Wise Guys

Wir sind irgendwie keine Single-Band.

Nils Olfert und Marc Sahr von den Wise Guys über über das Album „Klassenfahrt“, ernsthafte Songs, ihren Hamlet-Rap und warum sie trotz Hit-Alben nicht in den Single-Charts zu finden sind

Wise Guys

© wiseguys.de

Nils und Marc, das letzte Album der Wise Guys „Frei! gelangte 2008 bis auf Platz 2 der deutschen Album-Charts. Wie hoch war jetzt der Erfolgsdruck beim neuen Album „Klassenfahrt“?
Sahr: Uns war klar, dass der größte Druck immer der sein würde, den wir uns selber machen. Es war uns aber auch klar, dass es letztendlich ein Würfelspiel sein würde, denn wenn gleichzeitig mit uns ein großer Act veröffentlicht, ist es immer sehr schwer auf die vorderen Plätze der Charts zu kommen. In diesem Fall war es eben Peter Maffay, der uns einfach dreißig Bühnenjahre voraus hat und auch eine ganz andere Medienpräsenz besitzt. Da ist es schwer gegen an zu kommen. Wir haben aber trotzdem mit Platz 1 der Album-Charts geliebäugelt, doch letztendlich wurde es auch diesmal nur Platz 2, was uns aber natürlich auch wahnsinnig freut. Wir werden nicht aufgeben. (lacht)

Auffällig ist, dass es trotz den Album-Erfolgen noch kein Song der Wiseguys in die Top 10 der Single-Charts geschafft hat. Warum eigentlich nicht?
Sahr: Wir sind irgendwie keine Single-Band.
Olfert: Wir sind ja auch alle verheiratet. (beide lachen)
Sahr: Bis auf „Jetzt ist Sommer“ haben wir noch nie so einen Hit gehabt, der alleine für sich so viel Wirkung erzielt. Deshalb überlegen wir uns auch immer zwei Mal, ob wir überhaupt eine Single auskoppeln. Für dieses Album ist das im Moment auch nicht unbedingt geplant. Das Album wirkt ja unter anderem durch seine Vielseitigkeit an Stücken, da ist von Punk-Rock bis Hip-Hop alles dabei, also halt unsere A-capella-Interpretationen dieser Stile. Da kann man nicht eine Single rausnehmen, und sagen: „Das ist jetzt die Nummer, unter der wir uns subsumiert sehen.“

Bandmitglied Ferenc Husta hat sich vor kurzem in einem Interview darüber beklagt, dass Ihre Musik noch immer nicht im Radio gespielt wird, und Ihre Bekanntheit größtenteils durch Mundpropaganda entsteht. Warum ist das so? Warum sperrt sich das Radio gegen die Musik der Wiseguys?
Olfert: Das fragen wir uns auch immer. (lacht) Ich habe gerade mit einem Radiomoderator aus Schleswig-Holstein darüber gesprochen und der meinte zu mir: „Eure Musik ist Top, aber eben nicht im Bereich des Mainstreams einzuordnen.“ Tja, das wird vom Großteil der Radiosender so gesehen. Wir können unsere Musik nur anbieten, und ab und zu wird sie auch gespielt, aber sie hat es bisher nicht in die so wichtigen Rotationen geschafft.
Sahr: Es ist schwierig die zuständigen Musikredakteure davon zu überzeugen, dass wir eben doch in den dehnbaren Begriff des Formatradios reinpassen. Das ist ja heutzutage alles Formatradio, wobei dieser Begriff ganz schwer zu packen ist. Irgendwie flutschen wir da immer durch, ohne dass wir konkrete Anhaltspunkte genannt kriegen, woran das liegt.

