Herr Schulze-Erdel, mit über 5.500 Sendungen halten Sie als deutscher Moderator den Bildschirm-Rekord. Doch vor kurzem habe ich gelesen, dass Sie auch planen, wieder auf die Theaterbühne zu gehen, wo Sie ja vor knapp 30 Jahren Ihre Karriere begonnen haben.
Werner Schulze-Erdel: Ja, diese Pläne gibt es schon seit dem letzten Jahr, doch ging das bisher einfach aus Zeitgründen nicht. Sobald ich Zeit finde, ist das natürlich ein großes Bedürfnis von mir. Ich habe ja auf der Schauspielschule Bochum angefangen und die ersten zwei Jahre unter Peter Zadek in Bochum angefangen zu spielen. Später kam das Staatstheater und die Kammerspiele Bochum dazu, bis ich dann aber relativ zufällig den Schritt zum Unterhaltungsfuzzi machte.
Haben Sie es damals bedauert, von der Bühne weg zu gehen?
Schulze-Erdel: Nein, Fernsehen und Theater das sind zwei Paar verschiedene Stiefel. Das eine hat was mit mir zu tun, das andere auch. Man muss seinen Bedürfnissen nachgehen und man muss sicherlich darüber nachdenken, weshalb man so einen Beruf ergreift. Und für mich ist heute die Seele hinter dem Ganzen immer noch das Theaterspielen.
Macht es für Sie einen großen Unterschied, in die Kamera zu gucken, statt in den Zuschauerraum?
Schulze-Erdel: Mit einer Kamera ist das etwas Intimes, die Kamera saugt dich auf wie ein Staubsauger. Da sind deine Gesten kleiner, auf der Bühne musst du das einfach größer machen, aber auch drauf achten, dass es nicht manieriert wirkt.
Haben Sie sich denn schnell daran gewöhnt, die meiste Zeit des Jahres nur im Studio zu verbringen?
Schulze-Erdel: Ja, das Flirten mit der Kamera und mit dem Publikum, das macht ja auch Spaß. Und so ein Format wie die Show „Familien-Duell“, da habe ich zum Beispiel auch die Möglichkeit, dass ich die Kameraschnitte quasi mitbestimme. Also, ich gucke gerade noch die Spieler der einen Familie an und wenn ich dann einen Kommentar abgeben will, dann genügt der kurze Blick in die andere Kamera und so wird das automatisch geschnitten. Daher entwickelt das Ganze für mich eine gewisse Intimität, das macht Spaß. Und neben der Kamera habe ich ja noch das Studio-Publikum, mit dem ich in den Pausen sprechen kann. Im Grunde hat das auch etwas von einer Theaterbühne.
Angenommen ich hätte keinen Fernseher — wie würden Sie mich überzeugen, einen Fernseher zu kaufen?
Schulze-Erdel: Da halte ich es mit Neil Postman. Es gibt ja kluge Bücher über das Fernsehen und Postman hat einmal gesagt: „Das Fernsehen macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer“. Man muss also entsprechend selektieren, so mache ich das auch, ich bin ja kein potentieller Dauerfernsehgucker, so etwas finde ich auch grässlich. Ich bin noch ein Anhänger des normalen Skatspiels, des gepflegten Biertrinkens oder Essengehens. Ich bin noch ein Anhänger der Live-Kommunikation, ich mache mit Freunden zum Beispiel Spiele-Abende. Ich meine, heute gäbe es ja auch die Möglichkeit, verschiedene Spiele am Computer zu spielen. Wir machen das aber alles noch richtig live, ich brauche den Kontakt.
Trotz allem denke ich, um vieles mitzubekommen, ist Fernsehen gerade in der Vielfalt des Angebots – was auch leicht Einfalt werden kann, aber das liegt an jedem selbst wie er das selektiert – sehr wichtig. Und wenn ich das noch erweitern darf auf das Internet, da weiß man ja heutzutage, dass viele Geschichten gerade im Ostblock entstanden sind, weil die Leute sich einfach nicht mehr für doof verkaufen ließen. Es wurde zwar fast alles zensiert, aber durch Internetzugang und Fernsehen wurde die Sache internationaler, da gibt es keine Grenzen mehr. Die Leute wurden also aufgeklärt, in welchem Bewusstsein sie bisher gelebt haben, nämlich, dass sie gar kein Bewusstsein hatten, weil sie in einer Diktatur lebten.
