Yoji Yamada

Ich habe überhaupt keinen Kämpfergeist.

Regisseur Yoji Yamada über seinen Film "Samurai der Dämmerung" und das wirkliche Ziel der Schwertkunst

Yoji Yamada

© Berlinale

Herr Yamada, seit Ende der 60er Jahre sind Sie als Filmregisseur tätig, doch erst jetzt haben Sie mit "Samurai in der Dämmerung" Ihren ersten Samurai-Film gedreht. Wie und wieso kamen Sie erst jetzt zu diesem Thema?
Yamada: Wir machen da in Japan eine klare Genre-Unterscheidung. Es gibt historische Filme, wie die Samurai-Filme, und Filme, die sich mit der heutigen Zeit beschäftigen. Die Samurai haben ja tatsächlich bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Japan existiert, sie hatten tatsächlich diese langen Schwerter und diese typischen Frisuren. Ich hatte bisher eigentlich kein besonders großes Interesse an dem Samurai-Genre, denn die Filme, die ich bisher über Samurai gesehen habe, haben mich wenig überzeugt, das sah alles zu sehr ausgedacht aus. Nur "Die sieben Samurai" von Akira Kurosawa hat mir gefallen, alle anderen Filme fand ich langweilig. Deshalb habe ich jetzt endlich das Leben der Samurai auf die Leinwand gebracht, so wie ich es sehe.

Der Begriff der Samurai ist ja auch in Deutschland nicht unbekannt, man verbindet hierzulande damit Dinge wie Abenteuer, Schwertkämpfe, Ehre und so weiter. Welchen Klang hat denn das Wort "Samurai" im Japanischen und wie blicken die Japaner auf diese Kultur zurück?
Yamada: Die Japaner sehen beim Samurai nicht unbedingt dieses Kämpferische, sondern man hat bei uns eher das Bild von Menschen, die sehr aufrichtig sind, die mit starkem Verantwortungsbewusstsein und auch sehr ruhig leben. Samurai haben nicht diese Gier nach Materiellem, sie führen ein sehr ehrenvolles Leben. Was das moderne Japan betrifft ist das Land ja zu einer extremen Konsumgesellschaft geworden. Es wird konsumiert, die Leute sind gierig nach Luxus und der Verfall der Moral ist überall sichtbar. Wenn sich die Japaner heute an die Samurai erinnern, dann erinnern sie auch deren Lebensweise und Moral — davon können sie heute eine Menge lernen.

Die Hauptfigur, der Samurai Seibei, ist in gewisser Weise ein sehr zarter Mensch, wie man sich einen Samurai ja eigentlich nicht vorstellt. Finden Sie sich ein bisschen in dieser Figur wieder?
Yamada: Ich weiß nicht, ob ich selbst so ein Mensch bin. Ich kann nur sagen, dass ich die Hauptfigur des Films sehr gerne mag. Ich bin sicher nicht so fleißig wie der Samurai, ich mache mir über ganz unwichtige Dinge Gedanken, und wenn ich etwas gutes essen will, dann mache ich das einfach. Also, das perfekte Spiegelbild von Seibei bin ich auf keinen Fall.

Sehen Sie sich aber selbst ein wenig als Kämpfer?
Yamada: Nein, ich habe überhaupt keinen Kämpfergeist. Und ich möchte zum Schwertkampf noch sagen, dass ein wahrer Schwertkämpfer jemand ist, der es schafft, seinen Gegner insofern zu überwältigen, als dass der Gegner sein Schwert gar nicht erst zieht. Das wirkliche Ziel der Schwertkunst ist, nicht zu kämpfen. Und wenn ich jetzt zum Beispiel an die Star Wars-Filme denke, wo mit diesen Leuchtschwertern gekämpft wird, dann macht mich das traurig, weil hier die Schwertkunst völlig falsch verstanden wird. Ein wahrer Samurai muss es schaffen, im Inneren des Gegners das Gefühl, das Schwert ziehen zu wollen, auszulöschen.

Nun kommt in ein paar Monaten eine große amerikanische Produktion in die Kinos, "The last Samurai" mit Tom Cruise. Befürchten Sie, dass die Zuschauer weltweit nach so einem Film die Blickrichtung Hollywoods einnimmt, wenn es um Samurai geht?
Yamada: Ich vermute, dass das ein Film wird, der nicht die Kultur und die Geschichte Japans reflektiert. Das fängt schon damit an, dass bei der Filmcrew von "The last Samurai" wohl keine Japaner dabei sein werden. Man fragt sich natürlich, wie es sein kann, dass ein nichtjapanisches Team eine japanische Geschichte erzählen kann, denn das ist eigentlich so gut wie unmöglich. Es gibt da ja bereits das Beispiel "Pearl Harbour". In dem Film gibt es viele Dinge — wie zum Beispiel das japanische Militär dargestellt wird — die niemals so gewesen sind, für den Film wurde vieles nur erfunden. Nun war "Pearl Harbour" in Japan trotzdem ein großer Kinohit, was für mich als Filmemacher sehr tragisch ist. Und "The last Samurai" soll sicher genauso erfolgreich werden in Japan wie "Pearl Harbour". Aber das ist mit Sicherheit ein Film, der auf sehr amerikanische Weise die Geschichte eines Samurai erzählen wird – da bleibt nur zu hoffen, dass die Japaner das Prinzip der Amerikaner durchschauen.

In Filmlexika ist nachzulesen, dass das Hauptthema Ihrer Filme das Familienleben kleiner Leute ist. Stimmen Sie dem zu?
Yamada: Es gibt natürlich die Möglichkeit einen Film als großes Ereignis zu drehen, meinetwegen, wenn man einen großen Roman als Grundlage nimmt. Bei meinen Filmen geht es aber um Dinge, die man mit den eigenen Händen berühren kann, die fühlbar sind, die aus meiner eigenen Umgebung stammen. Es geht mir um das Kommunizieren der Gefühle zwischen den Menschen.
Bei "Samurai in der Dämmerung" geht es ja um den Alltag einer Familie. Dafür habe ich mir erst mal auch meinen eigenen Familienalltag angeguckt. Natürlich wird in meiner Familie nicht mit dem Schwert gekämpft. Aber wenn man die Dinge etwas abstrahiert, zum Beispiel wenn man sich den Chef einer Firma vorstellt, der seinen Angestellten entlässt — dazu sagt man im Japanischen übrigens "Hals abschneiden" — dann ist das ein ähnlicher Konflikt, wie ihn Seibei im Film erlebt, der vor der Entscheidung steht, sein Leben oder das seines Gegners zu beenden.

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