Inwiefern gab es denn Überlegungen aus diesem Grund zusätzlich Instrumente einzusetzen, um eben auch mehr vom Radio wahrgenommen zu werden?
Sahr: Das haben wir in der Vergangenheit hin und wieder gemacht, weil wir eben dachten, vielleicht ist es das, vielleicht würde uns das mehr in die gewünschte Richtung kicken, aber es hat keinen Effekt in diese Richtung gegeben. Darum sind wir mit den letzten beiden Alben auch wieder back to the roots gegangen sind, also zurück zu den Wurzeln, und haben alles komplett A-capella aufgenommen. Ich denke aber, dass wir gerade auch mit dem neuen Album den Beweis angetreten haben, dass man auch vollkommen ohne Instrumente gute Popmusik machen kann, die absolut formattauglich ist, auch wenn das noch nicht alle so sehen.

Wie läuft eigentlich ein normaler Studiotag bei euch ab?
Olfert: Wir fangen meistens so gegen Mittags an, und oft hat man dann auch Momente, wo man nicht selbst am Mikro steht, sondern einfach zuhört und unterstützt. Meistens stehen wir dann bis spät abends im Studio. Wir nehmen die Songs auch nicht zusammen auf, sondern jeder steht alleine vorm Mikro. Das ist viel einfacher zu mischen, als wenn wir immer alle fünf Stimmen zusammen aufnehmen würden.

Es ist sicherlich nicht immer einfach fünf Meinungen zu bündeln. Wer entscheidet am Ende?
Olfert: Das geht bei uns nach dem Mehrheitsprinzip.
Sahr: Wenn es jetzt aber um Songs speziell geht, da hat der Komponist, also meistens Daniel, schon eine gewichtigere Stimme. Aber wir versuchen das schon meistens demokratisch zu machen.

Eine große Band heißt also auch, dass man Kompromisse eingehen muss?
Olfert: Ja, das ist wie in jeder Beziehung. (lacht) Da muss jeder irgendwann mal zurückstecken, aber auch das Gefühl bekommen, dass seine Meinung zählt. Das klappt bei uns sehr gut, das merke ich, auch wenn ich erst ein Jahr dabei bin.

Eine der bekanntesten Vokalbands waren die „Comedian Harmonists“ – welche Bedeutung haben die für euch?
Sahr: Die haben für ihre Zeit wahrscheinlich auch Popmusik gemacht, also so wie wir heute, aber da liegt einfach so viel Zeit dazwischen, dass uns da musikalisch nicht viel verbindet. Aber in unseren Anfängen, als wir noch viele Nummern nachgesungen haben, hatten wir natürlich auch „Mein kleiner, grüner Kaktus“ im Programm. (lacht)

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Es ist schwierig, Radio-Musikredakteure davon zu überzeugen, dass wir eben doch in den dehnbaren Begriff des Formatradios reinpassen.

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Anfang der 90er Jahre erlebten dann auch „Die Prinzen“ ihren Durchbruch. Welches Verhältnis habt ihr zueinander?
Sahr: Wir haben kaum Berührungspunkte. Wir wissen von der gegenseitigen Existenz, aber da wir, und ich vermute auch „Die Prinzen“, nicht viel auf Festivals spielen, wo man sich sonst begegnen könnte, haben wir uns noch nie gesehen. Ich kann mich aber noch gut daran erinnern, als ich damals die Alben von denen gehört habe, und das auch gerne gehört habe. Unser Beruf bringt es aber mit sich, dass man selten die Zeit hat andere Bands on Stage zu erleben. Wir sind da schon sehr auf unsere Arbeit konzentriert.

Auf dem neuen Album finden sich auch ernste Songs, so erzählt „Lisa“ die Geschichte einer Scheidung aus der Sicht des Kindes – werden die Wise Guys ernsthafter?
Sahr: Wir hatten ja immer schon auch ernsthafte Songs, das mag in der Wahrnehmung so sein, dass sich das verändert hat, aber wir verfolgen keinen genauen Plan, also dass wir jetzt unser Image bewusst ändern wollen oder so. Wir machen Musik über Themen, die uns beschäftigen. Vielleicht liegt es am Alter, dass uns jetzt auch solche Themen beschäftigen. Das mag sein. In diesem Fall war es so, dass uns ein junges Mädchen eine Mail geschrieben hat und gefragt hat, ob wir nicht mal ein Song über das Thema Scheidung schreiben können. Da unser Songwriter Daniel diesen Prozess aber nie selbst erlebt hat, hat er das Mädchen gefragt, ob sie ihre Gedanken vielleicht aufschreiben möchte, und daraus ist dann dieser Song entstanden.

