Ich habe mich ja bei dem Titel Eures aktuellen Albums „An ordinary day in an unusual place“ gefragt: Wann hattet Ihr zuletzt Euren gewöhnlichen Tag an einem ungewöhnlichen Ort?
Geoff Wilkinson: Gestern. Heute. Der Album-Titel entstand ein bisschen in Erinnerung an die letzten Touren, die Hektik etc. Insbesondere die Japan-Touren spielten da eine Rolle, dieses Land ist einfach so anders. Aber generell, jede Kultur, jeder Ort, jede Umgebung begegnet Dir ja anders – und so ist eigentlich jeder Tag ein gewöhnlicher Tag, aber meistens an einem ungewöhnlicher Ort.
Japan ist auf jeden Fall immer spannend, wie war denn die letzte Japan-Tour?
Wilkinson: Also, für Alison war es ja das erste Mal Japan…
Alison Crockett: …und es was einfach bizarr, anders kann man das nicht sagen. Die Japaner sind sehr, sehr liebenswerte Menschen. Sie sind sehr enthusiastisch, nicht nur gegenüber uns, sondern gegenüber allem, was sie für interessant halten. Es war faszinierend, so eine völlig andere Kultur zu erleben, wie sie mit westlichen Trends umgeht, es ist lustig zu sehen wie sie sich Accessoires, Armbänder, Klamotten, Ohringe, überhaupt, wie sie sich westliche Kultur aneignen. Die Japaner fühlen sich wohl in ihrem Land. Für mich war das allerdings wie eine Reise zum Mars.
Man kann in den Großstädten von jedem Hochhaus eigentlich das gleiche Bild verfolgen: Blechwüste bis zum Horizont.
Wilkinson: Ja, irgendwie alles sehr futuristisch.
Das meinst Du im positiven Sinne.
Wilkinson: Ja, du siehst zum Beispiel fast keinen Müll auf den Straßen.
Crockett: Überhaupt keinen Müll.
Wilkinson: Und Obdachlose…
Crockett: …ganz selten. Man fühlt sich auch sicher.
Wilkinson: Da gibt es einige Aspekte in deren Kultur, wo wir uns etwas von den Japaner abgucken können.
Crockett: Sie sind sehr respektvoll, sie wissen, wen sie respektieren müssen und wem sie freundlich gegenüber sein müssen, und sie wissen warum sie das tun. In Amerika läuft das anders: je bekannter du bist, desto mehr wirst du respektiert. Die Leute interessieren sich erst richtig für dich, wenn du bekannt bist. In Japan ist das nicht der Fall.
Nun ist aber US3 in Japan nicht gerade unbekannt.
Wilkinson: Ja, Japan war sogar das erste Land, wo ich überhaupt mit US3 hingefahren bin. Das war im Dezember 1992, sechs Monate, bevor das erste Album rauskam. Ich fühle mich den japanischen Fans daher auch sehr verbunden, einfach weil sie so gut zu mir waren. Ich war inzwischen sechs Mal in Japan – aber auch für mich ist das immer noch ein anderer Planet, als wenn man in die Zukunft reisen würde.
Nochmal zurück zum „ordinary life“ – was tut Ihr gegen ein gewöhnliches Leben?
Crockett: Genießen. Das ist alles, was man machen kann. Spaß haben, wo es nur geht.
Und die Musik ist Spaßbringer Nummer Eins?
Crockett: Manchmal ja, manchmal nein. Musik ist nur eine Facette deines Lebens, sie ist nicht dein ganzes Leben. Schließlich kannst du Musik nicht essen und Musik sagt dir auch nicht: ich liebe dich. Natürlich ist Musik eine großartige Sache und ich liebe es, Musik zu machen, aber es gibt eben auch viele andere Facetten im Leben.
Und…was macht Ihr außer der Musik?
Wilkinson: Hm… über das nächste Album nachdenken. Mein Motto ist: Arbeite, um zu leben, und lebe nicht, um zu arbeiten. Ich arbeite ununterbrochen.
Also doch ein Full-Time-Musician?
Wilkinson: Nein, ich würde mich in erster Linie als Musik-Liebhaber bezeichnen. Gestern zum Beispiel, in Köln bin ich losgezogen und habe mir eine Menge Platten gekauft. Ich bin ein großer Sammler, und ich höre mir wirklich die verschiedensten Sachen an. Und heute morgen haben alle zusammen diverse CDs gehört. Das ist einer der guten Aspekte, unterwegs auf Tour zu sein. Wir haben alle unsere unterschiedlichen Geschmäcker, und tauschen unsere CD-Sammlungen aus. Alison hatte was dabei von Hendrix bis zu irgend so einem R’N’B-Sänger aus San Francisco. Großartig, ich liebe es, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die musikalisch in so viele Richtungen offen sind.
