Yvonne Catterfeld

Ein Biest hat keine Werte.

Gerade startete eine neue Verfilmung von "Die Schöne und das Biest" in den Kinos. Darin zu sehen: Yvonne Catterfeld als Waldnymphe. Wie sie zu der Rolle kam und wie man mit computeranimierten Kulissen arbeitet, erzählte sie Ralf Krämer.

Yvonne Catterfeld

© Concorde Filmverleih GmbH

Frau Catterfeld, als Sie für „Die Schöne und das Biest“ vorsprachen, wussten Sie, um welche Rolle es dabei ging?
Yvonne Catterfeld: Natürlich. Ich hatte erfahren, dass es dieses Casting gibt, dass es sich um eine französische Verfilmung handelt, um „La belle et la bête“. Sie sollte in Babelsberg gedreht werden und ich wusste, dass es sich nicht um „Die Belle“ handeln würde, sondern um die kleine Rolle einer Prinzessin. Das hat mich schon sehr gereizt. Ich habe vorgesprochen – wobei, ein Vorsprechen ist das ja nicht wirklich, ich habe vorgespielt.

Wie läuft so ein Casting-Prozess ab?
Catterfeld: Zuerst bin ich da hingegangen, habe vorgespielt, das wurde aufgezeichnet und dem Regisseur Christophe Gans gezeigt. Daraufhin bin ich noch einmal eingeladen worden, dieses zweite Casting war dann zusammen mit Christophe und wir haben dann auch gemeinsam die Figur ein wenig entwickelt.

Anhand dieser Prinzessin erklärt sich, wie das Biest zum Biest geworden ist. Welche Szene mussten Sie beim Casting spielen?
Catterfield: Es ging um die Sterbeszene. Ursprünglich gab es da noch einen weiteren Protagonisten, den Vater der Prinzessin, einen Hirsch, der eine Art Gott darstellen sollte. Das hat sich dann aber noch gewandelt. Wir haben einfach verschiedenes ausprobiert, ich habe die Szene erst ganz groß und theatralisch gespielt, da hat Christophe sehr gelacht. Dann lotete er mit die Rolle aus und stellte fest, welche Nuancen er wirklich sehen will.

Yvonne Catterfeld (r.) mit Christophe Gans und Léa Seydoux © Concorde Filmverleih GmbH

Yvonne Catterfeld (r.) mit Christophe Gans und Léa Seydoux © Concorde Filmverleih GmbH

Kannten Sie Christophe Gans vorher?
Catterfeld: Gar nicht. Ich habe mir dann seine Filme angesehen, „Silent Hill“ und „Pakt der Wölfe“. Gerade von letzterem finde ich jetzt auch viel in „Die Schöne und das Biest“ wieder. Dieses Werwolf-Thema, das Märchenhafte, eine bestimmte Düsternis, da hat er schon eine bestimmte Handschrift. „Silent Hill“ ist ja eher ein Horrorfilm, der aber auch eine vielschichtige Botschaft transportiert. Das finde ich schön. Man merkt auch, wenn man mit Christophe spricht, dass es ihm nicht darum geht, irgendein klassisches Märchen zu verfilmen. Er lässt sich von der Geschichte auch zu eigenen Gedanken inspirieren, die er dann mit einbaut.

Haben Sie schon beim Casting Vincent Cassel getroffen, der das Biest spielt?
Catterfeld: Nein. Wir sind uns erst am Set begegnet. Da war ich anfangs schon etwas eingeschüchtert. Ich kannte ihn aus mehren Filmen, zuletzt hatte ich ihn in „Black Swan“ und „Trance“ gesehen und bewunderte ihn als sehr wandelbaren Schauspieler.

Er gilt als ein etwas schwieriger Charakter.
Catterfield: Ich weiß, er ist in seinen Filmen oft unberechenbar, ein wenig wie ein Biest eben. Und es gibt Leute, die ihn auch als Menschen so empfinden. Das erhöhte noch mal zusätzlich die Spannung vor der ersten Begegnung. Man weiß zwar, man hat die Rolle bekommen, weil man im Casting gezeigt hat, dass man was kann, aber die Zweifel sind dann doch immer da: Kann man den Erwartungen des Regisseur entsprechen? Kann man auch die eigenen Erwartungen erfüllen und im besten Fall auch die des Spielpartners? Aber Vincent hat es mir sehr leicht gemacht.

