der Rockband "Uncle Ho" bald gezählt sind – was waren die Dinge, die euch in den "Uncle Ho"-Jahren am besten gefallen haben?
Krüger: Also erst mal natürlich, dass wir im Laufe der Jahre eine ganze Menge interessanter Leute kennen gelernt haben, kreative andere Musiker, Leute mit denen man zusammen an einem Cover-Artwork bastelt oder mit denen man zusammen ein Video oder einen Film dreht. Ohne die Band hätte wir gar nicht die Möglichkeit gehabt, so viel unterwegs zu sein und so viele Leute kennen zu lernen. Das Touren ist schon klasse.
Hanebeck: Für mich war es auch eine große Befriedigung zu merken, wie man als Musiker reift, wie Dinge möglich werden, die früher lange nicht möglich waren. Als ich als 18-Jähriger angefangen habe, da hatte ich ganz bestimmte Grenzen, die habe ich inzwischen weit überschritten. Man merkt irgendwann, dass sich die Fähigkeiten wandeln, dass einem mehr gelingt, dass einen die Musik immer mehr begeistert, weil man mehr erreicht. Ansonsten vielleicht noch, dass man sich vor anderen beweisen kann, dass man die Dinge eben gut macht, egal ob im Studio oder live. Dass man für das, was man tut, auch Zuspruch bekommt. Nur betrifft das jetzt nicht speziell den Rock, da machen meinetwegen Folk- oder Jazzmusiker ganz ähnliche Erfahrungen. Ich denke, da unterscheidet sich der Lifestyle der Musiker nicht besonders. Die brachiale Energie, die das im Rock mitunter entwickelt ist schon auch wahnsinnig, aber auf eine subtile Art und Weise ist Jazz glaube ich nicht weniger energievoll.

Ihr habt als Schulband angefangen, habt ihr eich seitdem auch auf andere Dinge konzentriert, Ausbildung oder ähnliches?
Krüger: Julian ist der einzige von uns, der mit seinem Anglistik-Studium zumindest noch nebenher etwas versucht, aber auch nicht im Hinblick darauf, später was zu haben, damit man sich dann irgendeinen Job aussuchen kann.
Ich habe nach der Schule direkt Zivildienst gemacht und mich dann aber wieder nur auf die Musik konzentriert. Und Jens, der hat zwar nach der Schule mal ein paar Lehren angefangen aber immer wieder abgebrochen.

Ihr habt aber auch journalistisch gearbeitet.
Hanebeck: Ja, für das Online-Magazin "Doc Rock", da habe ich zum Beispiel Travis interviewt oder Henry Rollins …
Krüger: … und ich habe Bernard Butler interviewt.

Habt ihr auch Reviews geschrieben?
Hanebeck: Ich habe das sehr selten gemacht, das fand ich schon immer sehr nervig.
Krüger: Ich habe häufig Rezensionen und Berichte von Live-Konzerten geschrieben. Ich finde es aber irgendwie sehr schwierig, über Musik zu schreiben. Da mache ich lieber Musik, das ist das größere Ding, das wirklich selbst zu machen.

Lasst ihr euch von Reviews beeinflussen, wenn ihr CDs kauft?
Hanebeck: Selten. Ich lese schon seit Jahren keine Musikzetschriften mehr.
Krüger: Ich habe das früher viel gemacht, aber das hat auch abgenommen.
Hanebeck: Ich höre viel rein, bei Freunden, im Laden usw. Ich nehme schon wahr, was passiert, dafür stecke ich dann auch zu sehr in diesem Business drin. Da bekommst du schnell die ganzen Hypes mit, wenn auf einmal alle sagen "Queens of the Stoneage" ist das Tollste – da höre ich dann aus Interesse auch mal rein.
Was ich allerdings tue, wenn ich mal so eine Zeitschrift in der Hand halte, dann gucke ich, wer veröffentlicht was, das interessiert mich sehr, wobei ich dann die Reviews kaum lese.
Krüger: Dass man das nicht mehr tut, hängt sicherlich auch damit zusammen, dass man über die Jahre, die man in der Branche auf seine Art mitgemischt hat, dann auch eher einen ganz anderen Bezug dazu bekommt. Ich meine, mittlerweile weiß man, dass man eine "Platte des Monats" von der Plattenfirma bezahlen lassen kann. Insofern ist das mit den meisten Zeitschriften eh hinüber.

Hat euch denn diese musikjournalistische Tätigkeit auch geprägt, weil ihr einen ersten Einblick bekommen habt, wie es im Musikbusiness läuft?
Hanebeck: Den Einblick bekommt man auch als Musiker, dafür mussten wir nicht journalistisch tätig werden. Wir haben relativ schnell gesehen, was alles möglich ist. Sicher gibt es auch noch den Idealzustand, wo ein Interessierter mit einem Interessierten spricht und am Schluss wird drüber geschrieben – das kann ganz toll sein.
Aber es ist auch so, je härter die Zeiten werden, desto mehr wird gekungelt und sich zugeschoben und gekauft. Zumindest weiß ich über die Entstehung von vielen tollen Rezensionen … – das ist zum großen Teil für den Arsch.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figuren seid ihr?
Hanebeck: Sehr schöne Frage! Wenn man sich so erschöpft fühlt, wie wir nach dreißig Tourtagen, dann wahrscheinlich Donald Duck. Aber ich würde sagen, auch wenn das jetzt vielleicht ein wenig vermessen wirkt: Ich bin der "Spirit" von Will Eisner. Der gibt einfach nie auf, egal was ihm Schlimmes passiert, egal wie verrucht und wild und finster diese Welt ist, in der er sich bewegt. Er weiß wie scheiße es ist, aber er gibt nicht auf, bleibt immer aufrecht. Ich bin nicht genauso nicht abgevixt und bitter nach all den Erfahrungen, die ich in diesem Business gemacht habe. Ich meine, da gibt es viele Erfahrungen, nach denen man abgevixt und bitter sein könnte.
Krüger: Wer wäre ich denn?
Hanebeck: Vielleicht das Masupilami. Das hat dieser André Franquin entworfen, nur ist das leider am Schluss ein wenig als Modeerscheinung verkommen. Das kommt in "Spirou und Fantasio" vor, so einem französischen Comic. Das "Marsupilami" hat einen langen Schwanz, aus dem es sogar einen Ball formen kann, mit dem es dann die Leute umhaut. Aber sonst ein ganz liebes Tierchen.

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