Herr Ochsenknecht, Ende 2013 ist Ihre Autobiographie „Was bisher geschah“ erschienen. Haben Sie das Buch eher für sich selbst oder für Ihre Fans geschrieben?
Uwe Ochsenknecht: Für die Fans und für die Nicht-Fans. Ich stehe seit Jahrzehnten im Rampenlicht und in der Öffentlichkeit, da ist ein Bild entstanden, was sicher auch mit den Rollen zu tun hat, die ich spiele. Die Leute glauben, einen zu kennen und denken, der ist so, wie er spielt. Dazu kommen Schlagzeilen in Schmierblättern mit Halbwahrheiten und Lügen, die das Bild von mir verzerren. Das hat in letzter Zeit stark zugenommen und war ein Anstoß für mich, über mich selbst zu schreiben. Ich wollte nichts beschönigen und ehrlich sein, für die Leute, die sich tatsächlich für mich interessieren. Die Leser sollen mich nicht anhand von vorgefertigten Bildern beurteilen.
Als Person des öffentlichen Lebens muss man mit der delikaten Situation leben, dass es sich nicht immer lohnt, gegen Lügen oder Halbwahrheiten vorzugehen…
Ochsenknecht: Was heute geschrieben wird, bleibt tausend Jahre im Netz. Würde man die Seiten alle Abmahnen, bliebe keine Zeit für anderes. Vor allen Dingen kostet das auch irgendwann eine Menge Geld, was man wegen dieser Idioten aus dem Fenster wirft. Es gilt abzuwägen, was Sinn macht. Das muss im Verhältnis stehen.
Haben Sie sich mit dem Buch auch etwas von der Seele geschrieben?
Ochsenknecht: Als ich mich entschieden habe das Buch zu schreiben, war mir das noch nicht so bewusst. Ein ehrliches Buch erfordert ein Eintauchen in die eigene Vergangenheit. Dabei merkte ich, dass ich etwas zu verarbeiten habe, aber: Ich habe das Buch nicht geschrieben, um mir die Kosten für einen Therapeuten zu sparen.
Ich bin nicht Helmut Schmidt, Lagerfeld oder wenigstens Peter Ustinov. Für die interessiert sich die ganze Welt. Ich habe ein paar Filmchen gemacht, einen bekannten Namen in Deutschland und eine, sagen wir mal, lebendige Familie. Aber reicht das, um ein Buch zu schreiben? Die Idee, dass Leute mein Buch für 20 Euro kaufen, hielt ich für verwegen. Verleger Stefan Lübbe hat mich persönlich überzeugt und garantiert, dass mir keiner reinfuchtelt. Er meinte, die Leute interessiert mein Werdegang, wie ich aus einfachen Verhältnissen kommend, etwas ausrichten konnte.
Sie beschreiben Ihr problematisches Verhältnis zu Ihrem Vater, der Sie auch verprügelt hat. Wie erklären Sie sich Ihren Vater rückblickend?
Ochsenknecht: Er hat es nicht anders gelernt und erfahren, das erkläre ich im Buch auch. Es ist schwer ihm seine Prägung durch Milieu- und Kindheits-Erfahrungen vorzuwerfen. Das bleibt auf der Festplatte hängen. Er war kein Monster. Er hatte in der Nachkriegszeit eine schwierige Kindheit und hat, was uns betrifft, sogar wahnsinnige Fortschritte gemacht.
Er konnte den Berufswunsch Opernsänger nie realisieren und wurde stattdessen Feinmechaniker. Sie haben schon früh, im Kinderchor des Nationaltheaters in Mannheim mit dem Singen Ihr Taschengeld verdient. War er neidisch?
Ochsenknecht: Das glaube ich nicht, aber ihm kam das sonderbar vor. Im Alter überwiegen Ängste, da traut man sich nicht, Dinge einfach zu tun, wie man es noch in der Jugend angeht. Ich habe das in jungen Jahren gemacht und er hat ungläubig beobachtet, wie das funktioniert. Das gehört zu dieser Generation. Meine Mutter fragte mich noch nach dem Riesenerfolg von „Männer“, ob ich wieder neue Anstellungen habe. Die haben nie richtig verstanden, dass das nicht nur Glück ist.
Ich bevorzuge es, durch meine Arbeit in der Öffentlichkeit zu stehen und nicht, weil sich mein Pudel ein Bein gebrochen hat.
Von Ihrer Mutter hat sich auch ein Satz aus Ihrem Buch eingebrannt, den Sie zu Ihrer Schwester und Ihnen gesagt hat: „Ihr wart eigentlich nicht geplant.“ Wie hat der Satz nachgewirkt?
