Wir sind Helden

Es gibt Tourunternehmer, die wissen, was ein Baby ist.

Judith Holofernes und Jean-Michel Tourette von Wir sind Helden über das Album „Soundso“, Heldentaten, ein Baby im Tourbus und die anstrengende Seite des Musiker-Jobs

Wir sind Helden

© Gerald von Foris

Judith, Mark, Jean-Michel, wie viele Drachen muss man töten, um ein Held zu sein?
Holofernes: Viele. Ich finde vor allem, alle die man sich selber mitgebracht hat. Um sich zum Helden zu qualifizieren sollte man seine eigenen Dämonen besiegt haben.
Tourette: Obwohl wir diese Frage tatsächlich des Öfteren gestellt bekommen, find ich es immer wieder nicht so einfach, sie zu beantworten. Wir haben uns diesen Namen zu einer Zeit gegeben, wo dieser Helden-Begriff schon ein bisschen abgenutzt war. Das hat sich in letzter Zeit wieder ein bisschen relativiert, man kann ihn jetzt tatsächlich mal wieder verwenden. Aber ob man dafür Drachen töten oder einfach nur ein guter Mensch sein muss, das ist eine Definitionssache. Ich finde, Helden sind eine sehr persönliche Sache. Mein Nachbar zum Beispiel, der war lange Zeit mein Held, weil der immer so nett war und so toll Quetschkommode gespielt hat. Das ist einfach diese kindliche Herangehensweise an das Thema Helden und das find ich total faszinierend. Da hat es eine sehr ursprüngliche und reine Bedeutung.

Judith, wie viele Drachen hast du dir denn auf dem Weg des Erwachsenwerdens ‚mitgebracht‘?
Holofernes: Einige. Im Durchschnitt hat der Mensch bis dreißig vielleicht so 267 Drachen erlegt…
Tavassol: …hoch gegriffen, aber könnte hinhauen in einer satten Gesellschaft.

Was war euer schwerster Drachenkampf bis jetzt?
Holofernes: Ich würde sagen, einer meiner schwersten Drachenkämpfe war letztes Jahr bei Rock am Ring Headliner zu spielen, um somit die ausgefallenen Limp Bizkit zu vertreten, was natürlich einigen Limp Bizkit Fans nicht so gut reinlief. Das haben sie dann auch bereits Wochen vorher auf unserer Website kundgetan und damit gedroht, Tomaten zu werfen. Das war so ein Moment, in dem ich mich gefragt habe, warum so etwas immer passiert, wenn man gerade das Gefühl hatte, irgendwo angekommen zu sein. Gerade ist es ein bisschen ruhig geworden, man ist entspannt – und schon muss wieder ein Drache um die Ecke biegen.

Wurden denn tatsächlich Tomaten geworfen?
Tavassol: Nee, die offensichtlich doch nicht so zahlreichen Autoren dieser Gästebucheinträge sind zu der Zeit wahrscheinlich am Bierstand gewesen. Man malt sich als Band aber schon so Szenarien aus, wie tausende Leute noch viel mehr tausend Tomaten werfen. Das ist natürlich nicht passiert, es war ein saumäßiges Konzert.
Holofernes: …es war ehrlich eines der schönsten Konzerte, die wir hatten bisher.
Tavassol: Man muss natürlich sagen, dass das echte Luxusdrachen sind, die ganz schlimmen Drachen sind bei uns zum Glück nicht so vertreten. Es gibt ja Menschen, die haben ganz andere Drachen als einen wie diesen, als Headliner auf einem großen Festival zu spielen. Uns ist schon bewusst, dass es auch ganz andere Kaliber gibt. Uns geht es soweit ganz gut.

Was war die letzte heldenhafte Tat, die ihr begangen habt?
Tourette: Wir haben eine geile Platte gemacht….(alle lachen). Um ehrlich zu sein, heldenhaft sind wir nicht. Wir machen nichts Heldenhaftes, wovon wir meinen, dass müsste man jetzt an die große Glocke hängen. Natürlich engagiert man sich für gewisse Dinge, die einem wichtig sind, aber das machen wir im Stillen und wollen dafür nicht als Helden bezeichnet werden.
Holofernes: Ich schenke Pola (Lebensgefährte von Judith Holofernes und Schlagzeuger der Band; Anm. d. Red) in letzter Zeit regelmäßig eineinhalb Stunden Schlaf, obwohl ich selber nur fünf hatte….
Tavassol: …und heldenhaft von uns ist, dass wir so tun als wüssten wir das nicht und Pola immer genauso mitleidig angucken wie Judith es tut.