Haben Sie sich erst vor der Kamera zum ersten Mal gesehen?
Catterfeld: Es gab noch eine Probe vorher. Da kam er völlig entspannt hin und meinte: Keine Sorge, den Text kann ich nachher noch richtig. (lacht) Wir spielten die Szene, in der er mich zum Bett tragen muss. Der Weg da hin ist eigentlich ganz schön lang. Da sagte er plötzlich: Oh, bist du schwer! (lacht) Da war gleich das Eis gebrochen. Daraus hat er dann ein Spiel gemacht und etwas improvisiert, damit sein Weg zum Bett nicht so weit ist.

Die Ästhetik des Films ist sehr von computeranimierten Kulissen geprägt. Wie viel war davon schon bei den Dreharbeiten zu ahnen?
Catterfeld: Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich immer wieder: Wie? Und das haben die alles in Babelsberg gebaut? Aber tatsächlich ist der größte Teil ja in der Nachbearbeitung entstanden. Gewisse Elemente, wie zum Beispiel eine Brücke wurden tatsächlich gebaut, aber drum herum gab es nur den Greenscreen. Man weiß ja, dass an den Stellen später Räume entstehen werden und die muss man sich eben in dem Moment vorstellen, um sie plastisch spürbar zu machen.

Wie spielt man sowas?
Catterfeld: Naja, wenn man zum Casting geht, hat man dort ja auch nur einen weißen, blauen oder schwarzen Raum mit nem Stuhl drin. Damit muss man dann ja auch klarkommen. Das ist ungefähr so wie Kälte zu spielen. Die ist ja auch nicht wirklich da und doch muss man so tu als ob man friert. In „Die Schöne und das Biest“ sieht man das sehr gut, wenn der Vater mit seinem Pferd im Schnee steckenbleibt. Das ist schon beeindruckend, da friert es einen direkt beim Zuschauen.

Waren Sie überrascht, wie groß Ihre Rolle im Film letztlich doch ist?
Cattefeld: (Lacht) Ja, ich wusste das nach der langen Zeit auch nicht mehr so richtig. Es ist eine Schlüsselrolle, aber im Verhältnis zum Film schien sie mir doch immer eher winzig. Das war zu Anfang der Interviews, die ich jetzt gegeben habe, etwas schwierig, weil ich da den fertigen Film noch gar nicht gesehen hatte. Da fragt man sich dann manchmal, ob man lieber ein bisschen bescheidener über seine Rolle reden sollte. Aber jetzt habe ich ihn gesehen und bin damit ganz glücklich.

Kannten Sie die Verfilmung dieses Märchens von Jean Cocteau aus dem Jahr 1946? Sie wird immer wieder zu den schönsten Filmen aller Zeiten gewählt.
Catterfeld: Nein, ich habe ihn mir erst kurz vor den Dreharbeiten angeschaut. Aber für mich hat das keine große Rolle gespielt. Ich wollte ja keinen Stil kopieren und außerdem gibt es die Figur der Prinzessin bei Cocteau sowieso nicht. Die hat Christophe hinzugefügt, angelehnt an die griechische Mythologie. Vorher kannte nur die Disney-Version und aufgewachsen bin ich sowieso mit anderen Märchen.

Mit den Märchenfilmen der DEFA?
Catterfeld: Ja, genau. „Das singende klingende Bäumchen“ und „Der kleine Muck“ – wer wie ich zu einer Generation gehört, die noch in der DDR aufgewachsen ist, kennt das alles. Am liebsten hatte ich aber die tschechische Verfilmung von „Die kleine Meerjungfrau.“ Weil die so traurig war.