Ochsenknecht: Es erklärt einem Einiges, wenn man das, was man vermutet, von einem der Verantwortlichen hört. Meine Schwester und ich hatten das Gefühl, eher geduldet zu sein. Als es ausgesprochen war, war es klar. Ich kann mit Klarheit besser leben, als mit Vermutungen. Als Erwachsener muss man mit dem Thema irgendwann abschließen. Man lebt sein eigenes Leben und das soll unbelastet von der Vergangenheit und der Kindheit sein. Wenn irgendwann Spätfolgen auftauchen, kann man die bearbeiten.
Haben Sie jemals professionelle Hilfe in Anspruch genommen?
Ochsenknecht: Nein, soweit ging das nicht. Mein großes Glück war, dass ich früh wusste, welchen Beruf ich einschlagen möchte. Nicht nur, weil es früh geklappt hat, sondern weil er mich nach wie vor glücklich macht. Auch wenn ich nicht so erfolgreich wäre, würde ich irgendwo auf einer Theaterbühne stehen. Etwas zu finden, das einem ein Leben lang glücklich macht, macht einiges wieder gut.
Also ist der materielle Erfolg eine positive Nebenerscheinung, aber er spielt für Ihr Lebensglück keine entscheidende Rolle?
Ochsenknecht: Absolut. Durch die Verhältnisse, in denen ich aufgewachsen bin, weiß ich das umso mehr zu schätzen, aber das war nie der Ansporn für mich, diesen Beruf zu ergreifen. Das Materielle darf nie wichtiger sein als die Kunst. Das habe ich immer so beibehalten. Ich mache immer noch Newcomer- und Hochschulfilme, wenn das Drehbuch gut ist.
Ihr Buch ist Ihrer Partnerin Kiki und Ihren Kindern Rocco, Wilson, Jimi und Cheyenne gewidmet. Sie sind also selbst ein Familienoberhaupt…
Ochsenknecht: „Familienoberhaupt“ – wie sich das anhört. Ich sehe mich als ein Mitglied der Familie. Wenn man Kinder hat, versucht man denen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Frage ist, ob die das wollen. Die Jungs sind in einem Alter, in dem sie denken, sie wüssten wie alles geht. Wichtig ist zu wissen, dass da jemand ist, der schon länger auf dem Planeten ist. Ich will die nicht unter Druck setzen. Die müssen wissen, dass ich als Begleiterscheinung immer da bin, aber die sollen ihr Leben leben.
Wie haben Sie Ihre Kinder erzogen?
Ochsenknecht: Dadurch, dass sie mit mir aufgewachsen sind, muss man vor allem darauf achten, dass sie auf dem Teppich bleiben. Sie sollen die Annehmlichkeiten, die ein Leben mit mir als Vater mitbringt, schätzen, ohne sich darauf etwas einzubilden. Das ist nicht normal und kann sich auch ändern.
Die ganze Familie Ochsenknecht steht mit Ihnen im Rampenlicht. Ist das anstrengend?
Ochsenknecht: Ich schätze das nicht immer. Ich bevorzuge es, durch meine Arbeit in der Öffentlichkeit zu stehen und nicht, weil sich mein Pudel ein Bein gebrochen hat. Wenn man jung und dumm ist, bringen Facebook, Instagram und Co Gefahren mit sich. Da tauchen Fotos und Interviews auf, bei denen ich mich frage, ob die einen Schuss haben. Das kommt vor, aber so langsam haben sie es kapiert.
Gehört die permanente Beobachtung heute zum Business dazu?
Ochsenknecht: Das kommt darauf an, wie man damit umgeht. Durch das Internet und die neuen Medien hat man die Möglichkeit Leute zu erreichen. Aber bitte nicht mit irgendeinem Quatsch. Ich bin dafür, sich Geheimnisse zu bewahren. Dieses permanente Schreiben und Fotografieren muss man dosieren.
Muss man sich rar machen und Grenzen ziehen?
Ochsenknecht: Ich habe das immer getan, aber das muss jeder selbst wissen. In meinem Buch steht viel Privates über mich, das heißt aber nicht, dass ich von nun an mein Privatleben immer weiter ausbreite.
Sie haben mit einem Film wie „Männer“ ein Millionenpublikum erreicht. Nun ist es nicht lange her, dass der Ex-„Brigtte“-Chef Andreas Lebert eine „Anleitung zum Männlichsein“ veröffentlicht hat. Brauchen Männer heute tatsächlich so eine Anleitung?
Ochsenknecht: Was heißt es denn, Mann zu sein? Das betrifft letztendlich den Bezug zu Frauen. Gäbe es nur Männer, bräuchten wir das nicht. Vielleicht definieren die Frauen uns Männer. Die Definition in der Brigitte ist in jedem Jahr anders. Mal Macho, mal weich, mal beides. Würde man sich danach richten, würde man verrückt.