Judith, vor einem halben Jahr ist dein Sohn Friedrich zur Welt gekommen – ist Muttersein eine heldenhafte Rolle?
Holofernes: Puh, es erfordert auf jeden Fall einige qualifizierende Eigenschaften, nämlich Selbstaufgabe und großen Mut, find ich schon. Man muss, und dass sag ich jetzt, damit Deutschland endgültig entvölkert wird, wenn man ein Kind bekommt, sich mit der Kehle dem Monster ausliefern. Es wird wirklich nie im Leben etwas geben, was einen so an die Vergänglichkeit erinnert und so der grundlegenden Verdammnis des Menschen ausliefert, dass man alles verliert, was man liebt. Das ist wirklich so, das ist der größte Schrecken, weil man so verliebt ist in dieses Kind.

Ist das von Anfang an so oder hat man auch Zweifel?
Holofernes: Ich hatte nie Zweifel, aber ich hatte schon in der Schwangerschaft immer Angst, dass da jemand kommt, der dann wieder gehen wird. Wenn man sich irgendwann eingestanden hat, dass das so ist mit der menschlichen Existenz, dass sie endet, dann hat man ein kleines Problem.

Hatten diese Gedanken auch Einfluss auf dein Songwriting für das Album „Soundso“?
Holofernes: Diese Themen, wie Identität, Erwartungshaltungen, Rollenverhalten, eins werden mit der Welt, sind alles Themen, die mich schon immer interessieret haben. Ich glaube eher, dass so ein Baby, was sich ankündigt, eine andere Konsequenz mit sich bringt, nämlich den Dingen auf den Grund zu gehen.

Mark, ist da jetzt eigentlich eine Grüppchenbildung zu erkennen? Kleine Familie gegen den Rest der Band?
Tavassol: Nee, das geht ja auch gar nicht. Da ist ja immer so ein Grüppchen um das Baby herum. Das hat mit genetischer Übereinstimmung gar nicht soviel zu tun. Es ist auch wirklich so, dass Friedrich sich nicht aussucht, wem er auf die Schulter kotzt. Irgendwie ist Friedrich sofort Teil der Band geworden und das sag ich jetzt nicht nur weil Judith daneben sitzt. Das würde ich auch im Vollrausch in der Kneipe erzählen.
Holofernes: …und am nächsten morgen Friedrich ein Instrument kaufen….(lachen)

Fährt Friedrich mit im Tourbus?
Tavassol: Er fährt den Tourbus sogar selber…das Wunderkind, der wird auch Astrophysiker. Es gibt ja wunderbare Künstler wie Sarah Connor, die auch schon ein Baby haben und einen Tourbus brauchten. Seit der wunderbaren Sarah Connor mit ihrer ähnlichen Situation, gibt es Tourbusse, die mit Modulsteckweise Babyplätze haben. Es gibt Tourunternehmer, die wissen, was ein Baby ist und die wissen, dass die Kehle eines Sängers immer noch funktioniert, auch wenn schon eine weitere Kehle geboren wurde und dass das Touren in diesem Moment nicht aufhört und es deswegen schlau ist, als Unternehmer einen Bus so zu konzipieren, dass man ihn auch noch vermieten kann, wenn ein Baby dabei ist. Und genau das nutzen wir aus.
Holofernes: …das ist unsere Lücke. Ich glaube auch, dass dieses Baby mit ganz schön viel Testosteron aufwachsen wird, wir sind ja meistens 12 bis 18 Personen und davon sind nur zwei Frauen. Ich finde den Gedanken auch sehr schön, dass er, wenn er dann ein bisschen größer ist, die Sendung mit der Maus live haben wird und das die ganze Zeit. Man kann ihn dann ans Lichtpult setzen und er kann dann das Licht die ganze Zeit an und ausmachen.

