Wolf Haas

Wenn jemand besonders glänzend auftritt, versuche ich das Lächerliche daran zu sehen.

Krimi-Autor Wolf Haas über die Verfilmung seines Buches "Silentium" und seine Art zu schreiben

Wolf Haas

© Senator Film

Herr Haas, nach „Komm‘ Süßer Tod“ ist mit „Silentium“ nun ein weiteres Buch aus ihrer Krimi-Reihe um den Privatdetektiv Brenner verfilmt worden. Die Geschichte spielt mitten im Alltag der Stadt Salzburg, steckt aber voller Kuriositäten, aberwitzigen Verstrickungen und unheimlichen Gestalten – wie kommen Sie auf so etwas?
Wolf Haas: Also, grundsätzlich bin ich zu fast 100 Prozent mit dem Missverständnis konfrontiert, dass die Leute glauben, ich würde sehr viel recherchieren und beobachten. Aber ich bin da eigentlich eher wie ein Kind, das einen Aufsatz für die Schule schreibt, das ist nicht dokumentarisch orientiert, sondern eher wie ein Fantasie-Aufsatz. Dass es dann immer so gut recherchiert wirkt, liegt glaube ich daran, dass ich mir immer Milieus suche, in denen ich mich eigentlich von Kind auf gut auskenne. Ich glaube auch, dass man durch Recherche nie so eine große Nähe zu einer bestimmten Atmosphäre finden kann. Ich könnte jetzt zwar in eine Zeitungsredaktion hineingehen und aufschreiben, was ich dort so alles aufschnappe. Aber die tiefen emotionalen Dinge, die in dieser Redaktion zwischen den Menschen ablaufen, die kleinen Gemeinheiten usw., die kann man nicht recherchieren, die kann man eigentlich nur – erleben.

Es steckt also viel Selbsterlebtes in Ihren Büchern?
Haas: Ja. Zum Beispiel in der Kirche kenne ich mich gut aus, was damit zusammenhängt, dass ich aus einem Dorf bei Salzburg stamme, wo die katholische Kirche die einzige vorhandene Kultur ist. Das ist nicht nur ein Teilsaspekt oder irgendeine Institution, sondern dort gibt es einfach gar nichts anderes. Und diese Käseglocke, unter der man in so einem Dorf lebt, die kann man als bedrückend empfinden oder auch als intensiv. Mich interessiert da eher der Aspekt der Intensität. Ich finde ja solche Fernsehkrimis lächerlich, wo man all diese behaupteten Morde gar nicht glaubt. Aber es gibt auch eben Krimis, wo man sich die Frage der Glaubhaftigkeit gar nicht stellt, weil sie so intensiv mit dem Milieu verwoben sind und man als Zuschauer einfach gar nicht diese Meta-Ebene einnimmt.

Warum haben Sie sich bei „Silentium“ ausgerechnet für Salzburg als Handlungsort entschieden?
Haas: Am Anfang meiner Krimi-Reihe hat der Detektiv Brenner ja den Job als Kripo-Beamter geschmissen und seine Dienstwohnung verloren, er ist also ohne festen Wohnsitz. Das stellt für mich dieses interessante Gefühl der Ankerlosigkeit dar, auch, dass er immer als Fremder an einen Ort kommt. Mir als Autor gibt das die Möglichkeit, wirklich Geschichten zu schreiben, die nicht nur sterile Plots sind, die dann in München, Wien oder Berlin spielen, sondern Geschichten, die nur an diesem Ort funktionieren. Salzburg fand ich da besonders interessant, weil ich das mit einer traditionellen, vollkommen veralteten Form von Kriminalromanen verbinden konnte, die in einem geschlossenen Raum stattfinden. Bei Agatha Christie spielt das Ganze meinetwegen in einem Zug oder auf einem Schiff am Nil, da sind alle Personen eine überschaubare Gruppe und einer von denen war’s am Ende.