Welche Definition schlagen Sie vor?
Ochsenknecht: Unabhängig vom Geschlecht muss man das Menschliche sehen: Männer haben auch Gefühle. Durch die Erziehung unserer Eltern und wiederum derer, durch deren Eltern, entstand die Einstellung, dass Männer nicht Weinen und keine Gefühle zeigen dürfen. Das halte ich vom menschlichen Standpunkt her für eine Vergewaltigung. Wenn ein Mann mal weint, ist das ein menschlicher Zug. Die guten Frauen finden einen Mann, der Gefühle zeigen kann, viel männlicher, als einen der nur die Muckis spielen lässt. Die Männer müssen keine Bedenken haben, dass sie ihre von der Natur eingepflanzte Männlichkeit verlieren. Die ist und bleibt da. Es tut doch gut, Gefühle zeigen zu dürfen. Deswegen ist man keine Memme. Man kann im Kino heulen und trotzdem einem Typen, der eine Frau blöd anmacht, aufs Maul hauen. Es tut gut, sich vor einer guten Frau nicht verstellen zu müssen und einfach Mensch sein zu dürfen als Mann.
Passt es dazu, dass zum Beispiel beim „Tatort“ Götz Georges ruppiger Schimanski von Figuren wie Axel Prahls nachdenklichem Frank Thiel oder dem von Liefers gespielten, smarten Boerne abgelöst wird?
Ochsenknecht: Film ist ein Spiegel der Zeit und des Zeitgeschehens und damit auch für die Wandlung der Geschlechterbilder. Man ist aber nie so eindimensional, sondern hat mehrere Seiten.
In Ihren Buch beschreiben Sie auch die Prüderie der 60er Jahre, als Sie Teenager waren. Sind Sie froh, dass es diese Prüderie nicht mehr gibt?
Ochsenknecht: Wer heute an Titten, Ärsche und mehr kommen will, kommt da ran – gerade durch das Internet. Dadurch verliert es an Spannung. Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der es schwer war, auch nur ein Foto einer nackten Frau zu Gesicht zu bekommen. Heute wird das alles ausgebreitet. Nacktheit ist nichts Geheimes mehr.
Schlägt es heute nicht sogar in ein anderes Extrem aus? In der Werbung, in Musikvideos und Filmen…
Ochsenknecht: Sex sells. Hauptsache Titten raus, Arsch raus – ich kann das nicht mehr sehen! Diese wackelnden Ärsche in den Videos empfinde ich als Ausverkauf.
Mögen Sie eigentlich Frauenfußball?
Ochsenknecht: Gar nicht, so tolerant wie ich bin – das passt nicht. Vielleicht weil ich selbst gespielt habe und mich das geprägt hat. Wenn Frauen Fußball spielen, kann ich dem nix abgewinnen, auch wenn sie es teilweise ganz toll machen. Ich finde auch Frauenboxen ganz schlimm, wenn die sich ihre schönen Gesichter zermartern. Das ist kein Sport für Frauen. Das passt nicht zum Geschlecht.
2000 bekamen Sie den Deutschen und den Bayerischen Filmpreis für Ihre Rolle als Hans Pollak in der Fußballkomödie „Fußball ist unser Leben“…
Ochsenknecht: Preise machen noch keinen guten Schauspieler aus. Daher ist das mit Vorsicht zu genießen!
Ich wollte nur wissen, wo Sie Preise bei sich zuhause aufbewahren?
Ochsenknecht: Sie stehen nicht gerade in einer beleuchteten Vitrine im Eingangsbereich, sondern in meinem Arbeitszimmer. Man muss die suchen, wenn man sie sehen will. Die sind eine schöne Bestätigung für die geleistete Arbeit, gerade, wenn sie, wie der Deutsche Filmpreis, aus berufenem Munde vergeben wurden.
Zum Schluss: Wie halten Sie es mit der Religion?
Ochsenknecht: Die Religion, wie wir sie vom Vatikan kennen, wurde von Leuten erfunden, die damit Geschäfte gemacht haben. Das ist ziemlich kriminell. Das betrifft meistens die Älteren, Hilflosen und Schwachen, die sich an so etwas klammern. Das man Geld in Form von Kirchensteuer bezahlt, um Glauben zu dürfen, ist pervers. Grundsätzlich habe ich eine spirituelle Ader. Ich mag Worte wie Kraft oder Universum lieber als Gott. Ich glaube schon, dass da irgendwas existiert. Aber warum und wieso sich das äußert, ist ein großes Thema. Viele kommen dahinter, dass es keine Zufälle gibt – aber was das bedeutet, wirft neue Fragen auf.