Also, man muss das Fernsehen nur vernünftig anwenden, damit meine ich nicht nur die Information sondern auch gezielte Unterhaltung. Da hat jeder Mensch das Anrecht drauf und wenn es Spaß macht, ist es eine wunderbare Sache. Allerdings, wenn man Information und den Spaß allein vom Fernsehen bekommen will, dann halte ich das für zu einseitig. Ein gutes Buch oder eine Zeitung können dir darüber hinaus noch viel mehr bieten.
Steht denn bei Ihnen zu Hause der Fernseher im Mittelpunkt des Interesses?
Schulze-Erdel: Nein, ich habe auch einen extra Raum, wo sich meine riesige Schallplatten- und CD-Sammlung befindet, und eine kleine Bibliothek. Da habe ich zwei bequeme Sessel, da habe ich meine schnurlosen Kopfhörer, da lese ich mal ein Buch, während meine Frau vielleicht Fernsehen guckt oder umgekehrt. Der Fernseher hat zwar durchaus eine zentrale Position im Wohnraum, weil es dort am gemütlichsten ist, er ist aber nicht immer im Mittelpunkt.
Also steht in Ihrem Haus ein einziger Fernseher.
Schulze-Erdel: Nein, wir haben auch noch einen kleinen in der Küche stehen. Aber sonst nirgendwo, auch nicht in meinem Büro.
Wer bestimmt, was geguckt wird?
Schulze-Erdel: Also, ich bin da kein Macho und es ist nicht so, dass ich der Herr der Fernbedienung bin. Ich gebe zu, wenn ich alleine bin, dann zappe ich auch schon mal. Ich bin auch ein begeisterter Anhänger vom Bügeln beim Fernsehen, weil Fernsehen allein mir oft zu langweilig ist. Bei einer Talkshow muss ich nicht immer permanent hingucken, dabei kann ich mich wunderbar entspannen und zum Beispiel nebenher bügeln.
Bügeln Sie da auch die etwa 1.200 verschiedenen Sakkos, die sie schon in den über 2.900 Sendungen von „Familien-Duell“ getragen haben?
Schulze-Erdel: Nein, die meisten sind im Fundus von RTL, einige sind auch nicht mehr aktuell. Ich bügle so die gebräuchlichen Sachen, privat trage ich ja eigentlich kein Jackett, sondern da bin ich sehr pflegeleicht, da genügt eine Jeans und Pullover.
Sind Sie eigentlich ein Familien-Mensch? Wie hat man Sie anfangs für das Konzept von „Familien-Duell“ begeistern können?
Schulze-Erdel: Ich habe meine Erfahrungen ja schon gemacht bei der ersten Gameshow, die es im deutschen Privatfernsehen gab, nämlich „Ruck Zuck“ bei Tele5. Als man mir die Show anbot, da habe ich gedacht „was ist das denn?“ Ich habe mir ein paar Folgen des amerikanischen Originals angeguckt, und war gar nicht überzeugt. Aber ich habe es gemacht und die Show bekam Kult-Status, insgesamt habe ich sie über 1.000 Mal gemacht. Und dann wollte RTL mich zurück haben, wo ich ja schon zwischen 1986 und 1988 war. Die haben mir dann das „Familien-Duell“ gezeigt, was damals mit das erfolgreichste Gameshow-Format war, was es im Fernsehen gab — und das hat mir gut gefallen. Ja, ich bin ein Familien-Mensch, ich komme aus einer Großfamilie. Ich selbst habe heute zwar nur eine Kleinfamilie habe, aber ich bin jemand, der mit beiden Beinen auf den Füßen steht, und der nach wie vor den Kontakt zu den Zuschauern nicht verloren hat. Ich wohne nicht im Elfenbeinturm, sondern ich weiß, was Sache ist, welche Bedürfnisse die normalen Leuten haben. Deswegen ist „Familien-Duell“ offensichtlich eine Show, die mir auf den Körper geschrieben ist.
Das Prinzip der Sendung besteht ja darin, dass die zwei teilnehmenden Familien die meist genannten Antworten finden müssen, die durch eine Umfrage unter 100 Leuten ermittelt wurden. Über 18.000 verschiedene Fragen wurden bisher gestellt — aber wer führt eigentlich diese vielen Umfragen durch?
Schulze-Erdel: Wir haben das am Anfang viel zu kompliziert gemacht, wir sind auch nicht demoskopisch relevant, wie es so schön heißt, sondern wir zeigen Trends auf. Wir haben am Anfang an verschiedenen Schauplätzen wie Supermärkten, Freizeitanlagen, Fußgängerzonen usw. wirklich 100 Leute gefragt, sortiert nach Männlein und Weiblein, nach jung und alt, Nord/Süd, West/Ost … Heute geschieht das zu etwa 80 Prozent via Internet. Wir stellen also Fragen ins Internet und bekommen dann die entsprechenden Antworten.