Die Hauptthemen eures Albums „Soundso“ sind Identität, Erwartungshaltungen, Rollenverhalten – habt ihr denn das Gefühl, dass ihr eure Identität gefunden habt?
Tourette: Das Gefühl uns gefunden zu haben hatten wir eigentlich schon sehr früh, eigentlich schon vor dem ersten Album. Ganz am Anfang hatten wir eine Zeit, wo wir uns ausprobiert haben und zwischendurch auch mal eine Country-Band waren. Aber alles, was danach gekommen ist, empfinde ich als Entwicklung. Stehen zu bleiben und an einer Identität, die man sich aufgebaut hat festzuhalten, das finde ich ganz schrecklich. Das schnürt einen ja auch ein. Genauso ist ja „Soundso“ auch gemeint: Würde man uns an irgendeinem Punkt in unserer Karriere auf irgendetwas festnageln, würde dies ja keinen Punkt, der noch weiter in der Zukunft liegt, in irgendeiner Weise wiederspiegeln.
Wir versuchen uns einfach in dem Kosmos, in dem wir uns bewegen, zu entfalten. Wir fühlen uns relativ frei, viele Dinge tun zu dürfen. Sowohl was wir in unseren Videos machen, als auch was für Musik wir machen. Wir machen schon das, was wir wollen.

Zum Beispiel neuerdings englische Songtitel…
Holofernes: Der Witz „The Geek shall inherit“ ist mir irgendwann eingefallen und stand dann auf irgendeinem Kritzelblatt. Ich hab die ganze Zeit gedacht, dass man das nicht bringen kann. Das hat ja auch so etwas Elitäres oder schließt vielleicht Menschen aus. Mir ist sehr bewusst, das „Geek“ ein Wort ist, was nicht im täglichen Sprachgebrauch vorkommt, auch nicht bei Leuten, die relativ gut Englisch sprechen. Ich habe diese Idee dann sehr lange einfach liegen lassen, bis ich mir dachte: Scheiß drauf, es amüsiert mich doch so! Und dann ich hab das Lied fertig geschrieben.

Egal ob einen die Leute verstehen…
Holofernes: Ich zehre da von der Erfahrung, dass Leute viel mehr verstehen und zu schätzen wissen, als man vielleicht beim Schreiben glaubt. Ich hab bei „Denkmal“ auch gedacht, dass das kein Schwein interessieren würde und habe es trotzdem geschrieben. Gott sei Dank. Daraus habe ich gelernt, dass ich Sachen erst fertig schreibe und mir dann überlege, wer das vielleicht hören möchte.
Bei „The Geek“ hab ich das Gefühl, dass der Rest des Liedes, bis auf die verschrobene Zeile, eigentlich relativ zugänglich ist und sich auch durch das Lied erklärt, was denn ein „Geek“ sein könnte. Ich weiß übrigens kein deutsches Wort dafür, das kommt noch dazu. Es gibt glaube ich, kein so vielschichtiges Wort für jemanden, der auf diese Weise draußen ist aus einem Verbund von cooleren Menschen. Streber als Übersetzung stimmt in diesem Fall leider nicht damit überein.

Einer der neuen Songs heißt „ Der Krieg kommt schneller zurück, als du denkst“ – glaubt ihr nicht, dass es auch eine friedliche, harmonische Welt geben kann?
Holofernes: Ich glaube überhaupt nicht an eine harmonische Welt, weil ich eine realistische Vorstellung davon habe, wie die Welt funktioniert. Aber ich glaube an die Umsetzbarkeit des Guten im Menschen. Menschen haben nun mal Sehnsucht nach anderen Menschen. Ich glaube wirklich an die Heiligkeit in Menschen, daran, dass sie über gewisse Dinge hinauswachsen können. Diese Menschen sind dann auch die wahren Helden für mich: meine Helden sind Heilige: Mutter Teresa, der Dalai Lama oder Mahatma Gandhi.

Ihr gönnt euch ja seit jeher den Luxus einer Verweigerungshaltung gegenüber der Boulevardpresse. Werdet ihr die weiterhin beibehalten oder ist es inzwischen so, dass ihr als national bekannte Größe da in irgendeiner Weise doch mitziehen müsst?
Tourette: Nee, jetzt erst recht nicht mehr. Wir sind da nach wie vor so, dass uns gewisse Magazine oder Zeitungen von ihrer Berichterstattung her nicht gefallen und in denen wollen wir nicht auftauchen. Wir sind sehr auf der Hut, mit wem wir quatschen. Es kommt dann immer mal wieder vor, dass einem aus Versehen etwas untergeschoben wird, weil es schlecht abgesprochen wurde und dann sitzt man da mit irgendeinem dieser Vertreter. Wir haben auch diesmal wieder einen strikten Plan gemacht, was wir wollen bzw. nicht wollen. Wir wollen zum Beispiel nichts mit der Bild-Zeitung zu tun haben. Ganz einfach.