Das beeinflusst dann natürlich den US3-Sound.
Wilkinson: Ja, man entwickelt sich musikalisch weiter, so wie sich auch jeder Mensch mit dem Alter und seiner Lebenserfahrung weiterentwickelt.
Welcher Stil hat US3 beim aktuellen Album am meisten beeinflusst? Soul? Schließlich wartet Ihr ja das erste Mal mit einer Sängerin auf?
Wilkinson: Mit Alison kam schon ein massives Soul-Element hinzu, was auf den ersten beiden Alben einfach gefehlt hat, da gab es ja gar keinen Gesang. Ich war sehr zufrieden, eine Sängerin gefunden zu haben, die so gut reinpasst. Sowieso wollte ich schon immer mit einer Sängerin zusammenarbeiten.
Alison, was denkst Du über die ersten beiden Alben, ohne Deine Stimme?
Crockett: Ach du meine Güte, ich finde sie gut. Meines Achtens funktionieren Sie gut ohne mich, oder irgendeine andere Sängerin.
Wenn Ihr Musik macht – habt Ihr besondere Ziele, die Ihr verfolgt, Ideale?
Wilkinson: Ich habe kein besonderes Ziel. Ich lebe mit dem Klischee: das Leben ist eine Reise ohne Ziel. Ich versuche, auf dieser Reise möglichst viel Spaß zu haben und viele Einflüsse mitzunehmen von den Leuten, die mich auf dieser Reise begleiten. Die Reise ist das aufragende für mich, nicht irgendein Ziel. Ich weiß ja nicht, wo mich die Strasse als nächstes hinführt.
Crockett: Gute Musik machen, das möchte man natürlich, Musik, die die Leute mögen. Ich habe großes Interesse daran, dass unterschiedliche Musik auch unterschiedlich wahrgenommen wird, und dass man als Musiker nicht versucht, vielleicht wie ein Charlie Parker oder Jimi Hendrix zu sein. Wenn man versucht, nur jemanden nachzuahmen, dann ist das das falsche Ziel. Go for what you hear und hoffe, dass die Leute es mögen.
Den größten Erfolg hat US3 wohl immer noch dem Cover von Herbie Hancocks „Cantaloop Island“ zu verdanken. Habt Ihr eigentlich noch Kontakt zu Herbie?
Wilkinson: Nein, da gibt es keinen Kontakt. Ich bin ja auch davon abgekommen, bekannte Jazz-Samples in meiner Musik zu verwenden, ich will ja nicht durch die Musik anderer bekannt werden. Andererseits wird US3 natürlich nicht wegkommen von „Cantaloop Island“, das war ja auch sehr gut für uns. Aber es ist nicht alles und wir wollen musikalisch weiterkommen.
Aber damals seid Ihr Herbie schon öfters begegnet, oder?
Wilkinson: Ja, wir haben Herbie das erste Mal im Juni ’93, als das Album schon draußen war. Das war beim Montreux Jazz-Festival, Herbie hatte selbst „Cantaloop Island“ gespielt und es allerdings mit den Worten angekündigt: „Jetzt ein Song von einer Band namens US3“. Herbie Hancock ist cool. Und man muss anmerken, dass er durch den Erfolg von „Flip Fantasia“ auch eine Menge Geld gemacht hat.
Was sagst Du zu seinem neuen Album „Future2Future“?
Wilkinson: Ich habe es mir ein Mal angehört.
Und?
Wilkinson: Danach nie wieder. Es hat mich enttäuscht. Nein, ich war nicht von Herbie enttäuscht, aber ich war enttäuscht davon, mit welchen Leuten, man ihn zusammengebracht hat. Der Gedanke des Labels war sicher, dass man ihn zusammenbringt mit Leuten, die irgendwie trendy sind, aber die auch viel zu viel experimentieren. Ich denke, da hätte man bessere Leute finden sollen. Ich wundere mich, dass er nicht zum Beispiel ein Album gemacht hat wie Carlos Santana „Supernatural“, eben mit sehr bekannten Leuten. Herbie Hancock hat schon so viele Leute dermaßen beeinflusst, nicht nur Jazz-Musiker, auch HipHop- und Soul-Künstler. Und er hätte so ein phänomenales Album machen können, auf dem er mit verschiedenen Sängern und Rappern musiziert hätte, eben mit den Leuten, die er so stark beeinflusst hat. Ich bin überrascht, dass er das nicht getan hat.
Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid Ihr?
Wilkinson: Oh… keine Ahnung. Sorry, ich muss passen.
Crockett: Also bei mir ist das leicht. Ich bin „Storm“ von „The X-Men“, die wollte ich schon immer sein.