Von anderen Quizshows wie „Wer mit Millionär“ ist man es mittlerweile leider gewohnt, dass sich die Quizfragen oft auch auf Boulevard-Themen oder Vorabendserien beziehen. Bei „Familien-Duell“ ist das weniger der Fall, oder?
Schulze-Erdel: So etwas kommt nur vor, wenn die Fragen getestet worden sind, das heißt, wenn die Antworten bereits Allgemeingut sind. Aber bei uns geht es ja auch gar nicht so primär um Wissen, sondern es geht um das Einschätzen, was die Leute wissen könnten. Und es geht um die kleinen Dinge des Alltags, also Fragen wie: „Was machen Sie, wenn Sie schon 10 Minuten auf Ihre Freundin warten?“ — Telefonieren, Kaffe trinken, Nase bohren, Fingernägel kauen … Man muss sich in diese Antwort-Situation reindenken, es geht darum die Top-Antworten zu finden, das gibt die meisten Punkte. Es geht also nicht darum, was ich persönlich denken würde, sondern was die Mehrheit der von uns befragten Leute denken könnte. Es gibt ja manchmal auch obskure Antworten. Wir haben mal einen nach einer europäischen Hauptstadt gefragt. Der sagte „New York“ und siehe da, trotz allem hat er 8 Punkte bekommen, weil 8 von den 100 befragten Leuten auch „New York“ gesagt haben.
In jeder Sendung wird an das Verlierer-Team der „Goldene Werner“ verliehen. War das Ihre Idee?
Schulze-Erdel: Nein, das war nicht meine Idee. Früher gab es noch so ein Schweinchen, dann hatten wir glaube ich eine Uhr … Aber als die Sendung immer mehr auf die Bezugsperson Werner hinauslief kam die Redaktion mit dieser Idee. Da gab es einen jungen Künstler, der so ein Modell angefertigt hatte, eben angelehnt an den Oscar.
Und aus welchem Material? Immerhin wird er pro Woche ja fünf Mal vergeben, der „Goldene Werner“.
Schulze-Erdel: Was das für ein Material ist weiß ich gar nicht. Er ist aber mit so einer Goldfarbe bepinselt, Backalit glaube ich. Aber auch wenn er nicht aus purem Gold ist, das ist heute ist ein sehr begehrtes Utensil, schließlich kann man den nirgendwo kaufen.
In einem Artikel von vor zwei Jahren las ich, eine Sendeminute von „Familien-Duell“ würde um die 1.500 Euro kosten. Stimmt diese Zahl noch?
Schulze-Erdel: Es könnte mehr sein, im Moment vielleicht auch weniger, weil bei RTL die Sparwelle ausgebrochen ist. Aber um diese Dinge kümmere ich mich gar nicht so. Klar, wir kommen bei den vielen Sendungen schon auf einen sehr hohen Betrag. Aber Sie müssen ja die Werbeeinnahmen bedenken, ich glaube, da habe ich insgesamt schon einen dreistelligen Millionenbetrag für RTL eingespielt.
Haben Sie am Anfang viel auf die Quote geguckt?
Schulze-Erdel: Ja, am Anfang hat man viel darauf geguckt. Da waren wir auch noch sehr verwöhnt, wir hatten einmal den Rekord mit über 52 Prozent Marktanteil. Dann wurden aber die Kriterien ein bisschen geändert und es ging nur um die relevante Zielgruppe, dann fingen auch die anderen Sender an aufzuwachen und haben ihre Sendungen dagegen gesetzt. Ich glaube, heute ist es so, dass in unserer Zielgruppe jeder vierte und insgesamt jeder dritte Deutsche, der morgens um 11:30 Uhr den Fernseher laufen hat, „Familien-Duell“ guckt. Das finde ich nach elf Jahren schon sensationell.
Würden Sie aber vielleicht zustimmen, dass es eine Sendung im Vormittagsprogramm generell leichter hat, nicht abgesetzt zu werden?
Schulze-Erdel: Das weiß ich nicht. Man könnte sagen, dass man um diese Uhrzeit nicht so im Fokus der Fernsehkritiker ist. nichts desto trotz musst du aber am Vormittag genauso gut sein, wie am Abend. „Familien-Duell“ ist einfach ein gut funktionierendes Format, das den Menschen Spaß macht. Da wird keiner bloßgestellt, wir reden nicht über Sex- und Pickelprobleme, wir sind keine Mülleimer-Talkshow. Es ist einfach ein herrlicher Spaß, den ich persönlich auch vertreten kann.