Und Salzburg war für Sie ebenfalls überschaubar?
Haas: Ja, in Salzburg fand ich es spannend, die Geschichte in einer Stadt, die ja immerhin 150.000 Einwohner hat, so zusammenrücken zu können. Ich habe mal als Kind einen Film gesehen, ich glaube das war „Zorro“, der in so einer Art Folterzelle eingesperrt war, wo sich die Wände immer mehr zusammenschoben, es wurde enger und enger … Genauso ein Gefühl bekam ich dann auch bei „Silentium“.

Steckt hinter dem beißend satirischen Umgang mit den Institutionen Kirche und Salzburger Festspiele in „Silentium“ denn auch ein wenig persönliche Gesellschaftskritik?
Haas: (überlegt lange) Das steckt vermutlich schon drinnen, aber das ist nicht das, worum es mir in erster Linie geht.

Aber bei bestimmten Szenen im Film gehört schon sehr viel Mut dazu, diese Institutionen so zu zeigen?
Haas: Ich bin einfach so gestrickt. Wenn jemand besonders glänzend auftritt, dann versuche ich das Lächerliche daran zu sehen. Das ist wie, wenn man vor einen groß aufgeblasenen Luftballon steht und das große Bedürfnis hat, den kurz mit einer Stecknadel zu berühren. Und so sehe ich eher meine grundsätzliche Erzählhaltung – weniger als eine konkrete politische Kritik.

Sie würden also auch nicht an den österreich-kritischen Ton eines Thomas Bernhard anknüpfen wollen?
Haas: Nein, das ist eine Generation vor mir so massiv passiert, das wäre heute eine Anmaßung und auch lachhaft, das fortzuführen. Dazu muss ich auch sagen, dass die Bernhard-Rezeption in diesem Punkt ja noch nicht abgeschlossen ist. Da gibt es immer wieder Strömungen, die bei ihm auch den Humor sehen, den Witz und den Spaß, den er sich gemacht hat. Natürlich gibt es gewissen Aspekte von Büchern, die sich medial immer leichter transportieren lassen, und so wird bei Bernhard der eine Aspekt größer kommuniziert als der andere. Aber wenn man all seine Bücher in Betracht zieht, da handeln viele auch auf eine existenzialistische Weise von der Traurigkeit des Daseins, als nur von konkreter, politischer Kritik.

Geben Sie in Ihren Büchern viel Persönliches preis?
Haas: Das Preisgeben ist für mich schon so eine zentrale Frage. Ja, man gibt viel preis und ein Buch wird nur gut, wenn man sich in die Bereiche vorwagt, wo man sich nicht mehr sicher ist, ob man zu weit geht und zu viel preisgibt. Für mich ist das Schreiben vor allem in den Momenten interessant, wo einem bei der Sache nicht mehr so ganz wohl zu mute ist. Solange man sich auf sicherem Terrain bewegt ist das doch uninteressant. Und die Kirchenkritik, das wäre ja so ein gesichertes Terrain, das wird ja von einem Autor geradezu erwartet und es wäre zu billig, zu sagen: Ich bin Kirchenkritiker. Das ist doch jeder.

Die Institution Kirche kommt in „Silentium“ wahrlich nicht gut weg, ist in Menschenhandel und Prostitution verwickelt – wie hat die Kirche in Österreich darauf reagiert?
Haas: Es ist schon sehr interessant, wie die Kirche sich medientechnisch weiterentwickelt hat. Ich glaube, vor 15, 20 Jahren hätten die noch versucht, so einen Film zu verbieten. Mittlerweile arbeiten sie aber viel geschickter: mit Totschweigen. Das Buch ist ja schon vorher erschienen, der Film ist in Österreich groß gelaufen – aber man hat den Eindruck, dass niemand, der irgendwie zur Kirche gehört, jemals etwas von dem Buch oder dem Film gehört hat.

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