Sie haben als Kind traurige Geschichten gemocht?
Catterfeld: Ja, diese gewisse Düsternis hat mich wohl angezogen. Aber in dem Film gab es auch noch genug helle Momente zum Ausgleich. Sonst wäre das ja auch irgendwann kein Kinderfilm mehr.

Das Motiv eines Fabelwesens, das aus Liebe zum Mensch wird hat „Die kleine Meerjungfrau“ auch mit Ihrer Prinzessin in „Die Schöne und das Biest“ gemein.
Catterfeld: Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Christophe wies mich dann irgendwann auf diese Ähnlichkeit hin. Dass da eine Waldnymphe sich in gewisser Weise opfert, weil sie die Liebe erfahren will, wissen will, wie sich die Liebe anfühlt, das ist schon eine schöne, märchenhafte Geschichte. Aber mir gefällt auch, dass sich dieser Film nicht nur wie ein altes Märchen anfühlt. Die Szenen mit der Familie zu Beginn, mit dem Vater, der in Geldnot gerät, das wirkt auf mich auch sehr zeitlos. Geradezu modern.

Was macht denn einen Mann zum Biest, oder anders gefragt: Wie könnte ein Biest aussehen, das von einer Frau gespielt werden würde?
Catterfeld: Da fällt mir sofort der Film „Monster“ ein.

Sie meinen den Film, in dem Charlize Theron ein Vergewaltigungsopfer spielt, das dann zur Serienmörderin aus Rache wird?
Catterfeld: Ja genau. Die Frage ist ja, was ein Biest überhaupt ist. Und auch hinter dem Biest unseres Films steckt eine tragische Geschichte. Letzten Endes geht es darum, dass seine Verwandlung in ein Biest die Bestrafung ist, für eine Schuld, die er auf sich geladen hatte. Aber die Prinzessin, die ich spiele, war ja auch nicht ehrlich und das wurde ihr zum Verhängnis. Für mich stellte sich vor allem die Frage: Wer ist man selbst? Man hat ja oft Vorurteile gegenüber anderen, lernt die dann kennen und merkt, dass die ganz anders sind, als man dachte. Für mich selbst geht es im Leben darum, zu wissen, wer man ist und dann auch darum, zu sein wer man ist. Und das ist unserem Biest nicht wirklich gelungen. Aber aufs alltägliche Leben bezogen, würde ich sagen: Ein Biest ist jemand, der keine Werte hat und einfach egoman seine Interessen durchsetzt.

Ist es nicht auch etwas enttäuschend, dass sich am Ende von „Die Schöne und das Biest“ das Biest wieder in einen schönen Prinzen verwandelt, obwohl die Schöne gerade gelernt hat, es so zu lieben, wie es ist?
Catterfeld: Mir hat gerade erst ein Kollege erzählt, dass es ihm ähnlich gegangen ist, er kannte das Ende des Märchens nämlich noch gar nicht. Aber letztlich ist das ja eine Metapher für eine Hoffnung, für die Idealvorstellung, dass trotz aller Schattenseiten in jedem Menschen am Ende auch Schönheit steckt.

Kann Christophe Gans bei Dreharbeiten auch mal zum Biest werden?
Catterfeld: Ich habe ihn so nicht erlebt. Er war immer bestens gelaunt und sehr entspannt. Im Sinne der Kunst würde man sicher auch manches mitmachen, aber ich frage mich, ob das bei einem Film wirklich sein muss. Es gibt verschiedene Methoden, um den Schauspieler zu etwas zu bringen und das muss nicht die cholerische Variante sein. Es kann auch über Anerkennung und Ermutigung gehen. Es geht ja oft darum, jemanden für etwas zu öffnen. Das finde ich viel wichtiger, als jemanden sadistisch irgendwo hinzutreiben und fertig zu machen, sodass die dann am Boden krauchen und am Ende des Film kein Selbstwert mehr haben. Sowas finde ich eigentlich schlimm.

Das heißt, der Schauspieler ist ein Biest, das nicht gezähmt, sondern erkannt werden will?
Catterfeld: (Lacht) Ja, so kann man das vielleicht sagen.

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