Die meisten Shows, die hierzulande laufen, haben ihre Vorbilder in den USA.
Schulze-Erdel: Und solange die gut sind, finde ich das auch völlig in Ordnung. Natürlich gibt es dort auch einpaar beknackte Geschichten, weil auch viel mehr ausprobiert wird. Es kommen ja nur die besten nach Europa. Und so viele richtige Gameshows gibt es ja auch gar nicht mehr. Gut, in letzter Zeit ist zwar ein bisschen die Quizshownitis ausgebrochen, wo das Original immer noch besser ist, als die vielen Kopien. Aber so die richtig klassische Gameshow, die existiert ja kaum noch. Inzwischen gibt es so viele Eigenformate, die alle irgendeine Macke haben, die alle nicht zu 100 Prozent funktionieren. Die werden dann aufgepustet mit Gesang und irgendwelchen anderen Dingen. Aber dabei sind doch die Kleinigkeiten entscheidend und die Menschlichkeit, die bei so einer Show mitspielt. Das wiederum sind Dinge, die sich schlecht kopieren lassen.
Haben Sie denn auch mal eigene Ideen für eine Show entwickelt?
Schulze-Erdel: Ja, aber das waren nicht zwangsläufig Ideen für eine Spielshow. Ich habe ja auch eine Produktionsfirma, wo ich schon Ideen entwickelt habe. Allerdings produzieren wir mit der Firma primär Reportagen und Dokumentationen, weil das auch ein interessantes Feld ist, um Neugierde zu befriedigen und wo man Phantasie umsetzen kann.
Es gibt noch ein paar gute Ideen für eine Show, aber im Grunde genommen gab es ja fast alles schon. Es kommt nur immer darauf an, wer am besten klaut, zumindest habe ich dieses Gefühl manchmal, wenn ich holländische Produktionen sehe, die aus den verschiedensten Formaten etwas neues zusammenbasteln. Oder nehmen wir den sogenannten „Große Preis“ vom ZDF. Diese Quizshow ist ja eigentlich nur eine Kopie von „Jeopardy“, also auch ein geklautes Format. Tja, und so wie es heute dargestellt wird, hat es kein Tempo. Die haben jetzt zwar einen jüngeren Moderator, ein neues Outfit, aber die Sendung hat keinen Drive mehr, das bringt einfach gar nix.
Grade weil es schon alles gegeben hat, kommen die TV-Sender ja auf immer obskurere Ideen, denkt man zum Beispiel an „Big Diet“ oder „Girlscamp“.
Schulze-Erdel: Ja, höher, schneller, weiter — das alte Konzept der Antike. Es geht um Sensationen, es geht um schlechten Geschmack, es geht um Ausprobieren, bis an die Grenzen. Das geht aber in anderen Ländern noch viel weiter. Ich habe mal eine Reportage gesehen über Shows in Japan, die — nach unserem Verständnis — wirklich über die Grenzen hinaus gehen, Shows, die in Deutschland auch gar nicht zugelassen würden. Aber wenn du hier mal so eine Abenteuer-Show siehst, dann weißt du eigentlich sofort: es kann nichts schlimmes passieren außer ein paar blaue Flecken, sonst würde es hier gar nicht gesendet werden.
Hat man mal versucht, Sie für eine komische Show als Moderator zu gewinnen?
Schulze-Erdel: Nein.
Hätte man eine Chance?
Schulze-Erdel: Nee, man muss Werner Werner sein lassen. Versuche, wo ich aus Loyalitätsgründen schon mal etwas anderes gemacht habe, die haben deswegen nicht funktioniert, weil Werner nicht ehrlich war, Werner war nicht Werner.
Werner, das ist ein Moderator — wenn ich den von außen betrachte — der schon ein hohes Maß an Authentizität mit einbringt. Er scheißt auf Äußerlichkeiten, er geht richtig auf, er ist ein Mensch. Die Kandidaten beim „Familien-Duell“ sagen dem Werner ja auch immer, dass das so wohltuend ist, dass der sich um die Leute richtig kümmert, während und nach den Sendungen, so dass da richtig Kontakte entstehen. Er ist nicht so ein eitler Sack, wie vielleicht viele ferngelenkten Unterhosen, die beim Fernsehen ihren Arbeitsplatz haben.
Wieso reden Sie jetzt von sich in der 3. Person?