Auch ein alter Klassiker findet sich auf dem Album, eure Rap-Version von Shakespeares „Hamlet“. Kann man da jetzt vom Bildungsauftrag der Wise Guys sprechen?
Olfert: Bildungsauftrag ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber es ist natürlich toll wenn solche Songs Leute dazu anregen auch mal wieder alte Klassiker zu lesen.
Sahr: Ich muss ehrlich zugeben: Ich habe „Hamlet“ gar nicht gelesen. (lacht)
Olfert: Ich auch nicht. (lacht)
Sahr: Ich hab’s mir vorgenommen, aber ich fürchte das wird wieder nix.

Nils, du bist ja erst 2008 durch ein Casting zu den Wise Guys gekommen. Wie hast du den Bewerbungsprozess erlebt?
Olfert: Der war natürlich tierisch spannend. Ich hatte zufällig durch eine Freundin erfahren, dass die Wise Guys einen neuen Sänger suchen. Ich hatte zu der Zeit gerade mein Biologiestudium abgeschlossen und war eh auf Jobsuche und dachte mir dann: Mensch, vielleicht ist das die Chance mir doch noch den Berufswunsch zu erfüllen, den ich immer hatte, also mein Hobby, die Musik, zum Beruf zu machen. Ich hab dann eine richtige Bewerbung fertig gemacht, mit Aufnahmen, Fotos und einem Empfehlungsschreiben meiner früheren Band, und dann wurde ich nach einem Vorsingen aus 350 Bewerben ausgewählt.

Wie haben die Jungs dich dann aufgenommen? Das ist ja sicherlich auch schwierig in so eine gewachsene Gruppe einzusteigen…
Olfert: Das habe ich am Anfang auch gedacht, aber es war überhaupt nicht schwierig. Wir haben uns von Anfang an super verstanden und die Jungs haben es mir auch echt leicht gemacht.

Auf eurer Homepage steht, dass du dich relativ schnell als „Rampensau“ profiliert hast. Würdest du dich selbst auch so sehen?
Olfert: Ich bin schon super gerne auf der Bühne, und ich denke, dass merkt man mir auch an. Wenn ich auf der Bühne Spaß habe, dann strahle ich das nach außen aus. Mich stacheln viele Leue auch eher an, als dass sie mich abschrecken. Dieses Erlebnis beim Kirchentag in Bremen vor 65.000 Menschen zu singen, da war ich im Vorfeld auch tierisch aufgeregt, aber dann dachte ich nur: „Gas geben, Gas geben!“ Es hat einfach wahnsinnigen Spaß gemacht.

Wie viel Konzerte gebt ihr pro Jahr maximal, aus Rücksicht auf die Stimme?
Sahr: Wir geben so hundert Konzerte im Jahr. Wenn die Stimme gut in Schuss ist kann man die Belastung gut aushalten. Ein Problem ist halt, wenn man etwas kränkelt, aber da hat jeder aus der Band so seine Hausmittelchen. Training und Stimmpflege hilft eigentlich immer am besten.

Die Wise Guys sind eine Gute-Laune-Band. Wo holt ihr euch diese gute Laune? Wie lautet euer persönliches Gute-Laune-Rezept?
Sahr: Das ist mehr eine Einstellungssache. Man kann durch die Gegend gehen und sagen: „Das ist alles so schlimm, jetzt muss ich heute Abend wieder auf die Bühne.“ Oder man kann sagen: „Hey, das ist doch alles total geil! Ich habe total Bock da drauf! Ich will das jetzt genießen und mich darauf konzentrieren.“ Mit dieser Einstellung kann man das auch genießen. So ist das auch im Umgang untereinander. Wir wollen einfach zusammen Spaß haben und auf diese Weise schaffen wir das auch. Olfert: Ich finde man darf auch als Erwachsener einfach mal albern sein. So lange man lachen kann ist man gesund. (lacht)

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