Wobei es in eurem neuen Song „Ode an die Arbeit“ diese eine Zeile gibt „Du bist Preußen“ und man fühlt sich irgendwie an die Bild-Überschrift „Wir sind Papst“ erinnert. Ist das Absicht?
Tourette: Ein Songtext ist für mich eine Kunstform, in der man erst mal ganz viel darf, finde ich. Man darf auch mit solchen Formulierungen spielen. Das ist natürlich auch ein ganz bewusstes Spiel. Natürlich ist die Textstelle „Du bist Preußen“ ganz bewusst extrem plakativ und hat eine interne Bedeutung, um etwas auf den Punkt zu bringen, worum der Song ja die ganze Zeit kreist. Es geht darum, den Arbeitsbegriff auf diesen eingefahren Begriff der strikten Arbeit zu reduzieren und nicht weiter nach links und rechts zu schauen, was Arbeit noch so sein kann. Was kann einen noch ernähren und gleichzeitig glücklich machen. Dann spielen wir auch gerne mit etwas Plakativem. Das empfinde ich auch nicht als Futter für die Boulevardpresse. In diesem Fall, wenn man es in Anlehnung verwendet und es sich gewissermaßen in ironischer Weise dem gleichen Wortspiel bedient, schon gar nicht.

Du nennst das also eher Ironie, die ihr da verwendet?
Tourette: Ja, sicher! Ironie ist natürlich nicht in jedem Zusammenhang passend, dass ist klar und Ironie hat manchmal auch etwas Überhebliches, was in gewissen Momenten lustig und angebracht ist, aber manchmal auch total unpassend und pietätlos sein kann. Da muss man sehr differenziert entscheiden, wann man ironisch sein kann und wann nicht. Aber Ironie als ein Merkmal von Wir sind Helden in der Kommunikation mit der Außenwelt ist absolut normal und legitim für uns. Das Einzige, was wir wirklich versuchen zu vermeiden ist Zynismus. Das ist wirklich etwas, wo wir tatsächlich kollektiv nicht so richtig drauf stehen. Natürlich will so eine Textzeile auffallen und nicht auf Anhieb verstanden werden. So etwas schreibt man ja nicht einfach wie etwas wie „du bist mein Herz, ich fühle Schmerz“…

Weil wir schon von Arbeit sprachen: Ist Musik für die Band Wir sind Helden Arbeit oder keine Arbeit?
Tourette: Es ist glücklicherweise beides. Das ist auch das schöne Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Dass wir auf der einen Seite ein hohes Maß an Leidenschaft haben und auf der anderen Seite das, was Musikmachen auch anstrengend macht. Teilweise ist das ja auch körperlich anstrengend, wenn man zum Beispiel 16 Stunden im Studio hängt, dann merkt man schon, dass man gearbeitet hat. Man hat jetzt nicht Steine gehoben, aber man hat schon extrem viel Gehirnschmalz bewegt, aber dabei ist wiederum soviel Leidenschaft, dass man es nicht spürt. Es ist eigentlich für uns die perfekte Form von Arbeit. Wir haben gerade bei dem jetzigen Album es als großes Privileg empfunden, dieser Arbeit nachzugehen, obwohl es tatsächlich für uns einen gewissen Arbeitscharakter hatte. Man hat Studios gebucht, man muss zu verabredeten Zeiten irgendwo sein, also normale Parameter, die man bei Arbeit hat. Aber das Gefühl, was wir dabei haben, hat nichts mit diesen negativen Aspekten von Arbeit zu tun. Dass man mit einem schlechten Gefühl irgendwo hingeht oder dass man vielleicht sogar Angst hat.

Dann stimmt also eure Textstelle „Alles was Spaß macht, keine Arbeit“?
Tourette: Na ja….(lacht)
Tavassol: Das ist natürlich das Schönste, dass das, was du an Arbeit leistest, dich befriedigt und glücklich macht. Aber spätestens seit Huxleys „Schöne neue Welt“, weiß man, dass das eine Utopie ist. Trotzdem sehe ich das, was wir machen auch als Arbeit an. Manchmal wirkt es noch viel mehr wie Arbeit als es das jetzt zum Beispiel tut. Es gibt auch Phasen, in denen es anstrengend wird und man denkt, dass man erst mal eine Pause braucht.