Schulze-Erdel: Ich habe das jetzt mal auf der Ebene gemacht, weil es zum Beispiel in meiner Firma auch mein Job ist, junge Leute zu coachen und auszubilden. Wenn ich jetzt als Schüler so jemand hätte wie den Werner, dann würde ich den dabei unterstützen, dass er so bleibt wie er ist, mit allen seinen Macken.
Sie sagten in einer Sendung kürzlich in bezug auf Ihre Person: „Stille Wasser sind tief“.
Schulze-Erdel: Ja, ich sage da immer viel Privates von mir, was ich mag, was ich mache. Wenn sich das so ergibt, dann gebe ich meine persönlichen Einschätzungen ab, das lieben die Leute. Die Leute kennen mich auch sehr gut, die sprechen mich auch nie mit „Herr Schulze-Erdel“ an, sondern mit „Werner“.
Ihre erste Gameshow „Ruck Zuck“ lief ja immer bei Tele5, ein Urgestein des Privatfernsehens. Wenn Sie es sich aussuchen könnten, würden Sie dann lieber in der damaligen Zeit moderieren oder heute?
Schulze-Erdel: Das kann man so nicht direkt beantworten. Ich habe damals unheimlich viel lernen dürfen, weil ich unheimlich viel Scheiß machen durfte. Als wir aus Luxemburg sendeten, sozusagen aus der Garage, da es gab noch keine GfK-Zahlen (Statistiken der Gesellschaft für Konsumforschung, Anm. d. Red.), wir konnten mutig voran gehen, wir konnten Dinge ausprobieren, wir haben alles gemacht. Ich habe ja von Nachrichten über Sport, Wetter, Senioren-Sendungen, Schlager-Parade alles machen dürfen, ein tägliches Feierabendmagazin, Frühstücksfernsehen, das Reise-Quiz „Ein Tag wie kein anderer“ … Das war natürlich eine tolle Erfahrung.
Heute ist alles viel professioneller geworden, größer und man ist mehr ein Einzelkämpfer. Früher war man ein kleines Team, das aber alles zusammen gemacht hat, heute ist man Einzelkämpfer. Jede Zeit hatte ihre schönen Seiten. Es wurde mit der Zeit immer ausprobiert, die Blue-Box, technische Tricks und und und. Was ich heute zum Beispiel noch exzellent gemacht finde, ist „Wer wird Millionär?“ mit Günther Jauch. Ich meine, was ist das schon für eine Sendung? Da explodieren keine Autos, gar nix, da sind nur zwei Menschen. Zwei Menschen auf dem Bildschirm und die erzeugen eine unheimliche Spannung. Das ist schon sehr back to the roots.
Sind es also letztlich solche Sendungen, mit einer guten, einfachen Idee und wenig Aufwand, die sich durchsetzen werden, die auch eine Chance haben, länger gesendet zu werden?
Schulze-Erdel: Ja, das hat auch viel mit der Kraft der Persönlichkeit zu tun. Es hat mit der Kraft der Menschen zu tun und nicht mit der Kraft von irgendwelchen neuen spektakulären Effekten. Fernsehen ist immer spannend, wenn man Menschen sieht. Deswegen gucke ich neben Sport und Politik auch sehr gerne Talkshows. Oft ist das zwar nur ein Markt der Eitelkeiten, aber das kann eben sehr spannend sein. Und das liegt dann nicht am spektakulären Bühnenbild oder so. Man wird sich also immer wieder rückbesinnen auf Formate, die vom Menschen getragen werden, denn das sind die Formate, die einen faszinieren.
Sie haben sich zu Beginn unseres Gesprächs als „Unterhaltungsfuzzi“ bezeichnet. Warum diese Bezeichnung?
Schulze-Erdel: Ja, ich gucke gerade in meinem Büro auf einen Zeitungsartikel, der vor anderthalb Jahren erschienen ist, mit der Überschrift, „Der ernste Unterhaltungsfuzzi“. Das fand ich sehr witzig, weil ich durchaus was zu sagen habe. Ich glaube, aus einem verzagten Arsch kann kein fröhlicher Furz kommen, ich bin ein unverbesserlicher Optimist, der auch Glück gehabt hat und ich glaube, dass man mit einem gewissen Lächeln und Freundlichkeit den Leuten gegenüber viel erreichen kann. Und ich bin durchaus ein reflektierender Mensch, aber ich kann mich auch auf jeden Spaß einlassen. Ich bin nur einmal am Leben, dies ist nicht die Generalprobe — also gehört auch Spaß dazu.