Was genau ist das Anstrengende an eurer Arbeit?
Tavassol: Das Anstrengende daran ist, dass diese Art der kreativen Arbeit, nämlich einen Song aufzunehmen, der nicht danach klingt, als hätte man so was schon tausendmal gehört, manchmal unfassbar lang dauert. Auch objektiv sagen zu können, jetzt ist der Song fertig, das ist ganz schwer. Manchmal geht man befriedigt nach Hause und pfeift das Lied und es ist fertig. Und manchmal hat man zwei Wochen daran gearbeitet und man findet es immer noch scheiße. Dann denkt man, man verkauft einfach seine Studioboxen und den Vorverstärker – das ist wirklich so. Das sind Momente, wo man sich fragt, was man hier eigentlich macht. Dann ist man wortkarg zuhause und geht einfach nur ins Bett. Bis jetzt ist es zum Glück immer so gewesen, wie an Butterblümchen rupfen: Gut, schlecht, gut, schlecht. Immer im Wechsel, aber der letzte Eindruck, den wir haben, ist immer ein positiver.

Ist der Song „Lass uns verschwinden“ vom Album „Soundso“ das Pendant zu „Gekommen um zu bleiben“?
Holofernes: Sehr schön…also, ich muss zugeben, dass es mir sehr gefällt, dieses Lied zum Schluss auf der Platte zu haben. Wir spielen da auch ein bisschen mit dem subtilen Schrecken, der davon ausgeht, eine Platte mit einem Text zu beenden, in der die Zeile „wir lösen uns auf“ vorkommt…
Tavassol: …es sollte eigentlich heißen „wir lösen uns auf in Natronlauge“…(lacht)
Holofernes: …aber ich muss auch wiederum zugeben, dass dieser Anteil eher humoristisch ist und es in diesem Lied eigentlich nicht um die Band geht, sondern um ein spirituelles Bedürfnis nach Aufgehen in Unendlichkeit. Nach dem, was die Menschen gleichzeitig schreckt und anzieht, nämlich die Auflösung des Ego und damit eigentlich auf der einen Seite Erlösung und auf der anderen Seite Vernichtung. Es geht wirklich darum, was an der menschlichen Existenz leidvoll ist und das alles loslassen zu können und im Nichts aufgehen zu können. Ja, eigentlich geht es um Transzendenz.
Tourette: Als wir den Song gemacht haben, haben wir auch schon gedacht: Hoffentlich versteht uns jetzt keiner falsch, wir wollen uns natürlich nicht auflösen! In dem Song geht es eher auch wieder um das Thema „Identität“, einfach mal dieses „Ich“ loszulassen. Es soll jetzt nicht esoterisch klingen, aber man verschmilzt einfach, es gibt nur noch ein „Wir“.

…verschmelzen, oder wie Judith es in „Hände hoch“ nennt: „Eins werden mit der Welt“. Aber was genau ist das und wie wird man „eins mit der Welt“? Wie fühlt sich so was an?
Tourette: Na ja, jeder kennt ja das Gefühl, nicht dazuzugehören, das hat ja auch etwas mit Einsamkeit zu tun, wenn man nicht das Gefühl hat, dass man eins mit der Welt ist. In diesem Song geht es ja auch darum, dass man loslässt und den Schmerz nicht ablegt aber sich trotzdem eine gewisse Form von Schicksalsergebenheit behält. Was an einigen Punkten des Lebens sehr hilfreich sein kann. Die Wahrheit ist ja nicht immer nur, Dinge ändern zu wollen, immer nur kämpfen zu wollen. Sondern irgendwann ist Wahrheit einfach nur hinzunehmen und genau in diesem Spannungsfeld befindet sich dieser Song und dann ist das eigentliche Ziel, eins zu werden mit der Welt und im Reinen zu sein. Das ist eine sehr konkrete Form von Glücklichsein.

Sind die Helden eins mit der Welt?
Tourette: Manchmal ja, manchmal nein. Wir sind ja auch nur Menschen.

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